Westpreußen

 
Das Land

Westpreußen liegt in der Beuge der Ostsee unterhalb der Danziger Bucht um die Mündung der  Weichsel herum, zieht es sich bis zur Netze im Süden herunter. Da Flußläufe älteste natürliche Handelsstraßen sind, ergibt sich schon aus dieser Lage die Bedeutung des Landes für die Erschließung des Ostens und Südostens bis zum Schwarzen Meer in Fortführung der vom Westen, Norden und Nordwesten kommenden Land- und Seewege.

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Zu diesen für Handel und Verkehr besonders günstigen Bedingungen kommt eine stellenweise überdurchschnittliche Fruchtbarkeit. Die Bodengestalt ist seit dem Auftreten des Menschen im wesentlichen die gleiche geblieben. Das Land westlich der Weichsel ist durch den Pommerschen Landrücken, der hier viel dichter an das Meer herantritt, von diesem abgeriegelt und zeigt die gleichen Heide-Sandbildungen wie südlich der ostpreußischen Seen, wird aber in west-östlicher Richtung vom fruchtbaren Urstromtal der Netze durchzogen.

Vorgeschichte

Das Gebiet an der Küste hat erst in der Jungsteinzeit (4000—2000 v. Chr.) verbesserte klimatische Voraussetzungen erhalten. Besiedelt wurde es zunächst von Jägern und Fischern, deren spärlich gefundene, primitive Werkzeuge die Merkmale der sogenannten Kammkeramik aufweisen, dann von einer bäuerlichen Bevölkerung mit Kugelflaschen und Trichterbechern. Die Toten sind unter Erdhügeln in Einzelgräbern bestattet worden. Man spricht daher auch von einer Streitaxt- oder Einzelgrabkultur. Diese Gruppe mit einer mehr auf Viehhaltung als auf Ackerbau eingestellten Wirtschaft verbreitete sich über fast ganz Europa und überlagerte die älteren neolithischen Kulturen. An der Südküste der Ostsee entstand so die Mischgruppe der Haffküstenkultur.

Die Bronzezeit (etwa 1800—700 v. Chr.) und die frühe Eisenzeit (etwa 700—400 v. Chr.) sind reich an vorgeschichtlichen Denkmälern, weil viele Hügelgräber erhalten sind. Sie enthalten Steinkreise und Steinpackungen verschiedener Art. Wie bei den Großsteingräbern ist ein solcher Grabhügel nicht für einen Verstorbenen errichtet worden, sondern für mehrere; d. h. man hat den gleichen Hügel mehrere Generationen hindurch zu Bestattungen benutzt. Man erkennt das an der Verschiedenheit der eingebauten Grabkammern und Beigaben. Hier und da hat sich der Brauch der Hügelbestattung in Ost- und Westpreußen bis in die Zeit nach Christi Geburt erhalten.

Seit der frühen Eisenzeit hat sich die Bestattung in Flachgräbern (also ohne Grabhügel) eingebürgert. Zeitlich nebeneinander gab es Körperbestattungen (Skelettgräber) und Urnenbestattungen (Brandgräber). Gräberfelder der zweiten Art tragen die Merkmale der früheisenzeitlichen Gesichtsurnenkultur, die in Ostpommern, Westpreußen, im Wartheland, Schlesien und Westpolen anzutreffen ist. Flachgräber sind in Ost- und Westpreußen die nachfolgenden, zeitlich mit zunehmender Genauigkeit bestimmbaren Gräberfelder der vorrömischen Zeit und der nachchristlichen Jahrhunderte bis zum frühen Mittelalter einschließlich. Die Christianisierung begann erst im 13. Jh.

Die frühe Bevölkerungsgeschichte des Weichsellandes ist nicht einheitlich verlaufen. Bis zur älteren Bronzezeit saßen im Gebiet der unteren Weichsel die Nachkommen der Träger der Haffküstenkultur. Während der Bronzezeit ist das Gebiet zwischen Oder und Weichsel in den Einfluß und Siedlungsbereich zweier in ihrem Charakter sehr verschiedenen Kulturkreise gelangt. Von Süden her breitete sich die in Ostdeutschland und Westpolen beheimatete »Lausitzer Kultur« (vermtl. Illyrer) mit zwei Gruppen aus, der Odergruppe an der unteren Oder südlich Stettin und der Weichselgruppe im Kulmerland südlich Graudenz, während das Küstengebiet von Südschweden und Dänemark aus über die Ostsee herüber der nordisch-germanischen Kultur angegliedert wurde.


