|
Vorgeschichte
Nach dem Waffenstillstand mit den Alliierten
konzentrierte Napoleon seine Armee in Sachsen, um unter Ausnutzung der
inneren Linie die Armeen der Verbündeten getrennt zu schlagen. Eine
weitere Armee, die »Armée de Berlin« unter dem Marschall von
Frankreich, Charles Nicholas Oudinot, sollte die Elbe entlang gegen Berlin
ziehen um zum einen, die preußische Hauptstadt anzugreifen und zum
anderen, die Verbindung mit der norddeutschen Armee unter Davout in
Hamburg herzustellen.
Die preußische Hauptstadt Berlin war es, auf deren
Eroberung es Napoleon während der gesamten Kampfhandlungen vom Frühjahr
bis zum Sommer 1813 abgesehen hatte.
Berlin galt ihm als der Hort, von dem die
Befreiungsbewegung gegen sein Regime den Ausgangspunkt hatte, besonders
der ihm verhaßte Tugendbund gegen ihn arbeitete, der die Begeisterung der
Volksmassen immer neu entfachte, wo Preußens Rüstungen gegen seine
Truppen organisiert wurden. Die Eroberung dieser Stadt - so glaubte er -
würde ihn in die Lage versetzen, die Koalition der verbündeten Mächte
auseinanderzusprengen. So schickte er nun über 70.000 Mann seiner
Feldtruppen in Richtung Berlin zur Eroberung der preußischen Hauptstadt.
Berlin - vom Kreuzberg aus gesehen |
Die Berlin-Armee Napoleons
»Seine Majestät nimmt an, daß Sie mit einer Armee
wie die Ihrige den Feind rasch zurückwerfen, Berlin einnehmen, die
Einwohner entwaffnen, die Landwehr und die ganze Masse schlechter Truppen
zerstreuen werden. Sollte Berlin Widerstand leisten, so lassen Sie die
Stadt durch Granaten in Brand schießen, und suchen Sie die Stadtmauer
durch schwere Feldgeschosse in Trümmer zu legen. Wir haben auf diese
Weise Wien und andere Hauptstädte schnell zur Übergabe gezwungen.«
Diese von Überheblichkeit und Fehleinschätzung
geprägten Sätze enthielt die Ordre Napoleons für seine Berlin-Armee,
die den Herzog von Reggio, den Marschall Oudinot, am 14. August durch
einen kaiserlichen Ordonnanzoffizier erreichte. Der Kaiser hatte sich
schon über Bedenken in seinem Hauptquartier gegen die Übertragung des
Oberbefehls an Oudinot hinweggesetzt, dort hätte man lieber Marschälle
wie Saint-Cyr, Marmont oder Davout mit dieser Aufgabe betraut gesehen.
Oudinot galt als brauchbarer Divisionsgeneral, aber nicht als
Armeeführer. Er selbst fühlte
sich mit dieser Aufgabe überfordert und lehnte anfangs ab. Aber der
Kaiser bestand auf seiner Ordre.
Auch die anderen Korpskommandeure erhielten ihre
Befehle. Der Divisionsgeneral Graf Bertrand, der mit seinem IV. Korps bei
Sprottau stand, der Graf Reynier, der mit dem VTI. Korps bei Görlitz
lagerte und der Herzog von Padua, Arrighi, mit seinem III.
Kavalleriekorps, sollten sich mit dem Marschall Oudinot bei Luckau
vereinigen. Von allen militärischen Führern der Berlin-Armee verfügte
wohl General Reynier über die größten Kriegserfahrungen, war den
anderen Befehlshabern an militärischen Eigenschaften überlegen. Sein
VII. Armeekorps bestand in der Hauptsache aus Sachsen, die er übrigens
schon seit Jahren kommandierte und bei denen er sehr beliebt war.
Insgesamt verfügte er über zwei sächsische Divisionen, eine sächsische
Kavalleriebrigade, eine sächsische Artilleriebrigade und die
nataionalfranzösische Division Durutte, in der viele Strafgefangene
dienten und die keinen guten Ruf genoß.
Bertrands IV. Korps setzte sich aus einer
französischen, einer italienischen sowie einer württembergischen
Division unter dem General Franquemont und einer württembergischen
Kavalleriebrigade zusammen. Er führte zum ersten Mal ein Korps. Vorher
diente er als Flügeladjutant in der Umgebung des Kaisers.
