Taktik
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Zusammengesetzte TruppenverbändeSeitdem die Feuerwaffen dominierten, war die stärkere Kampfform die Verteidigung. Der Erfolg eines Angriffsstoßes blieb ungewiß, wenn man nicht vorher den Gegner in seiner Widerstandskraft geschwächt hatte. Daher setzte sich meist jede offensive Aktion aus einer Vorbereitungs- und einer Entscheidungsphase zusammen. In beiden Fällen hatten die verschiedenen Waffengattungen unterschiedliche Aufgaben: Infanterie vermochte in fast jedem Gelände wie in jeder Kampfart sowohl ein Feuergefecht als auch den Nahkampf mit dem Bajonett zu führen, war aber relativ langsam. Die Kavallerie blieb in jeder Schlacht reine Offensivwaffe, denn ihre Wirkung bestand in der Schnelligkeit und Wucht, mit der sie in das Nahgefecht eintrat. Die Stärke der Artillerie lag in ihrem wirksamen Feuer auf größere Entfernungen, mit dem sie nun nicht nur defensiv, sondern auch schon offensiv wirken konnte. Weil diese Waffengattungen infolge ihren Stärken und Schwächen sich gegenseitig ergänzen sollten, bildete ihre richtige Mischung den Zweck der zusammengesetzten Truppenverbände. Als Verband über der Division hatte sich bereits in napoleonischer Zeit das Armeekorps herausgebildet, zu dem, je nach dem Verwendungszweck, im Kriege bis zu 5, im Frieden gemäß der jeweiligen Heeresorganisation 2 bis 3 Infanteriedivisionen gehörten. Daneben hatte der Korpsbefehlshaber eine starke Reserve an Kavallerie und Artillerie zu seiner Verfügung, um sie nach den Umständen zur richtigen Zeit am passenden Ort einzusetzen. Als Hilfs- und Versorgungseinrichtungen kamen die technischen Truppen mit ihrem Brückentrain, Park- und Verpflegungskolonnen sowie Feldlazarette hinzu.
Maßgebend und vorbildhaft für die weitere Entwicklung, besonders in Deutschland, sollte die preußische Organisationsform werden. Die Armeekorps bestanden bereits in der Friedenszeit, um sich im Krieg aus 2 Infanteriedivisionen, einer Kavalleriedivision, der Reserveartillerie und einer Pionierabteilung zusammenzusetzen. Die Kommandobehörden waren der Kommandierende General, der Generalstab mit Chef und 2 weiteren Offizieren, 4 Adjutanten und 3 Ingenieuroffizieren. Für die Verwaltung und Versorgung diente die Korpsintendantur mit der Kriegskasse, die Feld-Proviantämter, das Trainbataillon mit den Proviantkolonnen, der Feldbäckerei, dem Pferdedepot, Feldlazaretten sowie der Feldpost. Zum Stab gehörten zusätzlich der Korps-Generalarzt, sowie die Auditeure und die Geistlichkeit. Einer Infanteriedivision unterstanden 2 Infanteriebrigaden mit je 2 Regimentern zu 3 Bataillonen und anderen Waffen, über die der Kommandeur sofort verfügen konnte, nämlich ein Kavallerieregiment mit 4 Schwadronen und 2 Fußbatterien. Eine Infanteriedivision des Korps hatte zusätzlich das Jägerbataillon, somit 13 Bataillone. Die Kavalleriedivisionen sollten aus 3 Kavalleriebrigaden zu je 2 Regimentern sowie einer Reitenden Batterie bestehen. Zu der Reserveartillerie des Korps gehörten 6 weitere Batterien aller Kaliber sowie eine Kolonnenabteilung. Die waffentechnischen und taktischen Veränderungen ergaben Abwandlungen bei der Zuteilung von Reitern und Artillerie. So besaßen zu Beginn des Feldzuges von 1866 die preußischen Korps in jeder Infanteriedivision 4 Batterien, während für die Korpsreserve ebenfalls nur noch 4 vorgesehen waren. Das Korps behielt lediglich eine Kavalleriebrigade mit einer Reitenden Batterie. Für die Kriegsdauer galt die Einteilung in Armeen, denen mehrere Korps, eigene Kavalleriedivisionen und eine eigene Reserveartillerie unterstanden. Die Erfahrungen dieses Feldzuges führten dann unter Auflösung der Armee-Reserveartillerie zur Verstärkung der Korpsartillerien auf 6 Batterien.
