Preußische Kriege1740 - 1792 |
Die schlesischen KriegeDer siebenjährige Krieg
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VorgeschichteIm Oktober 1748 hatte die finanzielle Erschöpfung der am Österreichischen Erbfolgekrieg beteiligten Mächte zum Abschluß des Friedens von Aachen geführt. Sein wichtigstes Ereignis bestand darin, daß Preußen die Eroberung Schlesiens und der Grafschaft Glatz nochmals bestätigt erhielt. Die zwischen Frankreich und England bestehenden Streitfragen löste der Vertrag jedoch nicht. Der koloniale Gegensatz blieb bestehen. Die Plänkeleien in den Kolonien, vor allem in Nordamerika, dauerten auch nach dem Friedensschluß fort. Mit dem Ausbruch offener Feindseligkeiten zwischen England und Frankreich in Nordamerika, aber auch in Indien und im Mittelmeer begannen beide Seiten fieberhaft nach Verbündeten in Europa zu suchen, wo sich der Kampf um die koloniale Vorherrschaft entscheiden mußte. Die Sorge Englands um Hannover bildete dabei das Bindeglied zwischen der kolonialen und der europäischen Frage. Da England der französischen Landmacht nicht gewachsen war, suchte es sich auf dem europäischen Kontinent einen Verbündeten zu kaufen, der die Hauptaufmerksamkeit Frankreichs so in Anspruch nahm, daß sich Großbritannien unter dem Schutz einer starken Flotte ungestört auf den Kolonialkrieg konzentrieren konnte. Über die stärksten Armeen verfügten damals Frankreich, Österreich, Rußland und Preußen. England versuchte, sich den Beistand Österreichs und Rußlands beim Krieg gegen Frankreich zu sichern. Die österreichische Regierung unter Führung von Fürst Wenzel von Kaunitz war aber nur dann bereit, sich am Krieg gegen Frankreich zu beteiligen, wenn ihm England die Wiedereroberung Schlesiens und der Grafschaft Glatz ermöglichte; denn die österreichische Monarchie betrachtete Preußen als ihren Hauptgegner. Für die englischen Politiker war jedoch die Niederwerfung Frankreichs der entscheidende Gesichtspunkt, und sie weigerten sich, den kostspieligen antipreußischen Plänen Österreichs zuzustimmen. Die Verhandlungen blieben ergebnislos. Mehr Erfolg hatte die britische Diplomatie dagegen am Zarenhof.
Als der preußische Hof vom russisch-englischen Abkommen erfuhr - der englische Staatssekretär hatte den preußischen Gesandten in London unmittelbar nach dem Abschluß darüber informiert -‚ war er über die Möglichkeit, daß sich russische Truppen in Nordwestdeutschland festsetzen könnten, sehr beunruhigt. Er sah darin eine Gefahr, doch in den bevorstehenden englisch-französischen Krieg verwickelt zu werden. Die Maxime der preußischen Politik in den Vorkriegsjahren hatte aber gerade darin bestanden, sich aus dem Konflikt der beiden Großmächte herauszuhalten, um nicht die Gefahr heraufzubeschwören, das eben erst eroberte Schlesien in einem Krieg wieder zu verlieren. Dies um so mehr, als der russische Hof kein Hehl daraus machte, daß ihm das erstarkte Preußen für seine Interessen in Polen und Schweden gefährlich werden könne und deshalb als Gegner anzusehen sei.Der preußische König entschied sich deshalb, ein Abkommen mit England zu treffen. Am 16. Januar 1756 schloß er mit ihm die Konvention von Westminster, worin sich beide Teile verpflichteten, den Frieden in Deutschland aufrechtzuerhalten und sich dem Ein- und Durchmarsch aller Truppen fremder Mächte zu widersetzen. Damit war Hannover den Russen, aber auch den Franzosen versperrt. Friedrich glaubte so, den russischen Bären an die englische Kette gelegt zu haben, und meinte, die Kriegsgefahr wäre beseitigt, weil ohne die Unterstützung Rußlands auch Österreich keinen Krieg wagen würde.
Aber seine Rechnung war falsch; denn er hatte die Abhängigkeit Rußlands von England über- und die Empörung des französischen Hofes über die preußische Annäherung an England unterschätzt. Die österreichische Diplomatie nutzte die Verstimmung in Paris und in Petersburg aus, um die Bildung einer österreichisch-russisch-französischen Koalition voranzutreiben. Am 13. März 1756 ließ Kaunitz in Petersburg anfragen, ob Rußland bereit sei, womöglich noch in diesem Frühjahr mit 60.000 bis 70.000 Mann gegen Preußen ins Feld zu ziehen, wenn Österreich gleichzeitig mit wenigstens 80.000 Mann angriffe. Am 5. April gab Zarin Elisabeth ihre völlige Zustimmung zu diesem Vorschlag und erklärte, sie wolle die Waffen nicht eher niederlegen, bis Österreich Schlesien wiedergewonnen habe. Sie bedang sich dafür Kurland und Semgallen aus, wofür Polen mit Ostpreußen entschädigt werden sollte. Auch am französischen Hof erzielte die österreichische Politik Erfolge. Einflußreiche Kreise Frankreichs empfanden das preußisch-englische Abkommen als einen Schlag gegen ihre Interessen, weil es ihnen den Weg nach Hannover versperrte und England nun die Möglichkeit hatte, alle ihm zur Verfügung stehenden Truppen in England und in Übersee zu konzentrieren. Eine starke Partei am Versailler Hof ging davon aus, daß jetzt nicht mehr Österreich, sondern England der Hauptgegner Frankreichs war. Man war deshalb entschlossen, Preußen, dessen Hauptaufgabe es sein sollte, als «Stachel im Fleische Habsburgs» zu wirken, aufzugeben, wenn man auch darauf bedacht war, keine völlige Zerschlagung Preußens zuzulassen. Es sollte immerhin noch so stark bleiben, um nötigenfalls ein Gegengewicht gegen Österreich bilden zu können. Hinzu kam, daß Österreich versprach, Frankreich die österreichischen Niederlande abzutreten, sobald es Schlesien und die Grafschaft Glatz zurückgewonnen habe. Dieses Angebot entschied schließlich den Beitritt Frankreichs zur antipreußischen Koalition, eine Maßnahme, die allen Traditionen der französischen Außenpolitik widersprach und von den Zeitgenossen als eine «diplomatische Revolution» empfunden wurde.