Insgesamt war es schon erstaunlich, wie der Kaiser eine
solche große Aufgabe, die Eroberung der preußischen Hauptstadt, in die
Hände sowenig fähiger Leute legen konnte. Aber auf der einen Seite
unterschätzte der Kaiser den feindlichen Oberkommandierenden Karl Johann,
seinen ehemaligen Marschall Bernadotte, zum anderen die preußischen
Truppen, die zur Deckung Berlins bestimmt waren.
Gleichzeitig mit Marschall Oudinot sollte Marschall
Davout von Hamburg aus gegen die Nordarmee der Verbündeten vorgehen.
Zwischen diesen beiden Armeegruppen sollte eine dritte Gruppierung unter
General Girard ebenfalls in Richtung Berlin vorstoßen. Napoleon hoffte,
daß dadurch der Kronprinz von Schweden seine Armee teilen, Oudinot also
nur auf Teilkräfte treffen würde.
Die Armée de Berlin war ungefähr 70.000 Mann stark
und bestand aus einem bunten Völkergemisch: Sachsen, Württembergern,
Bayern, süddeutschen Rheinbündlern aus kleineren Staaten, Italienern,
Illyrern, Polen und Franzosen. Die Artillerie umfaßte 216 Geschütze. Der
Kampfwert der Truppen war sehr unterschiedlich. Am zuverlässigsten waren
die Sachsen und Württemberger. Die Italiener, als Soldaten durchaus
tüchtig, neigten zur Fahnenflucht. Die Hauptmasse der Franzosen bestand
aus blutjungen Rekruten, denen man die Stämme einiger alter Regimenter
zugeteilt hatte.
franz. Artillerie
|
franz. Linien-Infanterie
|
sächsische Linien-Infanterie
|
In der Division Durutte standen fünf Strafregimenter,
also Soldaten zweiter Klasse, hier war auch das Rheinbundregiment
Würzburg zugeteilt. Marschall Oudinot wußte den Wert seiner Truppen
durchaus real einzuschätzen. Hierauf beruhte wohl auch sein vorsichtiger
Anmarsch, förmlich tastend, die drei Kolonnen ängstlich auf gleicher
Höhe haltend. Am 18. August schlug er sein Hauptquartier in Baruth auf.
Die Masse seiner Truppen hatte sich inzwischen hier eingefunden.
Die Nordarmee
Die Nordarmee der Verbündeten unter dem Befehl des ehemaligen
französischen Marschalls Jean Baptiste Bernadotte, als Karl Johann
nunmehriger Kronprinz von Schweden, setzte sich aus 73.000 Preußen
(40.000 Landwehr), 29.000 Russen und 23.000 Schweden zusammen, wobei die
Verteidigung Berlins naturgemäß von den Preußen getragen wurde.
Bernadotte |
Bülow |
Tauentzien |
Borstell |
Die beiden preußischen Armeekorps standen unter der Führung der
Generalleutnante von Bülow (III.) und von Tauentzien (IV.). Die
preußischen Truppen setzten sich hauptsächlich aus Landwehrtruppen und
Reserve-Linien-Regimentern zusammen, die Pommern, Ostpreussen und dem
Marken kamen.
Mit der »Verordnung über die Organisation der
Landwehr« vom 17. März 1813 zum Gesetz erhoben, wurde sie zunächst für
die Dauer des Krieges geschaffen. Sie umfaßte alle nicht zu den
Linienregimentern eingezogenen Wehrpflichtigen vom 17. bis zum 40.
Lebensjahr. Die Errichtung wurde den von allen Ständen gebildeten
Ausschüssen der Landkreise übertragen, auf deren Kosten — mit Ausnahme
von Waffen und Munition — die Ausrüstung erfolgte. Sie hatte eine
Stärke von 120.000 Mann und setzte sich im Herbstfeldzug aus
Infanterie-und Kavallerieregimentern zusammen, da die im Frühjahr
übliche Gliederung in Brigaden und Divisionen aufgrund der noch
mangelhaften Gefechtsdisziplin sich nicht bewährt hatte.
