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Schlesien als Teil der Habsburgermonarchie (1526—1740)
Das Bild der politischen Landschaft Schlesiens war zu
Beginn der Habsburgerzeit trotz des Aufkommens neuer Territorialeinheiten,
der Standesherrschaften, einfacher als im 14. oder 15. Jh. Einige
Piastenlinien waren inzwischen ausgestorben oder hatten ihre Länder
verkauft. 1526 regierten nur noch drei piastische Fürstenlinien:
1. die Brieger Linie, die auch Liegnitz geerbt hatte und seit 1523 ebenso
das aus Gebieten der Fürstentümer Glogau und Oels Ende des 15. Jh.
entstandene Fürstentum Wohlau besaß.
2. die Oppelner Linie, die am Ende des 15. Jh. bzw. 1521 die einst
Oppelner Länder Cosel-Beuthen und Ratibor — wenn auch verkleinert —
wiedererlangen konnte, und
3. die Teschener Linie, auch sie auf stark eingeschränktem Gebiet,
nämlich ohne Auschwitz-Zator. Zum alten Bestand kann auch das den
Bischöfen von Breslau gehörige Fürstentum Neisse-Grottkau (Bistumsland)
gerechnet werden. Zu Erbfürstentümern, d. h. dem König von Böhmen
unmittelbar unterstellten Territorien, waren inzwischen geworden: Breslau
(1335), Schweidnitz-Jauer (1392), Glogau (1490/1508) und Troppau (1511).
An auswärtigen Häusern haften neben den Podiebrads (in Münsterberg und
Oels) drei reichsfürstliche Familien in Schlesien Besitz: die Wettiner
das Fürstentum Sagan, die Brandenburger Hohenzollern das Fürstentum
Crossen und neuerdings ein fränkischer Hohenzoller, Markgraf Georg von
Ansbach, das 1377 von Troppau abgezweigte Fürstentum Jägerndorf (seit
1523). Georg hatte seit demselben Jahr auch die zum Fürstentum Ratibor
gehörige Herrschaft Oderberg inne und war seit 1526 Anwärter auf die
Herrschaft Beuthen in Oberschlesien.
Der Übergang Schlesiens an das Haus Habsburg brachte
Vorteile wie auch Nachteile. Der größere Staatsverband ließ mehr Schutz
erwarten, und das deutsche Herrscherhaus bedeutete für das Deutschtum
eine stärkere Stütze.
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Die Habsburger befanden sich aber im Abwehrkampf
gegen die Türken und brauchten dafür viel Geld, und außerdem mußten
sie — gerade um ihre Forderungen durchsetzen zu können — mehr
Einfluß im Lande anstreben. Der Weg zu diesen Zielen führte über die
Eindämmung der Fürsten- und Ständemacht und über die Vermehrung des
Kronbesitzes. So standen bis gegen Ende des Jahrhunderts Finanz- und
Verfassungsfragen im Vordergrund der Beziehungen zwischen den schlesischen
Ständen und der Krone. |
Schon im Huldigungsjahr 1527 verlangte der König
von Schlesien eine als Türkenhilfe gedachte Abgabe in Höhe von 100 000
Gulden. Die Verteilung der Lasten wurde auf Grund einer eigenen
Vermögensschätzung (Indiktion) seitens der Steuerpflichtigen
vorgenommen. Was zunächst eine einmalige, freiwillige Abgabe war, wurde
1552 in eine jährlich abzuführende Steuer umgewandelt, wobei der auf der
Grundlage einer neuerlichen Indiktion errechnete Steuersatz mehrmals
erhöht wurde. Schon vorher wurde als weitere ständige Abgabe eine
Biersteuer eingeführt (1546). 1570 mußte der Fürstentag eine
ausgesprochene Türkensteuer von 70.000 Gulden jährlich bewilligen. Für
die Eintreibung dieser Steuern war das Generalsteueramt, eine ständische
Einrichtung neben dem Oberamt, zuständig. Zur Steigerung der Einnahmen
pochte Ferdinand I. auf das ihm zustehende Münz-, Berg- und Zollregal.
1549 wurde ein Viehzoll, 1557 trotz Widerstrebens der schlesischen
Fürsten und Stände ein Grenzzoll eingeführt; zunächst bildeten alle
habsburgischen Lande eine Zolleinheit, ab 1600 waren die böhmischen
Länder, ab 1623 sogar Schlesien allein ein Zollgebiet, wodurch die
Zolleinnahmen erhöht, der Handel jedoch erschwert wurde. Für die
Verwaltung der königlichen Einnahmen aus allen böhmischen Ländern
richtete Ferdinand in Prag eine Kammer ein; 1558 wurde eine eigene, der
Wiener Hofkammer direkt unterstellte Schlesische Kammer geschaffen, die an
sich nur für das Kronvermögen, die Einkünfte aus den Regalien und der
Biersteuer zuständig war; bevor jedoch das Oberamt während des 30jährigen
Krieges eine rein königliche Einrichtung wurde, übte sie auch die
Funktion einer königlichen Aufsichtsbehörde aus. Im Bereich des
Gerichtswesens wurde 1548 in Prag eine Appellationskammer begründet, die
zunächst als Ersatz für den zu unterbindenden Rechtszug der
Stadtgerichte nach Magdeburg gedacht war, dann aber versuchte, sich auch
die Fürsten- und Ständegerichte unterzuordnen.
Ferdinand I. war bestrebt, in Schlesien keine
mächtigen Fürsten emporkommen zu lassen und seinen unmittelbaren Besitz
zu vermehren. Dies zeigt seine Haltung gegenüber Georg von Ansbach-Jägerndorf
und Friedrich II. von Liegnitz-Brieg-Wohlau. Georg von Ansbach war ein
Neffe König Wladislaus von Böhmen und Schwiegersohn des Johann Corvinus
(später auch Karls I. von Münsterberg-Oels aus dem Hause Podiebrad). Er
hatte 1512 einen Erbvertrag geschlossen, nach dem er die Herzöge von
Oppeln und Ratibor beerben sollte, falls beide kinderlos stürben. Der
Vertrag wurde 1521 (nach dem Tode des Ratiborer Herzogs) erneuert; Johann
von Oppeln übergab Georg 1523 die Herrschaft Oderberg und verlieh ihm den
Titel eines Herzogs von Ratibor — im selben Jahr kaufte dieser das
Fürstentum Jägerndorf —‚ König Ludwig II. verschrieb ihm 1526 die
Herrschaft Beuthen für die Zeit nach dem Tode Johanns auf zwei
Leibeserben; im selben Jahr verkündete Georg bereits zusammen mit Herzog
Johann in Beuthen eine neue Bergordnung. Ferdinand erkannte jedoch die
Erbverträge nicht an und verlangte von Johann, daß er ihn selbst als
Erben einsetze. Georg sollte nach der königlichen Entscheidung von 1531
die Fürstentümer Oppeln und Ratibor als Pfand bekommen, Beuthen und
Oderberg ebenso, diese auf zwei bzw. drei Leibeserben. Oppeln-Ratibor
wurde dem Nachfolger Georgs, Georg Friedrich, 1551 abgenommen; Beuthen und
Oderberg durfte er (ebenso wie Jägerndorf) ungestört bis zu seinem Tode
1603 behalten. Da Georg Friedrich kinderlos war, wurde die
kurbrandenburgische Linie der Hohenzollern erbberechtigt. König Ferdinand
I. verweigerte aber die notwendige Zustimmung dazu. Kurfürst Joachim
Friedrich und sein Sohn Markgraf Johann Georg nahmen trotzdem die
Erbschaft in Besitz; der Streit dauerte an — auch nach der gerichtlichen
Entscheidung von 1617, daß der Hohenzoller Beuthen und Oderberg
zurückgeben müsse —‚ bis Johann Georg 1621 als Befehlshaber der dem
»Winterkönig» ergebenen schlesischen Truppen aller seiner Besitzungen
verlustig ging. — Auch im Falle Friedrichs II. von Liegnitz ging es um
Erbverträge der Hohenzollern. Friedrich II. und Kurfürst Joachim II. von
Brandenburg vereinbarten 1537 eine Doppelheirat zwischen dem Kurprinzen
Johann Georg und Friedrichs Tochter Sophie einerseits und Friedrichs Sohn
Georg und Joachims II. Tochter Barbara anderseits (1545 vollzogen) und
zugleich eine Erbverbrüderung des Inhalts, daß beim Aussterben der
Piasten in Liegnitz-Brieg-Wohlau ihre Länder an die Brandenburger kommen,
im umgekehrten Falle die Piasten die schlesischen (Crossen mit Sommerfeld
und Bobersberg) und lausitzischen Besitzungen (Cottbus und Peitz) der
Brandenburger erben sollten.
