Taktik
der preußischen Armee

 

 

 
Zusammengesetzte Truppenverbände

Seitdem die Feuerwaffen dominierten, war die stärkere Kampfform die Verteidigung. Der Erfolg eines Angriffsstoßes blieb ungewiß, wenn man nicht vorher den Gegner in seiner Widerstandskraft geschwächt hatte. Daher setzte sich meist jede offensive Aktion aus einer Vorbereitungs- und einer Entscheidungsphase zusammen. In beiden Fällen hatten die verschiedenen Waffengattungen unterschiedliche Aufgaben: Infanterie vermochte in fast jedem Gelände wie in jeder Kampfart sowohl ein Feuergefecht als auch den Nahkampf mit dem Bajonett zu führen, war aber relativ langsam. Die Kavallerie blieb in jeder Schlacht reine Offensivwaffe, denn ihre Wirkung bestand in der Schnelligkeit und Wucht, mit der sie in das Nahgefecht eintrat. Die Stärke der Artillerie lag in ihrem wirksamen Feuer auf größere Entfernungen, mit dem sie nun nicht nur defensiv, sondern auch schon offensiv wirken konnte. Weil diese Waffengattungen infolge ihren Stärken und Schwächen sich gegenseitig ergänzen sollten, bildete ihre richtige Mischung den Zweck der zusammengesetzten Truppenverbände.

Als Verband über der Division hatte sich bereits in napoleonischer Zeit das Armeekorps herausgebildet, zu dem, je nach dem Verwendungszweck, im Kriege bis zu 5, im Frieden gemäß der jeweiligen Heeresorganisation 2 bis 3 Infanteriedivisionen gehörten. Daneben hatte der Korpsbefehlshaber eine starke Reserve an Kavallerie und Artillerie zu seiner Verfügung, um sie nach den Umständen zur richtigen Zeit am passenden Ort einzusetzen. Als Hilfs- und Versorgungseinrichtungen kamen die technischen Truppen mit ihrem Brückentrain, Park- und Verpflegungskolonnen sowie Feldlazarette hinzu. 

Als oberster Gesamtverband entstanden im Kriegsfalle aus mehreren Armeekorps, zugeteilten Kavalleriedivisionen oder gar einem Kavalleriekorps mit der entsprechenden Reserveartillerie die Armeen. In den meisten Staaten wurde nun auch zur Friedenszeit die Einteilung bis hin zu den Armeekorps aufrecht erhalten. Diese bildeten dann nicht nur das notwendige Gerüst für das Kriegsheer, sondern erlaubten auch schon vorher, ein Zusammenwirken einzelner Teile und Waffen zu üben. Dafür erfolgten in der Regel Anweisungen von Fall zu Fall. In Preußen bestand ab 1861 in den »Allerhöchsten Verordnungen über die größeren Truppenübungen« eine erste zusammenhängende Felddienstordnung.


Lazarettwagen                    

Maßgebend und vorbildhaft für die weitere Entwicklung, besonders in Deutschland, sollte die preußische Organisationsform werden. Die Armeekorps bestanden bereits in der Friedenszeit, um sich im Krieg aus 2 Infanteriedivisionen, einer Kavalleriedivision, der Reserveartillerie und einer Pionierabteilung zusammenzusetzen. Die Kommandobehörden waren der Kommandierende General, der Generalstab mit Chef und 2 weiteren Offizieren, 4 Adjutanten und 3 Ingenieuroffizieren. Für die Verwaltung und Versorgung diente die Korpsintendantur mit der Kriegskasse, die Feld-Proviantämter, das Trainbataillon mit den Proviantkolonnen, der Feldbäckerei, dem Pferdedepot, Feldlazaretten sowie der Feldpost. Zum Stab gehörten zusätzlich der Korps-Generalarzt, sowie die Auditeure und die Geistlichkeit.

Einer Infanteriedivision unterstanden 2 Infanteriebrigaden mit je 2 Regimentern zu 3 Bataillonen und anderen Waffen, über die der Kommandeur sofort verfügen konnte, nämlich ein Kavallerieregiment mit 4 Schwadronen und 2 Fußbatterien. Eine Infanteriedivision des Korps hatte zusätzlich das Jägerbataillon, somit 13 Bataillone. Die Kavalleriedivisionen sollten aus 3 Kavalleriebrigaden zu je 2 Regimentern sowie einer Reitenden Batterie bestehen. Zu der Reserveartillerie des Korps gehörten 6 weitere Batterien aller Kaliber sowie eine Kolonnenabteilung. Die waffentechnischen und taktischen Veränderungen ergaben Abwandlungen bei der Zuteilung von Reitern und Artillerie. So besaßen zu Beginn des Feldzuges von 1866 die preußischen Korps in jeder Infanteriedivision 4 Batterien, während für die Korpsreserve ebenfalls nur noch 4 vorgesehen waren. Das Korps behielt lediglich eine Kavalleriebrigade mit einer Reitenden Batterie. Für die Kriegsdauer galt die Einteilung in Armeen, denen mehrere Korps, eigene Kavalleriedivisionen und eine eigene Reserveartillerie unterstanden. Die Erfahrungen dieses Feldzuges führten dann unter Auflösung der Armee-Reserveartillerie zur Verstärkung der Korpsartillerien auf 6 Batterien.


     Karree gegen Kavallerie

Für alle zusammengesetzten Truppenverbände gab es als Normalstellung die »Ordre de bataille«. Sie wies jedem Truppenteil den Platz zu, den er im Marsch, Biwak und Gefecht auch ohne Befehl einzunehmen hatte. In der Praxis bedingten das Gelände, besondere Erfordernisse oder spezielle Befehle mehrfache Abwandlungen. In der Regel brauchten alle selbständig operierenden Verbände eine schlagkräftige Vorhut (Avantgarde), die Hauptmacht (Gros) und eine Nachhut (Reserve). Als Faustregel erhielt die Vorhut ein Viertel, das Gros die Hälfte und die Nachhut wieder ein Viertel der Infanteriekräfte. Platz und Verwendung der Reservekavallerie und Reserveartillerie bestimmte von Fall zu Fall der Korpskommandeur.

Das Zusammenwirken der Waffen in der Feldschlacht

Der tiefe Wandel von Waffenwirkungen und damit auch der taktischen Anschauungen war in jenem Zeitraum besonders groß. Im Jahre 1866 trafen zum ersten Mal Armeen in größeren Verhältnissen aufeinander, von denen die eine mit dem gezogenem Vorderlader, die andere mit einem gezogenen Hinterlader ausgerüstet war und damit gleichzeitig eine völlig andere taktische Konzeption besaß. Schon die ersten Zusammenstöße sollten einen Vorgeschmack auf die späteren Ereignisse geben. Die in Mittelschlesien stehende Armee des preußischen Kronprinzen mußte, um in das vorgesehene böhmische Operationsgebiet zu kommen, das Gebirge überschreiten, was nur auf wenigen Paßstraßen möglich war. Die alte wichtige Einbruchslinie für das V. Armeekorps unter General von Steinmetz blieb die Straße von Glatz nach Josefstadt, die das Glatzer Bergland mit den Gebieten um die obere Elbe verband. Sie führte durch den sehr engen und langgezogenen Paß von Reinerz, dessen erster Teil bis Nachod sich in preußischer Hand befand und dessen kleinerer Teil von der Stadt bis zur Gabelung der Straßen nach Skalitz und Neustadt auf österreichischem Gebiet lag. Die hinter dieser Gabelung liegende Hochebene um Wenzelsberg konnte als Schlüssel für den Paß gelten.

Die Spitze der preußischen Vorhut hatte schon morgens Nachod erreicht, ihre hinteren Teile waren auf der Paßstraße, die Hauptmacht noch weit zurück hinter Schlaney. Doch befanden sich schon Vorposten bei Wysokow, auf den Straßen nach Skalitz und Neustadt patrouillierten Dragoner. Auf österreichischer Seite sollte das VI. Korps unter Feldmarschalleutnant Baron Ramming den Gegner an der Entwicklung aus der engen Paßstraße hindern, dazu bei Skalitz eine Aufstellung nehmen und seine Vorposten bis Nachod vorschieben. Für den Vormarsch wies Ramming seiner Brigade Hertwek die Straße von Neustadt über Wrochowin nach Nachhod, der folgenden Brigade Jonak abzweigend in Wrochowin den Weg über Schonow nach Kleny an, während die beiden Brigaden Rosenzweig und Waldstätten mit der Reserveartillerie nach Skalitz rücken sollten. Die zugeteilte 1. Reserve-Kavallerie-Division stand schon bei Kleny.

Als General v. Steinmetz kurz nach 8 Uhr die Meldung vom Vorrücken des Gegners erhielt, ließ er am östlichen Teil des Dorfes Wysokow ein Halbbataillon und eineinhalb Jägerkompanien zurück und sandte die restlichen Kräfte (4½ Kompanien, 1 Schwadron und 1 Batterie) auf die Hochfläche nordöstlich von Wenzelsberg dem Feinde entgegen. Die österreichische Brigade Hartwek war in der Absicht, den auf der Straße nach Neustadt vermuteten Preußen in die Flanke zu fallen, in Wrochowin nach Schonow abgebogen und von dieser Straße nach Wenzelsberg vorgegangen. Ihrem ersten Treffen aus 5 Divisionsmassen in Linie drang eine Plänklerkette voraus, dicht dahinter ein weiteres Bataillon zur Unterstützung. 

