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Polnische Teilungen
Seit dem Frühjahr 1771 liefen Verhandlungen zwischen
Rußland, Preußen und Österreich über Gebietserwerbungen zu Lasten
Polens. Am 5. August 1772 wurde zwischen diesen der endgültige
Teilungsvertrag geschlossen. Die faktische militärische Besetzung war der
im September 1772 erfolgten feierlichen Inbesitznahme in allen Gebieten
schon vorausgegangen. Preußens Anteil bestand aus dem Königlichen
(Polnisch-) Preußen mit dem Ermland und aus Teilen Großpolens. Der
polnische Reichstag ratifizierte die Abtretungsverträge am 30. September
1773, so daß diese völkerrechtliche Gültigkeit erhielten. Am 31. Januar
1773 bestimmte Friedrich der Große, daß die alten preußischen
Besitzungen, also das ehemalige Herzogtum Preußen,
"Ostpreußen", die neue Erwerbung "Westpreußen"
heißen sollte. Diese neue Provinz lag beiderseits der unteren Weichsel.
Sie grenzte im Norden an die Ostsee, im Osten an Ostpreußen, im Süden an
Polen und im Westen an Brandenburg und Pommern. Westpreußen umfaßte
damit Gebiete, die im wesentlichen schon dem Deutschen Orden gehört
hatten. Dazu gehörten das Kulmer Land, das westliche Pomesanien und
Pomerellen. Das Ermland wurde gegen den Marienwerderschen Kreis von
Ostpreußen eingetauscht. Thorn und Danzig verblieben bei Polen.
Friedrich II. |
Nach 1772 galt die vordringliche Sorge des
Königs Friedrich II. von Preußen dem zurückgewonnenen Westpreußen, das diesen Namen eben damals
im Januar 1773 erhielt. Auch von »Ostpreußen« wurde amtlich erst seit
diesem Zeitpunkte gesprochen. Domhardt erhielt neben den beiden
ostpreußischen Kammern auch die neu eingerichtete zu Marienwerder und
führte wieder einmal den Titel »Oberpräsident« beider Landesteile. In
Bromberg beaufsichtigte er die Kammerdeputation. Er ist 1781 gestorben. Die Kreise, die innerhalb der Verwaltungsbezirke der
Kammern gebildet wurden, entsprachen vielfach den herzoglichen
Amtshauptmannschaften und Ordenskomtureien.
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An ihrer Spitze standen, seit
1752 in Ostpreußen, später auch in Westpreußen, vom König ohne
Mitwirkung der Landschaften ernannte Landräte, denen auch die Aufsicht
über die adligen Güter zustand. Als oberste Justiz- und Verwaltungsbehörden wurden
die Regierung zu Marienwerder und das
Hofgericht zu Bromberg begründet. Die bisherige »Regierung« in Königsberg erhielt
die Bezeichnung »Ostpreußisches Etatministeriurn«, war aber allein für
Hoheits-, Kirchen- und Schulsachen zuständig. Die zweite polnische
Teilung 1793 brachte auch Danzig und Thorn zu Westpreußen.
Landesaufbau
Die geistige Produktion läßt in den letzten
Jahrzehnten des 18. Jh. nach, aber die neuen Gedanken bleiben lebendig und
wirken in den ostpreußischen Menschen. Die Verwaltung zeigt bereits
Ansätze zu Reformen. Der Anschluß Westpreußens veranlaßt 1773 die
Aufhebung der Leibeigenschaft. Die Erbuntertänigkeit bleibt bestehen.
Aber 1804 wird die gesetzliche Freiheit der Bauern festgelegt,
worin Preußen allen anderen Provinzen der Monarchie vorangegangen ist.
Verbesserungen des Verwaltungsapparates knüpfen sich an den Namen
Friedrich Leopolds Freiherrn v. Schrötter (geb. 1743), eines vielseitig
gebildeten, mit hervorragendem Organisationstalent begabten, gebürtigen
Ostpreußen. Durch ihn lebte 1791—95 wieder einmal der Titel
»Oberpräsident«
auf, da er die Leitung der ostpreußischen und westpreußischen Kammern
in seiner Hand vereinigte. 1804 wird das Etatministerium aufgehoben, seine
Funktionen auf die Kammern und Regierungen verteilt. Damit fiel die
ursprünglich ständisch bestimmte Landesspitze endgültig fort. Die vier
Oberämter wurden als bloße Ehrentitel beibehalten. Den Titel »Kanzler«
erhielt jeweils der Präsident des Oberlandesgerichts.