Das Zusammenwirken der Waffen in der FeldschlachtDer tiefe Wandel von Waffenwirkungen und damit auch der taktischen Anschauungen war in jenem Zeitraum besonders groß. Im Jahre 1866 trafen zum ersten Mal Armeen in größeren Verhältnissen aufeinander, von denen die eine mit dem gezogenem Vorderlader, die andere mit einem gezogenen Hinterlader ausgerüstet war und damit gleichzeitig eine völlig andere taktische Konzeption besaß. Schon die ersten Zusammenstöße sollten einen Vorgeschmack auf die späteren Ereignisse geben. Die in Mittelschlesien stehende Armee des preußischen Kronprinzen mußte, um in das vorgesehene böhmische Operationsgebiet zu kommen, das Gebirge überschreiten, was nur auf wenigen Paßstraßen möglich war. Die alte wichtige Einbruchslinie für das V. Armeekorps unter General von Steinmetz blieb die Straße von Glatz nach Josefstadt, die das Glatzer Bergland mit den Gebieten um die obere Elbe verband. Sie führte durch den sehr engen und langgezogenen Paß von Reinerz, dessen erster Teil bis Nachod sich in preußischer Hand befand und dessen kleinerer Teil von der Stadt bis zur Gabelung der Straßen nach Skalitz und Neustadt auf österreichischem Gebiet lag. Die hinter dieser Gabelung liegende Hochebene um Wenzelsberg konnte als Schlüssel für den Paß gelten. Die Spitze der preußischen Vorhut hatte schon morgens Nachod erreicht, ihre hinteren Teile waren auf der Paßstraße, die Hauptmacht noch weit zurück hinter Schlaney. Doch befanden sich schon Vorposten bei Wysokow, auf den Straßen nach Skalitz und Neustadt patrouillierten Dragoner. Auf österreichischer Seite sollte das VI. Korps unter Feldmarschalleutnant Baron Ramming den Gegner an der Entwicklung aus der engen Paßstraße hindern, dazu bei Skalitz eine Aufstellung nehmen und seine Vorposten bis Nachod vorschieben. Für den Vormarsch wies Ramming seiner Brigade Hertwek die Straße von Neustadt über Wrochowin nach Nachhod, der folgenden Brigade Jonak abzweigend in Wrochowin den Weg über Schonow nach Kleny an, während die beiden Brigaden Rosenzweig und Waldstätten mit der Reserveartillerie nach Skalitz rücken sollten. Die zugeteilte 1. Reserve-Kavallerie-Division stand schon bei Kleny.
Das zweite Treffen bestand aus 2 Bataillonsmassen, die Batterie blieb am rechten Flügel bei Schonow und eröffnete auf 700 m das Feuer auf die preußischen Geschütze. Das letzte Bataillon suchte schon von Wrochowin aus die preußische Flanke zu gewinnen, traf aber auf 2 über die Brancahöhe kommende feindliche Halbbataillone. Das Feuer der preußischen Tirailleure wurde dem ersten Treffen der vorgehenden Österreicher so lästig, daß sie sich an der evangelischen Kirche zu decken suchten. Hertwek zog die Bataillone seines zweiten Treffens zur Verlängerung seines rechten Flügels heran und befahl ein allgemeines rasches Vorgehen. Das erst auf 300 Schritt (225 m) beginnende Schnell- und Salvenfeuer der teilweise in Linie stehenden preußischen Halbbataillone zeigte solche Wirkung, daß die Massen nur bis etwa 90 m herankamen, dann stockten, um in Deckungen zurückzuweichen. Der erste mit großer Überlegenheit geführte Angriff war abgeschlagen, wie auch das Vorgehen des Flügelbataillons an der Straße. Dort stieß sogar nach lebhaftem Feuergefecht das preußische Halbbataillon Vogelsang mit dem Bajonett vor, wobei es wirklich einmal zum Handgemenge kam. Mittlerweile