Das zweite Treffen bestand aus 2 Bataillonsmassen, die Batterie blieb am rechten Flügel bei Schonow und eröffnete auf 700 m das Feuer auf die preußischen Geschütze. Das letzte Bataillon suchte schon von Wrochowin aus die preußische Flanke zu gewinnen, traf aber auf 2 über die Brancahöhe kommende feindliche Halbbataillone. Das Feuer der preußischen Tirailleure wurde dem ersten Treffen der vorgehenden Österreicher so lästig, daß sie sich an der evangelischen Kirche zu decken suchten. Hertwek zog die Bataillone seines zweiten Treffens zur Verlängerung seines rechten Flügels heran und befahl ein allgemeines rasches Vorgehen. Das erst auf 300 Schritt (225 m) beginnende Schnell- und Salvenfeuer der teilweise in Linie stehenden preußischen Halbbataillone zeigte solche Wirkung, daß die Massen nur bis etwa 90 m herankamen, dann stockten, um in Deckungen zurückzuweichen. Der erste mit großer Überlegenheit geführte Angriff war abgeschlagen, wie auch das Vorgehen des Flügelbataillons an der Straße. Dort stieß sogar nach lebhaftem Feuergefecht das preußische Halbbataillon Vogelsang mit dem Bajonett vor, wobei es wirklich einmal zum Handgemenge kam. Mittlerweile war der Rest der preußischen Vorhut auf der Hochfläche angelangt, als der zweite Angriff der bei Schonow gesammelten Brigade begann. Auch dieser brach zusammen, nur 2 Bataillone behaupteten sich in der Kapelle, sowie im Ort Wenzelsberg und führten ein hinhaltendes Feuergefecht. In der Gefechtslinie vorn Wäldchen südlich Wysokow bis nach Sochorz (etwa 2500 m) standen nur 4 preußische Bataillone und eine halbe Jägerkompanie, dahinter als unmittelbare Reserve ein Haibbataillon. Erst bei Altstadt befand sich ein weiteres Bataillon, die Spitze der Hauptmacht aber noch 5 km vor Nachod. Ramming hatte schon um 8 Uhr bei der Reserve-Kavallerie-Division in Kleny erfahren, daß Wysokow von feindlicher Infanterie besetzt sei. So ließ er die Marschrichtung der Brigade Rosenzweig auf Prowodow, die der Brigade Waldstätten und der Reserveartillerie auf Kleny verändern.

Die zweite Phase des Geschehens begann, als von Schonow und Prowodow aus gegen 11 Uhr die beiden Brigaden Jonak und Rosenzweig mit 14 frischen Bataillonen gegen die schon im Gefecht gewesenen Preußen antraten. Dazu gingen auch die 3 österreichischen Brigadebatterien in Stellung. Die vorrückende Brigade Jonak erhielt auf ihrem rechten Flügel Feuer, wandte sich daher mit Teilen gegen die Unterförsterei und das dahinter liegende Waldstück, doch wurde dieser Vorstoß mit Salvenfeuer abgeschlagen. Gleichzeitig stieß der linke Flügel der Brigade Rosenzweig in das zwischen Wysokow und Wenzelsberg liegende Wäldchen vor, was ein Zurückweichen der in der Flanke bedrohten preußischen Infanterie und der Batterie zur Folge hatte.


    Angriff preußischer Infanterie

In dieser Zeit geriet auf der Fläche zwischen dem besagten Wäldchen und Wysokow die Brigade Solms der österreichischen Reservekavallerie und die von Altstadt vorgegangene Kavallerie-Brigade v. Wnuk in einen Reiterkampf Während der Attacken ritten die Gegner im Handgemenge vollständig ineinander, Infanterie beider Seiten schoß hinein. Die Österreicher sammelten sich westlich des Ortes, die Preußen auf dem Feld. 

Hüben wie drüben sprach man von einem Erfolg, doch verloren die Österreicher 2 Standarten und tauchten in diesem Gefecht nicht mehr auf. Die gesammelten preußischen Dragoner warfen sich noch auf den linken Flügel der Brigade Rosenzweig und entrissen den sich rasch zu Knäueln ballenden Infanteristen eine Fahne.

Ein letzter, aus dem Wäldchen heraus mit 4 Bataillonen unternommener Angriff der Österreicher drängte die preußischen Linien an den Rand der Hochfläche bis an die Neustädter Straße. Damit hatte sich jedoch deren anfangs zu ausgedehnte Frontlinie so verkürzt, daß die Wirkung des zusammengefaßten Feuers größer werden mußte. Es galt Zeit zu gewinnen, um den preußischen Hauptkräften die Entwicklung aus der Enge zu ermöglichen. So wurden die Angreifer ab 250 m derartig mit Schnellfeuer überschüttet, daß ihr Anlauf stockte; eine Vorwärtsbewegung eines preußischen Halbbataillons mit dem Bajonett führte zum Rückzug. Bisher hatten die wenigen Bataillone der Avantgarde allein alle Angriffe von 21 feindlichen Bataillonen aufgefangen, der kritische Moment war überstanden.

Die letzte Phase begann, als sich unter dem Feuer der östlich von Kleny aufgefahrenen österreichischen Reserveartillerie die vordere Brigade des preußischen Gros aus der Straßenenge bei Altstadt entwickelte. 9 Halbbataillone gingen gegen das Wäldchen, 3 weitere gegen Wysokow vor und drängten die Brigaden Rosenzweig und Jonak auf ihre Ausgangslinie Schonow/Prowodow zurück; der Ort Wenzelsberg wurde besetzt. Während dieses Vorgehens mußten jedoch wegen des einheitlich geleiteten Feuers der österreichischen Artillerielinie drei der neu zwischen Altstadt und Wysokow aufgefahrenen Batterien nach Rückwärts ausweichen.

In dieser Lage ließ Ramming mit starker Artillerie-Unterstützung seine letzte intakte Brigade Waldstätten angreifen. Die beiden gegen das Wäldchen angesetzten Bataillone, das vordere in Divisionsrnassen, das hintere in Bataillonsmasse, wurden durch Schnellfeuer empfangen. Gleichzeitig von Wenzelsberg aus in der Flanke bedroht, wichen sie in Unordnung bis nach Prowodow zurück. Den nachstoßenden Preußen ergaben sich ganze Gruppen aus Furcht vor dem verheerenden Verfolgungsfeuer. Der Angriff der anderen 4 Bataillone zielte auf Wysokow und suchte dabei sogleich den rechten Flügel der Preußen zu umfassen. Er wurde durch bei Starkow (Starkotz) aufgefahrene Artillerie unterstützt, bei der zur Bedeckung aber auch zu möglichem Eingreifen Kavallerie hielt. Den Verteidigern konnten aber nur wenige Häuser entrissen werden, dann kam das Gefecht zum Stehen. Die Entscheidung brachten hier die eben eintreffenden Teile der zweiten preußischen Brigade des Gros, die nördlich des Dorfes vorgingen. In den Intervallen der Halbbataillone feuerten deren Schützen auf die österreichischen Geschütze und Reiter bei Starkow. Die Kavallerie zog ab, die Batterie behielt solange wie möglich ihre Position. Doch auf etwa 220 m von Tirailleuren beschossen, büßte sie viele Leute und Pferde ein. Zwei nachsetzende preußische Ulanenschwadronen konnten den aufprotzenden Artilleristen noch 2 Geschütze abnehmen, 3 weitere blieben beim Abfahren stecken. Damit geriet die vorgegangene österreichische Infanterie in ein heftiges Kreuzfeuer und flüchtete zurück. Viele warfen ihre Waffen weg und ergaben sich.

Die Masse der preußischen Reserveartillerie begann erst nach 2 Uhr auf der Hochfläche zwischen Wysokow und der Wenzelskirche aufzufahren und konnte aus dieser Stellung den Rückzug des Gegners nach Skalitz begleiten. Bereits nach 4 Uhr schwiegen die Waffen, die erschöpften Preußen biwakierten auf dem Schlachtfeld. An Toten und Verwunderten hatten sie an diesem Tage 62 Offiziere und 1060 Mann, die Österreicher hingegen 190 Offiziere und 2994 Mann zu beklagen, dazu etwa 3100 Gefangene, 3 Feldzeichen und 8 Geschütze.


Ulanenangriff                   

Das Gefecht zeigte als treffendes Beispiel taktischer Defensive bei gleichzeitiger strategischer Offensive eine Reihe neuer Verfahrensweisen der mit Hinterladern ausgerüsteten Infanterie. In der Gefechtswirklichkeit hatten sich die Kompaniekolonne und das Halbbataillon durchgesetzt. Im Reglement bestand zwar ein gewisser Gegensatz zwischen dem üblichen Ausscheiden der Schützenzüge und der Kompaniekolonne. Man behalf sich aber, indem beim Anmarsch in der Kolonne nach der Mitte jeder Schützenzug gleich seiner Kompanie zugeteilt wurde, also der 2. und 3. vorn, der 1. und 4. hinten, was dann einen leichten Übergang in die Kompaniekolonne wie auch in das Halbbataillon zuließ. Im V. Armeekorps waren bei der Infanterie, bis auf die Jäger taktische Halbbataillone gebildet worden. Sie hatten eine praktische, einfache Form: mit 3 Zügen noch genügend Stoßkraft, konnten sie sich leicht für das Feuergefecht in Linie entwickeln und waren noch mit der Stimme zu kommandieren. Ob aber nun Halbbataillon oder Kompaniekolonne, beides waren kleine taktische Einheiten, die sich in Angriff und Verteidigung leicht dem jeweiligen Gelände anpaßten.

Als besondere Stärke des Zündnadelgewehrs erwies sich gut gerichtetes Massenschnellfeuer. Deshalb wurden die Soutiens meist sofort zur Verstärkung der Schützenlinien aufgelöst und oft ganze Linienformationen eingenommen, um nicht nur mit dem vorderen Zug allein schießen zu müssen. Damit war eine ausgedehnte Breitenentwicklung möglich. Meist stehend, schleuderte die Infanterie dem Gegner ab 300 Schritt (225 m) einen Kugelhagel entgegen. Stutzte der Feind, folgten nach Möglichkeit Offensivstöße in die Flanken. Größte Wirkung hatte schnelles Nachfeuern in den weichenden Gegner, weswegen viele seiner Leute nicht zurückzugehen wagten und sich ergaben.


      Schlacht bei Nachod 1866

Die Österreicher fochten in ihrer Stoßtaktik, im ersten Treffen die Divisionsmassen in Linie nebeneinander, dem im zweiten Treffen Bataillonsmassen folgten. Dennoch hatten sie trotz großem Schneid und numerischer Überlegenheit nicht durchbrechen können; fast alle ihre Angriffe waren schon etwa 100 m vor den preußischen Linien gescheitert. Das große Kavalleriegefecht zeigte wenig Auswirkungen. Bedeutsamer blieb die Attacke auf aufgelöste Teile der feindlichen Infanterie; dazu die Tatsache, das allein die drohende Gefahr eines Reiterangriffs den Gegner zur Karree- oder Knäuelbildung zwang, die der eigenen Infanterie bzw. Artillerie dankbare Ziele boten. Auch das war eine Art gegenseitiger Unterstützung. 