Die Russen lagerten bei Brandenburg, die Schweden hatten ihren
Aufmarschraum zwischen Berlin und Spandau mit Stoßrichtung Potsdam,
während Bülows Korps südlich Berlin und Tauentzien an der Oder stand.
preußische Landwehr |
pommersche Kavallerie |
preußische Landwehr |
Aufmarsch der Franzosen
Am 20. August erreicht Marschall Oudinot in der Nähe von Luckenwalde
ein neuer Befehl Napoleons:
»Kein Aufenthalt mehr, keine Seiten- und Umgehungsbewegungen mehr,
sondern gerade auf den Feind, und den Feind in der Mitte durchbrechen.
Kaiserliche Majestät wünscht, daß sobald als möglich Berlin in ihren
Händen ist.«
Der Marschall teilte seine Armee in drei Kolonnen:
Rechter Flügel, das IV. Korps unter Graf Bertrand auf Mellen und Zossen;
linker Flügel, das XII. Korps unter
seiner Führung auf Trebbin;
im Zentrum das VII. Korps unter Graf Reynier in Richtung Wietstock.
|
In den Morgenstunden des 21. August 1813 beginnt der Vormarsch. Die
Befürchtungen, die Oudinot hinsichtlich des zu erwartenden Widerstandes
durch den Gegner sowie die geographischen Gegebenheiten - vor allem die
Sumpfgebiete - anfangs hegte, schienen dem Marschall nun wohl nicht mehr
so groß. |
Das Kampfgebiet
Das Terrain der Kampfhandlungen zwischen 21. und 23. August 1813 wird
von Elbe, Havel und Spree begrenzt. Das südliche Gebiet zählt zum Hohen
Fläming, der nördliche Teil in Richtung Berlin ist von mehreren
morastigen Bächen und Bruchstrichen durchschnitten, zwischen denen sich
einzelne flache -teilweise mit Kiefernwäldern bedeckte - Höhen und
Hügel befinden. Größere Hindernisse stellten die Flußläufe von Plane,
Nuthe und Notte dar. Plane und Nuthe münden in die Havel, die Notte in
die Spree. Sie waren zur damaligen Zeit den größten Teil des Jahres auf
den künstlich errichteten Dämmen zu überschreiten. Sie boten daher -
außer bei langer Trockenheit - günstige Verteidigungsmöglichkeiten.
Nur an drei Stellen befanden sich Übergänge, die für die
anrückenden Truppenmassen zum Passieren geeignet waren: so bei
Wendisch-Wilmersdorf, bei Wietstock und bei Jühnsdorf. Danach war noch
das breite sumpfige Bruchgebiet, das sich von Diedersdorf nach Norden zog,
zu berücksichtigen, da dieses eine Verbindung zwischen der rechten
Marschkolonne unter Bertrand und der mittleren unter Reynier unmöglich
machte. Auch zwischen dem VII. Korps sowie dem XII. Korps gestaltete sich
eine Verbindung wegen des zwischen Löwenbruch und Siethen befindlichen
hügeligen Waldgebietes sehr schwierig.
|
Diese Tatsachen hatte Marschall
Oudinot offensichtlich nicht berücksichtigt bzw. sie waren ihm nicht voll
bewußt. Für ihn stellte wahrscheinlich der Vormarsch der gesamten Armee
auf nur einer Straße ein viel größeres Risiko dar, da sie seiner
Meinung nach viel leichter umgangen und im Rücken hätte angegriffen
werden können. Als später die Schlacht mit dem mittleren Korps tobte,
konnten die beiden anderen Korps der Berlin-Armee nicht eingreifen. |
|
Die Gefechte am 21. August 1813 bei Trebbin, Nunsdorf und Mellen
Die weit in das südliche Vorfeld der preußischen Hauptstadt
streifenden Vorposten- und Aufkärungsabteilungen der Nordarmee - darunter
zahlreiche Kosakenpulks - wurden nun von den vorrückenden Kolonnen der
Berlin-Armee überall zurückgedrängt. Am 21. August kam es dann erstmals
zu ziemlich heftigen Gefechten bei Mellen mit dem IV. Korps, bei Nunsdorf mit dem VII. Korps und bei
Trebbin mit dem XII. Korps.