Da alle diese Gebiete böhmische Lehen waren,
bedurfte die Vereinbarung der Zustimmung des Königs. Ferdinand hielt sich
zunächst zurück. 1546 erklärte er aber die Erbverbrüderung für
nichtig; Friedrich II. habe nicht das Recht, über seine Länder zu
verfügen. Die aus den beiden Komplexen abgeleiteten Ansprüche der
Hohenzollern auf Teile von Schlesien sollten Friedrich dem Großen 1740
den Anlaß zum Einmarsch in Schlesien bieten. Zu dem Bestreben Ferdinands I., den Kronbesitz in
Schlesien zu vermehren, gehört auch der Rückkauf des Fürstentums Sagan
von den Wettinern im Jahre 1549. Dauernde Geldnot zwang den Herrscher
jedoch zugleich zur Verpfändung oder Veräußerung von Besitz.
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Kaiser Ferdinand
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Sagan war
1551—58 in der Hand des von Oppeln-Ratibor verdrängten Georg Friedrich
von Ansbach, Oppeln-Ratibor erhielt Königin Isabella von Ungarn (1551—51)
als Entschädigung; anschließend wurde der Domänenbesitz des
Doppelfürstentums in Einzelherrschaften aufgeteilt und veräußert. Die Finanzforderungen der Habsburger führten
bemerkenswerterweise zu keinen ernsten Zusammenstößen zwischen Ständen
und Krone. Das Land befand sich im 16. Jh. in einem wirtschaftlichen
Aufschwung und konnte die Belastungen erfragen.
Um die Mitte des
16. Jh. begann das Eindringen der Neusiedlung in die höheren
Regionen. Im Vordergrund stand hier nicht das Bauerndorf mit großen
Stellen, sondern die kleine Ansiedlung mit Gärtnern und Häuslern, die
sich von frühindustrieller Tätigkeit ernährten, von der
Eisenverhüttung, der Glasmacherei und der Leinenweberei. Die Glashütten
wurden von Menschen aus dem Erzgebirge vor allem in das Iser- und
Riesengebirge, in das Waldenburger und Glatzer Bergland eingeführt; das
zur Feuerung und zur Pottaschegewinnung nötige Holz war hier in Fülle
vorhanden. Die Leinenweberei fand im Gebirge das notwendige klare Wasser,
die sonnigen freien Hänge zum Bleichen des Leinens und wiederum die
Pottasche. Das im Mittelalter vornehmlich in der Stadt ausgeübte Gewerbe
der Leinenweberei wurde seit der Mitte des 16. Jh. intensiv auf dem Lande
betrieben. Die Produktion war — von oberdeutschen Kaufleuten angeregt
— für den Export bestimmt und erfolgte zunächst vielfach im Auftrag
städtischer Weberzünfte. Dann aber nahm der Adel — sich über das alte Gewerbemonopol der Städte
hinwegsetzend —die Leinenherstellung in die Hand, indem er auf seinen
Gütern die von ihm abhängigen Bauern für sich weben ließ. Die Städte
konnten diese »Freiweberei» nicht verhindern; es blieb ihnen meist nur
der Handel mit Garn und Leinen übrig. Zentren desselben waren um 1600
Reichenbach und Jauer.
Schlesien war eines der reichsten habsburgischen
Länder. Die Krone wußte dies durchaus zu schätzen und unterstützte
nach Möglichkeit die Wirtschaft des Landes. Dies gilt vor allem für die
Zeit Ferdinands I., der zur Förderung des Handels u. a. einen Kanal von
der Oder zur Spree beginnen ließ; daß der Wasserweg von der Oder zur
Elbe noch nicht in diesem Jahrhundert zustande kam, lag an Brandenburg.
Maximilian II. |
Wie im Finanzbereich kam es auch in Verfassungsfragen
immer noch zu einer Einigung zwischen Krone und Ständen; für letztere
war entscheidend, daß sie das Recht der Steuerbewilligung auch nach den
Ansätzen einer staatlichen Zentralverwaltung in der Hand behielten.
Gefährliche Konflikte brachen erst auf, als die Krone das schon seit
Beginn der habsburgischen Herrschaft in Schlesien anstehende, aber unter
Ferdinand I. und Maximilian II. (1564—76) behutsam behandelte Problem
der reformatorischen Bewegung im Sinne einer strengen Gegenreformation
anpackte. Die lutherische Lehre hatte bereits vor dem Übergang
Schlesiens an Habsburg im Lande Aufnahme gefunden. Die führenden
Verfechter der Reformation waren Friedrich II. von Liegnitz und Georg von
Ansbach-Jägerndorf; letzterer förderte die Einführung der Lehre Luthers
nicht nur in Jägerndorf und Beuthen, sondern nach 1532 auch in den an ihn
verpfändeten Fürstentümern OppeIn und Ratibor.
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Selbst in den
Erbfürstentümern war die Stellung der Stände so gefestigt, daß sie die
Einführung der Reformation wagen konnten. Die Stadt Breslau schloß sich
nicht nur selbst der neuen Lehre an, sondern nützte das Amt der
Landeshauptmannschaft aus, um auch im Fürstentum Breslau reformatorisch
zu wirken. Beim Tode Kaiser Ferdinands I. (1564) waren von den Fürsten
und Standesherren Schlesiens nur der Bischof von Breslau und die Herren
von Leslau, Pleß und Trachenberg katholisch.
Die evangelische Konfession war in Schlesien unter
Ferdinand I. und Maximilian II. kaum Verfolgungen ausgesetzt, sie genoß
zeitweise sogar ein gewisses Wohlwollen des Herrschers. Auch die damaligen
Inhaber des Breslauer Bischofsstuhles waren meist maßvolle Vertreter. Es
gab nur Erlasse
gegen Schwenckfelder, Wiedertäufer und ungeweihte Geistliche.
Dies änderte sich mit dem Regierungsantritt Kaiser Rudolfs II. (1576),
der durch verschiedene Maßnahmen das in der überwiegenden Mehrheit der
Bevölkerung evangelisch eingestellte Schlesien allmählich wieder dem
Katholizismus zuführen wollte; er wurde in seiner Spätzeit tatkräftig
unterstützt vom strenggläubigen Erzherzog Karl als Bischof von Breslau!
(1608—24).