war der Rest der preußischen Vorhut auf der Hochfläche angelangt, als der zweite Angriff der bei Schonow gesammelten Brigade begann. Auch dieser brach zusammen, nur 2 Bataillone behaupteten sich in der Kapelle, sowie im Ort Wenzelsberg und führten ein hinhaltendes Feuergefecht. In der Gefechtslinie vorn Wäldchen südlich Wysokow bis nach Sochorz (etwa 2500 m) standen nur 4 preußische Bataillone und eine halbe Jägerkompanie, dahinter als unmittelbare Reserve ein Haibbataillon. Erst bei Altstadt befand sich ein weiteres Bataillon, die Spitze der Hauptmacht aber noch 5 km vor Nachod. Ramming hatte schon um 8 Uhr bei der Reserve-Kavallerie-Division in Kleny erfahren, daß Wysokow von feindlicher Infanterie besetzt sei. So ließ er die Marschrichtung der Brigade Rosenzweig auf Prowodow, die der Brigade Waldstätten und der Reserveartillerie auf Kleny verändern. Die zweite Phase des Geschehens begann, als von Schonow und Prowodow aus gegen 11 Uhr die beiden Brigaden Jonak und Rosenzweig mit 14 frischen Bataillonen gegen die schon im Gefecht gewesenen Preußen antraten. Dazu gingen auch die 3 österreichischen Brigadebatterien in Stellung. Die vorrückende Brigade Jonak erhielt auf ihrem rechten Flügel Feuer, wandte sich daher mit Teilen gegen die Unterförsterei und das dahinter liegende Waldstück, doch wurde dieser Vorstoß mit Salvenfeuer abgeschlagen. Gleichzeitig stieß der linke Flügel der Brigade Rosenzweig in das zwischen Wysokow und Wenzelsberg liegende Wäldchen vor, was ein Zurückweichen der in der Flanke bedrohten preußischen Infanterie und der Batterie zur Folge hatte.
Hüben wie drüben sprach man von einem Erfolg, doch verloren die Österreicher 2 Standarten und tauchten in diesem Gefecht nicht mehr auf. Die gesammelten preußischen Dragoner warfen sich noch auf den linken Flügel der Brigade Rosenzweig und entrissen den sich rasch zu Knäueln ballenden Infanteristen eine Fahne. Ein letzter, aus dem Wäldchen heraus mit 4 Bataillonen unternommener Angriff der Österreicher drängte die preußischen Linien an den Rand der Hochfläche bis an die Neustädter Straße. Damit hatte sich jedoch deren anfangs zu ausgedehnte Frontlinie so verkürzt, daß die Wirkung des zusammengefaßten Feuers größer werden mußte. Es galt Zeit zu gewinnen, um den preußischen Hauptkräften die Entwicklung aus der Enge zu ermöglichen. So wurden die Angreifer ab 250 m derartig mit Schnellfeuer überschüttet, daß ihr Anlauf stockte; eine Vorwärtsbewegung eines preußischen Halbbataillons mit dem Bajonett führte zum Rückzug. Bisher hatten die wenigen Bataillone der Avantgarde allein alle Angriffe von 21 feindlichen Bataillonen aufgefangen, der kritische Moment war überstanden. Die letzte Phase begann, als sich unter dem Feuer der östlich von Kleny aufgefahrenen österreichischen Reserveartillerie die vordere Brigade des preußischen Gros aus der Straßenenge bei Altstadt entwickelte. 