Bei Nachod brachten die Österreicher von ihren 96 Geschützen allmählich 32, dann 40 und schließlich bis 88 in das Gefecht, während es bei den Preußen von ihren 90 nur 18 waren. Schon daraus ist zu erkennen, daß die österreichische Reserveartillerie geschlossen eingesetzt war und damit ihr gut geleitetes Massenfeuer ein starkes Übergewicht gegen vereinzelt nacheinander auffahrende Batterien erhalten mußte. 

Eines der bemerkenswertesten Ereignisse des deutsch-französischen Krieges von 1870/71 war die Schlacht von Vionville/Mars la Tour am 16. August. Strategisch bedeutete sie die Abtrennung der französischen Rheinarmee vom Hinterland; die zwei Tage später folgende Schlacht bei Gravelotte-St.Privat drängte sie endgültig in den Einschließungsring um Metz.

Auf der Hochebene westlich von Metz lagerten die 5 Korps jener Rheinarmee mit ihren kriegserfahrenen Generalen, den mit überlegenen Chassepotgewehren bewaffneten Truppen und etwa 500 Geschützen einschließlich Mitrailleusen. Sie sollte in Richtung Verdun abmarschieren, um sich mit den anderen Armeeteilen zu vereinen. Die deutsche 2. Armee suchte diesen Abzug zu verhindern oder wenigstens zu stören und sandte daher die 5. Kavallerie-Division zur Beobachtung der Rückzugsstraße vor. Das am nächsten stehende III. Armeekorps unter General von Alvensleben sollte die Mosel überschreiten, diesem das X. Armeekorps noch weiter ausholend folgen. Schon am Nachmittag des 15. August traf die Meldung ein, daß bei Rezonville große Truppenlager gesichtet seien. So ließ Alvensleben noch in den Abendstunden den Fluß überschreiten und die Spitzen bis Gorze vorgehen, um am nächsten Tage noch wenigstens die Nachhut des abziehenden Feindes zu erreichen. Früh morgens setzte sich seine Streitrnacht in 2 Kolonnen, die rechte über Gorze mit den Reitern der 6. Kavallerie-Division an der Spitze, dann der 5. Infanterie-Division, die linke mit der 6. Division auf dem Gebirgsweg von Onville auf Les Baraques zu in Bewegung, um, die steilen, bewaldeten Hänge hinauf, die Hochfläche zu erreichen. Schon kurz vor 7 Uhr traf die Meldung ein, daß hinter der Linie Vionville-Tronville feindliche Vorposten und dahinter Truppenmassen zu sehen wären. 

Gegen 8.30 Uhr erreichten die Kolonnenspitzen den Rand der Hochebene, der Morgennebel war schon gefallen. Da stieß die rechte Kolonne, aus dem Wald heraustretend, auf die Flanke des bei Rezonville lagernden Korps Frossard. Unmittelbar aus der Marschkolonne heraus gewannen die beiden vordersten Bataillone soviel Boden, daß die folgende Batterie auffahren konnte. Auch der Aufmarsch der restlichen Bataillone gelang, das Vorschieben und Festsetzen in den Gehölzen beiderseits der Straße, sowie die Entwicklung der folgenden Brigade am Rand der Hochfläche und der Artillerie in der Mitte, alles unter heftigstem Feuer der weitreichenden französischen Gewehre, dem viele Führer zum Opfer fielen.


Husaren zerstören eine Eisenbahn    

Die 6. Division marschierte nach Erreichen der Hochfläche eng zusammengehalten in Richtung Mars la Tour. Noch nahmen ihr Gehölze und Bodenerhebungen die Sicht, doch hörte sie den Gefechtslärm. Der vorreitende Alvensleben begegnete kurz vor 10 Uhr dem Führer der 5. Kavallerie-Division von Rheinbaben und erfuhr, daß wohl noch die ganze französische Armee anzutreffen wäre. Sofort gab er Befehl, auf Vionville abzudrehen. Auch der Gegner, eine Division des Korps Frossard, war gerade im Begriff, diesen Ort zu besetzen; er wurde an seiner rechten Flanke durch die Division Villiers vom französischen VI. Korps gesichert. Die Batterien der beiden französischen Korps eröffneten das Feuer mit Schrapnells und Granaten.

Der Führer der 6. Division, General von Buddenbrock, erkannte die Stärke der feindlichen Stellung, aber auch, daß es darauf ankam, sich der davorliegenden Stützpunkte zu bemächtigen. Ohne zu zaudern setzte er den Angriff seiner Bataillone, bis auf 2 in Reserve zurückgehaltene, auf Vionville und Flavigny an; die Truppen gingen in Kompaniekolonnen vor. Durch diese Angriffsrichtung entstand zwischen den beiden Divisionen des III. Armeekorps ein Zwischenraum, den gleichsam als selbständiges Mittelglied die Korpsartillerie einnahm, indem sie sich zwischen die dort bereits stehenden Divisionsbatterien einschob. So entstand mit der Zeit eine Artillerielinie von 128 Geschützen, die an dieser Stelle fast 9 Stunden ausharren sollte. Die beiden Kavallerie-Divisionen nahmen geeignete Bereitschaftsstellungen hinter der Front und dem linken Flügel ein.

Das Vorgehen traf auf heftiges Abwehrfeuer, das schon auf weitere Entfernungen hohe Verluste brachte, bis endlich das eigene Gewehr zum Tragen kam. Beim Kampf um die einzelnen Örtlichkeiten, Baumgruppen und Viehtränken leistete der Gegner erbitterten Widerstand. Dennoch wurde nach der Einnahme von Vionville weiter bis zu der das Dorf beherrschenden Höhe vorgegangen, der rechte Flügel erreichte Flavigny.


       Vionville 15.8. abends

Die dort stehende Division Bataille ging in Auflösung zurück. Zwei französische Reiterregimenter suchten sie durch eine Attacke zu retten, wurden aber von der preußischen Infanterie mit Ruhe empfangen und abgewiesen. Deutsche Reiterabteilungen (Husaren 11 und 17) stießen nach und gelangten in eine französische Gardebatterie, zersprengten den Stab von Marschall Bazaine, der dabei in unmittelbare Gefahr geriet. Ein kurz darauf unternommener Angriff anderer Reiter traf aber schon auf weitere, geordnete Infanterie und hatte keinen Erfolg. Damit war der offensive Teil der Schlacht abgeschlossen; nun ging es um die Behauptung des Errungenen.

Während sich der rechte deutsche Flügel fortgesetzter Angriffe der frisch ankommenden französischen Garden erwehren mußte, befahl Marschall Bazaine neben dem in der Mitte stehenden VI. Korps noch die beiden anderen Korps an seinen rechten Flügel, um zum Gegenangriff zu schreiten. So geriet der linke deutsche Flügel in eine üble Lage, auch die letzten Reserven mußten in die Front eingeschoben, dazu die ersten, gegen 1.30 Uhr eintreffenden 2½ Bataillone des X. Korps zur Unterstützung in die Tronviller Büsche geworfen werden. Die feindliche Übermacht wuchs aber immer weiter an, dem linken Flügel drohte die Umfassung.

Auf die Front der 6. Division drückte das ganze Korps Canrobert, zusätzliche Kräfte überschütteten die Deutschen mit Massenfeuer. In dieser Lage entstand der Entschluß zur Attacke der Brigade Bredow. Eigentlich sollten ihre Reiter, die Tronviller Büsche zur rechten Hand lassend, nur die feindlichen Batterien in der Flanke treffen; sie ritten aber durch Infanteriekolonnen und drehten erst im Bereich feindlicher Kavallerie ab. Diese als »Todesritt« bekannte Aktion rettete die Infanterietrümmer, der Eindruck auf den Gegner war so groß, daß sein Vordringen für eine Stunde zum Stillstand kam. Bei der französischen Führung hatte dieses Vorgehen den Glauben bestärkt, daß sie sehr starke deutsche Kräfte vor sich hätte. So vermochten sich die Reste der Infanterie neu zu formieren, geeignetere Stellungen zu suchen und ihre Munition zu ergänzen.

Nur langsam erholten sich die Franzosen von dem Schock. Auch ihre Infanterie mußte neugeordnet und neue Batterien vorgeführt werden, weil die vorhandenen nur noch wenige Bedienungsleute am Geschütz hatten. Dann aber setzte ein neuer Ansturm von 3 französischen Divisionen gegen den linken Flügel der Preußen ein, der sich gegen 3 Uhr nach dem Verschießen aller Patronen in die Tronviller Büsche zurückzog, die guten Schutz boten. Die Artillerie konnte ihre Stellungen an der Straße behaupten. Bei der 5. Division am rechten Flügel waren zur Unterstützung 3 Bataillone und 4 Batterien des X. Korps eingetroffen.

Kurz vor 4 Uhr machten sich an der linken Flanke bereits die Spitzen der neu eintreffenden französischen Korps bemerkbar. Zum Glück vermochten 4 Batterien des X. Korps und eine Reitende Batterie ihr Feuer auf die feindliche Artillerie zu vereinigen und dann den Infanterieangriff abzuschlagen. Das Eintreffen der restlichen Infanterie des X. Korps beseitigte die unmittelbare Gefahr. Die 20 Division rückte zur Unterstützung an die Tronviller Büsche. Die kurz darauf ankommende 38. Brigade unter General von Schwartzkoppen stieß über Mars la Tour vor und prallte auf die Division Cissey, die sie mit mörderischem Gewehr- und Mitrailleusenfeuer empfing. Durch das zweite Treffen verstärkt, suchten die deutschen Schützenlinien, abwechselnd 70 bis 100 m vorlaufend, dann niederwerfend, sich auf freiem Felde vorzuarbeiten und gelangten so bis an die 100 m vor die Franzosen. Damit war zwar der Unterschied zwischen Chassepot und Zündnadelgewehr bedeutungslos, aber die Übermacht zu groß, sie mußten zurück. 