Um einen Ausweg aus der Glaubensbedrückung zu suchen,
blieb jedoch den schlesischen Ständen keine Wahl. Sie schlossen mit den
böhmischen Ständen ein Verteidigungsbündnis ab und verweigerten dem
Kaiser 1609 die Steuern. Nachdem die Böhmen bei Rudolf II. den bekannten,
die Gleichberechtigung der Konfessionen garantierenden Majestätsbrief
durchgesetzt hatten (9. 7. 1609), gelang es den Schlesiern, ihm ein ebensolches, teilweise sogar noch etwas weitergehendes Dokument
abzuringen (20. 8. 1609): die Bekenntnisse sollten völlig
gleichberechtigt sein, die freie Religionsübung jedem einzelnen
offenstehen, die Gründung evangelischer Kirchen und Schulen auch in den
Erbfürstentümern und im Bistumsland gestattet sein, das Oberamt an einen
evangelischen schlesischen Fürsten übertragen werden (seit 1536 vom
Bischof von Breslau besetzt). Als Rudolf sich von den ihm abgetrotzten
Zugeständnissen zurückziehen wollte, gingen die böhmischen Stände auf
die Seite seines Bruders Matthias, der ihm schon Österreich, Mähren und
Ungarn abgenommen hatte, über. Die Schlesier schlossen sich diesem
Beispiel an, huldigten aber Matthias erst (9. 10. 1611), nachdem er nicht nur den Inhalt des Majestätsbriefes bestätigt,
sondern noch weitere Forderungen zugestanden hatte: Einrichtung einer
selbständigen deutschen Kanzlei für Schlesien und die Lausitzen in Prag,
Besetzung der Appellationskamrner in Prag unter Beteiligung von
Schlesiern. Der Kaiser konnte diese Demütigung nicht vergessen.
Die konfessionellen Gewichte verlagerten sich zudem in Schlesien zu seinen
Gunsten.
Das katholische Lager wurde durch die Konversion Herzog Adam
Wenzels von Teschen (1610), die Verleihung des Fürstentums Troppau an den
Konvertiten Karl von Liechtenstein (1614) und den Eifer des Standesherrn
von (Groß) Wartenberg Burggraf zu Dohna gestärkt, während die
protestantische Seite zugleich durch den Übertritt Johann Georgs von
Jägerndorf und der Herzöge von Liegnitz-Brieg-Wohlau zum Kalvinismus
geschwächt wurde, da die Kalvinisten nicht in die Freiheiten des Majestätsbriefes einbezogen waren. Aber die Garantien von 1611 wurden mit
wachsender Spannung zwischen den beiden Lagern ohnehin nicht mehr voll
eingehalten.
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Liegnitz
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In die dem Prager Fenstersturz folgenden Entwicklungen
wurden die Schlesier hineingezogen. Um die Religionsfreiheit zu bewahren,
sahen sie sich gezwungen, sich den Böhmen anzuschließen, und die
Gesandten der schlesischen Stände stimmten nach dem Tode Kaiser Matthias‘ (1619) mit den böhmischen Ständen
für die Wahl des Führers der protestantischen Union, Kurfürst Friedrich
V. von der Pfalz, zum König von Böhmen; Friedrich nahm am 23. 2. 1620 in
Breslau die Huldigung der schlesischen Stände entgegen. Nach der
Niederlage am Weißen Berge (8. 11. 1620) kam der »Winterkönig« wieder
in Schlesiens Hauptstadt; der Versuch, neue Kräfte zu sammeln, mißlang,
und so riet er den Schlesiern, Kontakt zu den Sachsen aufzunehmen, die als
Verbündete des Kaisers die Lausitzen besetzt hatten und zu Verhandlungen
bevollmächtigt waren. Im »Dresdner Akkord« vom 28. 2. 1621 wurden die
Schlesier weitgehend geschont: die Stände sollten zwar eine Buße von 300.000 Gulden zahlen und Ferdinand II. als Oberherrn anerkennen; im übrigen
wurden aber die Wiederherstellung des Zustandes von 1618 versprochen und
die Privilegien des Landes garantiert. Diese Milde entsprach zwar nicht
den Wünschen des Kaisers; aber da er noch mit politischen Schwierigkeiten
zu kämpfen hatte, stimmte er dem Akkord zu.
Es ergaben sich jedoch bald Gelegenheiten, die
Verhältnisse in Schlesien im Sinne des katholischen Lagers zu verändern.
Als erster leitete Fürstbischof Erzherzog Karl die Rekatholisierung der
ihm unterstehenden Gebiete ein. Nach dem Tode Karls (1624) übernahm der Thronfolger
Erzherzog Ferdinand (der spätere Kaiser Ferdinand III.) Glatz und
Oppeln-Ratibor, 1626 auch Schweidnitz-Jauer und setzte die
Gegenreformation fort. Jesuiten und andere Orden begannen die
Rekatholisiernng. Jägerndorf fiel nach der Enteignung des Brandenburgers
Johann Georg an den neuen, katholischen Herrn von Troppau, Karl von
Liechtenstein, während Beuthen die in Oberungarn begüterte evangelische
Familie Henckel v. Donnersmarck übertragen bekam, der der Kaiser
finanziell verpflichtet war.
Dragoner |
Eine neue Phase der gegenreformatorischen Maßnahmen
begann mit dem Kriegszug des evangelischen Grafen Ernst von Mansfeld durch
Schlesien nach Ungarn. Dies gab dem Kaiser den Anlaß, im Gegenstoß ein
kaiserliches Heer nach Schlesien zu schicken und Maßnahmen zur
Durchsetzung der kaiserlichen Macht zu ergreifen. Das Oberamt verlor 1629
seinen ständischen Charakter und wurde rein kaiserliche Behörde.
Wallenstein wurde 1628 mit dem Fürstentum Sagan, 1632 auch mit Glogau
belehnt. Die gefürchteten »Liechtensteiner Dragoner» zwangen die
Bürger in den Städten der Erbfürstentümer zur Rückkehr zur
katholischen Kirche oder zur Auswanderung. Evangelische Grundherren wurden
der Anhängerschaft mit dem »Winterkönig» bezichtigt und verloren ihre
Besitzungen; sie wurden durch kaisertreue Geschlechter ersetzt. Es begann
die Einwanderung adliger Familien aus allen Ländern der österreichischen
Monarchie; sie setzte sich bis zum Ende der Habsburgerzeit fort. 1632 drangen Truppen der nunmehr gegen den Kaiser
verbündeten evangelischen Mächte Schweden, Brandenburg und Sachsen nach
Niederschlesien ein, dessen evangelische Stände sich auf eine
»Konjunktion» mit den genannten Mächten einließen (1633).
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Sie
verschlechterten aber damit nur ihre Situation; denn Sachsen, das am
ehesten den Schlesiern Schutz hätte gewähren können, schloß 1635 mit
dem Kaiser den Prager Frieden (in dem es u. a. die 1620 als Pfand
übernommenen Lausitzen zu Lehen bekam). Die Schlesier mußten sich dem
Kaiser unterwerfen; nur die Piasten in Liegnitz, Brieg und Wohlau und die
Podiebrads in Oels konnten die Religionsfreiheit für ihre Länder
bewahren, die Stadt Breslau verlor die Landeshauptmannschaft des
Fürstentums, konnte aber im übrigen seine wichtige Stellung verteidigen.
Der Nachfolger Ferdinands II., Ferdinand III. (1637—57), fuhr fort, die
Macht der kaiserlichen Verwaltung in Schlesien zu vermehren und die
Befugnisse der Stände einzuengen.
Den ruhigen Jahren nach dem Prager Frieden folgten ab
1639 bis 1648 wieder Zeiten kriegerischer Auseinandersetzungen auf
schlesischem Boden. Schwedische wie kaiserliche Truppen bedrückten das
Land durch Zerstörung, Einquartierung, Sonderbesteuerung, Behinderung des
Handels; verhalf schwedische Besatzung zur Wiedereinführung des
evangelischen Gottesdienstes, so brachte ein militärischer Wechsel bald
wieder die Ausmerzung reformatorischer Regungen. Brände und Seuchen taten
ein übriges, um in erster Linie den Wohlstand der Städte zu vernichten.