9 Halbbataillone gingen gegen das Wäldchen, 3 weitere gegen Wysokow vor und drängten die Brigaden Rosenzweig und Jonak auf ihre Ausgangslinie Schonow/Prowodow zurück; der Ort Wenzelsberg wurde besetzt. Während dieses Vorgehens mußten jedoch wegen des einheitlich geleiteten Feuers der österreichischen Artillerielinie drei der neu zwischen Altstadt und Wysokow aufgefahrenen Batterien nach Rückwärts ausweichen. In dieser Lage ließ Ramming mit starker Artillerie-Unterstützung seine letzte intakte Brigade Waldstätten angreifen. Die beiden gegen das Wäldchen angesetzten Bataillone, das vordere in Divisionsrnassen, das hintere in Bataillonsmasse, wurden durch Schnellfeuer empfangen. Gleichzeitig von Wenzelsberg aus in der Flanke bedroht, wichen sie in Unordnung bis nach Prowodow zurück. Den nachstoßenden Preußen ergaben sich ganze Gruppen aus Furcht vor dem verheerenden Verfolgungsfeuer. Der Angriff der anderen 4 Bataillone zielte auf Wysokow und suchte dabei sogleich den rechten Flügel der Preußen zu umfassen. Er wurde durch bei Starkow (Starkotz) aufgefahrene Artillerie unterstützt, bei der zur Bedeckung aber auch zu möglichem Eingreifen Kavallerie hielt. Den Verteidigern konnten aber nur wenige Häuser entrissen werden, dann kam das Gefecht zum Stehen. Die Entscheidung brachten hier die eben eintreffenden Teile der zweiten preußischen Brigade des Gros, die nördlich des Dorfes vorgingen. In den Intervallen der Halbbataillone feuerten deren Schützen auf die österreichischen Geschütze und Reiter bei Starkow. Die Kavallerie zog ab, die Batterie behielt solange wie möglich ihre Position. Doch auf etwa 220 m von Tirailleuren beschossen, büßte sie viele Leute und Pferde ein. Zwei nachsetzende preußische Ulanenschwadronen konnten den aufprotzenden Artilleristen noch 2 Geschütze abnehmen, 3 weitere blieben beim Abfahren stecken. Damit geriet die vorgegangene österreichische Infanterie in ein heftiges Kreuzfeuer und flüchtete zurück. Viele warfen ihre Waffen weg und ergaben sich.
Das Gefecht zeigte als treffendes Beispiel taktischer Defensive bei gleichzeitiger strategischer Offensive eine Reihe neuer Verfahrensweisen der mit Hinterladern ausgerüsteten Infanterie. In der Gefechtswirklichkeit hatten sich die Kompaniekolonne und das Halbbataillon durchgesetzt. Im Reglement bestand zwar ein gewisser Gegensatz zwischen dem üblichen Ausscheiden der Schützenzüge und der Kompaniekolonne. Man behalf sich aber, indem beim Anmarsch in der Kolonne nach der Mitte jeder Schützenzug gleich seiner Kompanie zugeteilt wurde, also der 2. und 3. vorn, der 1. und 4. hinten, was dann einen leichten Übergang in die Kompaniekolonne wie auch in das Halbbataillon zuließ. Im V. Armeekorps waren bei der Infanterie, bis auf die Jäger taktische Halbbataillone gebildet worden. Sie hatten eine praktische, einfache Form: mit 3 Zügen noch genügend Stoßkraft, konnten sie sich leicht für das Feuergefecht in Linie entwickeln und waren noch mit der Stimme zu kommandieren. Ob aber nun Halbbataillon oder Kompaniekolonne, beides waren kleine taktische Einheiten, die sich in Angriff und Verteidigung leicht dem jeweiligen Gelände anpaßten. Als besondere Stärke des Zündnadelgewehrs erwies sich gut gerichtetes Massenschnellfeuer. Deshalb wurden die Soutiens meist sofort zur Verstärkung der Schützenlinien aufgelöst und oft ganze Linienformationen eingenommen, um nicht nur mit dem vorderen Zug allein schießen zu müssen. Damit war eine ausgedehnte Breitenentwicklung möglich. Meist stehend, schleuderte die Infanterie dem Gegner ab 300 Schritt (225 m) einen Kugelhagel entgegen. Stutzte der Feind, folgten nach Möglichkeit Offensivstöße in die Flanken. Größte Wirkung hatte schnelles Nachfeuern in den weichenden Gegner, weswegen viele seiner Leute nicht zurückzugehen wagten und sich ergaben.