Im Kampf gegen gegen die Franzosen nach der Niederlage
von Jena und Auerstedt hielt General l‘Estocq die Weichselübergänge bis zum
Dezember 1806. Graudenz behauptete sich weiter als Insel unter dem Feldmarschall l‘Homme de Courbière
bis zum Friedensschluß. Danzig unter v. Kalkreuth
mußte Ende Mai kapitulieren. Am 7. Juli wurde auf einem Floß in der Memel von
Franzosen und Russen der Friede zu Tilsit geschlossen, zwei Tage danach
mit den Preußen. Der Staat wurde nach Umfang und Einwohnern halbiert und
auf die Provinzen östlich der Elbe beschränkt.
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Friedensschluß
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Eine weitere Zerreißung
durch Angliederung Westpreußens an das Herzogtum Warschau lehnte Napoleon
ab. Es wurden ihm aber Randgebiete wie Thorn mit den Kreisen Kulm und
Michelau zugeschlagen. Ausgenommen von der Abtretung blieb die Stadt
Graudenz mit ihren Vorstädten und ihrem Festungsgebiet. Nachdem die
"Grande Armée" im Winter 1812/13 in Rußland vernichtet war,
hielt sich die französische Besatzung Danzigs gegen die Angriffe der
verbündeten Preußen und Russen bis Anfang Januar 1814 in der Stadt, die
durch die Beschießung und Einschließung großen Schaden erlitten hatte.
Danzig und Thorn, die Kreise Kulm und Michelau kehrten am 1. Mai 1815
wieder in die neu geschaffene Provinz Westpreußen zurück. Unverzüglich
begann der Neuaufbau des Landes. Es wurde neu in Regierungsbezirke und
Landkreise eingeteilt.
Provinz Westpreußen
Auf die Zeit der Erhebung folgte in Ost- und
Westpreußen ein volles Jahrhundert des Friedens. Das alte Ordensland ging
nun mehr und mehr im Gesamtstaat auf, dessen Erhaltung und Wiederaufbau es
so maßgeblich gefördert hatte. Gerade diese Leistung wurde zur
verpflichtenden Überlieferung, alle geistigen und wirtschaftlichen
Kräfte in den Dienst des Einheitsgedankens zu stellen.
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Freilich blieb
auch die Erinnerung an die große selbständige Vergangenheit lebendig.
Räumliche und klimatische Unterschiede verlangten Berücksichtigung. Noch
um 1850 erhält sich das Bewußtsein, daß Altpreußen nicht eine Provinz
sei, sondern ein »Land«.
Im Jahre 1816 wurde Heinrich Theodor v. Schön Oberpräsident von Westpreußen, das damals
den Umfang erhielt, den es bis 1920 behalten hat, mit den beiden Regierungsbezirken Danzig und Marienwerder, wobei
jenes Sitz des Oberpräsidenten wurde, während in diesem das
Oberlandesgericht verblieb. Der Rücktritt des ostpreußischen
Oberpräsidenten Hans Jakob v. Auerswald im Jahre 1824 ermöglichte die
von Schön bereits seit 1815 angeregte Vereinigung der beiden preußischen
Provinzen. Das Oberpräsidium der neuen »Provinz Preußen« wurde ihm
selbst übertragen. Schön trat im Jahre 1842 zurück, die vereinigte
Provinz bestand bis 1878. |
Vereinigung mit Ostpreußen
In Westpreußen hat Schön in erster Linie für das vor
1772 arg vemachlässigte Schulwesen gesorgt und für die katholischen
Kirchen erreicht, daß sie von ausländischen Kirchenoberen unabhängig
wurden. Daß die Reformen der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse zu
Ende geführt wurden, verstand sich für deren Mitschöpfer von selbst.