Massenweise flüchteten die Bürger in die evangelischen oder zumindest
den Protestanten gegenüber toleranten Nachbarländer: die Lausitzen,
Brandenburg und Polen, oder zumindest aufs Land, um den widrigen
Verhältnissen in den Städten zu entkommen.
Der Westfälische Friede beendete zwar die
Kriegshandlungen, er garantierte den evangelischen Fürstentümern, d. h.
Liegnitz, Brieg, Wohlau und Oels, sowie der Stadt Breslau
Religionsfreiheit und gewährte den Evangelischen der niederschlesischen
Erbfürstentümer drei Gotteshäuser — »Friedenskirchen» — vor den
Toren von Glogau, Jauer und Schweidnitz. Im übrigen setzte die
systematische Unterdrückung der evangelischen Konfession jetzt erst recht
ein. Die evangelischen Kirchen wurden geschlossen oder den wenigen
übriggebliebenen Katholiken übergeben, die Pfarrer vertrieben. Zu
städtischen Ämtern wurden vielfach nur noch Katholiken zugelassen. Eine
neue Fluchtwelle in die Nachbarländer setzte ein; sie vermehrte dort die
Zahl der (auch aus Böhmen stammenden) Exulanten.
Für die im Lande verbliebenen evangelischen Gläubigen wurden im
Grenzgebiet der Nachbarländer bestehende evangelische Kirchen zu
»Zufluchtskirchen» erweitert oder eigens neue Gotteshäuser,
»Grenzkirchen«, erbaut; von weit her pilgerten die Menschen
allwöchentlich in großer Zahl über die Grenzen in diese Kirchen zum
Gottesdienst. Die »Kirchenreduktion« wurde in den
Erbfürstentümern 1653/54, im Fürstentum Sagan 1668 durchgeführt.
Als
der letzte Piast 1675 verstorben war und seine Länder als erledigte Lehen
an die Krone gefallen waren, respektierte der Kaiser zunächst die im
Westfälischen Frieden garantierte Religionsfreiheit für die
Fürstentümer Liegnitz, Brieg und Wohlau, wenn auch die katholische
Propaganda einsetzte. In den letzten Jahren des Jahrhunderts wurde jedoch
auch hier die evangelische Konfession unterdrückt, die evangelischen
Kirchen wurden geschlossen. Auch in das Fürstentum Oels und nach Breslau
drang die Gegenreformation ein; in der Hauptstadt Schlesiens wurde 1702
eine Jesuiten-Hochschule, die Leopoldina, begründet.
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Universität Leopoldina
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Die härtesten Maßnahmen mußten allerdings bald
rückgängig gemacht werden; denn einmal neigte Kaiser Joseph I. (1705—11)
zu einer gemäßigteren Konfessionspolitik, zum anderen und vor allem
machte sich der schwedische König Karl XII., als er während des
Nordischen Krieges nach seinem Siegeszug durch Polen bei Leipzig Sachsen—Polen
gegenüber seine Forderungen durchsetzte, zugleich zum Sprecher der
evangelischen Schlesier und zwang als Bürge des Westfälischen
Friedensvertrages den Kaiser in der «Altranstädter Konvention« vom 1.
9. 1707 zur Wiederherstellung der Religionsfreiheit in den im
Friedensvertrag genannten Gebieten Schlesiens.
Im politischen Bereich spielte der Protestantismus gar
keine Rolle mehr, auch wenn es noch einen evangelischen Fürsten gab: den
Herzog von Oels. Überhaupt war der Fürstenstand stark dezimiert, und
seine Rechte waren auf die Stufe von Mediatherren hinabgedrückt. In Oels
war das Haus Podiebrad im Mannesstamm mit Herzog Karl Friedrich 1. 1647
ausgestorben; zwar erreichte dessen Schwiegersohn, Herzog Sylvius Nimrod
von Württemberg-Weiltingen, die kaiserliche Belehnung mit Oels, aber nur
zu eingeschränktem herzoglichen Recht. Dasselbe gilt für die drei
katholischen Adelsfamilien, die die Kaiser in freigewordenen
Fürstentümern eingesetzt hatten: die Fürsten von Liechtenstein in
Troppau (1614) und Jägerndorf (1623), die Fürsten Lobkowitz in Sagan
(1646) und die Fürsten Auersperg in Münsterberg (1654). Die Teschener
Linie der Piasten war im Mannesstamm mit Herzog Friedrich Wilhelm 1625
ausgestorben; dessen Schwester Elisabeth Lukretia durfte das Fürstentum
bis zu ihrem Lebensende (1653) behalten, dann fiel es an die Krone. Die
letzten Piasten starben 1675 mit dem jugendlichen Herzog Georg Wilhelm von
Liegnitz, Brieg und Wohlau aus. Friedrich Wilhelm von Brandenburg (der
»Große Kurfürst«) beanspruchte auf Grund der Erbverbrüderung von 1537
dessen Länder; aber die Habsburger hatten bereits 1546 die Ungültigkeit
dieser Vereinbarung festgestellt. Kaiser Leopold I. trat zwar dem
Brandenburger als Entschädigung die Exklave Schwiebus des Fürstentums
Glogau ab (1686); gleichzeitig versprach jedoch Kurprinz Friedrich (III.),
das Gebiet
zurückzugeben, sobald er die Regierung übernommen haben würde.
Die politische Gliederung Schlesiens war um 1700 recht einfach. Etwa zwei Drittel der
Fläche bedeckten die unmittelbar der Krone gehörenden Erbfürstentümer.
Das letzte Drittel bestand aus den Mediatfürstentümern Neisse-Grottkau
(Bistumsland), Münsterberg, Oels, Sagan und Troppau-Jägerndorf, den
Freien Standesherrschaften Carolath, Trachenberg, Militsch, (Groß)
Wartenherg, Beuthen und Pleß sowie einigen kleinen
Minderstandesherrschaften.
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Der Dreißigjährige Krieg fügte der Bevölkerung
Schlesiens durch Kriegshandlungen, Pest und Auswanderung schwere Verluste
zu. Die durch die Kriegsfurie bedingte Flucht war meist vorübergehend;
die Auswanderung aus Glaubensgründen stellte dagegen einen endgültigen
Verlust dar. Viele Fachleute, besonders Tuchmacher und Bergleute, kehrten
damals Schlesien den Rücken zu — zum Schaden der Wirtschaft. Besonders betroffen
waren die Städte; manche von ihnen haben die Einwohnerzahl der
Vorkriegszeit erst im 19. Jh. oder überhaupt nicht wieder erreicht.
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Insgesamt gesehen, hatte die schlesische Wirtschaft in
den 1670er Jahren das Schlimmste überstanden, Wichtigster Motor der
Wirtschaft waren Leinenproduktion und Leinenhandel. Das Leinen ging —
durch Nachahmung französischer Sorten seit den 1690er Jahren
konkurrenzfähiger geworden — über die Niederlande, Portugal und
Spanien bis nach Amerika. Zentren des Handels im Lande waren nunmehr
Landeshut, Schmiedeberg, Greiffenberg und vor allem Hirschberg, das sich
auf den Schleierhandel spezialisiert hatte. Hauptumschlagplatz des
Westhandels mit schlesischem Leinen war Hamburg, über das in umgekehrter
Richtung Schlesien außereuropäische Waren bezog, z. T. solche, die es
früher über den Levantehandel erhalten hatte, wie Gewürze und
Südfrüchte. Diesem Nordwesthandel stand seit der Fertigstellung des
Oder-Spree-Kanals (Friedrich-Wilhelm-Kanal, 1668) auch der Wasserweg zur
Verfügung. War auch der Handel der Politik des Staates unterworfen, so
mußte doch die Regierung immer wieder die Interessen der schlesischen
Kaufleute berücksichtigen, weil diese ihr beträchtliche Einnahmen
garantierten. Ausdruck staatlicher Förderung war die Einrichtung des
Kommerzkollegs in Breslau 1716.