Bei Nachod brachten die Österreicher von ihren 96 Geschützen allmählich 32, dann 40 und schließlich bis 88 in das Gefecht, während es bei den Preußen von ihren 90 nur 18 waren. Schon daraus ist zu erkennen, daß die österreichische Reserveartillerie geschlossen eingesetzt war und damit ihr gut geleitetes Massenfeuer ein starkes Übergewicht gegen vereinzelt nacheinander auffahrende Batterien erhalten mußte. Eines der bemerkenswertesten Ereignisse des deutsch-französischen Krieges von 1870/71 war die Schlacht von Vionville/Mars la Tour am 16. August. Strategisch bedeutete sie die Abtrennung der französischen Rheinarmee vom Hinterland; die zwei Tage später folgende Schlacht bei Gravelotte-St.Privat drängte sie endgültig in den Einschließungsring um Metz. Auf der Hochebene westlich von Metz lagerten die 5 Korps jener Rheinarmee mit ihren kriegserfahrenen Generalen, den mit überlegenen Chassepotgewehren bewaffneten Truppen und etwa 500 Geschützen einschließlich Mitrailleusen. Sie sollte in Richtung Verdun abmarschieren, um sich mit den anderen Armeeteilen zu vereinen. Die deutsche 2. Armee suchte diesen Abzug zu verhindern oder wenigstens zu stören und sandte daher die 5. Kavallerie-Division zur Beobachtung der Rückzugsstraße vor. Das am nächsten stehende III. Armeekorps unter General von Alvensleben sollte die Mosel überschreiten, diesem das X. Armeekorps noch weiter ausholend folgen. Schon am Nachmittag des 15. August traf die Meldung ein, daß bei Rezonville große Truppenlager gesichtet seien. So ließ Alvensleben noch in den Abendstunden den Fluß überschreiten und die Spitzen bis Gorze vorgehen, um am nächsten Tage noch wenigstens die Nachhut des abziehenden Feindes zu erreichen. Früh morgens setzte sich seine Streitrnacht in 2 Kolonnen, die rechte über Gorze mit den Reitern der 6. Kavallerie-Division an der Spitze, dann der 5. Infanterie-Division, die linke mit der 6. Division auf dem Gebirgsweg von Onville auf Les Baraques zu in Bewegung, um, die steilen, bewaldeten Hänge hinauf, die Hochfläche zu erreichen. Schon kurz vor 7 Uhr traf die Meldung ein, daß hinter der Linie Vionville-Tronville feindliche Vorposten und dahinter Truppenmassen zu sehen wären.
Die 6. Division marschierte nach Erreichen der Hochfläche eng zusammengehalten in Richtung Mars la Tour. Noch nahmen ihr Gehölze und Bodenerhebungen die Sicht, doch hörte sie den Gefechtslärm. Der vorreitende Alvensleben begegnete kurz vor 10 Uhr dem Führer der 5. Kavallerie-Division von Rheinbaben und erfuhr, daß wohl noch die ganze französische Armee anzutreffen wäre. Sofort gab er Befehl, auf Vionville abzudrehen. Auch der Gegner, eine Division des Korps Frossard, war gerade im Begriff, diesen Ort zu besetzen; er wurde an seiner rechten Flanke durch die Division Villiers vom französischen VI. Korps gesichert. Die Batterien der beiden französischen Korps eröffneten das Feuer mit Schrapnells und Granaten. Der Führer der 6. Division, General von Buddenbrock, erkannte die Stärke der feindlichen Stellung, aber auch, daß es darauf ankam, sich der davorliegenden Stützpunkte zu bemächtigen. Ohne zu zaudern setzte er den Angriff seiner Bataillone, bis auf 2 in Reserve zurückgehaltene, auf Vionville und Flavigny an; die Truppen gingen in Kompaniekolonnen vor. Durch diese Angriffsrichtung entstand zwischen den beiden Divisionen des III. Armeekorps ein Zwischenraum, den gleichsam als selbständiges Mittelglied die Korpsartillerie einnahm, indem sie sich zwischen die dort bereits stehenden Divisionsbatterien einschob. So entstand mit der Zeit eine Artillerielinie von 128 Geschützen, die an dieser Stelle fast 9 Stunden ausharren sollte. Die beiden Kavallerie-Divisionen nahmen geeignete Bereitschaftsstellungen hinter der Front und dem linken Flügel ein. Das Vorgehen traf auf heftiges Abwehrfeuer, das schon auf weitere Entfernungen hohe Verluste brachte, bis endlich das eigene Gewehr zum Tragen kam. Beim Kampf um die einzelnen Örtlichkeiten, Baumgruppen und Viehtränken leistete der Gegner erbitterten Widerstand. Dennoch wurde nach der Einnahme von Vionville weiter bis zu der das Dorf beherrschenden Höhe vorgegangen, der rechte Flügel erreichte Flavigny.
