23. August 1813
 
Vorgeschichte

Nach dem Waffenstillstand mit den Alliierten konzentrierte Napoleon seine Armee in Sachsen, um unter Ausnutzung der inneren Linie die Armeen der Verbündeten getrennt zu schlagen. Eine weitere Armee, die »Armée de Berlin« unter dem Marschall von Frankreich, Charles Nicholas Oudinot, sollte die Elbe entlang gegen Berlin ziehen um zum einen, die preußische Hauptstadt anzugreifen und zum anderen, die Verbindung mit der norddeutschen Armee unter Davout in Hamburg herzustellen.

Die preußische Hauptstadt Berlin war es, auf deren Eroberung es Napoleon während der gesamten Kampfhandlungen vom Frühjahr bis zum Sommer 1813 abgesehen hatte.

Berlin galt ihm als der Hort, von dem die Befreiungsbewegung gegen sein Regime den Ausgangspunkt hatte, besonders der ihm verhaßte Tugendbund gegen ihn arbeitete, der die Begeisterung der Volksmassen immer neu entfachte, wo Preußens Rüstungen gegen seine Truppen organisiert wurden. Die Eroberung dieser Stadt - so glaubte er - würde ihn in die Lage versetzen, die Koalition der verbündeten Mächte auseinanderzusprengen. So schickte er nun über 70.000 Mann seiner Feldtruppen in Richtung Berlin zur Eroberung der preußischen Hauptstadt.


Berlin - vom Kreuzberg aus gesehen

Die Berlin-Armee Napoleons

»Seine Majestät nimmt an, daß Sie mit einer Armee wie die Ihrige den Feind rasch zurückwerfen, Berlin einnehmen, die Einwohner entwaffnen, die Landwehr und die ganze Masse schlechter Truppen zerstreuen werden. Sollte Berlin Widerstand leisten, so lassen Sie die Stadt durch Granaten in Brand schießen, und suchen Sie die Stadtmauer durch schwere Feldgeschosse in Trümmer zu legen. Wir haben auf diese Weise Wien und andere Hauptstädte schnell zur Übergabe gezwungen.«

Diese von Überheblichkeit und Fehleinschätzung geprägten Sätze enthielt die Ordre Napoleons für seine Berlin-Armee, die den Herzog von Reggio, den Marschall Oudinot, am 14. August durch einen kaiserlichen Ordonnanzoffizier erreichte. Der Kaiser hatte sich schon über Bedenken in seinem Hauptquartier gegen die Übertragung des Oberbefehls an Oudinot hinweggesetzt, dort hätte man lieber Marschälle wie Saint-Cyr, Marmont oder Davout mit dieser Aufgabe betraut gesehen. Oudinot galt als brauchbarer Divisionsgeneral, aber nicht als Armeeführer. Er selbst fühlte sich mit dieser Aufgabe überfordert und lehnte anfangs ab. Aber der Kaiser bestand auf seiner Ordre.

Auch die anderen Korpskommandeure erhielten ihre Befehle. Der Divisionsgeneral Graf Bertrand, der mit seinem IV. Korps bei Sprottau stand, der Graf Reynier, der mit dem VTI. Korps bei Görlitz lagerte und der Herzog von Padua, Arrighi, mit seinem III. Kavalleriekorps, sollten sich mit dem Marschall Oudinot bei Luckau vereinigen. Von allen militärischen Führern der Berlin-Armee verfügte wohl General Reynier über die größten Kriegserfahrungen, war den anderen Befehlshabern an militärischen Eigenschaften überlegen. Sein VII. Armeekorps bestand in der Hauptsache aus Sachsen, die er übrigens schon seit Jahren kommandierte und bei denen er sehr beliebt war. Insgesamt verfügte er über zwei sächsische Divisionen, eine sächsische Kavalleriebrigade, eine sächsische Artilleriebrigade und die nataionalfranzösische Division Durutte, in der viele Strafgefangene dienten und die keinen guten Ruf genoß.


Oudinot


Bertrand


Reynier

Bertrands IV. Korps setzte sich aus einer französischen, einer italienischen sowie einer württembergischen Division unter dem General Franquemont und einer württembergischen Kavalleriebrigade zusammen. Er führte zum ersten Mal ein Korps. Vorher diente er als Flügeladjutant in der Umgebung des Kaisers.