Die Jesuiten und die anderen gegenreformatorisch
tätigen Orden einerseits und der Adel anderseits wurden die Träger einer
regen Bautätigkeit, die dazu beitrug, Schlesien zu einer reichen
Landschaft der Barockkunst zu machen. Die neu oder wieder eingeführten
Orden wollten durch prachtvolle Kirchen, Klöster, Kolleg- und
Seminargebäude den Sieg der alten Kirche zum Ausdruck bringen. Auch
ältere kirchliche Institutionen ersetzten — diesem Beispiel folgend —
ihre altersschwachen Bauten durch großzügige neue, und alte Kirchen
erhielten zumindest eine neue Innenausstattung, vielfach Ersatz für die
in der Reformationszeit verlorene.
Schlesien nahm an dem wirtschaftlichen, geistigen und
künstlerischen Aufschwung der österreichischen Länder nach Beendigung
der Türkenkriege teil. Mit dem Einfall Preußens nach Schlesien 1740
brach diese positive Entwicklungslinie zunächst einmal ab.
Die preußische Provinz Schlesien (1741-1918)
Der erst ein halbes Jahr regierende junge König
Friedrich II. von Preußen sah in dem Tod Kaiser Karls VI. am 20. 10. 1740
eine günstige Gelegenheit, um sein Staatsgebiet nach Südosten auf
Schlesien auszudehnen; denn Bayern und Sachsen hatten die Pragmatische
Sanktion von 1724, welche die weibliche Thronfolge nach Karls VI. Tod
vorsah, nicht anerkannt, woraus sich eine schwache und bedrohte Position
von Karls Tochter und Nachfolgerin Maria Theresia ergab. Tatsächlich
entstand aus dieser Kontroverse im Juli 1741 der Österreichische
Erbfolgekrieg.
Friedrich II. |
Damals waren aber die Preußen längst nach Schlesien
eingedrungen. Friedrich II. ging bei seiner Forderung auf Abtretung
von Schlesien von den alten Ansprüchen der Hohenzollern auf Teile dieses
Landes aus, auf die Besitzungen des im Zusammenhang mit dem Böhmischen
Aufstand 1621 enteigneten Markgrafen Johann Georg (Jägerndorf, Oderberg,
Beuthen) und die Fürstentümer Liegnitz, Brieg und Wohlau, die 1537
Gegenstand der Erbverbrüderung zwischen den Brandenburgern und den
Piasten gewesen waren. Zwar hatte der Große Kurfürst 1686 gegen
Abtretung des Kreises Schwiebus an Brandenburg auf alle schlesischen
Besitztitel verzichtet; aber auf Grund eines vom habsburgfreundlichen
Kurprinzen zur gleichen Zeit ausgestellten geheimen Reverses war Schwiebus
schon 1694 wieder an Schlesien gekommen.
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Das am 16.12.1740 in Schlesien eindringende
preußische Heer konnte angesichts der geringen anwesenden
österreichischen Truppen bis Mitte März 1741 fast ganz Schlesien
besetzen; das nach Oberschlesien vorgerückte österreichische Heer unter
dem Grafen Neipperg wurde am 10. 4. 1741 bei Mollwitz geschlagen. Da
inzwischen auch Bayern, Frankreich und Sachsen den Krieg gegen Österreich
begonnen hatten und Wien bedroht war, verzichtete Friedrich II. in einem
von England vermittelten Geheimabkommen mit Österreich (Klein
Schnellendorf, 9. 10. 1741) auf weitere militärische Aktionen und
erreichte dafür von Österreich, daß ihm Schlesien bis zur Glatzer
Neiße und rechts der Oder nördlich der Brinitze eingeräumt, darüber
hinaus die Einrichtung von Winterquartieren in Oberschlesien bis zu einer
bestimmten Linie nördlich der Gebirgspässe gestattet wurde. Nach erneutem Eingreifen
Preußens in den Krieg trat Maria Theresia Friedrich II. im Breslauer
Präliminarfrieden vom 11. 6. 1742 fast ganz Schlesien (sie behielt nur
Teile des Bistumslandes und des Fürstentums Troppau-Jägerndorf sowie das
Fürstentum Teschen) sowie die Grafschaft Glatz und die mährische Exklave
Katscher ab; die Bestimmungen wurden im Berliner Friedensvertrag vom 28.
7. 1742 bestätigt.
Der Österreichische Erbfolgekrieg ging inzwischen
weiter; Karl Albrecht von Bayern, der Gegenspieler Maria Theresias, war im
Januar 1742 zum Kaiser Karl VII. gewählt worden. Als die Lage sich
zugunsten der Habsburgerin änderte, griff Preußen aus Furcht vor Verlust
seiner Neuerwerbung wieder in die Auseinandersetzungen ein und eröffnete
damit den 2. Schlesischen Krieg (1744). Friedrich II. errang aber
zunächst keine Erfolge, die Österreicher drangen im Gegenzug nach
Oberschlesien und in die Grafschaft Glatz ein; aber die Siege bei
Hohenfriedberg (4. 6. 1745) und Kesselsdorf in Sachsen (15. 12. 1745)
verhalfen den Preußen schließlich doch zu dem den Besitz von Schlesien
bestätigenden Frieden von Dresden vom 25. 12. 1745. Ein dritter Krieg um
Schlesien, der Siebenjährige Krieg, brach nach elf Jahren Friedenszeit
1756 aus. In
Schlesien, das schwerer als zuvor unter der Kriegsfurie litt, operierten
Preußen auf der einen Seite, Österreicher, Sachsen und Russen auf der
anderen Seite. Das Kriegsglück wechselte mehrmals; dem Sieg bei Prag (6.
5. 1757) folgten für die Preußen Niederlagen bei Kolin in Böhmen (18.
6. 1757) und Breslau (24. 11. 1757), dann wieder der
große Sieg bei Leuthen (5. 12. 1757). Die 1758 von den Österreichern wieder besetzten Teile
Schlesiens wurden gegen Ende des Jahres weitgehend erneut preußisch. 1759
wurde das Land nach der Schlacht bei Kunersdorf in der Neumark (12. 8.
1759) im Norden von Russen und Osterreichern heimgesucht, 1760 durchzogen
nach der Kapitulation der Preußen bei Landeshut (23.6.1760) Österreicher
das Land, im Norden wiederum Russen, bis Friedrich II. die Feinde bei
Liegnitz schlug (15. 8. 1760) und aus Schlesien hinausdrängte. Auch 1761
hatte sich der König in Schlesien gegen Österreicher und Russen zu
verteidigen (Lager von Bunzelwitz, 20. 8.—25. 9. 1761). Der
Herrscherwechsel in Rußland im Januar 1762 führte dann Preußen aus
seiner trotz mancher Erfolge schwierigen Situation heraus.
Der neue Zar,
Peter III., trat auf die Seite Friedrichs II., und wenn sich das Bündnis
auch nicht auswirken konnte, weil Peter bereits am 9. 7. gestürzt wurde,
so verhalf schon allein die Anwesenheit der Russen bei Burkersdorf den
Preußen zum Siege (21. 7. 1762); sie schlugen auch einen
österreichischen Entsatzversuch für Schweidnitz bei Reichenbach
ab (16. 8. 1762) und nahmen schließlich die Festung Schweidnitz ein (9.
10. 1762). Die allgemeine Kriegsmüdigkeit führte dann die Gegner an den
Verhandlungstisch: am 15. 2. 1763 wurde im sächsischen Schloß
Hubertusburg der Friede geschlossen; er bestätigte erneut den 1742 und
1745 vereinbarten Gebietsstand. Der größte Teil Schlesiens war damit
endgültig preußisch geworden und konnte in den preußischen Staat
integriert werden.