Buckelkeramik      

In der frühen Eisenzeit wird das Küstenland nördlich der Netze in der Landschaft Pommerellen auf spätbronzezeitlicher, nordisch-germanischer Grundlage besiedelt. Die schon erwähnte Gesichtsurnenkultur, die mit der Lausitzer, außer geringen Einflüssen, nichts gemein hat, dringt vielmehr in südöstlicher Richtung weichselaufwärts in das Gebiet der späten Lausitzer Kultur in Westpolen vor. Um 150 v. Chr. entsteht unter erneutem Zustrom aus Skandinavien, für die vorrömische (Laténe-) Zeit aus Landschaftsnamen und als Parallele zum Zuge der Kimbern und Teutonen zu erschließen, im Lande zwischen Oder und Weichsel eine ostgermanische Kulturgruppe. Sie wird um Christi Geburt durch die in antiken Quellen überlieferte Zuwanderung von Goten und Gepiden über See aus Schweden zur Weichselniederung vermehrt. Die zusammenhängende Folge der ost-germanischen Gräberfelder der späten Laténezeit (150 v. Chr.) in die römische Kaiserzeit (1.—3. Jh. n. Chr.) bezeugt eine mehrere Jahrhunderte anhaltende Niederlassung dieser Ostgermanen im Weichselland. Erst vom 4. nachchristlichen Jahrhundert an, im Zeichen der beginnenden Weiterwanderung, ist eine Verminderung der Anzahl ihrer Gräber festzustellen. Die Goten zogen nach Südrußland, die Gepiden nach Siebenbürgen, die Vandalen und Burgunder nach Westdeutschland.

Besiedlung

Nach der Völkerwanderungszeit (5.—7. Jh.) war das Weichselland nur noch spärlich von ostgermanischen Siedlern bewohnt. Dieser Umstand veranlaßte die Pruzzen, ihr Gebiet von der Passarge nach Westen bis an die untere Weichsel auszudehnen, während gleichzeitig zu Beginn des Mittelalters die slawischen Wenden aus ihrer im westlichen Rußland gelegenen Urheimat in das Land zwischen Weichsel und Elbe einsickerten. Aus dieser Zeitstufe (8.—10. Jh.) sind wieder sichtbare historische Stätten in größerer Zahl erhalten geblieben, obwohl sie nicht aus Stein, sondern aus Holz und Erde erbaut waren.


       Wikingerschmuck

In der Zeit vom 9.—11. Jh. erlebten die Küsten Ost- und Westpreußens mehrfach eine letzte Zuwanderung von Nordgermanen. Die Wikinger, deren große Zeit damals blühte, kamen aus Dänemark und Schweden über die Ostsee, um bei den Preußen und Wenden Handelsniederlassungen anzulegen.

Pomerellen (d. h."Kleinpommern") wurde nach dem Abzug der Ostgermanen von dem westslawischen Stamm der Pomoranen besiedelt. Bereits im 10 Jh. kam es unter polnischen Einfluß. Als spätere Reste des altslawischen Stammes der Pomoranen sind die Kaschuben anzusehen. 

Geschichtlich lassen sich die Kaschuben schwer fassen: Die Herzöge von Pommern —Stettin und Wolgast bezeichneten damit die Bevölkerung des Schlawer und Stolper Gebietes, die Herzöge von Pomerellen dagegen die Bevölkerung um Neustettin und Dramburg. Erst im 15. und 16. Jh. wurden die Bewohner Pomerellens als Kaschuben bezeichnet, davor hießen sie "Pomorani«. 

Herzöge von Pomerellen

Herzog Boleslav III. von Großpolen sandte 1123 den Bischof Ägidius von Tusculum nach Pomerellen um es zu missionieren. Den nicht von Polen unterworfenen Teil von der Weichsel bis zur Leba und Brahe faßte er in dem Bistum Leslau (poln. Wloclawek) zusammen. 