Insgesamt war es schon erstaunlich, wie der Kaiser eine solche große Aufgabe, die Eroberung der preußischen Hauptstadt, in die Hände sowenig fähiger Leute legen konnte. Aber auf der einen Seite unterschätzte der Kaiser den feindlichen Oberkommandierenden Karl Johann, seinen ehemaligen Marschall Bernadotte, zum anderen die preußischen Truppen, die zur Deckung Berlins bestimmt waren.

Gleichzeitig mit Marschall Oudinot sollte Marschall Davout von Hamburg aus gegen die Nordarmee der Verbündeten vorgehen. Zwischen diesen beiden Armeegruppen sollte eine dritte Gruppierung unter General Girard ebenfalls in Richtung Berlin vorstoßen. Napoleon hoffte, daß dadurch der Kronprinz von Schweden seine Armee teilen, Oudinot also nur auf Teilkräfte treffen würde.

Die Armée de Berlin war ungefähr 70.000 Mann stark und bestand aus einem bunten Völkergemisch: Sachsen, Württembergern, Bayern, süddeutschen Rheinbündlern aus kleineren Staaten, Italienern, Illyrern, Polen und Franzosen. Die Artillerie umfaßte 216 Geschütze. Der Kampfwert der Truppen war sehr unterschiedlich. Am zuverlässigsten waren die Sachsen und Württemberger. Die Italiener, als Soldaten durchaus tüchtig, neigten zur Fahnenflucht. Die Hauptmasse der Franzosen bestand aus blutjungen Rekruten, denen man die Stämme einiger alter Regimenter zugeteilt hatte.


franz. Artillerie


franz. Linien-Infanterie


sächsische Linien-Infanterie

In der Division Durutte standen fünf Strafregimenter, also Soldaten zweiter Klasse, hier war auch das Rheinbundregiment Würzburg zugeteilt. Marschall Oudinot wußte den Wert seiner Truppen durchaus real einzuschätzen. Hierauf beruhte wohl auch sein vorsichtiger Anmarsch, förmlich tastend, die drei Kolonnen ängstlich auf gleicher Höhe haltend. Am 18. August schlug er sein Hauptquartier in Baruth auf. Die Masse seiner Truppen hatte sich inzwischen hier eingefunden.

Die Nordarmee

Die Nordarmee der Verbündeten unter dem Befehl des ehemaligen französischen Marschalls Jean Baptiste Bernadotte, als Karl Johann nunmehriger Kronprinz von Schweden, setzte sich aus 73.000 Preußen (40.000 Landwehr), 29.000 Russen und 23.000 Schweden zusammen, wobei die Verteidigung Berlins naturgemäß von den Preußen getragen wurde.


Bernadotte


Bülow


Tauentzien


Borstell

Die beiden preußischen Armeekorps standen unter der Führung der Generalleutnante von Bülow (III.) und von Tauentzien (IV.). Die preußischen Truppen setzten sich hauptsächlich aus Landwehrtruppen und Reserve-Linien-Regimentern zusammen, die Pommern, Ostpreussen und dem Marken kamen.

Mit der »Verordnung über die Organisation der Landwehr« vom 17. März 1813 zum Gesetz erhoben, wurde sie zunächst für die Dauer des Krieges geschaffen. Sie umfaßte alle nicht zu den Linienregimentern eingezogenen Wehrpflichtigen vom 17. bis zum 40. Lebensjahr. Die Errichtung wurde den von allen Ständen gebildeten Ausschüssen der Landkreise übertragen, auf deren Kosten — mit Ausnahme von Waffen und Munition — die Ausrüstung erfolgte. Sie hatte eine Stärke von 120.000 Mann und setzte sich im Herbstfeldzug aus Infanterie-und Kavallerieregimentern zusammen, da die im Frühjahr übliche Gliederung in Brigaden und Divisionen aufgrund der noch mangelhaften Gefechtsdisziplin sich nicht bewährt hatte.