Am 1.Mai 1756 schlossen Frankreich und Österreich ein Defensivbündnis, in dem sie sich ihre in Europa gelegenen Besitzungen garantierten und versprachen, im Fall eines Angriffs einander mit 24.000 Mann zu Hilfe zu kommen. Auch Schweden und Sachsen traten der österreichisch-französisch-russischen Koalition bei. Schweden befürchtete ein preußisches Vorgehen gegen seine pommerschen Besitzungen, während Sachsen — von Preußen jahrelang in einem erbittert geführten Wirtschaftskrieg befehdet, der sich auf seinen Handel mit Polen auswirkte — gleichfalls die Besorgnis hegte, daß der preußische Junkerstaat die Annexion Sachsens beabsichtigte. Nach österreichischen Plänen sollte Preußen auf das Maß eines Kurfürstentums zurückgeschnitten werden. Pommern sollte zu Schweden, Magdeburg zu Sachsen, Kleve-Mark an die Kurpfalz und Ostpreußen an Polen abgetreten werden. Am Vorabend des Siebenjährigen Krieges standen sich also die von Österreich und Frankreich geführte mächtige Koalition einerseits sowie England und das in Mitteleuropa isolierte Preußen andererseits gegenüber. Preußen am Vorabend des KriegesFriedrich II. meinte, ihm wäre durch den Abschluß der Westminster-Konvention ein kluger Schachzug gelungen, durch den Preußen für ein weiteres Jahr vor dem Kriege bewahrt würde. Aber er hatte seine diplomatische Geschicklichkeit weit überschätzt. Anstatt die Kriegsgefahr zu bannen, beschwor er sie geradezu herauf. Das wichtigste Ergebnis der Westminster-Konvention war, daß er seinen Alliierten Frankreich direkt in das Lager seiner Gegner trieb.
Weder Österreich noch Preußen verfolgten dabei nationale Interessen, sondern ließen sich ausschließlich von dynastischen Zielen leiten. Preußen trug dabei Frankreich an, deutsche Gebiete zu erobern, und lud die Türkei ein, sich Teile der Habsburger Monarchie einzuverleiben, während auch Österreich nicht zögerte, Teile Deutschlands Rußland und Frankreich anzubieten. Der Berliner Hof glaubte in den ersten Monaten des Jahres 1756 weiterhin fest, daß Preußen keine Gefahr drohte. Friedrich schenkte den Warnungen seiner Diplomaten keine Beachtung. Erst im Juni 1756 erhielt er mittels seines weitverzweigten Spionagenetzes Kenntnis von einer französisch-russischen Annäherung und von russischen Truppenbewegungen. Diese überraschenden Meldungen versetzten den König in höchste Aufregung. Er betrachtete plötzlich den Krieg als unvermeidbar und dicht bevorstehend. Gerade zu diesem Zeitpunkt schwand aber die drohende Kriegsgefahr, weil Österreich auf Grund der zögernden Haltung des französischen Kabinetts Rußland ersuchte, seine Truppenzusammenziehungen einzustellen und auf das nächste Jahr zu verschieben. Ende Juni befahl Friedrich, die Regimenter in Ostpreußen und in Schlesien zu mobilisieren. Die Truppen riefen ihre Beurlaubten ein, Pferde wurden angekauft und die Magazine aufgefüllt. Die österreichische Führung befürchtete nun, daß Preußen noch 1756 zum Angriff schreite, und traf ebenfalls entsprechende Mobilmachungsmaßnahmen. Am 26. Juli 1756 ließ Friedrich durch seinen Gesandten Joachim Wilhelm von Klinggräf bei Maria Theresia anfragen, welchen Zweck sie mit ihren Truppenrüstungen verfolge und ob sie ihn etwa anzugreifen beabsichtige. Das war schon eine halbe Kriegserklärung, denn der Wiener Hof konnte Friedrichs Frage nicht einfach verneinen, ohne sich zu demütigen. Er antwortete deshalb kurz und ausweichend. Inzwischen hatte Friedrich II. durch die Indiskretion des holländischen Gesandten in Petersburg Kenntnis von der Verschiebung des österreichisch-russischen Angriffs auf das folgende Jahr erhalten. Er wollte aber verhindern, daß seine Gegner ihre Rüstungen beenden konnten, und entschloß sich, ihrem Angriff durch eine Offensive zuvorzukommen. Der preußische König griff zum Mittel des Präventivkrieges, weil die Armee bei dem militaristischen Charakter des preußischen Staates bedeutend schneller mobilisiert werden konnte, als es Österreich, Frankreich oder gar Rußland vermochten.
Taktisch hatte sich die preußische Armee in den Jahren zwischen 1746 und 1756 weiterentwickelt. Sie waren die fruchtbarsten in der militärischen Tätigkeit Friedrichs II., in denen er unablässig bemüht war, die Kriegserfahrungen auszuwerten, aufmerk sam die Entwicklung der Kriegskunst verfolgte und eine möglichst gefechtsnahe Ausbildung durchführen ließ. Das Ergebnis dieser Tätigkeit fand Ausdruck in Friedrichs «Generalprinzipien vom Kriege» (1753), in den «Gedanken und allgemeinen Regeln für den Krieg» (1755), dem neuen Infanteriereglement von 1748 wie auch in den erstmals in Preußen durchgeführten General-Revuen und den großen Herbstmanövern, in denen der preußische König unter gefechtsmäßigen Bedingungen neue taktische Varianten erprobte und auch zuerst die schräge Schlachtordnung durchexerzierte. Diese Anstrengungen hatten zur Folge, daß die preußische Armee am Vorabend des Siebenjährigen Krieges über eine Schlagkraft verfügte, wie sie unter Friedrich II. niemals mehr erreicht werden sollte.Um sich eher im Besitz Schlesiens halten zu können, ließ Friedrich II. zwischen 1746 und 1756 Schweidnitz, Glatz, Neiße, Kosel und Glogau zu Festungen ausbauen, die entlang der Gebirgspässe nach Böhmen und Mähren gleichsam eine erste Sperrlinie bildeten und jeden österreichischen Vormarsch in die Provinz erheblich verzögern mußten. Das war ein Faktor, der sich wesentlich begünstigend auf die preußische Kriegführung im Siebenjährigen Krieg auswirkte.