Schlacht bei Vionville              

Doch beeindruckte die Entschlossenheit, mit der dieser Stoß durchgeführt wurde, den Korpsbefehlshaber General Ladmirault so, daß er alle Angriffsabsichten fallen ließ. Entlastung brachte der zurückweichenden Infanterie dieser Brigade die Attacke des 1. Garde-Dragoner-Regirnents, das französische Infanterie durchbrechen mußte, dabei herbe Opfer brachte und doch noch die Kraft besaß, nach dem Sammeln durch einen Ausfall französische Kavallerie zu zwingen, von einer bedrohten Batterie abzulassen.

Nun befahl General Ladrnirault, für seine Flanke fürchtend, der eigenen Kavallerie-Division rechts umfassend anzugreifen. Seine 6 Reiterregimenter stellten sich in mehreren Treffen jeweils nach rechts überflügelnd auf und stießen bei ihrem Anritt auf die in zwei Treffen entgegenkommende 5. Kavallerie-Division. Der Zusammenprall dieser 5000 Reiter geschah gegen 18.45 Uhr. Durchbrechend und durchbrochen suchten die einzelnen Schwadronen die Flanken des Gegner zu gewinnen; eine riesige Staubwolke verhüllte die Sicht, zuletzt wandte sich die französische Kavallerie zur Flucht. Die preußischen Reiter ordneten sich und gingen zurück, die Gefahr war beseitigt.

Mittlerweile hatte auch der rechte Flügel durch 9 frische Bataillone des 1. und IX. Armeekorps Unterstützung erhalten. Diese gingen gegen Rezonville vor, konnten aber den Ort nicht nehmen. Noch einmal schwoll das Artilleriefeuer auf beiden Seiten an. Um 7 Uhr abends befahl die deutsche Armeeführung einen allgemeinen Vorstoß, um dem zahlenmäßig stärkeren Gegner das Gefühl deutscher Überlegenheit aufzuzwingen. Daran beteiligten sich Infanterieeinheiten, auch einzelne Batterien, hauptsächlich aber die 6. Kavallerie-Division, die mit ihrer Abendattacke auf die schon bei Rezonville ruhende französische Infanterie zwar nicht durchschlug, doch moralische Wirkungen erzielte. Das erbitterte Ringen dieses Tages bezeugen die hohen Verluste: auf deutscher Seite waren 711 Offiziere und 15.079 Mann, auf französischer Seite 879 Offiziere und 16.128 Mann tot oder verwundet.


            Artillerielinie

Die Schlacht zeigte bei den Deutschen ein mustergültiges Zusammenwirken aller drei Waffengattungen, wie es sonst kaum vorgekommen ist. Meistenteils ging die Infanterie in Kompaniekolonnen in das Gefecht, nur in wenigen Fällen (bei Truppenteilen des X. Korps) im zweiten Treffen noch mit Halbbataillonen. Solche Formen dienten nicht nur zur Dezentralisierung der Gefechtshandlung im Bataillonsrahmen, sondern gestattete in der Gefechtsführung auch Selbständigkeit seiner einzelnen Glieder. Sie vermochten sich, wenn es die Umstände erforderten, vorübergehend zu lösen; fand ein Teil zu großen Widerstand vor, konnte der Nachbar vorgehen und durch Flankendruck auf den Gegner helfen. 

Zwar kamen Truppenteile dabei durcheinander, gerieten aber kaum aus der Hand ihrer Führung. Daher konnte sich die Infanterie trotz teilweise enormer Verluste oft 9 Stunden gegen einen dreimal stärkeren und mit einem viel weitertragenden Gewehr bewaffneten Gegner halten. Andererseits war sie gezwungen, die Verteidigung offensiv zu führen, denn mit ihrem Zündnadelgewehr war der Feuerkampf erst zu eröffnen, wenn man auf 400 m herankam.

Die französische Infanterie suchte ihre weittragende Waffe auszunutzen und schoß schon auf sehr große Entfernungen, selbst auf die deutschen Batterien. Teilweise lag sie hinter Deckungen und erhob sich oft nur auf Kommando, um Salven abzugeben. Ihre Angriffe kamen fast nie in den Schußbereich der Zündnadelgewehre, weil sie meist schon an der Wirkung der preußischen Kanonen scheiterten. Die deutsche Kavallerie hat viermal massiv in die Schlacht eingegriffen und zweimal ihre Infanterie aus verzweifelter Lage gerettet, dabei aber herbe Verluste erlitten. Immerhin zeigte sich, daß auch Schlachtenkavallerie bei richtiger Gelegenheit noch erfolgreich sein konnte.

Die bedeutsamste Rolle fiel der Artillerie zu: sie bildete gleichsam das Gerüst, an das sich die ausgeblutete Infanterie klammerte. Bis zum letzten Geschütz eingesetzt, suchte sie ihre Stellungen selbst ohne Infanterieschutz und verharrte standhaft im Gewehrfeuer. Als der Artillerieführer der 5. Division gegen 14 Uhr meldete, daß für das Geschütz nur noch 5 Granaten und durchschnittlich 2 Bespannungspferde vorhanden seien, antwortete der General von Stülpnagel: »Die Artillerie ist augenblicklich der einzige Halt. Infanterie ist überhaupt kaum vorhanden. Fährt die Artillerie ab, so ist die Infanterie auch nicht mehr zu halten, dann ist die Schlacht verloren. Die Artillerie bleibt, mag sie verloren gehen oder nicht.« Die danach glücklicherweise eintretende Gefechtspause wurde gründlich ausgenutzt, um Munition sowie Ersatzpferde zu beschaffen. Die Artilleriewirkung war nach Aussagen der Gegenseite sehr groß. Französische Batterien sahen sich wegen der überlegenen Treffsicherheit der deutschen Geschütze dann auch zu häufigem Stellungswechsel gezwungen. Die Erfahrungen aus den Schlachten um Metz - einerseits die starken Verluste der Infanterie bei unvorbereitetem Angriff, andererseits die gute Artilleriewirkung - führten dazu, daß im weiteren Verlauf des Krieges die Artillerie viel stärker als bisher zur Angriffsvorbereitung eingesetzt wurde.

Auf die Wirksamkeit der einzelnen Waffen lassen auch Beobachtungen schließen, die 2 französischen Ärzte in Metzer Lazaretten machten, als sie folgendes feststellten: bei jeweils 2 Bajonett- und nur wenigen Säbelverletzungen waren alle Wunden von Feuerwaffen verursacht, nämlich 70 Prozent durch Granatsplitter und 30 Prozent durch Bleigeschosse.

   
Bestandteile der Heere nach 1871

Die modernen Massenheere beruhten weitgehend auf der Ausschöpfung der nationalen Möglichkeiten und so mußte sich naturgemäß der Anteil der Infanterie erhöhen. Sie war relativ leicht aufzubringen, auszurüsten, auszubilden und zu versorgen. Die neuen weitreichenden Feuerwaffen und die damit zusammenhängende Taktik erlaubte ihre Verwendung in fast jedem Gelände und für jeden Zweck. Demzufolge verlor die früher so wichtige Kavallerie immer mehr an Bedeutung. Ein massierter Attackeneinsatz erschien angesichts der gesteigerten Waffenwirkung illusorisch; nur in der operativen Aufklärung im weiträumigen Bewegungskrieg oder während der Verfolgung konnte ihre Daseinsberechtigung liegen. 

Zur dritten, immer entscheidenderen Waffengattung hatte sich die Artillerie entwickelt, wie es bereits die Schlachten von 1870/71 zeigten. Demnach bestand das deutsche Reichsheer im Friedensjahr 1888 aus 300.000 Infanteristen (503 Bataillone) = 66 Prozent, 67.000 Kavalleristen (465 Schwadronen) = 15 Prozent, etwa 72.000 Feld- und Fußartilleristen =16 Prozent und 11.500 Mann technischer Truppen = 2,5 Prozent der Heeresstärke. Einen Wandel bewirkte die Mobilmachung. 


"Präsentiert das Gewehr"             

In diesem Falle hätte damals die deutsche Feldarmee aus 829.000 Infanteristen = 78 Prozent, nur 84.300 Kavalleristen = 8,1 Prozent, 112.900 Artilleristen = 10,5 Prozent sowie 35.000 Mann technischer Truppen = 3,3 Prozent der Heeresstärke bestanden, eine bezeichnende Verschiebung der Verhältnisse, die immer ausgeprägter zu beobachten war. Das zeigen bereits die Zahlen des Friedensstandes des deutschen Reichsheeres im Jahre 1913, die mit 512.000 Infanteristen= 67 Prozent, 84.500 Kavalleristen= 11,1 Prozent, 90.000 Feldartilleristen = 11,8 Prozent, 34.500 Fußartilleristen = 4,5 Prozent (Artillerie insgesamt = 16,3 Prozent), und 42.000 Mann technischer Truppen schon 5,5 Prozent der Heeresstärke angeben. Während diese letzte Gattung noch in der Jahrhundertmitte nur 1 Prozent betragen hatte, sorgte nun die vermehrte technische Ausstattung der Pioniere und Eisenbahner sowie die Schaffung von Luftschiff-, Flieger- und Telegrapheneinheiten für den starken Anstieg. Bei Kriegsausbruch 1914 zählten die insgesamt in Deutschland mobil werdenden Truppen der Feld- und Besatzungsarmee 3.823.000 Mann, die Frankreichs 3.580.000 Soldaten.