Die Russen lagerten bei Brandenburg, die Schweden hatten ihren Aufmarschraum zwischen Berlin und Spandau mit Stoßrichtung Potsdam, während Bülows Korps südlich Berlin und Tauentzien an der Oder stand


preußische Landwehr


pommersche Kavallerie


preußische Landwehr

Aufmarsch der Franzosen

Am 20. August erreicht Marschall Oudinot in der Nähe von Luckenwalde ein neuer Befehl Napoleons:

»Kein Aufenthalt mehr, keine Seiten- und Umgehungsbewegungen mehr, sondern gerade auf den Feind, und den Feind in der Mitte durchbrechen. Kaiserliche Majestät wünscht, daß sobald als möglich Berlin in ihren Händen ist.«

Der Marschall teilte seine Armee in drei Kolonnen:

Rechter Flügel, das IV. Korps unter Graf Bertrand auf Mellen und Zossen; 
linker Flügel, das XII. Korps unter seiner Führung auf Trebbin; 
im Zentrum das VII. Korps unter Graf Reynier in Richtung Wietstock.

plana.jpg (175015 Byte)

In den Morgenstunden des 21. August 1813 beginnt der Vormarsch. Die Befürchtungen, die Oudinot hinsichtlich des zu erwartenden Widerstandes durch den Gegner sowie die geographischen Gegebenheiten - vor allem die Sumpfgebiete - anfangs hegte, schienen dem Marschall nun wohl nicht mehr so groß.

Das Kampfgebiet

Das Terrain der Kampfhandlungen zwischen 21. und 23. August 1813 wird von Elbe, Havel und Spree begrenzt. Das südliche Gebiet zählt zum Hohen Fläming, der nördliche Teil in Richtung Berlin ist von mehreren morastigen Bächen und Bruchstrichen durchschnitten, zwischen denen sich einzelne flache -teilweise mit Kiefernwäldern bedeckte - Höhen und Hügel befinden. Größere Hindernisse stellten die Flußläufe von Plane, Nuthe und Notte dar. Plane und Nuthe münden in die Havel, die Notte in die Spree. Sie waren zur damaligen Zeit den größten Teil des Jahres auf den künstlich errichteten Dämmen zu überschreiten. Sie boten daher - außer bei langer Trockenheit - günstige Verteidigungsmöglichkeiten.

Nur an drei Stellen befanden sich Übergänge, die für die anrückenden Truppenmassen zum Passieren geeignet waren: so bei Wendisch-Wilmersdorf, bei Wietstock und bei Jühnsdorf. Danach war noch das breite sumpfige Bruchgebiet, das sich von Diedersdorf nach Norden zog, zu berücksichtigen, da dieses eine Verbindung zwischen der rechten Marschkolonne unter Bertrand und der mittleren unter Reynier unmöglich machte. Auch zwischen dem VII. Korps sowie dem XII. Korps gestaltete sich eine Verbindung wegen des zwischen Löwenbruch und Siethen befindlichen hügeligen Waldgebietes sehr schwierig. 

plan2.jpg (73428 Byte)

Diese Tatsachen hatte Marschall Oudinot offensichtlich nicht berücksichtigt bzw. sie waren ihm nicht voll bewußt. Für ihn stellte wahrscheinlich der Vormarsch der gesamten Armee auf nur einer Straße ein viel größeres Risiko dar, da sie seiner Meinung nach viel leichter umgangen und im Rücken hätte angegriffen werden können. Als später die Schlacht mit dem mittleren Korps tobte, konnten die beiden anderen Korps der Berlin-Armee nicht eingreifen.

plan4.jpg (21597 Byte)

Die Gefechte am 21. August 1813 bei Trebbin, Nunsdorf und Mellen

Die weit in das südliche Vorfeld der preußischen Hauptstadt streifenden Vorposten- und Aufkärungsabteilungen der Nordarmee - darunter zahlreiche Kosakenpulks - wurden nun von den vorrückenden Kolonnen der Berlin-Armee überall zurückgedrängt. Am 21. August kam es dann erstmals zu ziemlich heftigen Gefechten bei Mellen mit dem IV. Korps, bei Nunsdorf mit dem VII. Korps und bei Trebbin mit dem XII. Korps.