Auch die österreichische Heeresleitung war nach 1748 nicht untätig geblieben, den Wert ihrer Armee zu erhöhen. Die absolutistische Zentralgewalt übernahm auch hier stärker als zuvor die Verantwortung für den Unterhalt des Heeres, erhöhte ihre Einflußnahme auf das Offizierskorps, insbesondere auf die Regimentsinhaber, und bemühte sich durch Reform der Verwaltung, die Mittel für regelmäßige Verpflegung, einheitliche Bekleidung und genügende Ausrüstung der Soldaten aufzubringen. Mit dem 1749 in Kraft getretenen Infanteriereglement (1751 für die Kavallerie) wurde erstmals eine einheitliche Ausbildungsvorschrift für das Habsburger Heer erlassen. Es sollte Schluß mit den widerspruchsvollen und unterschiedlichen Regelungen machen, die bislang von den einzelnen Regimentsinhabern erlassen worden waren. Trotz aller Anstrengungen erreichte die österreichische Armee die Soll-Stärke nicht. Zu Ausbruch des Krieges fehlten allein bei der Infanterie 10.000 Mann. Auch die Kavallerie erlangte nicht den ihr befohlenen Stand. Das kaiserliche Heer war 1756 noch keineswegs in der Verfassung, in einen Krieg einzutreten. Die Kavallerie hatte noch Friedensstärke, die Truppen waren auf die habsburgischen Lande verteilt, die Regimenter nicht marschbereit, weil es häufig noch an Waffen, Munition und Ausrüstungsgegenständen mangelte. Die russischen Landstreitkräfte zählten nach dem Soll-Stand bei Beginn des Krieges 331.422 Mann. Für Angriffsoperationen sollten 176.000 Mann Feldtruppen und über 43.000 Kosaken eingesetzt werden, also rund 220.000 Mann. Diese Stärke wurde aber in den Kriegsjahren nie erreicht. Sie schwankte zwischen 150.000 und 160.000 Soldaten. Die französische Armee galt noch als eine dem ersten Europas. Doch ihr Wert war bereits tief gesunken. Die Mißstände des Ancien regime offenbarten sich in der Armee in einer Reihe von Verfallserscheinungen, die wesentlich dazu beitrugen, daß die französischen Truppen während des Krieges wenig erfolgreich operierten. Insgesamt konnte Frankreich 213.300 Mann Feldtruppen aufbieten. Der preußische Feldzugsplan war von der geographischen Lage des Landes, seinen voraussichtlichen Gegnern und der Finanzlage des Staates bestimmt. Ziel des Planes war es, den Gegner durch überraschende Schläge und durch die Gewinnung eines politischen Faustpfandes zu Friedensverhandlungen zu zwingen. Die späte Jahreszeit, zu der Preußen den Angriff eröffnete, machte es unwahrscheinlich, daß die Masse der russischen Armee noch 1756 in den Krieg eintreten konnte. Auch eine französische Offensive war für dieses Jahr nicht mehr zu erwarten. Dementsprechend bezogen die preußischen Truppen folgende Räume:
Die Aufgabe der Schlesischen und Ostpreußischen Armee sollte es sein, die österreichischen beziehungsweise russischen Truppen an einem Einbruch nach Preußen oder Schlesien zu hindern. Das Reservekorps war gegebenenfalls zur Verstärkung der ostpreußischen Truppen heranzuziehen. Den Hauptschlag wollte Friedrich II. gegen Sachsen und Böhmen führen. Diesem Plan lagen folgende Erwägungen zugrunde: Die sächsische Armee war schwach, und das Land konnte von Preußen aus schnell überrannt werden. Befand sich Preußen im Besitz Sachsens, so hatten die Truppen eine günstige Operationsbasis: Einerseits konnte sich die preußische Kriegführung dann ungehindert der beiden großen Wasserwege Oder und Elbe bedienen, um die Truppen aus den Hauptmagazinen, die entlang der Flüsse lagen, stetig versorgen zu können - Österreich war dagegen auf weite Landwege über beschwerliche Gebirgszüge angewiesen -‚ andererseits war von Sachsen aus jederzeit ein Vorstoß nach Böhmen oder Mähren möglich. Ferner war es vorteilhaft, den Krieg auf ein fremdes Gebiet zu tragen und es in hohem Maße zu den Kriegskosten heranzuziehen. Friedrich erklärte zynisch: «Sachsen ist wie ein Mehlsack. Man mag darauf schlagen, so oft man will, so kommt immer etwas heraus.»Der Einmarsch in SachsenDie preußischen Truppen des Hauptheers wurden in drei Kolonnen zum Einmarsch in Sachsen bereitgestellt.
Obwohl die Konzentrierung der Truppen streng geheimgehalten wurde, erfuhr die sächsische Heeresleitung vom preußischen Aufmarsch und zog ihre Truppen ab Ende August im Raum Pirna zusammen. Am 29.August 1756 drangen die preußischen Regimenter ohne Kriegserklärung auf sächsisches Gebiet vor. Friedrich II. hatte den Krieg entfesselt. Durch seinen Gesandten Hans Dietrich von Maltzahn wollte er in Dresden zwar den Überfall damit erklären, daß die preußischen Truppen nur nach Böhmen durchzumarschieren beabsichtigten, in Wirklichkeit traf er aber alle Vorbereitungen zur Zerschlagung der sächsischen Armee. Ohne auf Widerstand zu stoßen, bemächtigten sich die preußischen Truppen am 9. September 1756 Dresdens, wo sie 500 Kanonen und andere Waffen erbeuteten. Nachdem sich der preußische König fast in den Besitz des gesamten Landes gesetzt hatte, forderte er die sächsische Regierung auf, sich ihm bedingungslos anzuschließen. Die Weigerung des sächsischen Kabinetts beantwortete Friedrich mit der Einschließung der sächsischen Armee bei Pirna. Die österreichische Führung hatte seit Juli zwar einen preußischen Angriff erwartet, aber angenommen, daß Friedrich die Neutralität Sachsens respektieren und von Schlesien aus nach Böhmen oder Mähren vorstoßen würde. Sie hatte deshalb dort zwei Armeen versammelt, die den preußischen Angriff abwehren sollten. Der unerwartete preußische Überfall brachte die österreichische Führung in eine schwierige Lage, da sie einen gleichzeitigen Angriff von Schlesien und Sachsen her befürchten mußte. Sie befahl deshalb General Octavio Piccolomini, die Stellungen Brownes - gegenüber der Schlesischen Armee - zu übernehmen, während dieser nach Nordböhmen abzumarschieren hatte und eine Vereinigung mit dem sächsischen Heer anstreben sollte. Vorerst konnte er aber nur schwache Vorausabteilungen nach Pirna in Marsch setzen.