Die Infanterie
Die neuen kleinkalibrigen Mehrlader mit dem rauchschwachen Pulver und ihrer großen Treffgenauigkeit brachten völlig neue Anforderungen an die Infanterie. Deshalb fiel die frühere Unterscheidung in eine schwere und leichte Infanterie fort, ebenso verschwand der Begriff des »Plänklers«, der zwar recht gut schießen konnte, doch hinter sich eine geschlossene Abteilung als Rückhalt haben mußte. Alle Infanteristen sollten zur ausgedehnten Verwendung des Schützenkampfes gleich zu gebrauchen sein und dafür in jeder Abteilung gute Schützen haben. Aus diesem Grunde wurde auch 1876 in Preußen auf die Zusammenstellung besonderer elitärer Schützenzüge aus den Leuten der dritten Glieder verzichtet. Abgesehen von den Jägern, die vor allem in Deutschland noch ausgewählten Ersatz zwecks gesteigerter Schießfertigkeit erhielten, wurde der nunmehrige Infanterist für seine Gefechtsführung gleichmäßig ausgebildet und verwendet. Die frühere Unterscheidung in verschiedene Truppengattungen bestand nur noch aus traditionellen Gründen. Sie zeigte sich lediglich in der Benennung und den Uniformäußerlichkeiten. In Preußen-Deutschland galten für ältere, bewährte Regimenter die Bezeichnung Grenadiere, für die normalen Linienregimenter Musketiere oder gar Füsiliere, letztere in der Regel für die dritten Bataillone der Regimenter aber auch ganze Einheiten. Als Schützen wurden die Angehörigen bestimmter Truppenteile aber auch der Maschinengewehr-Abteilungen und der Jäger-Radfahrkompanien bezeichnet. In Preußen, Rußland und England bestanden daneben in größerem Umfang noch Garden. Doch bedeuteten sie nicht Eliten im alten Sinne des Wortes, weil ihr Ersatz nicht aus den Reihen bewährter Soldaten kam, sondern lediglich aus gutgewachsenen Rekruten ausgewählt war. Ihr Hauptvorzug lag im Dienst, unter den Augen und damit der Einwirkung des jeweiligen Kriegsherrn, ihre taktische Verwendung entsprach dem Einsatz der sonstigen Truppen.

soldat.jpg (41248 Byte)

Abgesehen von diesen Sonderbefähigungen blieb aber die taktische Verwendungsmöglichkeiten aller Infanteristen nun gleich, sie waren zur Einheitsinfanterie geworden. Der praktische Wert einer Truppe hing neben ihrer Ausrüstung und Führung vor allem von der Ausbildung ab. In allen Armeen waren die Richtlinien hierfür in den Dienstvorschriften (Reglements) niedergelegt. Darin wurde zunehmend die Notwendigkeit angesprochen, wie im deutschen Reglement von 1888, daß alle Übungen auf den Krieg berechnet sein müßten und daß nur Einfachheit Erfolg verspricht.

Für den Infanteristen besaß von jeher die Marschfähigkeit größte Bedeutung. Sie hing primär von seiner Belastung ab, die als Faustregel ein Drittel seines Körpergewichtes nicht übersteigen sollte. Der Soldat hatte auf dem Marsch in der Regel seine gesamte feldmäßige Ausrüstung zu tragen. In Deutschland waren es ab 1895 insgesamt 27,6kg, davon auf dem Körper getragen 5,8 kg, Gewehr und Munitionsausrüstung jeweils 4,7kg.

Die gesteigerten Waffenwirkungen und das rauchschwache Pulver zwangen überdies zur Einführung der Felduniformen in Tarnfarbe. Bei Kriegsausbruch 1914 zog nur Frankreichs Heer noch in seiner bunten Friedensuniform ins Feld, alle dort vorher erprobten Projekte waren nicht realisiert worden. Die entscheidende Rolle für die Kriegsbrauchbarkeit des Infanteristen erhielt nun seine Schießausbildung. Besonders in Deutschland trachtete man danach, den einzelnen zu einem sicheren, überlegten Schützen zu erziehen, für den in allen Fällen möglichst nur ein Präzisionsschuß infrage kommen durfte.

Die infanteristische Feuerwirkung wurde seit der Jahrhundertwende zunehmend durch Maschinengewehre verstärkt. Sie hatten sich mit ihrer Fähigkeit, sich dem jeweiligen Gelände anzupassen, zu einer Spezialwaffe entwickelt, die starke Beweglichkeit mit steter Feuerbereitschaft verband und damit der Führung die Möglichkeit bot, in kurzer Zeit überfallartige Feuerwirkung zu erzielen. Die Waffen steckten auf Schießgestellen, in Deutschland auf einem Schlitten, der beim Marsch auf eine Lafette gesetzt war. Schießen von dieser Lafette war zwar möglich, in der Regel wurde das Gewehr im Gelände aber »freigemacht«, also abgenommen gebraucht, und konnte dann mit dem Schlitten entweder getragen oder gezogen werden. Neben dem Gewehrführer gehörten zur Bedienung jeweils vier Mann; schießen konnte aber bereits ein einziger.

Die Kavallerie
Nur ein relativ kleiner Teil des Heeres bestand aus Kavallerie. Ihre eigentümliche Wirkung beruhte auf der Natur des Pferdes, däs wegen seiner Schnelligkeit, der Wucht seiner Masse, aber auch wegen seiner leicht erregbaren Natur zur Attacke besonders geeignet war. Die Kraftäußerung des Tieres wurde durch den Einsatz der blanken Waffen im Handgemenge verstärkt und gab damit der Kavallerie ihren offensiven Geist, der selbst im Zeitalter der Mehrladegewehre noch zu erkennen war. Zwar schienen Art und Weise des früheren Schlachteneinsatzes kaum mehr möglich, blieben aber in manchen Fällen nicht ganz ausgeschlossen. Nun lag die Hauptaufgabe der Reiterei in der Aufklärung, in schneller, rascher Feindumgehung und einer nachhaltigen Verfolgung. Kavalleristen wollten nicht nur vollendet reiten können, sondern auch bei Bedarf abgesessen im Feuergefecht Bedeutendes leisten.

Mittlerweile hatte die frühere starke Unterscheidung in schwere und leichte Reiterei an Bedeutung verloren: denn sie blieb ohne Einfluß auf die taktische Verwendung. Nur die Verschiedenheit des Pferde- und Mannschaftsersatzes sorgte noch für eine nominelle Trennung in schwere, mittlere und leichte Reiterei; die alten traditionellen Benennungen und Uniformbesonderheiten blieben meist erhalten. Zur schweren Reiterei zählten in Deutschland die preußischen Kürassiere, die sächsischen Gardereiter und Karabiniers und die bayerischen schweren Reiter.


Ulan mit Lanze                   

Als mittlere Reiter galten die Ulanen und als leichte Reiter die Dragoner und Husaren. Zur Bewaffnung der Kavallerie gehörte überall der Degen oder Säbel und nun als weitreichendes Feuergewehr der Karabiner, in Rußland das Dragonergewehr, für Offiziere, Unteroffiziere und Trompeter Pistole oder Revolver. Die Kürassiere trugen ihren traditionellen Brustküraß und einen längeren Reiterdegen (Pallasch). In Deutschland, Rußland und England diente der Küraß zuletzt nur noch Paradezwecken, im Felddienst wurde er lediglich in Frankreich weitergetragen. Eine besondere Rolle in der Reiterbewaffnung spielte die Lanze. Ursprünglich führten sie nur die Ulanen, denn ihr Gebrauch setzte kräftige Tiere und in der Führung von Pferd und Waffe geübte Leute voraus. Die Vorteile der Lanze waren die viel größere Reichweite, die relative Gefährlichkeit der Stichwunden und ihr moralischer Eindruck; nachteilig wirkte sich aus, daß sie im dichten Handgemenge hinderlich sein konnte. Sie war eine reine Angriffswaffe, und gegen sie gab es kaum wirksame Deckungen. Obwohl bei den meisten Armeen abgeschafft, führte Deutschland diese Waffe durch AKO (Allerhöchste Kabinettsorder) vom 2. Januar 1890 gleichzeitig mit dem neuen Kavalleriedegen 89 (Kürassiere behielten ihren Pallasch) und dem Karabiner 88 bei allen seinen Reitergattungen ein. Damit wurde die deutsche Reiterei nun einheitlich bewaffnet und ausgebildet.

Die Kriegsereignisse 1870/71 hatten gezeigt, daß nun auch Kavallerie ein leistungsfähiges Feuergewehr benötigte. Deshalb stattete Deutschland die Regimenter zunächst bis zur Fertigstellung des neuen Karabiners M71 interimistisch mit Chassepotkarabinern aus französischer Beute aus, wie es sich zum Teil schon in der Kriegswirklichkeit ergeben hatte. Die gesteigerte Bedeutung des Feuergefechtes führte dann dazu, daß die Kavalleristen aller Heere lange Schußwaffen (Karabiner oder Dragonergewehre) erhielten, die in ihrer Funktion den gleichzeitigen Infanteriewaffen entsprachen. Damit wurden zugleich die Grundprinzipien der infanteristischen Schießausbildung übernommen. Die bisherigen einschüssigen Pistolen verschwanden in Deutschland 1882 aus der Ausrüstung und wurden überall von Revolvern abgelöst. Ihnen folgten zuletzt moderne Selbstladepistolen.

Die Artillerie
Ein immer entscheidender werdender Bestandteil der Heere war nun die Artillerie. Sie unterteilte sich überall in die Feldartillerie und die Festungs- und Belagerungsartillerie. Die Hauptaufgabe der Feldartillerie bestand in der Unterstützung der Infanterie; ihre Gefechtstätigkeit durfte grundsätzlich nicht von dieser getrennt werden. 


  Schwere Feldkanone C 73 (8,8 cm)

Sie hatte Ziele zu bekämpfen, die der Infanterie am gefährlichsten waren und dabei ihre Waffenwirkung auf Entfernungen zu suchen, die außerhalb des infanteristischen Feuerbereichs lagen. Nach Auswertung der Erfahrungen im Kriege 1870/7 1 lief die Entwicklung in allen Militärstaaten zur Schaffung eines Feldgeschützes mit sehr gestreckter Geschoßflugbahn und eines wirksamen Schrapnellschusses gegen lebende Ziele. Die neuen Feldkanonen tendierten bereits, wenn auch noch mit zwei unterschiedlichen Kalibern, in Richtung auf ein Einheitsgeschütz.

Die Erfahrungen aus den Kämpfen von Plewna und die nachfolgende Ausrüstung der Infanterie mit tragbarem Schanzzeug führten dazu, daß auch im Feldkrieg die Bekämpfung von in Schützendeckungen und Gräben sitzenden Infanterie vorgesehen werden mußte. Die anfängliche Hoffnung, sich bei üblichen Feldkanonen mit besonderen Sprenggranaten behelfen zu können, erwies sich als trügerisch. Grund genug zur Einführung von leichten Feldhaubitzen, zuerst ab 1899 in Deutschland, das hieß Verzicht auf ein Einheitsgeschütz der Feldartillerie. Erst die neue Generation nach Einführung des rauchschwachen Pulvers, der Patronenmunition und vor allem des Rohrrücklaufs, der das Wiedereinrichten nach dem Schuß erübrigte, führte zu Schnellfeuergeschützen mit Schußzahlen bis zu 20 in einer Minute. Die nun möglichen Stahlschilde schützten die Bedienung; die gesteigerte Wirkung der Einzelschüsse und die verbesserten Richteinrichtungen, die das Feuern aus verdeckten Stellungen erleichterten, brachten den Wandel in der Artillerietaktik. Nicht mehr nur die Zahl der Rohre, sondern auch deren Schußleistung und erste Munitionsausstattung erlangten große Bedeutung.