Das am rechten Ufer der Nuthe liegende Städtchen Trebbin hatte keinerlei offizielle Befestigungen. Da es aber seit Tagen geregnet hatte, war die Nuthe über die Ufer getreten und hatte die Wiesen südlich und östlich der Stadt überflutet. Vom Osten und Norden aber blieb sie leicht zugänglich. Die im Ort befindlichen preußischen Truppen, eine Kompanie des 4. Ostpreußischen sowie zwei Kompanien des 5. Reserve-Infanterie-Regiments unter Major von Clausewitz bzw. unter Major von Meyern, hatten durch Verhaue und leichte Schanzen ihre Verteidigungsposition verstärkt. General von Thümen hatte den Befehl gegeben, Trebbin solange wie möglich zu verteidigen, um Zeit für die Heranziehung weiterer Truppen aus der breit auseinandergezogenen Aufstellung der Nordarmee zu gewinnen. Insbesondere sollte die am nördlichen Rande Trebbins befindliche Windmühle gehalten werden.

Gegen 13.00 Uhr begann das Gefecht mit den Vortruppen des XII. Korps. Vom Süden griffen Tirailleurschwärme an, gleichzeitig eröffnete eine Batterie das Feuer auf die Stadt, bald waren es 16 Geschütze. Bis gegen 16.00 Uhr dauerte der Beschuß, der aber nur wenig Wirkung erzielte. Eine Übergabeaufforderung durch Marschall Oudinot wurde von Major Clausewitz abgelehnt. Nun setzte der französische Marschall noch stärkere Kräfte ein. Eine Brigade ging von Osten her gegen Trebbin vor, andere Kräfte vorn Norden her, die Einschließung drohte. Gegen die Übermacht zogen sich die Preußen nach Löwendorf zurück, später zum Lager beim Thyrower Damm. Oudinot schlug sein Nachtquartier in Trebbin auf.

Bei Nunsdorf kam es zu Kämpfen von Truppen der preußischen Vorhut mit der Spitze von Reyniers VII. Korps. Das Dorf war vom 4. Bataillon des 5. Reserve-Infanterie-Regiments unter Major von Wedell besetzt. Hier griff die ganze sächsische Division des Generals von Sahr an. Da sich der preußische Widerstand versteifte, wurde das Dorf mit der 1 2pfündigen sächsischen Batterie beschossen. Etliche Häuser gerieten in Brand und behinderten die Verteidiger. Als dann die Sachsen auf dem Damm vor Nunsdorf vordrangen, mußten sich die tapferen Preußen vor der Übermacht zurückziehen.

Auch bei Mellen kam es gegen Mittag zum Gefecht. Hier verteidigten die 9. und die 11. Kompanie des pommerschen Infanterie-Regiments unter Capitain Kuylenstiemna - nur rund 300 Mann - ihre Stellungen gegen die Avantgarde des IV Korps mit viel Mut und Ausdauer bis in die Nacht. Da das Dorf vom Westen nur nach Überschreiten eines langen Dammes erreichbar war, der durch das von der Notte gebildete Sumpfgebiet und die Notte selbst führte, war dies trotz erdrückender Übermacht des Angreifers möglich. Capitain Kuylenstiemna ließ die einzige Brücke blockieren und eine Barrikade errichten, in deren Schutz er einen Teil seiner Kräfte Stellung beziehen ließ. Andere Preußen postierten sich hinter Weidenbüschen. Der Rest bildete im Dorf eine Reserve. Als dann gegen 13.00 Uhr etwa 300 Italiener völlig ungedeckt auf die Brücke zustürmten, mußten sie im Kugelhagel der Verteidiger schon bald zurückweichen. Auch nach Heranziehung von Verstärkungen gelang dem Gegner keine Umgehung der Verteidiger, wurden ein zweiter und dritter Sturmversuch abgewiesen. Eine ganze feindliche Brigade konnte so stundenlang aufgehalten werden. Das Gefecht kostete die tapferen preußischen Verteidiger vier Tote und 26 Verwundete. Die Truppen des IV. Korps besetzten dann Mellen und Schulzendorf.