Die Preußen hatten sich zwar unter blutigen Verlusten (2906 Mann, davon 727 Tote, 1879 Verwundete und 300 Gefangene beziehungsweise Deserteure) auf dem Schlachtfeld behauptet, konnten aber nicht verhindern, daß sich eine 8.000 Mann starke österreichische Abteilung zwischen ihre Truppen schob und am 11. Oktober Bad Schandau erreichte. Doch der sächsischen Führung blieb die Ankunft der Österreicher verborgen. Ihr Versuch, eine Verbindung zu ihnen herzustellen, kam deshalb zu spät. Ehe das sächsische Heer eine Brücke über die Elbe geschlagen hatte, war Browne am 14. Oktober bereits nach Böhmen zurückgewichen. Die sächsischen Truppen blieben im Gegensatz zu ihrem Hof, der auf dem Königstein Zuflucht genommen hatte und dem täglich ein von preußischen Soldaten eskortierter Proviantzug zugeleitet wurde, ohne Verpflegung. Das sächsische Heer am Lilienstein geriet in eine jammervolle Lage. «Zwei und siebzig Stunden», berichtet ein Augenzeuge, «wovon es 48 unaufhörlich regnete, hatten wir ohne Brot und Lebensmittel unter freiem Himmel und unter dem Gewehre zugebracht. Wenigen blieb andere Speise übrig als Wurzeln längst verzehrter Früchte, gekochter Puder mit Pulver gesalzen, war eine Labung und Holz das Futter der Pferde.» Am 16. Oktober streckte die sächsische Armee die Waffen. Alle sächsischen Kriegsvorräte wanderten nach Magdeburg ab. Die Gehälter der sächsischen Beamten wurden drastisch vermindert, die der Landeskollegien und Kanzleien von bisher 190 000 Taler auf 30 000. Ganz besondere Rache ließ Friedrich an den Besitzungen des sächsischen Ministers Graf Heinrich von Brühl üben, in dem er einen der Rädelsführer beim Zustandekommen der gegen Preußen gerichteten Koalition wähnte. Brühls Schlösser Belvedere in Dresden, Nischwitz bei Wurzen, Grochwitz bei Herzberg wurden 1757 hart mitgenommen und das Schloß Pförten ließ Preußens König am 5. September 1758 durch einen Husarenschwarm in Brand stecken. Der preußische König benutzte die Übergabe des sächsischen Heeres, um einen selbst für die damalige Zeit beispiellosen Gewaltakt zu verüben. Er befahl dem mit den Kapitulationsverhandlungen betrauten Fürsten Moritz von Dessau, einem rücksichtslos durchgreifenden, schroffen Landsknechtstyp, die sächsischen Regimenter in die preußische Armee einzugliedern. Die entwaffneten sächsischen Regimenter wurden dazu einzeln auf einen großen Platz zwischen Waltersdorf und Niederrathen gebracht, dort von preußischen Truppen umgeben und gezwungen, einen Treueid auf Friedrich II. abzulegen. Trotz der Drohungen der preußischen Offiziere verweigerte ihn eine Anzahl sächsischer Regimenter. Man enthielt ihnen die Verpflegung vor, beschimpfte und mißhandelte sie, bis sie sich bereit erklärten, in preußische Dienste zu treten. Auf diese Weise gelang es, die preußische Armee um rund 17 000 Soldaten zu verstärken.
Neben diesem Blutzoll erhöhten sie den Geldzoll Jahr um Jahr. Friedrich preßte so aus Sachsen 1757 3 Millionen, 1758 5,1, 1759 6 und von da ab jährlich 12,5 Millionen Taler heraus. Bei der Eintreibung dieser Summen wurden die härtesten Zwangsmaßnahmen ergriffen, die von der Festsetzung sächsischer Bürger als Geiseln bis zur Beschlagnahme ihres Vermögens reichten. Sachsen hatte von den deutschen Ländern am schwersten unter dem Krieg zu leiden. Die Feldzüge im Jahre 1757Preußischer und österreichischer Feldzugsplan Der preußische Überfall auf Sachsen verbesserte zwar die militärische Lage Friedrichs, bewirkte aber auch, daß sich die bisher lose Koalition zwischen Österreich, Rußland und Frankreich enger zusammenschloß. Friedrich selbst hatte durch seinen Präventivkrieg den Anlaß gegeben, daß das Verteidigungsbündnis zwischen Frankreich und Österreich in ein Angriffsbündnis umgewandelt werden sollte. Auch Schweden schloß sich endgültig der antipreußischen Koalition an. Am 29. Januar 1757 wurde schließlich der Reichskrieg gegen Preußen erklärt. Friedrich II. mußte nun mit einem Angriff von drei Seiten rechnen. Allerdings kam ihm zustatten, daß weder Rußland noch Frankreich bereits völlig aufgerüstet hatten. Sie konnten frühestens im Sommer 1757 zum Angriff auf Preußen antreten. Darauf gestützt, entwarf die preußische Führung ihren Feldzugsplan. Während sich Friedrich anfangs völlig defensiv verhalten wollte und von Sachsen aus, auf der inneren Linie operierend, dem jeweils stärksten Gegner entgegentreten wollte, entschloß er sich - auf den Rat des Feldmarschalls Schwerin und vor allem des Generals Winterfeld hin -‚ nach Böhmen vorzustoßen, das österreichische Heer zu schlagen und auf diese Weise den Wiener Hof zu Friedensverhandlungen geneigt zu machen, noch ehe die französischen und die russischen Armeen auf dem Kriegsschauplatz eintreffen konnten. Im einzelnen sah der Plan vor, daß die preußischen Armeen gleichzeitig in vier Gruppen in Böhmen einbrechen und sich bei Prag vereinigen sollten. Die Stärke des Feldheeres betrug 140.000 Mann mit 2.000 Feldartilleristen und 140 schweren Kanonen.