Im 11. und 12. Jh. war Pomerellen ein eigenes Herzogtum mit Danzig als Hauptort. Swantepol II., der sich nach 1227 als Herzog von Pomerellen bezeichnete, konnte sein Gebiet bis an die Netze im Süden erweitern.  Dieser und seine Söhne Wartislaw II. und Mestwin II. begünstigten die Seßhaftmachung deutscher Kaufleute, die sich seit etwa 1170 neben der slawischen Burg und Siedlung Danzig niederließen. Auch die Klöster Oliva (1184/85), Zuckau (1209), Zarnowitz (etwa 1260) und Pelplin (1276) wurden von ihnen gestiftet und deutsche Mönche, Nonnen und Siedler ins Land geholt. Sie leisteten mit neuen Techniken und neuen Werkzeugen Entwicklungshilfe und konnten so mit ihren Eisenpflügen, die schwereren Böden bewirtschaften. Das Herzoghaus starb mit Mestwin II. 1294 aus, was zu einem Erbfolgestreit zwischen Großpolen, Kujawien, Pommern und Brandenburg führte.


Oliva             

Deutscher Orden

Um die Jahrtausendwende begannen die ersten christlichen Missionen eines Adalbert von Prag (997) und Brun von Querfurt (1009) in Preußen, die beide erschlagen wurden. Zwei Jahrhunderte lang wurde kein weiterer Versuch dieser Art unternommen. Erst 1206 nahmen deutsche Zisterzienser aus Polen die Mission in Preußen wieder auf, und zwar mit ausdrücklicher Genehmigung und Unterstützung Roms. 1215 wurde der Zisterzienser Christian von Oliva erster Preußenbischof. Einmischungen pomerellischer und polnischer Fürsten erregten jedoch wiederum Befürchtungen der Preußen für ihre Unabhängigkeit. So erfolgte seit 1218 der Rückschlag, und bald mit solcher Gewalt, daß nicht nur alle bisherigen Erfolge der Mission wieder vernichtet, die polnischen Erwerbungen im Kulmerland zurückerobert, sondern auch das angrenzende Herzogtum Masowien angegriffen und in seinem Bestand ernstlich bedroht wurden. Deshalb ist im Winter 1225/26 die Berufung des Deutschen Ordens durch Herzog Konrad von Masowien ergangen.

Der Hochmeister Hermann von Salza ließ sich von seinem kaiserlichen Gönner Friedrich II. im März 1226 durch die Goldene Bulle von Rimini sowohl das von Herzog Konrad geschenkte Kulmerland als auch alles weitere, noch zu erobernde Gebiet, also das gesamte Land der im Angriff auf die christlichen Länder befindlichen heidnischen Preußen, als unabhängigen Staat garantieren.


        Stadtplan Kulm

So überschritten im Frühjahr 1231 die ersten Ordensritter unter Führung des Landmeisters Hermann Balk, durch Kreuzfahrer unterstützt, von ihrem Waffenplatz Vogelsang bei Nessau aus die Weichsel und errichteten beim späteren Dorfe Alt-Thorn die erste Burg auf preußischem Boden. In den nächsten beiden Jahren wurde das südwestliche Kulmerland besetzt, eine neue Burg Thorn und eine zweite in Kulm erbaut und sogleich städtische Siedlungen dabei errichtet, die im Jahre 1233 ihr Stadtrecht, die sogen. Kulmer Handfeste, erhielten. Sie verlieh den Bürgern Selbstverwaltung und Gerichtsbarkeit und hat für die folgenden Stadtgründungen des Ordens das Muster abgegeben.

Noch im gleichen Jahre stießen die Ordensritter in einer Kreuzfahrt, an der auch die Fürsten von Polen und Pommerellen teilnahmen, weichselabwärts vor und gründeten die dritte Stadt Marienwerder. Anschließend wurde 1284 das westliche Pomesanien durch die Schlacht an der Sorge gewonnen. Durch diese Erfolge beeindruckt, gewährte Papst Gregor dem Orden nunmehr die wertvollste staatsrechtliche Sicherung, indem er die bisherigen und alle weiteren Eroberungen als geistliches Gebiet in Schutz und Eigen des hl. Peter nahm und sie dem Orden zu ewigem Besitz überließ.