Die neue deutsche Fußartillerie gliederte sich in Regimenter, Bataillone und Kompanien, aus denen die Leute zur Bedienung bestimmter Geschütze, die in Batterien zusammengefaßt waren, kommandiert wurden. Erst ab 1908 hießen diese Kompanien, wie schon bei der Feldartillerie, auch Batterien. Die immer dringendere Notwendigkeit zur Unterstützung der Feldtruppen beim Kampf um befestigte Stellungen zwang dazu, auch die Fußartillerie ab 1890 mit zunächst nur zugeteilten Bespannungen heranzuziehen. Daraus entstand in Deutschland bereits 1896 eine ständige Einrichtung; die »Schwere Artillerie des Feldheeres« als Teil der Fußartillerie. Sie war in eigenen Abteilungen entweder mit der schweren Feldhaubitze 15 cm oder mit dem 21-cm-Mörser ausgerüstet. Neben diesen beiden Stellfeuergeschützen waren noch weitreichende 10,5- und 15-cm, später 10- und 13-cm-Kanonen vorgesehen. Die anderen Militärmächte suchten diesem deutschen Beispiel zu folgen; auch bei ihnen wurden schwere Feldhaubitzen eingeführt. Die Hauptaufgabe der Fußartillerie blieb aber nach wie vor die Bedienung der in den Festungen und Belagerungsparks vorhandenen Geschützvielfalt.

Abgesehen von den zunächst noch vorhandenen Vorderladern waren nun alle Feldgeschütze Hinterlader. Die modernen Schnellfeuergeschütze brachten in der Bedienungsweise einen Wandel. Der höhere Munitionsbedarf zwang dazu, einen großen Vorrat am Geschütz zu haben. Noch im Kriege 1870/71 genügte es, für ein preußisches Feldgeschütz insgesamt 157 Schuß mitzuführen, nun waren 280 vorhanden, der allergrößte Teil davon Schrapnells.


Haubitzstellung                       

Aufstellung und Gefechtsformen

Die frühere Dominanz der geschlossenen Truppenaufstellung zur Waffenwirkung im Gefecht hatte sich zwar deutlich gemindert, doch behielt sie ihre Berechtigung zur Versammlung, für den Marsch und die Bereitschaft. Die Grundaufstellung in Linie diente im Gefecht zunächst nur noch gelegentlich zur Salvenabgabe, eignete sich aber nicht zur Bewegung. Dafür brauchte man die Kolonne, in der die Soldaten mehr tief als breit standen. Abmarschiert wurde indem aus der Linie ganze Abteilungen zur Zugkolonne abschwenkten oder sich die Züge in noch kleinere Abteilungen (Sektionen oder Gruppen) zerlegten und zur Gruppenkolonne hintereinander setzten. Beim Aufmarsch entstand in umgekehrter Weise wieder eine Linienformation. Das moderne Schützengefecht lief in aufgelöster Form ab. Immer mehr Schützen kamen dabei zum Einsatz, bis sich schließlich ganze Abteilungen für diese Kampfart auflösten. Die Schützen verblieben dann gruppenweise unter der Feuerleitung ihrer Gruppenführer und Offiziere.

Die dreigliedrige Grundaufstellung der Kompanie in Linie wurde in Deutschland noch bis zum neuen Reglement von 1888 beibehalten, wenn auch für das Gefecht schon über 40 Jahre die zweigliedrige üblich war. Dann aber stellte sich die Kompanie, wie überall, immer zweigliedrig auf. Dafür wurden die Leute der Größe nach zunächst in Gruppen (Sektionen) von 4 Rotten abgeteilt und aus diesen Gruppen drei Züge gebildet. Hatte ein Zug mehr als drei Gruppen, erfolgte eine weitere Unterteilung in Halbzüge. Zum Übergang der Linie in die Kolonne hatten sich zwei verschiedene Möglichkeiten herausgebildet. Deutsche, Russen und Schweizer gebrauchten die Gruppenkolonne mit Abschwenken der Gruppen (Sektionen) in die befohlene Richtung. Daraus ergaben sich Marschkolonnen mit Gliedern von vier Mann, wenn die Gruppen auf Gliederabstand aufrückten und in die entstehenden Lücken die Schließenden (Unteroffiziere, Schätzer, Spielleute und Sanitäter) traten.


      Kompanie in Zugkolonne

Ein Mittel zur Verkürzung der Kolonnenlängen war ihre Verbreiterung durch das Nebeneinandersetzen der in Gruppen- oder Doppelreihenkolonne stehenden Züge. So entstand ab 1906 die neue Art der deutschen Kompaniekolonne. Die ältere Form der Kompaniekolonne hieß nun in Deutschland Zugkolonne, doch behielten alle anderen Armeen die alte Benennung bei. Sie kam durch Einschwenken ganzer Züge zustande, ihre Frontbreite konnte auch nach Abbrechen in Halbzüge vermindert werden. Die Bewegungen in größeren Verbänden (Regiment und Brigade) sollten so geübt sein, daß ohne größere gegenseitige Störung der Einheiten das Gesamtverhältnis gewahrt und die Eigenarten des Geländes genutzt werden konnten. Dabei standen die Bataillone in der Regel in Tief- und Breitkolonne, ihre Verwendung geschah dann flügel- und treffenweise. 

In flügelweiser Aufstellung befanden sich die Bataillone eines Regiments hintereinander, in treffenweiser nebeneinander. Zum Eintritt in das Gefecht wurde aber die flügelweise Gliederung bevorzugt. Der moderne Infanteriekampf lief als Feuergefecht mehr oder weniger starker Schützenschwärme auf Entfernungen bis etwa 1000m ab; die geschlossene Aufstellung hatte sich bei gleichwertigen Gegnern schon überlebt. Unterschiede bestanden nur in der Durchführung eines Angriffs, der Verteidigung, des Kampfes um Feldstellungen oder auf freiem Felde. Nur allmählich sind die in dem Kriege 1870/71 gemachten Erfahrungen in die Vorschriften eingegangen.

Die deutsche Infanterie erhielt ab 1873 das neue Gewehr M71. Die Züge lösten sich sofort in Feuergruppen auf und blieben unter dem Einfluß ihrer Gruppen- und Zugführer. Für den Angriff war sprungweises Vorgehen vorgesehen, wie es sich bereits im Kriege von selbst herausgebildet hatte. Nur noch gelegentlich schossen deutsche Gefechtsformationen Salven auf Kommando, vorwiegend schon Schützenfeuer.

Die im Jahre 1887 erschienene deutsche Felddienstordnung und das neue Reglement für die Infanterie von 1888 bestimmten sowohl die Gefechtsgrundsätze als auch die Ausbildung im Wesentlichen bis zum Kriegsausbruch 1914. Ohne eine starre Form für die Gefechtsentwicklung festzusetzen, wurde der Schützenschwarm zur Hauptkampfform der Infanterie. Damit erhielt ihr Gefecht das Gepräge eines zähen nachhaltigen Ringens um Feuerüberlegenheit. Nur langsam schob sich die dem Gelände anschmiegende und die Deckung nutzende Schützenlinie vor, unausgesetzt ihre Verluste ergänzend, um auf nahe Entfernungen das höchste Maß an Feuerleistung zu entfalten und dann auf Sturmentfernung zum Bajonettangriff vorzugehen. Die hinter der Feuerlinie zurückgehaltenen Teile mußten oft notgedrungen ihre geschlossene Form aufgeben, denn ihre Aufgabe blieb, die Feuerlinie zu verstärken und als Rückhalt zu dienen. Erst dann sollte es zur Verdichtung der Schützenlinie kommen, wenn weiteres Vorgehen ohne Feuerunterstützung aussichtslos schien.

Näherte sich die Infanterie dem Feinde, mußte Gefechtsbereitschaft hergestellt werden. Dabei wurde zwischen Aufmarsch, Entfaltung und Entwicklung unterschieden. Der Aufmarsch war der Übergang aus einer langen Marschkolonne in eine breitere Front geschlossener Einheiten und diente zur Versammlung und Verkürzung. Bei der Entfaltung entstanden durch strahlenförmiges Zerlegen der Marschkolonne mehrere Kolonnen in breiter Front, zugleich ergaben sich die notwendige Tiefengliederung, und die Truppen verblieben solange wie möglich in der Marschformation.