Diese vier Gruppierungen sollten sich gegenseitig unterstützen, wenn eine von ihnen auf heftigen österreichischen Widerstand stieß. Als vorläufiges Operationsziel war Prag angegeben worden. Das schwierigste Problem des Feldzugs bestand in der Versorgung der Truppen mit Proviant und der Pferde mit Futter. Eine der Hauptaufgaben war es deshalb, schnell und überraschend die österreichischen Truppen in ihren Quartieren anzugreifen und ihnen die gefüllten Magazine zu entreißen. Nur auf diese Weise konnte ein schneller Vormarsch gesichert werden, weil sonst die Heranführung der Lebensmittel zu viel Zeit beansprucht hätte und so das Überraschungsmoment verlorengegangen wäre. Österreich hatte die winterliche Ruhepause ausgenutzt, um seine Rüstungen abzuschließen. Es hatte Aushebungen angeordnet, neue Regimenter aufgestellt und den Artilleriepark vervollständigt. Der von Prinz Karl von Lothringen im Februar 1757 entworfene Feldzugsplan sah vor, den Hauptschlag gegen die Lausitz zu führen. Von dort aus konnte man im Zusammenwirken mit den russischen oder französischen Truppen entweder nach Niederschlesien oder über Görlitz nach Brandenburg vorstoßen. Österreich hielt es für ratsam, den Feldzug zu einem späten Zeitpunkt zu eröffnen, weil nur dann die Verbündeten seine Operationen wirksam erleichtern konnten. Der Aufmarsch der österreichischen Truppen in Böhmen und Mähren trug ebenfalls offensiven Charakter; denn sie erwarteten nicht, daß die Preußen zu einem größeren Unternehmen schreiten würden. Das österreichische Hauptheer war in fünf Gruppen eingeteilt. Die Stärke des österreichischen Operationsheeres in Böhmen allein betrug 113.400 Mann mit 4.600 Feldartilleristen und 72 schweren Kanonen.
Der Feldzug in Böhmen Zwischen dem 18. und 22. April fiel das preußische Heer in vier großen Kolonnen in Böhmen ein. Bis auf das Korps Bevern, das sich im Treffen bei Reichenberg (21. April) die Vormarschstraße gegen den Widerstand des Korps Königsegg freikämpfen mußte, drangen sie unangefochten vor. Die österreichische Führung, die anfangs nur an Streifzüge einzelner preußischer Regimenter glaubte, versäumte es, rasch den einzelnen preußischen Kolonnen entgegenzutreten. So gelang es den Preußen, sich in den Besitz großer österreichischer Magazine zu setzen und sich Anfang Mai bei Prag zu vereinen. Dagegen hatten es die Österreicher nicht erreicht, daß sie über alle ihre Kräfte bei Prag verfügen konnten. Das Korps Serbelloni stand vielmehr immer noch im Raum Königgrätz, weil es um die Sicherheit seiner Magazine besorgt war. Erst auf energische Befehle des österreichischen Oberbefehlshabers hin marschierte es in Richtung Prag ab, traf aber zu spät ein, um noch an der Schlacht teilnehmen zu können. Die österreichische Generalität hatte sich trotzdem entschlossen, den Verlust der mit großen Vorräten versehenen Festung Prag mit allen Mitteln zu vermeiden. Am 6. Mai 1757 trafen die beiden Heere unter den Mauern der Stadt zur Schlacht von Prag zusammen. Der Sieg bei Prag rief im preußischen Lager große Begeisterung hervor. Friedrich II., der an eine schnelle Übergabe der Festung glaubte, meinte, damit wäre der Krieg mit Österreich beendet, noch ehe Frankreich und Rußland wirksam in die Kämpfe eingreifen konnten. Sofort lebten auch weitgehende Eroberungspläne auf. Der preußische König vertrat die Auffassung, das geschwächte Österreich müsse jetzt dem Eintausch Sachsens gegen Teile Böhmens zustimmen.
Die österreichische Führung hatte indessen alle Anstrengungen unternommen, eine neue Feldarmee in Böhmen aufzustellen. Aus den Korps Serbelloni und Nádasdy, aus Versprengten und zahlreichen desertierten sächsischen Soldaten sowie durch Neuaufstellungen schuf sie eine neue Armee unter Generalfeldmarschall Leopold von Daun. Sie erhielt den Auftrag, Prag zu entsetzen. Mitte Juni betrug ihre Stärke 54.000 Mann mit 60 schweren Kanonen. Durch geschickte Manöver versuchte sie, Friedrich zur Aufhebung der Belagerung zu veranlassen. Der preußische König hatte zu ihrer Beobachtung ein Korps unter dem Herzog von Bevern mit etwa 18.000 Mann entsandt. Bevern wandte sich angesichts der wachsenden Stärke der österreichischen Armee immer häufiger und dringlicher an Friedrich mit der Bitte um Verstärkung. Der preußische König mußte sich endlich entschließen, gegen Daun vorzugehen, weil er nicht mehr in der Lage war, gleichzeitig die Belagerung aufrechtzuerhalten und die am Weg nach Schlesien liegenden lebenswichtigen Magazine in Brandeis und Nimburg zu decken. Er schwächte deshalb die Belagerungsarmee um rund 10.000 Mann und vereinigte sich am 14. Juni mit dem Korps Bevern. Seine ursprüngliche Absicht war, Dauns Armee durch Manövrieren so weit wie möglich zurückzudrängen. Da die österreichische Armee jedoch gut befestigte Stellungen in unmittelbarer Nähe Prags bezog, blieb dem preußischen König kein anderes Mittel, als das Äußerste zu wagen und Daun anzugreifen. Am 18.Juni 1757 trafen beide Armeen bei Kolin aufeinander.
Die Stärke der österreichischen Streitkräfte in Böhmen betrug nun über 93.000 Mann mit 140 schweren Kanonen. Die Hauptkräfte des Heeres, 73.000 Mann, folgten der Armee des Prinzen von Preußen und drangen Ende Juli in die Lausitz ein. Friedrich II. war daraufhin gezwungen, sein Lager bei Leitmeritz abzubrechen und sich nach Sachsen zurückzuziehen, wo er sich am 4. August mit dem Rest seiner Armee vereinigte. Der böhmische Feldzug war damit nach viermonatiger Dauer unter hohen Verlusten gescheitert. Preußen hatte keines der angestrebten politischen oder militärischen Ziele erreichen können. Vielmehr hatte sich die militärische Stärke des preußischen Heeres im Ergebnis der hohen Verluste und der zahlreichen Desertionen rasch vermindert. Es bestand auch nicht die Aussicht, durch Werbung die Truppen wieder aufzufüllen, weil die Finanzmittel des Staates nahezu erschöpft waren. Schon Ende 1756 waren nur noch 6,5 Millionen Taler von ursprünglich 13,1 Millionen im Staatsschatz vorhanden gewesen. Bis Ausgang des Jahres 1757 verringerte sich diese Summe auf 1,2 Millionen Taler, und das trotz der Anleihen aus den Provinzen in Höhe von 3,5 Millionen Talern, der sächsischen Kontributionen und der Gewinne aus der seit Ende 1756 einsetzenden Münzverschlechterung. 1756 hatte nämlich Friedrich befohlen, daß statt 14 Taler auf die feine Mark Silber 19,75 Taler ausgeprägt werden sollten; für die feine Mark Gold sollten statt 38,66 Friedrichsdor 54,5 hergestellt werden.