Bei der Erwerbung Pomerellens wirkte sich die Freundschaft mit Böhmen und Brandenburg günstig für den Orden aus. Er besaß seit 1276 schon Streubesitz westlich der Weichsel, vornehmlich um Mewe herum. Nach dem Aussterben des einheimischen Fürstengeschlechtes im Jahre 1294 wurde das Land Streitobjekt zwischen den Brandenburgern und Herzog Wladislaw Lokietek von Großpolen und Kujawien, der seine Ansprüche auf die vorübergehende Besetzung Pommerns durch König Boleslaw Chrobry von Polen um das Jahr 1000 stützte. Im Sommer 1300 griff König Wenzel II. von Böhmen ein, besetzte Großpolen und übertrug 1301 den Schutz Pomerellens dem verbündeten Deutschen Orden, Sein Nachfolger Wenzel III. verzichtete 1305 auf das Land gegen Abtretung von Meißen durch die Brandenburger. Lokietek, der sein Spiel noch nicht verloren gab, konnte nach 1306 die herzogliche Burg zu Danzig in seine Hand bringen, worauf die Markgrafen 1308 die Stadt besetzten. Nun rief Lokietek den Deutschen Orden zu Hilfe. Dieser veranlaßte die Brandenburger zum Abzug, vertrieb dann aber auch die polnische Besatzung aus der Burg. Anschließend gewann der Landmeister Heinrich von Plotzke Dirschau und Schwetz und wurde damit praktisch Herr über ganz Pommerellen. Die Markgrafen überließen dem Orden im Vertrag von Soldin am 13. 9. 1309 das Land gegen ein Kaufgeld von 10 000 Mark Silber. 1313 bestätigte Kaiser Heinrich VII. die Erwerbung. Die Burgbezirke Stolp und Schlawe blieben bei Brandenburg.

Mit dieser Gebietserweiterung erhielt der Orden endgültig die territoriale Grundlage, die seine wirtschaftliche Existenz sicherstellte. Nun konnte er auch den Sitz des Hochmeisters, der nach dem Fall von Akkon 1291 in Venedig gewesen war, nach Preußen verlegen. Im September 1309 hielt der Hochmeister Siegfried von Feuchtwangen seinen Einzug in die Marienburg, deren Ausbau schon vorher begonnen worden war. Mit ihm kamen die fünf Großgebietiger, seine nächsten Berater.

Deutsche Besiedlung

Mitte der 80er Jahre des 13. Jh. setzte der große Bauerntreck über die Landbrücken durch Pommern, längs der Netze und von Schlesien her ein. Er brachte den eisernen Scharenpflug mit, der auch schweren Boden in Kultur zu nehmen erlaubte. Höhepunkt der Zuwanderung ist das erste Jahrzehnt des 14. Jh. 1820 hat sie bereits ihr Ende erreicht. Die weitere Siedlung geschieht durch Binnenwanderung der nächsten Generation.

Die Besitzverhältnisse der neu angelegten Dörfer und Güter sind eng mit der Finanzverwaltung des Ordens verknüpft, die schon von den Zeitgenossen sehr anerkennend beurteilt wird. Der Ordensstaat galt als der bestverwaltete seiner Zeit, auch das Böhmen Karls IV. nicht ausgenommen. Der Reichtum der »Herren in Preußen« war bis 1410 sprichwörtlich. Diese Werte kamen hauptsächlich aus der Siedlung. Der Orden nahm von den Neuangesetzten kein Kaufgeld, gab ihnen aber nur ein eingeschränktes Besitzrecht an ihren Höfen und behielt sich das Obereigentum vor. 


Ordensburg Mewe          

Die Zinse und Abgaben, jeder für sich mäßig, ergaben bei der großen Zahl der Höfe eine stattliche Gesamtsumme. Mit dem Überschuß aus den meist in Korn geleisteten Abgaben hat der Orden den vielbesprochenen »Eigenhandel« getrieben, den ihm ein päpstliches Privileg gestattet hat. Seine Organe waren die Großschäffer zu Marienburg und Königsberg, die durch ihre »Lieger«, Handelsvertreter, in den westeuropäischen Seestädten das Getreide mit gutem Gewinn verkauften. Den preußischen Städten machte dieser Wettbewerb wenig aus; sie hatten auch anderweitig Verdienst genug. Als aber die Ernten nach den Verwüstungen von 1410 kaum noch für den Eigenbedarf reichten, gab es Beschwerden und Streit.

Folge des Reichtums war im 14. Jh. ein hoher Kulturstand des Landes. Die Schulen der Zeit werden bei den einzelnen Städten erwähnt werden. Ein sicheres Zeichen für den hohen Bildungsstand ist der Plan von 1386, in Kulm ein Studium generale, eine eigene Landesuniversität zu errichten, also in einer Zeit, wo es in der östlichen Mitte Europas erst drei Universitäten gab: Prag (1348 gegründet), Krakau (1364) und Wien (1865). Das Schrifttum, das der Orden pflegte, war, seinem ritterlich-geistlichen Charakter entsprechend, vorwiegend chronikalischer und religiöser Art, vielfach in Versen von beachtlichem dichterischem Wert.