Das am rechten Ufer der Nuthe liegende Städtchen Trebbin hatte
keinerlei offizielle Befestigungen. Da es aber seit Tagen geregnet hatte,
war die Nuthe über die Ufer getreten und hatte die Wiesen südlich und
östlich der Stadt überflutet. Vom Osten und Norden aber blieb sie leicht
zugänglich. Die im Ort befindlichen preußischen Truppen, eine Kompanie
des 4. Ostpreußischen sowie zwei Kompanien des 5. Reserve-Infanterie-Regiments unter Major von Clausewitz bzw. unter Major
von Meyern, hatten durch Verhaue und leichte Schanzen ihre
Verteidigungsposition verstärkt. General von Thümen hatte den Befehl
gegeben, Trebbin solange wie möglich zu verteidigen, um Zeit für die
Heranziehung weiterer Truppen aus der breit auseinandergezogenen
Aufstellung der Nordarmee zu gewinnen. Insbesondere sollte die am
nördlichen Rande Trebbins befindliche Windmühle gehalten werden.
Gegen 13.00 Uhr begann das Gefecht mit den Vortruppen des XII. Korps.
Vom Süden griffen Tirailleurschwärme an, gleichzeitig eröffnete eine
Batterie das Feuer auf die Stadt, bald waren es 16 Geschütze. Bis gegen 16.00 Uhr dauerte der Beschuß, der aber nur wenig Wirkung erzielte. Eine
Übergabeaufforderung durch Marschall Oudinot wurde von Major Clausewitz
abgelehnt. Nun setzte der französische Marschall noch stärkere Kräfte
ein. Eine Brigade ging von Osten her gegen Trebbin vor, andere Kräfte
vorn Norden her, die Einschließung drohte. Gegen die Übermacht zogen
sich die Preußen nach Löwendorf zurück, später zum Lager beim Thyrower
Damm. Oudinot schlug sein Nachtquartier in Trebbin auf.
Bei Nunsdorf kam es zu Kämpfen von Truppen der preußischen Vorhut mit
der Spitze von Reyniers VII. Korps. Das Dorf war vom 4. Bataillon des 5.
Reserve-Infanterie-Regiments unter Major von Wedell besetzt. Hier griff
die ganze sächsische Division des Generals von Sahr an. Da sich der
preußische Widerstand versteifte, wurde das Dorf mit der 1 2pfündigen
sächsischen Batterie beschossen. Etliche Häuser gerieten in Brand und
behinderten die Verteidiger. Als dann die Sachsen auf dem Damm vor
Nunsdorf vordrangen, mußten sich die tapferen Preußen vor der Übermacht
zurückziehen. |
|
Auch bei Mellen kam es gegen Mittag zum Gefecht. Hier verteidigten die
9. und die 11. Kompanie des pommerschen Infanterie-Regiments unter
Capitain Kuylenstiemna - nur rund 300 Mann - ihre Stellungen gegen die
Avantgarde des IV Korps mit viel Mut und Ausdauer bis in die Nacht. Da das
Dorf vom Westen nur nach Überschreiten eines langen Dammes erreichbar
war, der durch das von der Notte gebildete Sumpfgebiet und die Notte
selbst führte, war dies trotz erdrückender Übermacht des Angreifers
möglich. Capitain Kuylenstiemna ließ die einzige Brücke blockieren und
eine Barrikade errichten, in deren Schutz er einen Teil seiner Kräfte
Stellung beziehen ließ. Andere Preußen postierten sich hinter
Weidenbüschen. Der Rest bildete im Dorf eine Reserve. Als dann gegen
13.00 Uhr etwa 300 Italiener völlig ungedeckt auf die Brücke
zustürmten, mußten sie im Kugelhagel der Verteidiger schon bald
zurückweichen. Auch nach Heranziehung von Verstärkungen gelang dem
Gegner keine Umgehung der Verteidiger, wurden ein zweiter und dritter
Sturmversuch abgewiesen. Eine ganze feindliche Brigade konnte so
stundenlang aufgehalten werden. Das Gefecht kostete die tapferen
preußischen Verteidiger vier Tote und 26 Verwundete. Die Truppen des IV.
Korps besetzten dann Mellen und Schulzendorf.