Die Gemeinheitsteilung und Verkoppelung durch die »Generalkommission«
Mitte der 30er Jahre schuf lebensfähige wirtschaftliche Einheiten. Damit
entstanden die Grundlagen für die steigende Bedeutung Altpreußens in der
Ernährungswirtschaft Deutschlands. Die Bevölkerung vermehrte sich auf
dem Lande von 1818—1867 um 85 v. H. Die schon 1806 hoffnungsvoll
entwickelten Industriezweige, besonders Eisen, Stahl und Kupfer in
Westpreußen, voran die »Maschinenbauanstalt« Ferdinand Schichau in
Elbing, und das Mühlengewerbe in beiden Provinzen konnten
erfolgverheißend wiederbelebt werden. Im Zusammenhang damit gelang es
auch, die schweren Kriegsschäden zu beseitigen und die Verschuldung
weitgehend abzulösen.
Die ständische Verfassung wurde behutsam auf der
Grundlage der neuen Staatsform entwickelt. 1824 trat in Königsberg der
erste Provinziallandtag zusammen, in drei Stände gegliedert, den adligen
und bürgerlichen Großgrundbesitz mit 15 Vertretern, die Städte mit 13
und die Bauern mit 7. Er tagte abwechselnd in Königsberg und Danzig.
Die erste gesamtpreußische Ständeversammlung, der
»Vereinigte Landtag« in Berlin vom Jahre 1847 war für Altpreußen
insofern bedeutungsvoll, als er die Mittel für die Ostbahn bewilligen
sollte. Aber gerade die Vertreter der Ostprovinz ließen es zu keinem
Beschluß kommen, weil sie die Einlösung des königlichen
Verfassungsversprechens forderten und diesem Landtag die Anerkennung
versagten. Die Bahn ist dann doch bald in Angriff genommen worden. Sie
erreichte von Berlin aus 1852 Dirschau, 1853 Königsberg, wobei allerdings
die Weichsel- und Nogatbrücken und die Strecke in der Niederung erst 1857
fertiggestellt wurden.
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Schön
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Im Jahre 1848 war von einer Volkserhebung in Ost- und
Westpreußen wenig zu spüren; aber es ergab sich eine Belebung des
nationalen Gedankens im Sinne der politischen Einigung ganz Deutschlands.
Bei den Wahlen zur Frankfurter Nationalversammlung hat die vereinigte
Provinz Preußen zum ersten Male als Glied des gesamten Deutschlands, nicht nur der preußischen Monarchie,
mitgewirkt. Am 3. 10. 1851
haben die Gesandten des Deutschen Bundes dem preußischen Antrag
zugestimmt, daß die Provinzen Preußen und Posen wieder aus dem Bunde
ausschieden.
Innenpolitisch herrschte in der Doppelprovinz weiterhin
der gleiche Liberalismus, den Schön und die Abgeordneten von 1847
vertreten hatten. Die Städte, besonders Danzig und Elbing, waren seine
Pflegstätten. Die kurzlebige »Fortschrittspartei« von 1861 war eine
Gründung west- und ostpreußischer Abgeordneter; sie ging 1866 zur
neueren nationalliberalen Partei über, als die Einigkeit zwischen
Bismarck und dem Landtag hergestellt war. So schlug
die Stimmung, besonders in den ländlichen Kreisen, urn und die Provinz
wurde und blieb eine Hochburg der Konservativen.
Minderheiten
Bei Beurteilung der polnischen Minderheit in
Westpreußen darf man nicht vergessen, daß es Gründe, wie die der
Aufstände von 1830, 1846, 1848 und 1863 in Russisch Polen, hier nicht
gab. Deshalb sind auch nur ganz wenige westpreußische Polen zu den
Aufständischen gestoßen. Die sichere und feste Hand eines Eduard
Heinrich v. Flottwell (1786 zu Insterburg geboren), der bei Schön seit 1812 in Gumbinnen, seit 1816 in Danzig
gearbeitet hatte und 1825 Regierungspräsident in Marienwerder wurde, traf
wohl gerade die rechte Mitte in der schwierigen Behandlung dieses
Bevölkerungsteiles. Der deutsche Bevölkerungsanteil betrug im Höchststand fast 70
v. H. Im geeinten Reich von 1871 wurde niemandem Gleichberechtigung
versagt, so daß für nationale Sonderwünsche kaum noch Raum übrig
blieb.
Marienwerder |
Schön und unter seinen Nachfolgern besonders Carl v.