Für die Anlage der Städte wird, soweit die Lage es irgend gestattet, das gitterförmige Netz rechtwinklig sich schneidender Straßen verwendet. Das Ordenshaus lag meist an einer Ecke oder Kante dieses Grundrisses. Das Ganze ergab eine künstlerische Einheit, die sich harmonisch in das Landschaftsbild eingliederte.

Verhältnis zu Polen

Mit dem Orden verbündet waren zuerst auch die polnischen Teilfürsten, zumal sie ihn ja gerufen hatten. Aber schon 1327 kam es zum ersten Kriege: Wladislaw Lokietek, seit 1319 zum König von Polen gekrönt, der in Pomerellen vor der Dreiheit Böhmen, Brandenburg und Orden hatte zurückweichen müssen, hat dies Ziel seiner Ausdehnungspolitik nie aus dem Auge verloren. 


      Lokietek

Er hat auch schon die Verbindung mit Litauen gesucht, die dem Orden schließlich so verhängnisvoll werden sollte. Doch damals konnten die Brüder im Bunde mit den Herzögen von Masowien und Breslau und gestützt auf die Freundschaft König Johanns von Böhmen, die Angriffe Lokieteks und Gedimins von Litauen abweisen. Die einzige Feldschlacht bei Plowcze war verlustreich für beide Teile, aber unentschieden. Lokieteks Nachfolger, König Kasimir der Große, schloß 1343 mit dem Orden den Frieden zu Kalisch, in dem er ausdrücklich den Ansprüchen auf Pomerellen und Kulmerland entsagte, was auch die polnischen Reichsstände urkundlich bekräftigten.

Verlust Westpreußens

In der Schlacht bei Tannenberg gegen das mit Litauen unter Jagiello vereinigte Polen fiel der Hochmeister Ulrich von Jungingen am 15. 7. 1410. Retter des Ordensstaates wurde der Komtur von Schwetz, Heinrich von Plauen, der sich auf die Kunde von der verlorenen Schlacht sofort in das Haupthaus warf und es rasch, umsichtig und sachgemäß in Verteidigungszustand setzte, wobei er sogar die Stadt Marienburg abbrennen ließ, um dem Feinde keine Deckung beim Angriff zu lassen. Die neunwöchige Belagerung zermürbte nicht die Verteidiger, sondern das Heer des Königs. Die Litauer und Masowier zogen ab. Seuchen brachen aus. Der König mußte den Rückzug antreten, dicht gefolgt von Plauen, der am 6. 11. zum Hochmeister gewählt wurde. Während er Thorn belagerte, bot ihm der König den Frieden an, dessen Bedingungen Plauen, gedrängt von einer Mehrzahl von Ordensbrüdern, annehmen mußte.

Dieser ans Leben greifende finanzielle Aderlaß nach dem militärischen und wirtschaftlichen hat die Krise des Ordensstaates endgültig eingeleitet. Jetzt war der Orden gezwungen, Steuern zu erheben, und das Land war bettelarm geworden. Trotzdem hat die Mittelschicht willig die großen Opfer gebracht, die Privilegierten dagegen, besonders Danzig und Thorn, wollten gegen eine solche Minderung ihrer Kapitalkraft vom Orden die Autonomie einhandeln, die ihnen der König bei der Besetzung bereitwillig zugesagt hatte. Sie wünschten ein eigenes Territorium und eine Stellung wie die Reichsstädte, der Einflußnahme des Landesherrn weitgehend entzogen. Zu solchen Konzessionen aber war der Orden in seiner damaligen Not nicht in der Lage.

Plauen hat versucht, den Staat von innen heraus durch engere Verbindung mit dem Lande zu stärken, und zwar indem er die allgemeine Ständeversammlung durch Heranziehung der kleineren Städte und der freien Hofbesitzer, insbesondere der stammpreußischen, auf eine breitere Grundlage stellte, ihr sogar in einem »Landesrat« eine Art ständigen Arbeitsausschuß geben wollte. Aber ihm blieb nicht genügend Zeit: Als er noch einmal das Waffenglück gegen Polen versuchen wollte, wohlvorbereitet und nicht ohne Erfolgsaussichten, ist er durch die Meuterei der obersten Gebietiger und des ständischen Aufgebots gestürzt worden.