Die Gefechte am 22. August 1813 bei Wendisch- Wilmersdorf, Wietstock und Jühnsdorf
Als der Kronprinz von Schweden die Meldung von der Besetzung Trebbins
durch die napoleonischen Truppen erhielt, befahl er General Graf
Tauentzien gegen Mitternacht des 21. August das Vorrücken mit dem
Reservekorps des Generals von Dobschütz bis nach Kleinbeeren. General von
Oppen erhielt den Auftrag, die Verbindung zwischen den Truppen des
Generals Tauentzien und der 3. und 6. preußischen Brigade herzustellen,
die sich bis 03.00 Uhr morgens auf dem rechten Ufer der Nuthe aufstellen
sollte. Die russischen Truppen sollten das linke Ufer der Nuthe besetzen
und mit ihrem linken Flügel unmittelbar an die preußischen Brigaden
anschließen. General von Hirschfeld erhielt den Befehl, sofort von
Brandenburg aufzubrechen, seine Infanterie auf Wagen zu setzen und bis
gegen 10.00 Uhr des 22. August in Potsdam einzutreffen. Die Schweden
sollten von Potsdam nach Saarmund marschieren, dort gegen 6.00 Uhr
eintreffen und die Reserve bilden.
preußische Artillerie |
Als Karl Johann am frühen Morgen des 22. August in Ruhlsdorf eintraf,
waren alle Truppen nach ermüdenden Nachtmärschen in ihren neuen
Stellungen eingetroffen. Die Nordarmee war also bis auf die Abteilung des
Generals Hirschfeld auf beiden Seiten der Nuthe vereinigt. Die
napoleonische Berlin-Armee sollte am 22. August die drei Übergänge
über den Nuthegraben erzwingen. Hierzu wandte sich das XII. Korps
gegen Thyrow, das VII. gegen Wietstock und das IV. gegen Jühnsdorf. |
Erst am späten
Nachmittag und nach vielen Beratungen gingen die sächsische Division des
Generals Lecoq und die italienische des Generals Fontanelli unter dem
Schutz von zwei 12pfündigen Batterien in sieben Angriffskolonnen gegen
die Verschanzungen auf dem Wilmersdorfer Berge vor. Die eigentlich nur zur
Beobachtung dort postierten Preußen räumten daraufhin die Stellung und
überließen diese gegen i8.oo Uhr den Angreifenden. Bei Wietstock
gestaltete sich das Geschehen für beide Seiten nicht so unblutig. Hier
mußten die Angreifer den Nuthegraben auf einem langen, völlig
deckungslosen Damm überschreiten. Der Graben war an diesem Tage breiter
und tiefer als sonst, da man das Wasser oberhalb des Dorfes angestaut
hatte. Jenseits dieses Dammes bot dichter Wald den Preußen hervorragende
Deckung. Das Dorf und der Thyrower Damm wurden von der Brigade Thümen
verteidigt gegen die 2. sächsische Division sowie die französische
Division Durutte. Bereits am Vormittag kam es zu ersten Schußwechseln. Im
Dorf verteidigte sich das Bataillon unter Major von Wedell danach fast eine Stunde gegen die Angriffe der
Division Durutte. Schritt für Schritt zogen sich die Preußen zurück,
fügten dem Angreifer hohe Verluste zu. Dann passierten sie den
Nuthegraben und nahmen dabei die hölzerne Brücke mit. Nun entbrannte ein
hartnäckiger Kampf um den Nutheübergang sowie den 8oo Schritt langen
Damm. Die französischen Tirailleure drangen bis an den Nuthegraben vor.
Preußische Geschütze schossen Wietstock in Brand, da vom Dorfzentrum aus
gegnerische Kanonen feuerten, die die Häuser als Deckung benutzten. Als
die Häuser abgebrannt waren, mußten die französischen Geschütze
zurückgehen.
Vier Stunden dauerte schon der Kampf, als es den Angreifern gelang,
zwischen Wietstock und Kerzendorf über die Nuthe zu gehen und sich auch
Kerzendorfs zu bemächtigen. Thümens rechte Flanke war so bedroht. Da kam
ihm General von Oppen mit vier Kavallerieregimentern sowie zwei reitenden
Batterien zu Hilfe. Trotzdem befürchtete General Thümen eine Umgehung
und zog fast die gesamte Infanterie sowie einen Teil seiner Artillerie
zurück.