Auch eine Anzahl bisher noch neutraler deutscher Fürsten schloß sich der bourbonisch- habsburgischen Partei an. Ohne auch nur einen Hauptgegner entscheidend geschwächt zu haben, sah sich der preußische König mit seiner dezimierten Armee jetzt der Realität eines Mehrfrontenkrieges gegenüber. Zudem bestand in den politischen und militärischen Kreisen Preußens Unzufriedenheit über seinen voreiligen Entschluß zum Krieg und seine verfehlte Strategie, der er mit Denkschriften, aber auch mit brutaler Gewalt zu begegnen suchte. Er gestand zwar ein, daß er nicht mit der Beteiligung Frankreichs am Kriege gegen Preußen gerechnet habe, meinte aber, daß dieser Entschluß nicht endgültig sei. Sofort nach der Schlacht bei Kolin versuchte er deshalb, Friedensverhandlungen mit Frankreich zu eröffnen. Umfangreiche Summen und beträchtliche Mittel wurden zur Bestechung maßgeblicher französischer Persönlichkeiten bereitgestellt. Der Marquise de Pompadour, der Favoritin Ludwigs XV., wurden 500 000 Taler oder das Herzogtum Neufchatel und Valengin angeboten, wenn sie sich im Sinne Preußens verwenden würde. Aber alle Versuche in dieser Richtung, auch die Voltaires, schlugen fehl. Frankreich gab zu verstehen, daß an Friedensverhandlungen nicht zu denken sei. Die innere Geschlossenheit der preußischen Armee stellte Friedrich durch eine Reihe von Abberufungen militärischer Führer von ihrem Posten, ihre Verurteilung zu langjährigen Kerkerstrafen oder Entlassung wieder her. Im Oktober 1757 verfügte Friedrich II. noch über 88.000 Mann Feldtruppen, das waren über 30.000 Mann weniger als bei Ausbruch des Krieges.
Die verschiedenen Gruppierungen hatten die Aufgabe, dem kombinierten Angriff der Verbündeten, den man aus drei Hauptrichtungen erwartete, zu widerstehen. Rußlands Eingriff in den Krieg Die Sicherung Ostpreußens war dem Korps Lehwaldt übertragen worden. Dagegen trat eine 88.000 Mann starke russische Armee unter Generalfeldmarschall Apraxin an. Sein Ziel war es, dem Lehwaldtschen Korps den Rückzug nach Westen abzuschneiden, es zur Schlacht zu stellen und zu vernichten. Zu diesem Zweck teilte Stephan Apraxin seine Armee in drei Kolonnen. Die stärkste sollte direkt über Kowno-Grodno nach Königsberg marschieren. Ihr Vorgehen hatten das Korps Fermor von Norden her und eine Kavallerieabteilung von Südosten her zu unterstützen. Während das Korps Fermor gleichzeitig die Aufgabe erhielt, sich in den Besitz der Festung Memel zu setzen, wurde den Kavalleristen befohlen, die Verbindung nach Pommern abzuschneiden. Dieser Plan konnte nicht verwirklicht werden, weil das Kavalleriekorps in den Wäldern nur langsam vorwärts kam. Ende Juni 1757 rückten die russischen Truppen frontal in Ostpreußen ein. Am 5. Juli nahmen sie die Festung Memel, und am 13. August vereinigten sich die drei russischen Kolonnen schließlich bei Insterburg. Die Stärke der russischen Armee betrug allerdings nur noch 55.000 Mann. Apraxin, dessen Armee schwer unter der unzureichenden Versorgung litt, entschloß sich am 23. August, nach Königsberg aufzubrechen. Von dort aus konnte auf dem Seeweg die Ernährung seiner Truppen sichergestellt werden. Lehwaldt suchte die Einnahme Königsbergs unter allen Umständen zu verhindern und griff am 30. August die russische Armee bei Groß-Jägersdorf an.
Feldmarschall Lehwaldt blieb so trotz der Niederlage bei Groß-Jägersdorf im Besitz Ostpreußens. Friedrich befahl ihm aber am 29. September, Ostpreußen zu verlassen und sich nach Pommern zu begeben, um die dort gelandeten schwedischen Truppen an einem Vorstoß in die Mark Brandenburg zu hindern. Seit Anfang September waren die schwedischen Truppen im Raum Stralsund auf 14.000 Mann verstärkt worden. Ihnen standen zweitklassige preußische Garnison- und Landbataillone in Stärke von 9.600 Mann gegenüber. Sie konnten nicht verhindern, daß sich die Schweden im September/Oktober 1757 in den Besitz Usedoms, Wollins und des größten Teiles Preußisch-Vorpommerns setzten. Ende November, nachdem die Masse der ostpreußischen Regimenter im Raum Stettin eingetroffen war, eröffneten die Preußen den Gegenangriff. Die schlecht ausgebildete und noch schlechter geführte schwedische Armee floh nach Stralsund und auf die Insel Rügen. Am 10. Januar 1758 schlossen preußische Truppen Stralsund ein. Die Gefahr eines schwedischen Vorstoßes nach Berlin war damit gebannt.
Neben dem russischen und dem schwedischen Einfall drohte Preußen die Gefahr einer französischen Invasion. Der französische Hof harte sich im Mai 1757 bereit erklärt, mit 105.000 Mann eine Offensive zu eröffnen. Ende Mai betrug die Stärke dieser Armee, die am Niederrhein stand, einschließlich österreichischer Kontingente 115.000 Mann. Anfang Juni überschritt sie den Rhein, nahm die westdeutschen Besitzungen Preußens ein und eroberte am 20. Juni Bielefeld. Gegen die französische Armee konnte Preußen nur 5000 Soldaten aufbieten. Die Hauptlast hatten das mit Preußen verbündete Hannover sowie einige mit ihm verbündete Reichsfürsten zu tragen. Alle diese Kontingente bildeten die sogenannte Observationsarmee unter dem Oberbefehl des Herzogs William Augustus von Cumberland. Ihre Stärke betrug 47.000 Mann mit 22 schweren Geschützen, darunter 27.000 Hannoveraner, 12.000 Hessen und 6.000 Braunschweiger. Der Herzog von Cumberland sah sein Hauptziel darin, Hannover vor französischer Besetzung zu bewahren. Zu diesem Zweck suchte er eine Forcierung der Weserlinie durch die Franzosen zu vereiteln. Am 16. Juli 1757 gelang es jedoch den französischen Truppen unter Führung des Marschalls Louis Charles d‘Estrées, die Weser zu überwinden. Cumberland mußte sich nun bei Hastenbeck am 26. Juli zur Schlacht stellen. Die Schlacht ging für die Observationsarmee verloren, da der französische Oberbefehlshaber, der seinen Truppen bereits den Rückzugsbefehl erteilt hatte, noch rechtzeitig erkannte, daß auch der Herzog von Cumberland den Abmarsch eingeleitet hatte. Trotz des Sieges waren die Verluste der Franzosen mit 2.300 Mann fast doppelt so hoch wie die der Observationsarmee, die nur rund 1.400 Mann eingebüßt hatte.