Schützenlinie im Vorgehen             

Die Entwicklung entsprach der Gliederung der Truppe für den Kampf unter Bildung von Schützenlinien und konnte sowohl aus den Marschkolonnen der Entfaltung als auch bereits des Aufmarsches erfolgen. Der Angriff sollte im Vortragen des Feuers an den Feind geschehen; die taktische Einheit dafür war die Kompanie. Die Grundlage aller Bewegungen und des Schützenfeuers bildete der Zug, weshalb auch die zusammenhängende Bewegung der Schützenlinie einen wichtigen Punkt der Ausbildung bedeutete. Die Schützenlinie des Zuges wurde mit »Schwärmen!« aus der Gruppenkolonne auf die vorderste Gruppe als »Anschlußgruppe« gebildet. Dazu ging deren Gruppenführer mit zunächst verkürztem Schritt in die befohlene Richtung, die übrigen Gruppenführer eilten nach ihrem Verhältnis zur Anschlußgruppe rechts oder links auf die für sie bemessenen Plätze vor. Die Schützen folgten ihren Führern im Abstand von etwa 10 Schritt, die Leute des zweiten Gliedes setzten sich rechts neben ihre Vordermänner. Wenn nicht anders befohlen, betrug der Zwischenraum von zwei Schützen normal zwei Schritt. Die Linie bewegte sich in zwanglosem räumigen Schritt, im Ausnahmefall auf Befehl im schnellen Lauf. Im wirksamen Feuer des Gegners wurde sprungweise vorgegangen. Das geschah auch kompanieweise, in der Regel aber mit Zügen, bei starkem Feuer gruppenweise. Dieses Vorgehen erfordert viel Gewandtheit; die Nachbarabteilungen blieben liegen und schossen weiter. Auf das Kommando: »Sprung« beendeten die Schützen das Laden, sicherten die Waffe, schlossen die Patronentasche und machten sich fertig. Bei »Auf! Marsch-Marsch!« schnellten sie vor und stürzten bis zur befohlenen Linie oder bis zum Kommando: »Stellung« vorwärts, doch in der Regel nicht über 80 m. Wichtig war dabei ein gleichzeitiges Erheben, um dem Gegner keine Zeit zu lassen, sich darauf einzustellen. Nur eine in Stellung, also in Schützenlinie liegende Truppe durfte schießen. Wenn auch der Grundsatz, daß Schußfeld vor Deckung ging, für die Feuerwirkung wichtig war, sollte ein gutausgebildeter Soldat beides miteinander verbinden. Die infanteristische Feuerüberlegenheit mußte bereits auf Entfernungen zwischen 600 und 1000 m errungen werden. Die Wirksamkeit des Einzelschusses lag auch bei gutausgebildeten Schützen nicht über 400 m. So war dieses Feuern auf mittlere Entfernungen lediglich ein Streuschießen; der einzelne Schütze hatte bei gegebener Visiereinstellung mit befohlenem Haltepunkt zu schießen. Da er nicht allein, sondern zusammen mit anderen agierte, ergab sich eine Geschoßgarbe. Um die genügend dicht zu erhalten, mußten viele Schützen eng beisammen liegen; bei Artilleriebeschuß eine mißliche Sache, doch sah man sie als unvermeidlich an. Durch die Feuerverteilung sollten nach Möglichkeit alle Gegner gleichzeitig unter Beschuß kommen, weil sie sonst von den nur schwer erkennbaren Stellen aus unbehelligt zielen konnten. Automatisch sollten die Schützen ohne Rücksicht aufbessere Erkennbarkeit den gegenüberliegenden Feind aufs Korn nehmen. Um Irrtümer zu vermeiden, hatten die Gruppenführer vor allem notwendig werdende breitere oder schmälere Zielstreifen zu bezeichnen und dabei geringe Überschneidungen mit der Nachbargruppe vorzusehen. 


               MG - Stellung

Bei schlechter Sicht wurden Geländepunkte benannt, die in der Nähe des Zieles lagen. Wenn Feldartillerie oder Maschinengewehre bekämpft werden sollten, mußten gleichzeitig alle Teile beschossen werden. Blieb ein Angriff liegen, mußten bis zum Eintreffen von Verstärkungen die erreichten Linien gehalten werden, zu besserer Deckung gruben sich die Leute Schützenmulden; ein Mann schoß, der andere warf den mit dem Handspaten gewonnenen Boden vor sich als Gewehrauflage. Solche Mulden konnten sich später zu einer zusammenhängenden Deckung entwickeln. 

Wollte man aber von vorneherein den angreifenden Gegner auflaufen lassen sei es, um Zeit zu gewinnen, sei es, um durch Abwehr und nachfolgenden Gegenangriff eine Waffenentscheidung zu erreichen, war das Haupterfordernis eine Stellung, die freies, weites Schußfeld, Bewegungsfreiheit und sichere Flügelanlehnung bot. Je nach der noch gegebenen Zeit konnten solche Feldstellungen so verstärkt werden, daß auch weniger Truppen zur Besetzung genügten. Die Anlagen verfehlten aber ihren Zweck, wenn sie dem Feind das Erkennen erleichterten. Das bedingte möglichst getarnte, tief eingeschnittene Gräben sowie Masken zur Täuschung. Dafür war die Ausrüstung der Truppen mit Schanzzeug unerläßlich.

Als Verstärkungen zu kurzem Gebrauch genügten schon Schützengräben für knieende Schützen. Wenn irgend möglich sollten sie aber schon für stehende angelegt sein, die dann später noch weiter auszubauen waren. Zum Schutz gegen die Sprengwirkung der Granaten ließ man beim Ausheben Schulterwehren stehen oder baute sie später ein. Fehlten natürliche Deckungen, mußten mit der eigentlichen Stellung durch Verbindungsgräben verbunden, Deckungsgräben entstehen. In beiden ließen sich Eindeckungen einfügen. Die leichteren hießen Unterschlüpfe und schützten auch gegen Schrapnellkugeln, die widerstandsfähigeren Unterstände; sie gab es auch für Maschinengewehre und Feldgeschütze.

Die neuen Maschinengewehre setzte Deutschland erstmalig in Südwestafrika am Waterberg ein. Doch erst die Kämpfe in der Mandschurei brachten die Erfahrung mit dem Maschinengewehr als Waffe zwischen etwa gleichwertigen Gegnern. Dabei erwies es sich nicht nur für die Verteidigung, sondern auch beim Kampf um befestigte Feldstellungen als nützlich, weil seine Garben den Gegner zwangen, Deckung zu nehmen und auf das Abwehrfeuer zu verzichten. Die entscheidende Bedeutung lag darin, daß in der kritischen Phase des Anlaufs, wenn die eigene Artillerie wegen Gefährdung der Sturmtruppen nicht mehr weiterschießen durfte, die letzte, sonst sehr blutige Wegstrecke überwunden werden konnte. Ein solcher Feuerschutz war aber nur möglich, wenn die Maschinengewehre entweder aus überhöhter oder von flankierender Stelle wirkten. Diese Möglichkeiten auch für den Feldkrieg zu nutzen, blieb das ziemlich einheitliche Bestreben in den letzten Jahren vor dem Weltkrieg. Maschinengewehre durften natürlich nicht zusammen mit Infanterie vorgehen. Auch sah man, daß sie zur Bekämpfung gedeckter Schützenlinien nicht geeignet waren, dagegen sehr gut gegenüber nur kurzzeitig springender Schützenschwärme. Sie befähigten die Führung an bestimmten Punkten zur Entfaltung höchster infanteristischer Feuerkraft auf schmalem Raum. Dazu reichten Deckungen, die kaum einem Infanteriezug Schutz gewährten, für eine ganze Maschinengewehr-Abteilung aus. Weil sie obendrein schwer auszumachen waren, stellte ihre Bekämpfung wohl das größte Problem des damaligen Infanterieangriffs dar.

Die Kavallerie
Kavalleriebrigaden aus zwei Regimentern vermochten noch unter einheitlicher Leitung zu agieren und dienten daher als Glied der Kavallerie-Division im Sinne eines einheitlichen Gefechtskörpers. Sie konnten in Linie, in Doppelkolonne und Brigadekolonne aufgestellt sein. Maßstab für die Brauchbarkeit der verschiedenen Kolonnen auf dem Gefechtsfeld blieb aber stets ihre schnelle und einfache Entwicklung in die Linie. Die Division mit etwa 3000 bis 4000 Reitern stellte die oberste Grenze für den Verband unter einem Kommando dar. In allen Armeen, in zwei oder drei Brigaden gegliedert, bestand er aus 24 Schwadronen, zwei reitenden Batterien sowie kleinen Pionier- und Feldsignalabteilungen. Entweder waren Reiter nun gemischten Verbänden als Divisionskavallerie zugeteilt oder sie bildeten eigenständige Verbände als Heereskavallerie. Wenn auch jetzt noch das Gefecht zu Pferde vorwiegende Kampfesweise bleiben sollte, gab ihnen die Ausstattung mit modernen Schußwaffen, Maschinengewehren und Reitender Artillerie vielseitigere Möglichkeiten, selbständig aufzutreten.


Brigade- und Regimentskolonne

 Für weitere Aufgaben blieb die Vorbedingung der Sieg über die feindliche Kavallerie, der nur offensiv zu erringen war. Das Reitergefecht mit seinem schnellen Verlauf erforderte inniges Zusammenspiel von Führer und Truppe sowie Virtuosität in der Handhabung taktischer Formen. Die Raschheit des Ablaufs ließ keine genauen Anordnungen zu, oft mußte ein Zuruf genügen.

Auch die Kavallerie unterschied zwischen Entfaltung (Übergang aus der Marsch- in Zug-, Doppel- oder Regimentskolonne), Entwicklung (Setzen in Schwadronskolonnen) und Aufmarsch mit dem Übergang zur Linie. Diese war die einzige Gefechtsform geschlossen anreitender Kavallerie. Für die Art der Entwicklung blieb schnelles Erkennen der Stelle, wo der Zusammenstoß erfolgen mußte, maßgebend. Sie sollte so geschehen, daß der Gegner möglichst noch vor Vollendung seines Aufmarsches getroffen wurde. Dabei hieß der Grundsatz: Erst Direktion (Angriffsrichtung), dann Formation (Linienbildung). Als Norm galt, daß der Führer auf 400 m mit allen Evolutionen fertig sein müsse. Ein Kavallerieregiment brauchte, um aus einer Kolonne zu Vieren in die Zugkolonne überzugehen im Trabe 80 Sekunden, für den Übergang zur Schwadronskolonne noch einmal 70 Sekunden, daraus zur Linie wieder 20 Sekunden, insgesamt 170 Sekunden; im Galopp kam es mit 105 Sekunden aus.

Gegen Kavalleriefeind versprach die Attacke Aussicht auf Erfolg, wenn die in geschlossener Linie formierten Pferde noch Atem genug für das Handgemenge und die Verfolgung haben konnten. Das hing wiederum davon ab, ob der Gegner bereits formiert oder noch in der Entwicklung begriffen war. Gegen formierten Feind blieb man möglichst lange im Trab und ging erst kurz vor dem Zusammenstoß in einen kräftigen Galopp und schließlicher Karriere über; sonst kann es darauf an, selbst mit Galopp aus größerer Entfernung den günstigen Augenblick zu nutzen. Für den Reiterkampf war es ja typisch, daß er sich in wenigen Minuten vollzog und die günstigen Momente auch schnell vorübergingen. Um die Rennkraft der Pferde auszuschöpfen, mußte ein ungünstiges Gelände - ansteigende Hänge, sumpfige und tiefsandige Flächen oder Gräben - vermieden werden, was in der Regel rechtzeitige Erkundung voraussetzte.