Tannenberg                  

Der Hochmeister Rusdorf versuchte, ein knappes Jahrzehnt später, aus dieser Isolierung herauszukommen, indem er sich mit dem litauischen Thronprätendenten Swidrigiello verbündete und damit auch wieder die Zustimmung des Kaisers fand. Aber der Krieg verlief unglücklich, besonders durch den Einfall der Hussiten ins Ordensland. In dieser aussichtslosen Lage erzwangen die preußischen Stände den Friedensschluß auf Grund des Artikels 24 des Vertrages vom Meldensee, indem sie drohten, einen anderen Landesherrn zu wählen, falls der Orden den Krieg fortsetzen würde. Der Friede zu Brest vom 31. 12. 1435 wiederholte und ergänzte die Bestimmungen des voraufgehenden.

Die neuen Kriegsschäden, die Rusdorf nach besten Kräften, aber angesichts der finanziellen Schwierigkeiten nur langsam und unvollkommen ausgleichen konnte, ließen die inneren Unruhen nicht zur Ruhe gelangen. Zudem war das ständische Selbstbewußtsein durch die letzten Erfolge bedeutend gestiegen. Gegen reaktionäre Strömungen innerhalb des Ordens schlossen die großen Städte und ein Teil der Ritterschaft am 14. 3. 1440 zur Wahrung ihrer Vorrechte und der Rechtssicherheit überhaupt den »Bund vor Gewalt«, dem sich ein großer Teil der übrigen Stände anschlossen.

Der Abfall des Bundes kam zum Ausbruch, als auf den klugen und geschickten Konrad sein Vetter Ludwig von Erlichshausen folgte, der, selbst Gegner der ständischen Forderungen, ganz in das Fahrwasser der reaktionären Ordenspartei geriet. Ein von ihm anhängig gemachter Rechtsspruch Kaiser Friedrichs III. vom 6. 12. 1453 erklärte den Bund für ungesetzlich und verurteilte ihn zur Auflösung. Das trieb die Bündner zum Äußersten, weil sie härteste Strafmaßnahmen des Ordens befürchten mußten. Sie sagten dem Hochmeister den Gehorsam auf und beriefen sich dabei auf das Widerstandsrecht, das bei Treubruch von seiten des Herrn die Wahl eines neuen Landesherrn zuließ. Schon in den letzten Jahren vorher, als die Dinge der Entscheidung zutrieben, hatten die Bundesführer bei anderen Herrschern angefragt, ob sie die Landesherrschaft von ihnen annehmen würden: Markgraf Friedrich von Brandenburg, Erzherzog Albrecht von Österreich, König Ladislaus Postumus von Böhmen und vielleicht auch König Christian von Dänemark. Sie hatten sämtlich abgelehnt. So blieb nur der König von Polen. Der Bund hat sich von ihm die Erhaltung der alten Privilegien und dazu die Selbstverwaltung verbriefen lassen. Die Bindung sollte lediglich an die Person des Königs gehen, nicht an das Reich Polen.

Der Orden verlor gleich zu Beginn des Aufstandes im Februar 1454 seine Burgen bis auf drei: das Haupthaus, das der Spittler Heinrich Reuß von Plauen verteidigte, Stuhm und Konitz. Hier, ganz im Westen des Ordensgebietes, sammelten sich die im Reiche angeworbenen Söldner. Als König Kasimir sie dort mit dem großpolnischen Aufgebot angriff, erlitt er am 17. 9. 1454 eine entscheidende Niederlage, die auch die Marienburg von der Belagerung durch die Danziger befreite und die meisten Burgen wieder in die Hand des Ordens brachte.


              Thorn

Da wurden dem Orden wieder einmal seine geldlichen Bedrängnisse zum Schicksal. Ehe noch Geld aus Livland hereinkam, setzte sich der in der Vorburg liegende Söldnerhaufe unter Führung des Tschechen Ulrich Crvenk in den Besitz des Hochschlosses der Marienburg, das mit allen anderen Burgen der Gesamtheit der Söldner als Sicherheit für die Soldzahlung verpfändet war. Unter tätlichen Bedrohungen verlangten die überwiegend böhmischen Söldner Zahlung und hielten den Hochmeister wie einen Gefangenen. Die deutschen Söldner nahmen in ihrer Mehrzahl unter Führung des Spittlers an der Wiedergewinnung des Kneiphofs Königsberg teil. 

Der Verkauf der Marienburg an den König von Polen und die Stände des preußischen Bundes erfolgte am 16. 8. 1456. Für den Orden war dieser Schlag der Anfang vom Ende. Er verlor nicht nur militärisch die Weichselstellung und Verbindung zum Westen, sondern auch sein Ansehen im Abendlande. Der Hochmeister nahm seinen Sitz in Königsberg.