Die Soldaten der Division Dururte hatten inzwischen mit Hilfe von
Brettern und Heu von den Wiesen provisorische Übergänge über den
Nuthegraben geschaffen. Nun erfolgten die Übergangsversuche. Gleichzeitig
stürmte eine geschlossene Kolonne über den Thyrow-Damm vor. Die
Kartätschen der Kanonen der reitenden Batterien rissen große Lücken in
die Anstürmenden, die sich zurückziehen mußten. Noch zweimal wurden
neue Versuche durch die preußische Artillerie verhindert. |
Kosakenangriff
|
Als dann
abseits des Hauptkampfes etliche Franzosen den Graben überwinden konnten
und den linken Flügel der preußischen Stellung bedrohten sowie drei
französische Bataillone den Damm überqueren konnten, ließ General Oppen
seine Kavallerieregimenter zur Attacke vorgehen. Den ersten Angriff machte
ein pommersches Ulanenregiment, deren Reiter im Umgang mit der Lanze noch
wenig geübt waren und der deshalb mißlang. Ähnlich erging es den
allmählich nachfolgenden einzelnen Eskadronen. Der Gegner hatte zudem
seine Bataillone zum Karree formiert, deren geschlossenes Feuer den
anstürmenden Reitern große Verluste beibrachte, sie zurückgehen ließ.
Erst recht, als auch noch rasch vorgezogene Geschütze ihre
Kartätschenladungen in die Reiterpulks verschossen. Drei vergebliche
Versuche ließen General Oppen ausrufen: »Das ist der unglücklichste Tag
meines Lebens!« Der inzwischen hinzugestoßene Oberst von Boyen half die
zersprengten Kavallerietruppen zu sammeln und zu ordnen. Schließlich
mußte man sich in Richtung auf Großbeeren zurückziehen, bezog dann nach
geordnetem Marsch gegen 22.00 Uhr bei Heinersdorf das Nachtlager.
Die relativ schwachen preußischen Kräfte hatten aber bei Wietstock
einem hoch überlegenen Feind sechs Stunden lang in einem mörderischen
Kampf standgehalten und ihm einen Verlust von fast 800 Mann beigebracht.
Aber auch auf preußischer Seite mußte ein hoher Blutzoll bezahlt werden:
22 Offiziere, 334 Mann und 221 Pferde. Das Regiment Königin-Dragoner
verlor 40 Mann, die westpreußischen Dragoner sogar 6o Mann an Toten und
Verwundeten.
Der Übergang bei Jühnsdorf wurde anfangs nur von schwachen Kräften -
zwei Bataillonen Landwehr, zwei Eskadronen und zwei Geschützen
verteidigt. Hier befehligte der Major Hiller von Blankenfeld. Als aber
immer mehr Truppen des IV. napoleonischen Armeekorps in den Kampf
eingriffen, wurde die Lage schnell bedrohlich. Major Hille hatte seine
beiden Geschütze auf dem Lindenberge vor Jühnsdorf auffahren lassen.
sächsische Infanterie |
Einen ersten Vorstoß einer gegnerischen Kolonne konnte man noch mit
Kartätschen zurückschlagen. Aber als feindliche Kräfte das Dorf
umgingen und jeweils nur eine Kanone den Angreifenden entgegengestellt
werden konnte, machte sich deren Überlegenheit bald bemerkbar. Im letzten
Moment konnten die preußischen Kanoniere ihre Geschütze aufprotzen und
der schon herausstürmenden französischen Kavallerie entkommen. General Tauentzien, der mit dem Hauptteil seines Korps auf Mittenwalde
marschierte, weil er eine Umgehung des Jühnsdorfer Überganges vermutete,
hörte zwar den Geschützdonner, konnte aber nicht mehr rechtzeitig in den
Kampf eingreifen. |
Da Jühnsdorf nur noch drei Meilen von Berlin entfernt
war, versuchte Tauentzien gegen 18.00 Uhr das Dorf zurückzugewinnen.
Capitain von Steinmetz vertrieb mit einem neumärkisches
Landwehr-Infanterie-Regiment im Bajonettangriff den Feind wieder aus
Jühnsdorf. Doch eine weitere Verteidigung des Dorfes erwies sich als zu
schwierig, Tauentzien befahl den Rückzug. Bei Blankenfelde wurde am
Ausgang des Waldes eine neue Aufstellung eingenommen.
Am Abend dieses Tages standen das XII. Korps und die Kavallerie
Arrighis bei Thyrow, das VIII. Korps bei Wietstock und das IV Korps bei
Jühnsdorf im Lager. Man hatte dem preußischen Gegner in harten und
andauernden Kämpfen das Gebiet zwischen Wietstock und Jühnsdorf
entrissen, dabei aber viel Zeit verloren.
Ordre de Bataille
Fortsetzung
|
|