Während sich der rechte deutsche Flügel fortgesetzter Angriffe der frisch ankommenden französischen Garden erwehren mußte, befahl Marschall Bazaine neben dem in der Mitte stehenden VI. Korps noch die beiden anderen Korps an seinen rechten Flügel, um zum Gegenangriff zu schreiten. So geriet der linke deutsche Flügel in eine üble Lage, auch die letzten Reserven mußten in die Front eingeschoben, dazu die ersten, gegen 1.30 Uhr eintreffenden 2½ Bataillone des X. Korps zur Unterstützung in die Tronviller Büsche geworfen werden. Die feindliche Übermacht wuchs aber immer weiter an, dem linken Flügel drohte die Umfassung. Auf die Front der 6. Division drückte das ganze Korps Canrobert, zusätzliche Kräfte überschütteten die Deutschen mit Massenfeuer. In dieser Lage entstand der Entschluß zur Attacke der Brigade Bredow. Eigentlich sollten ihre Reiter, die Tronviller Büsche zur rechten Hand lassend, nur die feindlichen Batterien in der Flanke treffen; sie ritten aber durch Infanteriekolonnen und drehten erst im Bereich feindlicher Kavallerie ab. Diese als »Todesritt« bekannte Aktion rettete die Infanterietrümmer, der Eindruck auf den Gegner war so groß, daß sein Vordringen für eine Stunde zum Stillstand kam. Bei der französischen Führung hatte dieses Vorgehen den Glauben bestärkt, daß sie sehr starke deutsche Kräfte vor sich hätte. So vermochten sich die Reste der Infanterie neu zu formieren, geeignetere Stellungen zu suchen und ihre Munition zu ergänzen. Nur langsam erholten sich die Franzosen von dem Schock. Auch ihre Infanterie mußte neugeordnet und neue Batterien vorgeführt werden, weil die vorhandenen nur noch wenige Bedienungsleute am Geschütz hatten. Dann aber setzte ein neuer Ansturm von 3 französischen Divisionen gegen den linken Flügel der Preußen ein, der sich gegen 3 Uhr nach dem Verschießen aller Patronen in die Tronviller Büsche zurückzog, die guten Schutz boten. Die Artillerie konnte ihre Stellungen an der Straße behaupten. Bei der 5. Division am rechten Flügel waren zur Unterstützung 3 Bataillone und 4 Batterien des X. Korps eingetroffen.
Doch beeindruckte die Entschlossenheit, mit der dieser Stoß durchgeführt wurde, den Korpsbefehlshaber General Ladmirault so, daß er alle Angriffsabsichten fallen ließ. Entlastung brachte der zurückweichenden Infanterie dieser Brigade die Attacke des 1. Garde-Dragoner-Regirnents, das französische Infanterie durchbrechen mußte, dabei herbe Opfer brachte und doch noch die Kraft besaß, nach dem Sammeln durch einen Ausfall französische Kavallerie zu zwingen, von einer bedrohten Batterie abzulassen. Nun befahl General Ladrnirault, für seine Flanke fürchtend, der eigenen Kavallerie-Division rechts umfassend anzugreifen. Seine 6 Reiterregimenter stellten sich in mehreren Treffen jeweils nach rechts überflügelnd auf und stießen bei ihrem Anritt auf die in zwei Treffen entgegenkommende 5. Kavallerie-Division. Der Zusammenprall dieser 5000 Reiter geschah gegen 18.45 Uhr. Durchbrechend und durchbrochen suchten die einzelnen Schwadronen die Flanken des Gegner zu gewinnen; eine riesige Staubwolke verhüllte die Sicht, zuletzt wandte sich die französische Kavallerie zur Flucht. Die preußischen Reiter ordneten sich und gingen zurück, die Gefahr war beseitigt. Mittlerweile hatte auch der rechte Flügel durch 9 frische Bataillone des 1. und IX. Armeekorps Unterstützung erhalten. Diese gingen gegen Rezonville vor, konnten aber den Ort nicht nehmen. Noch einmal schwoll das Artilleriefeuer auf beiden Seiten an. Um 7 Uhr abends befahl die deutsche Armeeführung einen allgemeinen Vorstoß, um dem zahlenmäßig stärkeren Gegner das Gefühl deutscher Überlegenheit aufzuzwingen. Daran beteiligten sich Infanterieeinheiten, auch einzelne Batterien, hauptsächlich aber die 6. Kavallerie-Division, die mit ihrer Abendattacke auf die schon bei Rezonville ruhende französische Infanterie zwar nicht durchschlug, doch moralische Wirkungen erzielte. Das erbitterte Ringen dieses Tages bezeugen die hohen Verluste: auf deutscher Seite waren 711 Offiziere und 15.079 Mann, auf französischer Seite 879 Offiziere und 16.128 Mann tot oder verwundet.