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Friedrich in Bunzelwitz
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Preußen hatte schon vor Beendigung des 1. Schlesischen
Krieges mit der Einrichtung einer eigenen Verwaltung für Schlesien
begonnen, die dem modernen absolutistischen Staat entsprach und dem Lande
manch unbequeme, vielfach aber auch notwendige und längst fällige Änderung brachte. An der Spitze von
Preußisch-Schlesien stand der Provinzialminister (1742—53 Ludwig Wilhelm v. Münchow, 1753—55,
Joachim Ewald v. Massow, 1755—69 Ernst Wilhelm v. Schlabrendorff, 1770—1806/07
Carl Georg Heinrich v. Hoym), der direkt dem König unterstand —
Schlesien erhielt eine Sonderstellung. Unter ihm arbeiteten zwei Kriegs-
und Domänenkammern in Breslau und Glogau, die für die Finanz- und
Wirtschaftsverwaltung zuständig waren und die Oberbehörde für die 48 in
Anlehnung an die alten Weichbilder gebildeten Kreise darstellten. Die
Finanzverwaltung der Städte wurde in zehn den Kriegs- und Domänenkammern
unterstellten steuerrätlichen Departements zusammengefaßt; von allen in
die Stadt gebrachten oder in der Stadt erzeugten Waren, ferner von
Gärten, Wiesen, Äckern und Vieh mußte die Akzise gezahlt werden. Bei
kleinen, wirtschaftsschwachen Städten lohnte sich die Erhebung der Akzise
nicht; diese »unakzisbaren Städte« zahlten wie die Dörfer die
»Kontribution« und unterstanden wie diese den Landräten. Durch diese
Maßnahme sanken 31 der 160 Städte Preußisch-Schlesiens zu Marktflecken
ab; nur einige wenige von ihnen erlangten im 19. Jh. auf Grund neuer
wirtschaftlicher Impulse wieder Stadtrecht.
Das Gerichtswesen wurde als einziger Bereich der
Verwaltung dem zuständigen preußischen Ressortminister untergeordnet,
damals Justizminister Samuel v. Cocceji. Als Berufungsinstanzen für die
Gerichte der unteren Ebene wurden »Oberamtsregierungen« in Breslau,
Glogau und 1744 auch in Oppeln (seit 1756 in Brieg) eingerichtet. Die
unteren Gerichtsinstanzen bildeten die alten Gerichte der Fürstentümer,
Standesherrschaften, Landstände und Magistrate. Auch behielten die
Grundherren die Polizei- und Kirchenhoheit. Im übrigen wurden alle
ständischen Einrichtungen abgeschafft; selbst über das von den Ständen
sorgsam gehütete Steuerbewilligungsrecht setzte sich Friedrich der Große
hinweg. Neben der Regelung der Steuereinnahmen war die
militärische Sicherung Schlesiens ein Hauptanliegen des preußischen
Königs. Im Lande sollte eine Garnison von etwa 35.000 Mann unterhalten
werden; das war mindestens das Zehnfache des Militärs der
österreichischen Zeit.
Festung Schweidnitz |
Zur Beschaffung von Rekruten wurde das preußische
Kantonsystem in Schlesien eingeführt; jeder Aushebungsbezirk (»Kanton«)
mußte eine Anzahl von Rekruten stellen; für Breslau und die wegen der
Leinenweberei für den Staat wichtigen Gebirgskreise (Bunzlau, Löwenberg,
Hirschberg, Jauer, Landeshut-Bolkenhain, Schweidnitz) gab es eine
günstigere Sonderregelung. Da die wenigen Kasernen für die vielen
Soldaten nicht ausreichten, mußten die Bürger der Städte Quartiere zur
Verfügung stellen. Die Festungslinie zu Böhmen—Mähren hin wurde
verstärkt: Schweidnitz wurde ausgebaut, Neisse und Glatz erhielten neue
Forts, Cosel wurde erst jetzt in eine richtige Festung umgewandelt, und am
Paß von Silberberg wurde eine neue errichtet.
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Schlesien hatte unter den preußisch-österreichischen
Kriegen schwer gelitten. Friedrich der Große förderte den Wiederaufbau
der Städte, teilweise sogar durch Geldgeschenke aus der Privatschatulle,
vor allem aber durch Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft, wie Verbot
der Wollausfuhr nach Sachsen und Österreich und Erhöhung der
Durchgangszölle. Dies war um so notwendiger, als die schlesische
Wirtschaft sehr unter der Teilungsgrenze zu leiden hatte. Die Armee war in
der ersten Zeit ein wichtiger Auftraggeber; die Tuchproduktion stieg an,
die Waffen- und Munitionsherstellung setzte ein.
Eine besondere Förderung erfuhren der Bergbau und das
Hüttenwesen. 1769 wurde mit der »revidierten Bergordnung« ein
einheitliches Bergrecht für Schlesien eingeführt (nur die Standesherren
von Pleß und Beuthen behielten Sonderrechte), die die Freiheit der
Bergleute von der Gutsuntertänigkeit feststellte und den Bergbau einem
staatlichen Oberbergamt unterstellte, das seinen Sitz zunächst in
Reichenstein, seit 1779 in Breslau hatte. Schwerpunkt des Bergbaus und
auch des Hüttenwesens waren vorerst die niederschlesischen
Gebirgsgegenden (das Waldenburg-Neuroder Revier mit Nachbargebieten); er
verlagerte sich aber in zunehmendem Maße nach Oberschlesien.
Die Anfänge der modernen Industrieentwicklung in
Oberschlesien reichen in die habsburgische Zeit zurück. Die Initiative
ging von Gutsherren aus, die auf ihren Besitzungen an den Flüssen der
Waldgebiete (Malapane, Klodnitz, Birawka) mit Hilfe weniger deutscher
Fachleute, im übrigen mit der ihnen untertänigen einheimischen
Bevölkerung Hochöfen und Frischfeuer anlegten und betrieben. Diese Entwicklung
wurde in preußischer Zeit verstärkt fortgesetzt. Ein entscheidender
Wandel und Aufschwung begann mit dem Abbau und der Verwendung der
Steinkohle, was in Oberschlesien um 1750 einsetzt, später als im Waldenburg-Neuroder Revier, aber um so
folgenreicher. Der Anstoß ging vom Staat aus, vertreten durch den
preußischen Minister für Berg- und Hüttenwesen Friedrich Anton v.
Heynitz (seit 1777) und dessen Neffen Friedrich Wilhelm v. Reden als
Leiter des Oberbergamtes (seit 1779).
1780 wurde für Oberschlesien die
Bergdeputation (später Bergamt) Tarnowitz eingerichtet, 1784 ebendort die
Friedrichs-(Kohlen-)Grube, 1786 nordwestlich davon die Friedrichshütte
gegründet, 1788 in der Friedrichsgrube eine englische Dampfmaschine zur
Wasserhaltung aufgestellt, 1789 in der Hütte von Malapane das
Eisenschmelzen mit Koks erreicht. Zwei staatliche Steinkohlenbergwerke bei
Zabrze und Ghorzow — die Keimzellen der späteren Städte Hindenburg und
Königshütte — lieferten die Kohle für zwei benachbarte staatliche
Hütten, die Gleiwitzer Hütte mit dem ersten Kokshochofen Deutschlands
(1796) und die Königshütte (1802).