Horn (seit 1869) haben der Polenfrage in Westpreußen sorgfältige
Beachtung geschenkt. Vor allem waren sie bemüht, durch Hebung des
Schulwesens die Unbildung zu beseitigen, um dadurch der Bevölkerung zu
höherem Lebensstand und wirtschaftlichem Aufschwung zu verhelfen. Von
Germanisierungsbestreben und Abneigung gegen die polnischen
Bevölkerungsteile konnte bei Schön keine Rede sein. So hoch wie in West-
und Süddeutschland allerdings ging die Polenbegeisterung nicht; doch hat
der Provinziallandtag von 1831 ernstlich die Doppelsprachigkeit auch in
den Schulen erwogen. In der Herren-Kurie waren die Polen durch vier
Abgeordnete vertreten, die jedoch mit Sonderwünschen nicht hervorgetreten
sind.
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Die Kaschuben, deren Siedlungsraum im 19. und 20. Jh.
nördlich der Tuchler Heide, zwischen Stolpe und Weichsel lag, teilten
sich in zwei Gruppen. Eine nördliche, wegen ihres Siedlungsgebietes auch
Lebakaschuben genannte, und eine südliche Gruppe, die ihr Gebiet in den
Kreisen Bütow, Schlochau und grenzüberschreitend in Westpreußen in den
Kreisen Berent, Karthaus, Neustadt und Putzig hatten. Im Unterschied zur
südlichen Gruppe waren die Lebakaschuben frühzeitig protestantisch
geworden, damit waren sie dem Verlust ihrer Stammesidentität ausgesetzt,
was dazu führte, daß sie bis zum Beginn des 20. Jh.s ihre slowinzische
Sprache gegen das Plattdeutsche vertauscht hatten. Viele Begriffe ihrer
Berufssprache, die der Fischer und Bauern, blieben erhalten. Infolge der
bei ihnen üblichen Realerbteilung war der Besitz im Laufe einiger
Generationen so zersplittert, daß er dem jeweiligen Besitzer keine
ausreichende Nahrungsgrundlage garantierte; Nebenerwerb als Waldarbeiter
und Wilddieb war die Folge.
Die südliche Gruppe blieb nach dem Verlust von
Pomerellen an Polen (1466) katholisch. Auch hier war, auf schlechten
Böden, aus ordenszeitlichen Gütern durch Realerbteilung der Kleinbesitz
der "Panen", der Kleinadligen, entstanden. Die Kaschuben
entwickelten im 19. Jh. eine Mischsprache: Im Bereich der Kirche blieb sie
kaschubisch mit Entlehnungen aus dem Polnischen, im Bereich der modernen
Technik wurden deutsche Begriffe aufgenommen und assimiliert. Bis 1945
entsprach das Gebiet der Kaschuben auch dem Verbreitungsgebiet der
Schrotholzbauten.
Trennung Ost- und Westpreußen
Die Wünsche nach verwaltungsmäßiger Trennung der
beiden Preußen gingen von den beiden großen Städten Danzig und Elbing
aus, die eine stärkere Berücksichtigung der industriellen Erfordernisse
verlangten. Doch gelangte auch die westpreußische Landwirtschaft nach
1878 zu einem lebhaften Aufschwung, besonders in der Erzeugung von
Zuckerrüben und Getreide.
In Kulmsee entstand die größte
Zuckerrübenfabrik Europas. 1904 wurde die Technische Hochschule in
Danzig eröffnet, bald darauf ein eigenes Staatsarchiv gegründet, 1912
das XX. Armeekorps für Westpreußen aufgestellt. Die Ansiedlungskommission von 1886 sollte eine
Gegenmaßnahme gegen das Anwachsen des nationalpolnischen Grundbesitzes
sein, hat aber in Westpreußen praktisch ganz überwiegend deutsche Güter
aufgeteilt und dadurch immerhin die deutsche Bauernsiedlung schon damals
gefördert.
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Technische Hochschule Danzig
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Das viel angegriffene Enteignungsgesetz von 1908 sollte das
sprunghafte Ansteigen der Bodenpreise eindämmen und ist in Westpreußen
und Posen nur viermal angewendet worden. Auch genossenschaftliche Zusammenschlüsse wirkten
mit, die ost- und west-preußische Landwirtschaft zu kräftigen.
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