Mit Zustimmung des englischen Königs Georg, der als Kurfürst von Hannover Frieden mit Österreich und Frankreich schließen wollte, unterzeichnete er am 8. und Richelieu am 10. September 1757 den Vertrag von Kloster Zeven. Darin war vorgesehen, daß die hannoverschen Truppen im Raum Stade verbleiben sollten, Frankreich Hannover besetzt hielt und sich die Kontingente der anderen deutschen Fürsten auflösen sollten. Mit den Abmachungen von Kloster Zeven war der französischen Armee der Weg nach Magdeburg und Berlin freigegeben. Die Durchführung dieses Feldzugs sollte aber dem kommenden Jahr vorbehalten bleiben. Richelieu begnügte sich in der ihm noch zur Verfügung stehenden Zeit, in Richtung Halberstadt vorzufühlen. Der Hauptanschlag im Jahre 1757, der möglicherweise zur Einnahme Sachsens führen sollte, war einer zweiten französischen Armee unter Marschall Charles de Rohan, Prinz von Soubise, die im Mai 1757 in Stärke von etwa 24.000 Mann gebildet worden war, sowie der Reichsarmee, die sich aus den Kontingenten aller mit Österreich/Frankreich verbündeten deutschen Zwergfürsten zusammensetzte, übertragen worden. Ihr Oberbefehlshaber war der Marschall Joseph Friedrich, Herzog zu Sachsen-Hildburghausen, der über rund 20.000 Mann verfügen konnte. Die Kampfkraft der Reichsarmee, die man nach der Schlacht bei Kolin zusammengezogen hatte, war gering. Sie setzte sich aus zahllosen kleinen Kontingenten von einigen hundert reichsunmittelbaren Ständen zusammen. Sie wurden nur im Kriegsfall mobilisiert. Die Soldaten und Offiziere waren deshalb schlecht ausgebildet, unzureichend bewaffnet, das Offizierskorps zu alt. Einige Gebiete, die nur wenige Mann zu stellen hatten, rekrutierten ihre Soldaten aus dem Kreis von Zuchthäuslern und Landstreichern. Die Truppe war schlecht bekleidet und ernährt, weil kein geordnetes Verpflegungswesen bestand, die Waffen waren häufig unbrauchbar, die Offiziere unerfahren.
Friedrich II., der darauf hoffte, sie zur Schlacht stellen und schlagen zu können, um dadurch eine Vereinigung der Österreicher mit den Franzosen verhindern zu können, mußte am 10. Oktober das Lager von Buttelstedt aufgeben. Er war dazu gezwungen, weil die vereinigte Armee jeder Schlacht mit ihm auswich und ein österreichischer Vorstoß unter General Andreas von Hadik Berlin bedrohte. Hadik war am 10. Oktober mit 3.500 Husaren von Elsterwerda aufgebrochen, erreichte am 13. Oktober Lübben und erschien am 16. Oktober vor den Toren Berlins. Die Besatzung der Stadt betrug nur 5 schwache Bataillone Landmiliz, von denen 2 sofort im Kampf aufgerieben wurden, während die anderen samt dem Hof nach Spandau flohen. Die Berliner Bevölkerung verhielt sich gegenüber dem Einmarsch der Österreicher teilnahmslos, ja es war ihr vom Stadtpräsidenten Karl David Kircheisen sogar unter schwerer Strafe verboten worden, zu den Waffen zu greifen. Hadik erhob eine Kontribution von 215 000 Talern und rückte noch in der Nacht zum 17. Oktober eilig ab, da er vernahm, daß sich beträchtliche preußische Kräfte unter dem Fürsten Moritz und dem König der Stadt näherten. Ohne Verluste zog sich Hadik über Cottbus zu den österreichischen Linien zurück. Als Fürst Moritz am 18. Oktober in Berlin eintraf, fand er keine Österreicher mehr in der Stadt vor. Den Abzug starker preußischer Kräfte nach Berlin nutzten Hildburghausen und Soubise aus, indem sie Mitte Oktober in allgemeiner Richtung Leipzig vorgingen. Friedrich zog nach Eintreffen dieser Nachrichten alle verfügbaren Kräfte westlich von Leipzig zusammen.
Der glänzende Sieg bei Roßbach löste bei zahlreichen Deutschen große Begeisterung aus. Noch nie waren die Söldner des absolutistischen Frankreichs, die seit Jahrzehnten Deutschland als militärischen Tummelplatz und als einträgliche Plünderungspfründe ansahen, so eindeutig geschlagen worden. Das militärische Ansehen Frankreichs erlitt durch die Niederlage bei Roßbach einen heftigen Stoß. Die Wiedergewinnung Schlesiens Solange der preußische König in Sachsen operierte, sollte eine Armee unter dem Herzog von Bevern in Stärke von 32.000 Mann Schlesien decken. Dieser Aufgabe war Bevern kaum gewachsen, da die österreichische Führung über eine mehrfache Überlegenheit verfügte. Die Hauptarmee unter Prinz Karl und Daun zählte 54.000 Mann. Außerdem konnte sie noch ein 28.000 Mann starkes Korps unter General Franz Leopold von Nádasdy heranziehen. Die operative Konzeption der österreichischen Generalität sah vor, unter tunlichster Vermeidung einer Schlacht die Bevernsche Armee durch die Hauptkräfte zu überwachen, währenddessen Nádasdys Truppen die Festung Schweidnitz einnehmen sollten, deren Besitz unerläßlich war, wollte man eine gesicherte Verbindung von Schlesien nach Böhmen herstellen. Verstärkt auf 43.000 Mann, schloß das Korps Nádasdy am 24. Oktober Schweidnitz ein. Bereits am 13. November mußte die Festung übergeben werden.