Die Gefechte am 22. August 1813 bei Wendisch- Wilmersdorf, Wietstock und Jühnsdorf

Als der Kronprinz von Schweden die Meldung von der Besetzung Trebbins durch die napoleonischen Truppen erhielt, befahl er General Graf Tauentzien gegen Mitternacht des 21. August das Vorrücken mit dem Reservekorps des Generals von Dobschütz bis nach Kleinbeeren. General von Oppen erhielt den Auftrag, die Verbindung zwischen den Truppen des Generals Tauentzien und der 3. und 6. preußischen Brigade herzustellen, die sich bis 03.00 Uhr morgens auf dem rechten Ufer der Nuthe aufstellen sollte. Die russischen Truppen sollten das linke Ufer der Nuthe besetzen und mit ihrem linken Flügel unmittelbar an die preußischen Brigaden anschließen. General von Hirschfeld erhielt den Befehl, sofort von Brandenburg aufzubrechen, seine Infanterie auf Wagen zu setzen und bis gegen 10.00 Uhr des 22. August in Potsdam einzutreffen. Die Schweden sollten von Potsdam nach Saarmund marschieren, dort gegen 6.00 Uhr eintreffen und die Reserve bilden.


             preußische Artillerie

Als Karl Johann am frühen Morgen des 22. August in Ruhlsdorf eintraf, waren alle Truppen nach ermüdenden Nachtmärschen in ihren neuen Stellungen eingetroffen. Die Nordarmee war also bis auf die Abteilung des Generals Hirschfeld auf beiden Seiten der Nuthe vereinigt. Die napoleonische Berlin-Armee sollte am 22. August die drei Übergänge über den Nuthegraben erzwingen. Hierzu wandte sich das XII. Korps gegen Thyrow, das VII. gegen Wietstock und das IV. gegen Jühnsdorf.

Erst am späten Nachmittag und nach vielen Beratungen gingen die sächsische Division des Generals Lecoq und die italienische des Generals Fontanelli unter dem Schutz von zwei 12pfündigen Batterien in sieben Angriffskolonnen gegen die Verschanzungen auf dem Wilmersdorfer Berge vor. Die eigentlich nur zur Beobachtung dort postierten Preußen räumten daraufhin die Stellung und überließen diese gegen i8.oo Uhr den Angreifenden. Bei Wietstock gestaltete sich das Geschehen für beide Seiten nicht so unblutig. Hier mußten die Angreifer den Nuthegraben auf einem langen, völlig deckungslosen Damm überschreiten. Der Graben war an diesem Tage breiter und tiefer als sonst, da man das Wasser oberhalb des Dorfes angestaut hatte. Jenseits dieses Dammes bot dichter Wald den Preußen hervorragende Deckung. Das Dorf und der Thyrower Damm wurden von der Brigade Thümen verteidigt gegen die 2. sächsische Division sowie die französische Division Durutte. Bereits am Vormittag kam es zu ersten Schußwechseln. Im Dorf verteidigte sich das Bataillon unter Major von Wedell danach fast eine Stunde gegen die Angriffe der Division Durutte. Schritt für Schritt zogen sich die Preußen zurück, fügten dem Angreifer hohe Verluste zu. Dann passierten sie den Nuthegraben und nahmen dabei die hölzerne Brücke mit. Nun entbrannte ein hartnäckiger Kampf um den Nutheübergang sowie den 8oo Schritt langen Damm. Die französischen Tirailleure drangen bis an den Nuthegraben vor. Preußische Geschütze schossen Wietstock in Brand, da vom Dorfzentrum aus gegnerische Kanonen feuerten, die die Häuser als Deckung benutzten. Als die Häuser abgebrannt waren, mußten die französischen Geschütze zurückgehen.

Vier Stunden dauerte schon der Kampf, als es den Angreifern gelang, zwischen Wietstock und Kerzendorf über die Nuthe zu gehen und sich auch Kerzendorfs zu bemächtigen. Thümens rechte Flanke war so bedroht. Da kam ihm General von Oppen mit vier Kavallerieregimentern sowie zwei reitenden Batterien zu Hilfe. Trotzdem befürchtete General Thümen eine Umgehung und zog fast die gesamte Infanterie sowie einen Teil seiner Artillerie zurück.

Die Soldaten der Division Dururte hatten inzwischen mit Hilfe von Brettern und Heu von den Wiesen provisorische Übergänge über den Nuthegraben geschaffen. Nun erfolgten die Übergangsversuche. Gleichzeitig stürmte eine geschlossene Kolonne über den Thyrow-Damm vor. Die Kartätschen der Kanonen der reitenden Batterien rissen große Lücken in die Anstürmenden, die sich zurückziehen mußten. Noch zweimal wurden neue Versuche durch die preußische Artillerie verhindert. 