Den Krieg von weiteren neun Jahren beendete der II. Thorner Frieden vom 19. 10. 1466. Dem zur Vermittlung vom Papste entsandten Legaten Rudolf von Rüdesheim, Bischof von Lavant (seit 1468 von Breslau), gelang es, den Ordensstaat etwa im Umfange der späteren Provinz Ostpreußen zu erhalten, indem er die Rechte der Kurie auf dies Gebiet als Eigen des hl. Peter geltend machte. Der Orden mußte in die Abtretung von Pommerellen und Kulmerland einwilligen und auch die Gebiete von Marienburg, Elbing, Stuhm und Christburg aufgeben. Hochmeister und Großgebietiger sollten die Oberhoheit des Königs von Polen nächst dem Papst anerkennen und bei jedem Meisterwechsel dem König einen persönlichen Eid auf die Einhaltung des Vertrages und als Reichsräte schwören.

Unter polnischer Herrschaft

Westpreußen hatte nun den König von Polen zum Landesherrn. Rechtsgrundlage für das staatsrechtliche Verhältnis war der Vertrag vom 4. 8. 1454. Praktisch war die Abhängigkeit sehr unterschiedlich. Der Bischof von Ermland, Paul von Logendorf, war 1464—67 Verbündeter des Königs; der Thorner Vertrag hatte die Schirmherrschaft vom Hochmeister auf den König übertragen. Wirklich autonom waren die drei großen Städte Danzig, Elbing und Thorn, weil sie für ihre finanziellen Leistungen im Kriege und beim Kauf der Marienburg den Ergebungsvertrag von 1454 durch weitgehende Privilegien von 1457 ergänzen konnten. Für sie war die Oberhoheit des Königs nahezu rein formeller Art. Ihnen hat diese Unabhängigkeit auch den erwarteten wirtschaftlichen Aufschwung gebracht Danzig und Elbing, untereinander rivalisierend, traten das Erbe des Ordensstaates im Ostseehandel an, während Königsberg nur ein bescheidener Teil daran zufiel. Das restliche Westpreußen hatte 1454 zwar die gleichen Rechte wie der polnische Adel erhalten, verlor jedoch gleich nach dem Frieden die eigene Landesspitze in der Person des Statthalters. Landtag und Landesrat sowie eingesessene Oberbeamte blieben zunächst bestehen.

Die Verwaltungsformen im »Preußen königlichen Anteils«, wie Westpreußen nun genannt wurde, blieben unter anderem Namen meist die gleichen. Die Komtureien wurden zu Starosteien; doch hießen auch größere Staatsgüter so, obwohl die Inhaber keine Amtsgewalt besaßen. Die Starosten nennen sich anfangs Hauptmann, wie später im Herzogtum Preußen, lateinisch capitaneus. 

Ein Kastellan ist ursprünglich ein Hilfsbeamter des Palatins (Woiwoden); doch kommen auch hier Gleichsetzungen mit den Starosten vor. Deren Hauptaufgabe war die Verwaltung der früheren Ordensdomänen. Aus diesen wurden »Ökonomien« für die königliche Hofhaltung ausgeschieden, z. B. Marienburg. Auch die Gerichtsverfassung blieb im wesentlichen die gleiche wie zur Ordenszeit, besonders in den Städten. Neu war die Teilung des Landes in drei Palatinate (Woiwodschaften): Marienburg, Kulm und Danzig (Pommerellen). Den Vorsitz im Landesrat und Landtag führte nach 1479 der Bischof von Ermland.


Danzig                     

Die westpreußischen Landesritter erhielten seit dem sog. Allodifikationspatent vom 26. 7. 1476 ihre Dienstgüter als Eigentum. Für das platte Land galt nach dem gleichen Gesetz einheitlich nur noch das kulmische Besitzrecht, das auch weibliche Erbfolge zuließ. Die wirtschaftlich schwachen Bauern aber gerieten Ende 17. Jh., besonders auf den adligen Gütern, in den Zustand der Leibeigenschaft nach polnischem Muster. Rein deutsche Dörfer erhielten sich überall da, wo die Wasser- und Bodenverhältnisse besondere Kenntnisse und Anstrengungen erforderten. So kam es seit 1600 sogar zu Neusiedlungen deutscher Einwanderer, auch von Holländern (Mennoniten) in der Weichselniederung. Die kleineren Städte verloren an Einwohnerzahl und boten polnischen und gegenreformatorischen Einflüssen mit der Zeit immer weniger Widerstand, besonders da, wo ihnen der Rückhalt an größeren Städten fehlte.