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Stahlhammer
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Diese Maßnahmen des Staates
markieren den Beginn der Industrieverlagerung nach Südosten in das
Kohlenrevier und die Begründung der oberschlesischen Schwerindustrie. Der
Staat legte auch den Grundstein für die oberschlesische Zinkindustrie. So positiv die Rolle des Adels bei der
Industrieentwicklung war, so negativ wirkte sich die Unterdrückung der
bäuerlichen Bevölkerung durch die Großgrundbesitzer aus, die besonders
in Oberschlesien für die Bewirtschaftung der riesigen Latifundien viele
Menschen brauchten und nach Bedarf einsetzten, auch in ihren
Industriebetrieben. Daraus ergaben sich gefährliche soziale Spannungen,
die sich in Bauernunruhen entluden (1793, 1811), wie auch in den
Gebirgskreisen unsoziales Verhalten der Garnhändler zu Weberunruhen
führten (1793). Der preußische König benötigte aber den Adel als
Reservoir für das Offizierskorps und das höhere Beamtentum und
unterstützte ihn daher. Das Problem der Verflechtung des
österreichischen Adels mit Schlesien löste sich im Laufe der Zeit von
selbst durch Güterverkauf. Um dem verschuldeten Adel zu helfen, seinen
Grundbesitz zu halten, gründete Friedrich der Große 1770 die
»Schlesische Landschaft», eine Krediteinrichtung des Adels.
In konfessioneller Hinsicht brachte die Herrschaft des
religiös indifferenten Königs den Evangelischen die Aufhebung der
Glaubensbeschränkungen, der katholischen Kirche einige staatliche
Einflußnahmen, die aber die freie Religionsausübung nicht berührte.
Noch während des 1. Schlesischen Krieges erbaten und erhielten viele
evangelische Gemeinden von Friedrich II. die Genehmigung zur Errichtung
eines eigenen Gotteshauses und zur Anstellung eines Predigers; bis 1752
waren 164 provisorische evangelische »Bethäuser« oder
»Bethauskirchen« erbaut. Gegenüber der katholischen Kirche wollte der
König seine kirchliche Souveränität durchsetzen und griff damit in
Autonomierechte der Kirche und in deren direkte Verbindungen zur Kurie und
zu kirchlichen Einrichtungen in den habsburgischen Ländern — besonders
im Bereich der Orden — ein. Dabei kam es zu manchen scharfen
Auseinandersetzungen zwischen dem König und dem Bischof von Breslau.
Wie sehr Friedrich der Große die Arbeit der
katholischen Kirche im Bildungsbereich schätzte, zeigt sein Verhalten
gegenüber den Jesuiten: als der Papst den Jesuitenorden 1773 aufgelöst
hatte, machte der Staat die Patres zu Mitgliedern des »Königlichen
Schul-Instituts« und ließ ihre Gymnasien, ebenso die Leopoldina in
Breslau bestehen. Der Verbesserung des Schulwesens diente die Einrichtung
eines katholischen Lehrerseminars in Breslau 1767; evangelische Lehrer
wurden seit 1765 im Bunzlauer Waisenhaus und seit 1768 auch in Breslau
ausgebildet.
Mit dem preußischen Beamtenapparat und dem
preußischen Militär drangen strengere, nüchternere Lebensformen nach
Schlesien ein, an die sich die Bevölkerung nur zögernd gewöhnte. In der
Kunst kam der Wandel in der Ablösung des heiteren österreichischen
Barock durch den ernsteren preußischen Klassizismus zum Ausdruck, der
hier vor allem durch den Schlesier Carl Gotthard Langhans, den Erbauer des
Brandenburger Tores in Berlin, und seine Schule geprägt wurde..
Nach einer Friedenszeit von viereinhalb Jahrzehnten
(die Feindseligkeiten in Oberschlesien 1778 während des Bayerischen
Erbfolgekrieges waren unbedeutend) wurde Schlesien ab November 1806 von
Verbündeten Napoleons — bayerischen und württembergischen Truppen
unter dem Befehl von Napoleons Bruder Jerôme — mit Krieg überzogen; nur
die Festungen Glatz, Silberberg und Cosel hielten bis zum Tilsiter Frieden
(9. 7. 1807) dem Ansturm stand. Der Friedensvertrag beließ Schlesien bei
Preußen, was schon wegen der oberschlesischen Rüstungsindustrie wichtig
war; eine längere militärische Besetzung erzwang Frankreich nur für die
Festung Glogau
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Napoleon
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Die Ereignisse der nächsten Jahre in Schlesien
erlangten nicht nur für dieses Land, sondern teilweise auch für ganz
Preußen und Deutschland Bedeutung. Durch die Einführung der
Stein-Hardenbergschen Reformen 1807—12 (Bauernbefreiung, städtische
Selbstverwaltung, Heeresreglement, Gewerbefreiheit, rechtliche
Gleichstellung der Juden) wurde die soziale und wirtschaftliche Lage
verbessert, zugleich Schlesien an das übrige Preußen angeglichen. Die
große Verwaltungsreform sollte erst nach 1815 erfolgen. Aber die
bisherigen Kammern wurden schon jetzt in Regierungen, die
Oberamtsregierungen in Oberlandesgerichte umgewandelt; dabei wurde die
Glogauer Regierung angesichts der anhaltenden fremden Besetzung von Glogau
provisorisch in Liegnitz aufgebaut (1809), das Provisorium wurde aber zum
Schaden Glogaus zur Dauereinrichtung.
Zur Angleichung an gesamtpreußische Verhältnisse
gehörte auch die Säkularisation des beträchtlichen katholischen
Kirchengutes in Schlesien (1810), eine Maßnahme, die in anderen Teilen
Deutschlands und auch Preußens bereits vorher durchgeführt worden war
und die dem Staat in der damaligen Finanznot helfen sollte. Ein Teil der
Güter wurde zur Ausstattung der durch Ausbau der
theologisch-philosophischen Hochschule »Leopoldina« und Vereinigung mit
der Universität Frankfurt/Oder gegründeten Breslauer
Friedrich-Wilhelms-Universität (1811) — der ersten Universität
Preußens mit katholischer und evangelischer theologischer Fakultät —verwendet;
manche Kirchenbesitzungen schenkte der König später verdienten
Heerführern der Befreiungskriege und Staatsmännern (Blücher:
Krieblowitz und Schawoine, Yorck v. Wartenburg: Klein Öls, Wilhelm v. Humboldt: Ottmachau). 1812 wurde
Preußen zum Durchmarschgebiet für die nach Rußland eindringenden Heere
Frankreichs und seiner Verbündeten. Mittel- und Oberschlesien waren davon
ausgenommen und konnten daher als Vorbereitungsraum für die Erhebung
gegen Napoleon dienen. Die königliche Familie siedelte am 22. 1. 1813
nach Breslau über; dort vereinbarte Preußen am 27. 2. 1813 ein Bündnis
mit Rußland (endgültige Unterzeichnung des Vertrages am 28. 2. im
russischen Hauptquartier zu Kalisch) dort traf König Friedrich Wilhelm
III. am 15. 3. mit Zar Alexander I. zusammen und verkündete zwei Tage
später den berühmten Aufruf »An mein Volk«. Der nach dem endgültigen
Bruch mit Napoleon begonnene Frühjahrsfeldzug verlief ungünstig; die
Franzosen drängten die verbündeten Preußen und Russen bis jenseits
Neumarkt zurück. Aber der Waffenstillstand von Pläswitz (4. 6. 1813)
sollte den entscheidenden Umschwung ermöglichen.
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In fieberhaften
Verhandlungen im preußisch-russischen Hauptquartier zu Reichenbach wurden
Subsidienverträge mit England abgeschlossen und die Osterreicher als
Bündnispartner gewonnen; in Trachenberg beschlossen Preußen, Russen und
Schweden einen Feldzugsplan gegen Napoleon. Der Sieg Blüchers an der
Katzbach (26. 8.) kurz nach Ablauf des Waffenstillstandes (10. 8.) bildete
den Auftakt zur Befreiung ganz Deutschlands von der französischen
Vorherrschaft. Das Erlebnis der Befreiungsbewegung stärkte die
Verbundenheit der Schlesier mit dem preußischen Staat.