Zwar kamen Truppenteile dabei durcheinander, gerieten aber kaum aus der Hand ihrer Führung. Daher konnte sich die Infanterie trotz teilweise enormer Verluste oft 9 Stunden gegen einen dreimal stärkeren und mit einem viel weitertragenden Gewehr bewaffneten Gegner halten. Andererseits war sie gezwungen, die Verteidigung offensiv zu führen, denn mit ihrem Zündnadelgewehr war der Feuerkampf erst zu eröffnen, wenn man auf 400 m herankam. Die französische Infanterie suchte ihre weittragende Waffe auszunutzen und schoß schon auf sehr große Entfernungen, selbst auf die deutschen Batterien. Teilweise lag sie hinter Deckungen und erhob sich oft nur auf Kommando, um Salven abzugeben. Ihre Angriffe kamen fast nie in den Schußbereich der Zündnadelgewehre, weil sie meist schon an der Wirkung der preußischen Kanonen scheiterten. Die deutsche Kavallerie hat viermal massiv in die Schlacht eingegriffen und zweimal ihre Infanterie aus verzweifelter Lage gerettet, dabei aber herbe Verluste erlitten. Immerhin zeigte sich, daß auch Schlachtenkavallerie bei richtiger Gelegenheit noch erfolgreich sein konnte. Die bedeutsamste Rolle fiel der Artillerie zu: sie bildete gleichsam das Gerüst, an das sich die ausgeblutete Infanterie klammerte. Bis zum letzten Geschütz eingesetzt, suchte sie ihre Stellungen selbst ohne Infanterieschutz und verharrte standhaft im Gewehrfeuer. Als der Artillerieführer der 5. Division gegen 14 Uhr meldete, daß für das Geschütz nur noch 5 Granaten und durchschnittlich 2 Bespannungspferde vorhanden seien, antwortete der General von Stülpnagel: »Die Artillerie ist augenblicklich der einzige Halt. Infanterie ist überhaupt kaum vorhanden. Fährt die Artillerie ab, so ist die Infanterie auch nicht mehr zu halten, dann ist die Schlacht verloren. Die Artillerie bleibt, mag sie verloren gehen oder nicht.« Die danach glücklicherweise eintretende Gefechtspause wurde gründlich ausgenutzt, um Munition sowie Ersatzpferde zu beschaffen. Die Artilleriewirkung war nach Aussagen der Gegenseite sehr groß. Französische Batterien sahen sich wegen der überlegenen Treffsicherheit der deutschen Geschütze dann auch zu häufigem Stellungswechsel gezwungen. Die Erfahrungen aus den Schlachten um Metz - einerseits die starken Verluste der Infanterie bei unvorbereitetem Angriff, andererseits die gute Artilleriewirkung - führten dazu, daß im weiteren Verlauf des Krieges die Artillerie viel stärker als bisher zur Angriffsvorbereitung eingesetzt wurde. Auf die Wirksamkeit der einzelnen Waffen lassen auch Beobachtungen schließen, die 2 französischen Ärzte in Metzer Lazaretten machten, als sie folgendes feststellten: bei jeweils 2 Bajonett- und nur wenigen Säbelverletzungen waren alle Wunden von Feuerwaffen verursacht, nämlich 70 Prozent durch Granatsplitter und 30 Prozent durch Bleigeschosse. |