              Kosakenangriff

Als dann abseits des Hauptkampfes etliche Franzosen den Graben überwinden konnten und den linken Flügel der preußischen Stellung bedrohten sowie drei französische Bataillone den Damm überqueren konnten, ließ General Oppen seine Kavallerieregimenter zur Attacke vorgehen. Den ersten Angriff machte ein pommersches Ulanenregiment, deren Reiter im Umgang mit der Lanze noch wenig geübt waren und der deshalb mißlang. Ähnlich erging es den allmählich nachfolgenden einzelnen Eskadronen. Der Gegner hatte zudem seine Bataillone zum Karree formiert, deren geschlossenes Feuer den anstürmenden Reitern große Verluste beibrachte, sie zurückgehen ließ. Erst recht, als auch noch rasch vorgezogene Geschütze ihre Kartätschenladungen in die Reiterpulks verschossen. Drei vergebliche Versuche ließen General Oppen ausrufen: »Das ist der unglücklichste Tag meines Lebens!« Der inzwischen hinzugestoßene Oberst von Boyen half die zersprengten Kavallerietruppen zu sammeln und zu ordnen. Schließlich mußte man sich in Richtung auf Großbeeren zurückziehen, bezog dann nach geordnetem Marsch gegen 22.00 Uhr bei Heinersdorf das Nachtlager.

Die relativ schwachen preußischen Kräfte hatten aber bei Wietstock einem hoch überlegenen Feind sechs Stunden lang in einem mörderischen Kampf standgehalten und ihm einen Verlust von fast 800 Mann beigebracht. Aber auch auf preußischer Seite mußte ein hoher Blutzoll bezahlt werden: 22 Offiziere, 334 Mann und 221 Pferde. Das Regiment Königin-Dragoner verlor 40 Mann, die westpreußischen Dragoner sogar 6o Mann an Toten und Verwundeten.

Der Übergang bei Jühnsdorf wurde anfangs nur von schwachen Kräften - zwei Bataillonen Landwehr, zwei Eskadronen und zwei Geschützen verteidigt. Hier befehligte der Major Hiller von Blankenfeld. Als aber immer mehr Truppen des IV. napoleonischen Armeekorps in den Kampf eingriffen, wurde die Lage schnell bedrohlich. Major Hille hatte seine beiden Geschütze auf dem Lindenberge vor Jühnsdorf auffahren lassen. 


sächsische Infanterie

Einen ersten Vorstoß einer gegnerischen Kolonne konnte man noch mit Kartätschen zurückschlagen. Aber als feindliche Kräfte das Dorf umgingen und jeweils nur eine Kanone den Angreifenden entgegengestellt werden konnte, machte sich deren Überlegenheit bald bemerkbar. Im letzten Moment konnten die preußischen Kanoniere ihre Geschütze aufprotzen und der schon herausstürmenden französischen Kavallerie entkommen. General Tauentzien, der mit dem Hauptteil seines Korps auf Mittenwalde marschierte, weil er eine Umgehung des Jühnsdorfer Überganges vermutete, hörte zwar den Geschützdonner, konnte aber nicht mehr rechtzeitig in den Kampf eingreifen.

 Da Jühnsdorf nur noch drei Meilen von Berlin entfernt war, versuchte Tauentzien gegen 18.00 Uhr das Dorf zurückzugewinnen. Capitain von Steinmetz vertrieb mit einem neumärkisches Landwehr-Infanterie-Regiment im Bajonettangriff den Feind wieder aus Jühnsdorf. Doch eine weitere Verteidigung des Dorfes erwies sich als zu schwierig, Tauentzien befahl den Rückzug. Bei Blankenfelde wurde am Ausgang des Waldes eine neue Aufstellung eingenommen.

Am Abend dieses Tages standen das XII. Korps und die Kavallerie Arrighis bei Thyrow, das VIII. Korps bei Wietstock und das IV Korps bei Jühnsdorf im Lager. Man hatte dem preußischen Gegner in harten und andauernden Kämpfen das Gebiet zwischen Wietstock und Jühnsdorf entrissen, dabei aber viel Zeit verloren.

Ordre de Bataille

Fortsetzung