Friedrich hatte nach Roßbach daran gedacht, den Österreichern eine ähnliche Niederlage wie den Franzosen bereiten zu können. Gestützt auf die Armee Bevern sowie im Besitz der schlesischen Festungen, wollte er Daun schlagen, nach Mähren eindringen und sich sogar der Festung Olmütz bemächtigen. Aber auch seine drohenden Befehle an Bevern, der ihm mit seinem Kopf für Schlesien haften sollte, konnten die Niederlagen der Schlesischen Armee nicht abwenden. Bevern gab sich nach der Schlacht bei Breslau aus Furcht vor dem Zorn Friedrichs sogar österreichischen Husaren gefangen. Die kommandierenden Generale Friedrich Wilhelm von Kyau, Lestwitz und Hans Friedrich von Katte ließ der König selbst arretieren. Lestwitz wurde wegen der Kapitulation von Breslau zum Tode verurteilt, später aber - wie Kyau und Katte - zu mehreren Jahren Festungshaft «begnadigt». Der ursprüngliche Feldzugsplan mußte nach diesen Ereignissen aufgegeben werden. Friedrich II. blieb aber entschlossen, die österreichische Armee anzugreifen, weil er ohne den Besitz Schlesiens nicht in der Lage zu sein meinte, den Krieg fortzusetzen. Weder die finanziellen Leistungen Schlesiens noch dessen Menschenpotential glaubte er für künftige Rekrutierungen entbehren zu können. Am 29. November vereinigte sich das 12.000 Mann starke königliche Heer mit den Resten der Schlesischen Armee. Die preußische Armee zählte nun 35.000 Mann. Am Vorabend der Schlacht versammelte Friedrich II. seine Generalität um sich. Theatralisch erklärte er, morgen werde man die Schlacht gewinnen oder sich nicht wiedersehen. Gleichgültig, wie ernst es ihm mit dieser Behauptung war, charakteristisch bleibt seine auch später wiederholt geübte Bedenkenlosigkeit, wie ein Roulettespieler, der sein ganzes Vermögen auf Rot oder Schwarz setzt, das Schicksal der Armee einem glücklichen Zufall oder Einfall anzuvertrauen. So kam es am 5. Dezember 1757 zur Schlacht bei Leuthen.
Die preußischen Truppen hatten bis zum Jahreswechsel außer Schweidnitz und Teilen von Oberschlesien die gesamte Provinz zurückerobert. Ende Dezember bezogen sie ebenso wie die Österreicher Winterquartiere. Der Rückzug der Österreicher aus Schlesien bestärkte den preußischen König in seiner Auffassung, daß der Krieg bis zum Frühjahr 1758 beendet sein könne. Durch Oberst Lobkowitz ließ er in Wien und durch General Mailly in Paris anfragen, ob Österreich oder Frankreich zum Frieden geneigt seien. Er erhielt zwar in beiden Fällen eine ablehnende Antwort, was ihn jedoch nicht davon abhielt, bis zum Juli 1758 auf diese oder jene Weise eine Übereinkunft erreichen zu wollen. Der preußische Hof hegte derartige Hoffnungen, weil Schlesien zurückerobert worden war und England die Konvention von Kloster Zeven nicht ratifiziert hatte. Unter der Leitung William Pitts war das britische Kabinett entschlossen, Preußen all jene Unterstützung zu geben, die England die nötige Rückendeckung in seinem Kolonialkrieg verhieß. So drang Pitts Meinung durch, daß die hannoverschen Truppen auch weiterhin starke französische Kräfte binden müßten. Er verlangte außerdem, daß Preußen mehr Truppen in Westdeutschland unterhielt, und forderte dafür die Entsendung des Korps Lehwaldt nach Hannover, während England Subsidien zahlen wollte. Friedrich II. verlangte als Gegenleistung, daß England einen Flottenverband in die Ostsee entsandte, der den Nachschub der schwedischen, vor allem aber der russischen Armee über See unterband. Dazu war aber England nicht bereit, weil für sie der Ostseehandel eine Lebensfrage war. Die Interessen des umfangreichen Handels mit Rußland standen den britischen Kaufleuten hoch über den Interessen des preußischen Verbündeten, und Pitt gab Friedrich II. zu verstehen, «wir müssen Kaufleute sein, auch während wir Krieg führen».
Der preußische König mußte im Frühjahr 1758 erkennen, daß ein weiterer Feldzug notwendig war. Wiederum gedachte er die Initiative zu ergreifen. Als Hauptgegner sah er Österreich an, dessen Armee nach der Niederlage bei Leuthen erst im Sommer die volle Stärke erreichen konnte. Dieses Schwächemoment wollte er nutzen, um sich in den Besitz entscheidender Vorteile zu setzen. Friedrich plante, Österreich in Mähren anzugreifen, die Festung Olmütz einzunehmen und die Armee Dauns, wenn sie den festen Platz entsetzen wollte, in einer Schlacht zu schlagen. Der moralische Eindruck dieser Niederlage würde, so hoffte er, Maria Theresia zum Frieden bewegen, zumindest aber verhindern, daß Österreich in den Rücken der preußischen Armee vorzustoßen vermochte, wenn sie sich nach Osten wandte, um der russischen Armee entgegenzutreten, von der man wußte, daß sie nach der Einnahme Ostpreußens im Januar 1758 einen Feldzug gegen die preußischen Kernlande vorbereitete. Die Ruhepause in den Winterquartieren nutzte Preußen, um die Armee aufzufüllen, wobei es den Ersatz an Soldaten durch Neuanwerbungen, Einberufungen aus den Kantonen sowie durch Aushebungen in Schwedisch-Pommern, Mecklenburg-Schwerin, in der Pfalz, in Anhalt, Thüringen usw. beschaffte. Daneben preßte es schwedische Kriegsgefangene ebenso wie Soldaten des Herzogs Friedrich von Mecklenburg-Schwerin, französische und österreichische Gefangene in die Armee. Außerdem wurden fast 13.000 preußische gegen österreichische Kriegsgefangene ausgetauscht.
Einschließlich der 32.000 Soldaten in Westfalen verfügte Preußen 1758 über 148.000 Mann Feldtruppen mit 278 Bataillons- und 163 Stück schweren Kanonen. Zur Deckung der Kriegskosten, die der Neuaufbau der Armee erforderlich machte, wurden die besetzten Gebiete noch stärker ausgeplündert. Aus Sachsen wurden 1758 5,1 und aus Mecklenburg 1,5 Millionen Taler herausgeholt. Zusammen mit den englischen Subsidien in Höhe von 5,3 Millionen Talern sowie den übrigen Einnahmen enthielt die preußische Kriegskasse 1758 über 15 Millionen Taler. Diese Summe reichte aber nicht aus, um die ungeheuren Kosten zu decken. Sie beliefen sich bis Ende 1758 auf insgesamt 26,3 Millionen Taler.
Fortsetzung
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