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Nach Beendigung des Krieges erfolgte eine umfassende
Neugliederung des preußischen Staates und eine Reform der
Behördenorganisation. Die Provinz Schlesien wurde durch den Anschluß
des 1815 preußisch gewordenen Teiles der Oberlausitz (1815/25) — eines Gebietes, das durch seine Geschichte und
innere Struktur manche Gemeinsamkeiten mit Schlesien besaß — trotz der
gleichzeitigen Abtretung des Kreises Schwiebus an Brandenburg
vergrößert; sie umfaßte nunmehr 40300 qkm. Die Provinz Schlesien wurde zunächst (1815/16) in
die vier Regierungsbezirke Breslau, Liegnitz, Oppeln und Reichenbach
aufgeteilt. Der Bezirk Reichenbach wurde schon 1820 aus
Sparsamkeitsgründen wieder aufgelöst. Der vor allem aus Rücksicht auf
die besonderen sozialen, wirtschaftlichen, konfessionellen und
sprachlichen Probleme Oberschlesiens eingerichtete Regierungsbezirk Oppeln
hingegen war von Bestand. Ihm wurden außer den oberschlesischen Gebieten
auch die bislang niederschlesischen Kreise Neisse und Grottkau (also das
Bistumsland) sowie 1820 der Kreis Kreuzburg zugewiesen. Diese Gliederung
Schlesiens blieb — abgesehen von manchen Veränderungen auf der
Kreisebene — bis zum Ende des 1. Weltkrieges bestehen.
Hinsichtlich der Organisation der katholischen Kirche
trug die päpstliche Bulle »De salute animarum« von 1821 auf Verlangen
Preußens den politischen Grenzen weitgehend Rechnung. Das Bistum Breslau
wurde aus der (allerdings seit langem nicht mehr praktizierten)
Abhängigkeit von der Kirchenprovinz Gnesen herausgelöst und direkt der
Kurie unterstellt. Seine Nordostgrenze fiel fortan mit der Provinz- bzw.
Staatsgrenze gegenüber Posen, Kongreßpolen und dem österreichischen
Galizien zusammen. Im Nordwesten wurden die Katholiken der preußischen
Oberlausitz sowie eines Teiles der Provinz Brandenburg Breslau
unterstellt.
Die Wirtschaft Schlesiens befand sich in den ersten
Jahrzehnten nach 1815 in einem ungünstigen Zustand. Die
Leinenindustrie konnte sich angesichts der preußischen
Freihandelspolitik kaum gegen die durch Einsatz von Maschinen billiger
arbeitende englische Konkurrenz wehren, und die dann um 1820 auch in
Schlesien einsetzende mechanisierte Textilherstellung in Fabriken brachte
viele Hausweber um ihr Brot, was zu sozialen Unruhen führte (vgl. Gerhart
Hauptmann, »Die Weber»). In den
Eisenhütten machten sich der Ausfall der kriegsbedingten Heeresaufträge
und auch die Konkurrenz ausländischen Roheisens bemerkbar. Allein die
Zinkindustrie blühte auf; sie erhöhte auch den Kohlenbedarf, der nach
Aufhebung der Mutungsbeschränkungen 1821 durch viele neue private
Bergwerksgründungen gesichert wurde.
Einer langsamen allgemeinen Aufwärtsentwicklung waren
jedoch durch die schlechten Transportbedingungen Grenzen gesetzt. Trotzdem hatte das
oberschlesische Industrierevier bis zur Mitte des 19. Jh. einen Vorsprung
gegenüber dem rheinisch-westfälischen, das dann die Führung übernahm.
Aber auch die schlesischen Industriegebiete erlebten seit den 1840er
Jahren eine gewaltige Expansion. Den Anstoß hierzu gab der Eisenbahnbau.
Als erste schlesische Eisenbahnlinie wurde
bezeichnenderweise die von Breslau ins oberschlesische Industriegebiet in
Angriff genommen; sie wurde 1842 bis Brieg, 1843 bis Oppeln, 1846 bis
Myslowitz in Betrieb genommen. Inzwischen waren auch die Strecke von
Breslau in Richtung Waldenburger Bergland — das zweite Industriegebiet
Schlesiens — bis Freiburg (1843, Verlängerung bis Waldenburg 1853) und
die Linie Breslau—Liegnitz—Sorau-Berlin (1846) fertiggestellt, die
Anschlüsse nach Leipzig (1847) und zur österreichischen
Kaiser-Ferdinand-Nordbahn Wien—Oderberg von 1847 folgten (1847/48).
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Oppeln
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Das beachtlich schnell wachsende Eisenbahnnetz brachte
vielerorts an den Bahnlinien Industriebetriebe hervor.
Breslau, das nach der Jahrhundertmitte die Einbußen als Handelsplatz
durch Industrialisierung auszugleichen verstand, das Waldenburger
Bergland, ganz besonders aber das oberschlesische Industrierevier, das
seinen zweiten Platz unter den deutschen Industrielandschaften festigte.
Wichtigste Grundlage desselben blieb die Steinkohle, die noch an Bedeutung
gewann; waren früher die Hütten die hauptsächlichsten Abnehmer der
Kohle, so benötigte man sie nun auch zum Betrieb der Eisenbahnen, und mit
der Möglichkeit der Beförderung von Schwergut mit der Eisenbahn kam die
Verwendung der Kohle als Hausbrandmittel auf. Wurden in
Preußisch-Oberschlesien 1806 erst 42.000 t Steinkohle gefördert, so waren
es 1850 schon 975.000 t, 1870 5.850.000 t und 1913 sogar 43.000.000 t. Die
Eisenproduktion stieg ebenfalls an, allerdings nicht so sprunghaft, und
sie mußte sich teilweise auch fremder Erze bedienen.
Die oberschlesische Industrie blieb ständig im Ausbau,
neue Technologien wurden eingeführt, Betriebe wechselten die Besitzer und
wurden zu Unternehmenskomplexen zusammengefaßt. Die Oder wurde 1891—1917
reguliert, in Cosel entstand bis 1895 ein großer Umschlaghafen. Industriebesitzer waren nur noch in wenigen Fällen die
Grundherren der Gegend — wie etwa die Grafen Henckel v. Donnersmarck,
die Grafen Ballestrem oder die Fürsten von Pleß. Die Bevölkerungsexplosion war in Oberschlesien gewaltig.
1819 hatte der Regierungsbezirk Oppeln 561 173 Einwohner, 1871 waren es 1
309 563, 1885 1 497 595, 1910 bereits 2 207 981.
Die Universität Breslau wurde in der Zeit der Restauration in
Deutschland in den 1820er und 1830er Jahren stark beargwöhnt, in den
1840er Jahren entwickelte sich Breslau (neben Königsberg und der
Rheinprovinz) zu einem Mittelpunkt des politischen Liberalismus in
Preußen; August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, Professor für
deutsche Sprache und Literatur an der Universität Breslau, wurde 1842
wegen seiner »Unpolitischen Lieder« entlassen, sein Schüler Gustav
Freytag, Privatdozent an derselben Universität, hielt zu ihm.
Gerhard Hauptmann |
Die
Unzufriedenheit der Schlesier mit dem Absolutismus in Preußen kam in der
Revolution von 1848/ 49 deutlich zum Ausdruck. Gleichzeitig mit der
demokratischen Erhebung fanden in Teilen Schlesiens Bauernaufstände
statt. Nach der Verkündung der vom König aufgezwungenen Verfassung (5.
12. 1848) wuchsen die Spannungen zwischen den nachgiebigeren Kreisen und
den strengen Demokraten; das Eintreten der letzteren für die von der
Frankfurter Nationalversammlung verabschiedete Reichsverfassung führte
zum Breslauer Maiaufstand (6./7. 5. 1849). Die demokratischen Bestrebungen
wurden aber wie überall in Preußen unterdrückt.
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