 

 
 

Auf dem polnischen Reichstage zu Lublin im Jahre 1569 wurde die Autonomie Westpreußens über die Köpfe seiner Stände hinweg beseitigt und die Personalunion mit der Krone Polens in eine Realunion mit dem Reiche Polen umgewandelt. Nun waren die westpreußischen Landtage nur noch vorbereitende Ausschüsse des polnischen Reichstages, von dem die Städte Polens ausgeschlossen waren. Danzig, Elbing und Thorn erhielten das Recht der Teilnahme; doch hat Danzig grundsätzlich davon keinen Gebrauch gemacht, weil es diese sog. »Lubliner Union« nicht anerkannt hat. Die beiden anderen Städte erschienen selten, da sie stets überstimmt wurden. Immerhin haben die westpreußischen Landstände sich einige Besonderheiten bewahren können: Steuerbewilligungsrecht, Steuerverfassung, Entscheidung über Teilnahme an Kriegen und das Landeswappen, den schwarzen Adler mit erhobenem Schwertarm.

Schwedenkriege

Bei seiner Landung in Pillau am 5. 6. 1626 wurde der Schwedenkönig Gustav Adolf  nicht als Eroberer angesehen, sondern wie ein Helfer begrüßt. Man gab sich auch damit zufrieden, daß er Pillau nebst dem Löwenanteil der Seezölle behielt, dazu das Samland und Memel besetzte und dann Elbing zu seinem Standort wählte. Danzig, die Konkurrentin, belagerte der König und erhob den Seezoll am Danziger Haupt. Kriegsschauplatz wurde besonders das Weichselgebiet. Zweimal kamen den Polen wallensteinische Regimenter zu Hilfe.


      Karl X. Gustav

Als aber entscheidende Erfolge ausblieben, beendete der König das Unternehmen und schloß 1629 zu Altmark bei Christburg mit Polen, Brandenburg und Danzig einen sechsjährigen Waffenstillstand. Brandenburg erhielt die vorläufige Verwaltung von Marienburg und einen Teil der Seezölle am Danziger Haupt. 1630 war die erste schwedische Besetzung zu Ende. Gustav Adolf gewann freie Hand für das Eingreifen im Reich. Nach Ablauf der sechsjährigen Frist wurde zu Stuhmsdorf 1635 ein 26jähriger Friede festgesetzt, wobei Schweden alle Eroberungen in Preußen herausgab. Als dann 1655 König Karl X. Gustav von Hinterpommem her den zweiten Schwedenkrieg mit Polen in Westpreußen eröffnete, ließen die Stände Friedrich Wilhelm auch nicht in Stich. 

Der Kurfürst wollte zunächst die Neutralität wahren und schloß zu diesem Zweck am 12. 11. ein Bündnis mit den westpreußischeri Ständen. Aber Karl Gustav eroberte Thorn und Elbing und zwang im Januar 1656 den Kurfürsten im Königsberger Vertrag, statt der polnischen die schwedische Lehnshoheit anzunehmen. Dafür überließ er ihm das Ermland. Die Ableistung des Lehnseides wurde für ein Jahr aufgeschoben. Damit war zum ersten Male das Lehnsverhältnis zum König von Polen unterbrochen.

Sehr vorsichtig begann nun Polen unter Vermittlung des Kaisers mit dem Kurfürsten wieder Fühlung zu suchen, um dem schwedischen Gegner seine stärkste Stütze zu entwinden. Es ist größtenteils das Verdienst des kaiserlichen Gesandten Franz Paul Freiherrn v. Lisola, wenn im Vertrag zu Wehlau vom 29. 9. 1657 Polen nun auch seinerseits auf die Lehnshoheit verzichtete und die Souveränität Preußens in vollem Umfang anerkannte. Gleichzeitig wurde ein zehnjähriges Bündnis gegen Schweden geschlossen. Der Kurfürst gab das Ermland wieder heraus und erhielt dafür Elbing, dazu Lauenburg, Bütow und die Starostei Draheim, die vor 1466 dem Orden gehört hatte. Der Friede zu Oliva am 3. 5. 1660 zwischen Kaiser, Brandenburg, Schweden und Polen brachte der preußischen Souveränität die völkerrechtliche Anerkennung. Elbing blieb noch von Polen besetzt und ist erst 1703 mit Preußen vereinigt worden.