Zur Attacke bildeten die Schwadronen stets, das Regiment meist die Linie; die Gliederung nach der Tiefe sollte die Flanken schützen, die Brigade schied schon Reserven aus. Während die Infanterie zuerst nur schwache Teile in das Gefecht brachte, mußte hier der Großteil geschlossen nebeneinanderstehen. Das Einschieben rückwärtiger Teile und damit die klassische treffenweise Verwendung war kaum brauchbar, sie half nur ausnahmsweise bei durchgebrochenem Gegner.  gesammelt werden. So standen die Unterstützungsschwadronen als Reste des früheren zweiten Treffens meist staffelförmig zur Flankensicherung und Flankenbedrohung. 


         Eskadronaufstellung

Den frontalen Zusammenstoß mit gefällten Lanzen und Degen in der Auslage entschied meist die Zahl und der geschickte Waffengebrauch. Die Teile, die auf keinen Gegner trafen, konnten einschwenken und einen Flügel zu umklammern suchen; auch ein Flankenangriff erzielte Wirkung. Nach der Attacke mußte als erste Maßnahme sofort wieder Attacken gegen Infanterie schienen nur dann noch als sinnvoll, wenn sie nach langem Feuergefecht schon physisch und psychisch verbraucht war oder überrascht werden konnte; gegen Artillerie, wenn sie sich wehrlos in Bewegung befand oder eine nicht angelehnte Flanke ihrer Aufstellung darbot. In diesem Falle durfte keineswegs geschlossen, sondern nur aufgelöst in einem Glied attackiert werden, weil dann weniger Verluste zu erwarten waren, doch sollte ein Zug geschlossen dahinterbleiben.

Die überall erfolgte Ausstattung der Reiter mit modernen Schußwaffen gab ihnen erweiterte Möglichkeiten im Feuergefecht. Sie halfen bei Aufklärungsaufgaben besetzte Engen zu öffnen, wichtige Punkte und Ortschaften zu sperren, sie bis zum Eintreffen der Infanterie zu halten, rückwärtige Bewegungen des Gegners aufzuhalten oder ihn zur Entwicklung größerer Kräfte zu zwingen, schließlich eigene Bewegungen zu verschleiern. Durch Vorwerfen ganzer Schwadronen, eventuell mit Maschinengewehren ließen sich auch Stützpunkte zur Entwicklung schaffen, gleichzeitig eigene Quartiere bzw. Geschützstellungen verteidigen.

Aufklärung bedeutete die wichtigste Aufgabe der Reiterei. Dabei wurde zwischen operativer Fernaufklärung durch die Heereskavallerie, taktischer Nahaufklärung und Gefechtsaufklärung unterschieden. Grundsätzlich waren die Führer dafür verantwortlich, daß die Fühlung mit dem Feind nicht verlorenging. War der Gegner gefunden, sollten sie die Breite seines Vormarsches ermitteln und für rechtzeitige Meldungen zur Sammelstelle sorgen, wo dann die Weiterleitung durch Draht, Lichtsignal, zuletzt auch durch Funk geschah. Dafür war es notwendig, die feindlichen Reiter aus dem Felde zu schlagen und womöglich Gefangene zu machen. Schon deren Zugehörigkeit konnte Aufschlüsse geben. Zum Ausspähen eigneten sich einzelne Reiter am besten, doch mußten ihnen Patrouillen Rückhalt gewähren.

Die Artillerie
Die kleinste Verwaltungseinheit der Feldartillerie war die Batterie, bei der Fußartillerie bis 1909 noch die Kompanie, die größere das Regiment. Als taktische Einheit galten Batterien und Abteilungen, bei der Fußartillerie Bataillone. Bei der Feldartillerie besaßen die Batterien in der Regel sechs, manchmal auch acht Geschütze. Sechs Rohre garantierten noch leichtere Beweglichkeit der taktischen Einheit. Während sechs alte Feldkanonen etwa 15 Schuß in der Minute abgaben, erreichten vier der modernen Schnellfeuergeschütze in gleicher Zeit 60 bis 80 Schuß. 

Die Regelaufstellung der Batterie war die Linie, zur Versammlung bis auf 4 m von Geschütz zu Geschütz geschlossen, in der Feuerstellung und während der Bewegungen auf dem Gefechtsfeld geöffnet. Dabei sollte der Geschützzwischenraum noch so weit sein, daß eine ganze Wendung mit Gespann möglich blieb, in der Praxis also zwischen 14 und 20m.


Batterie in Feuerstellung           

Die Batterien der Fußartillerie (Schwere Artillerie des Feldheeres) zählten zunächst auch sechs Geschütze, mit Einführung des Rohrrücklaufs genügten aber vier. Den schweren Feldhaubitzbatterien waren acht Munitionswagen und ein Beobachtungswagen zugeteilt; die Gefechtsbagage bildeten ein Vorratswagen, die Feldküche und die Ersatzpferde, zur Großen Bagage gehörten Packwagen, Lebensmittelwagen, Futterwagen und Feldschmiede. Die neuen schnellschießenden Geschütze erforderten auch eine viel größere Munitionsausstattung. Noch in den Schlachten gegen Frankreich 1870 waren (mit der Ausnahme von 130 Schuß am 18.August 1870 beim III. Armeekorps) maximal 88 Schuß je Geschütz verbraucht worden.

Die Aufgabe der Feldartillerie, in erster Linie die Infanterie unterstützen, d.h. ihren Angriff vorzubereiten und bis zuletzt zu begleiten, bedingte ein enges Zusammenwirken. Ihre Feuerwirkung hatte schon außerhalb der Gewehrschußweite einzusetzen, doch galt sie zunächst über 2400 m als nicht ergiebig. Nach den Kriegserfahrungen sollten frühzeitig viele Rohre zur Wirkung kommen und der Einsatz im Abteilungsverband die Regel sein. Jede Artilleriestellung war vorher zu erkunden und nach dem Grundsatz: »Erst Wirkung, dann Deckung« auszuwählen. Das Überschießen eigener Truppen mußte zunächst nach Möglichkeit vermieden werden, später galt es als unbedenklich. Allein schon die vermehrte Geschützzahl und ihr notwendiger Schutz durch Infanterie zwang dazu; die Entscheidung blieb aber der Erfahrung der Führer überlassen.

Zunächst bezog Feldartillerie in der Regel offene Feuerstellungen, wo die Geschütze schnell über Kimme und Korn gerichtet werden konnten, aber nicht gegen Sicht gedeckt waren. In dieser Aufstellung konnten die bei modernen Schnellfeuergeschützen angebrachten Schutzschilde sehr helfen.


   Gabelschießen zur Zielermittlung

Die Grundlagen des Schießens waren bei Feld- und Fußartillerie gleich, sie unterschieden sich nur durch umfangreichere einleitende Maßnahmen bei schweren Kalibern. Die Art des Zieles bestimmte die Geschoßart und das Schießverfahren. Die Vorbedingung des Erfolges bildete die sorgfältige, möglichst genaue Erkundung des Zieles nach Lage, Entfernung, Eigenart, Ausdehnung und Umgebung, die möglichst schon vor Feuerbeginn geschehen sollte. Während des Schießen kam es darauf an, die größtmögliche Wirkung in kurzer Zeit zu erreichen, nicht nur die Munition, sondern auch die Zeit war auszunutzen.

Zusammengesetzte Truppenverbände

Die Grundbausteine einer Armeeorganisation bildeten die Infanteriedivisionen. Sie bestanden meist aus zwei Infanteriebrigaden zu zwei Regimentern mit je drei Bataillonen, insgesamt also 12, zugeteilter Kavallerie von drei bis vier Schwadronen und bis zu 72 Feldgeschützen, also etwa 15.000 Mann. Die wichtigste Aufgabe der Reiter wurde nun ihre Verwendung als Heereskavallerie vor der Front oder den Flügeln der Armee. Um dabei Erfolg zu haben, war überlegene Kavalleriekraft notwendig. So entstanden als obere Grenze eines Verbandes, der noch unter gemeinsamer Leitung operieren konnte, Kavalleriedivisionen. Zu ihnen gehörten in der Regel zwei oder drei Kavalleriebrigaden mit insgesamt 24 Schwadronen, eine Abteilung von zwei Reitenden Batterien, zusätzlich eine kleine Nachrichtengruppe sowie eine Pionierabteilung für Zerstörungszwecke. Gelegentlich wurden ihnen Maschinengewehre und Radfahrer beigegeben. Sie zählten etwa 3600 Reiter.

Die Grundlage der Heeresorganisation in größeren Staaten bildeten die bereits im Frieden aus allen Waffengattungen zusammengesetzten Armeekorps. Ihre Kommandierenden Generale vertraten die militärische Kommandogewalt gleichzeitig gegenüber den zivilen Behörden. Neben dem Generalkommando mit den Vorsorgungseinrichtungen unterstanden ihnen meist zwei Infanteriedivisionen und alle nicht zum Divisionsverband gehörenden Sondertruppen. Der in Deutschland übliche Aufbau war in allen größeren Armeen in ähnlicher Form gegeben.

Die Befehls- und Verwaltungsverhältnisse für den Feldzug regelte die Kriegsgliederung des Armeekorps. Dann sollte auch die Truppeneinteilung und Zusammenstellung für vorübergehende taktische oder operative Zwecke unter möglichster Wahrung dieser Kriegsgliederung erfolgen. 

Erhielt das Friedensarmeekorps nun noch die nötigen Trains und Kolonnen samt aller Versorgungseinrichtungen, entstand damit der operativ größte natürliche Verband. Seine Gefechtsstärke war so bemessen, daß Entwicklung und Durchführung eines Gefechtes noch an einem Tag möglich blieb. Auf einer Vormarschstraße benötigte das Armeekorps von etwa 40.000 Mann etwa 30 km und brauchte dann 8 Stunden zum Aufmarsch. Die Gliederung in Divisionen wurde beibehalten, doch standen nach Ausscheiden eines Teils der Reiter zur Heereskavallerie, jeder nur wenige Schwadronen zur Verfügung. Unter ihren vier Feldartillerieabteilungen mit jeweils einer leichten Munitionskolonne war eine mit leichten Feldhaubitzen ausgestattet. Außerdem gehörten Pioniere, Sanitätskolonnen und ein Divisionsbrückentrain dazu. Die übrigen Sonderformationen unterstanden direkt dem Korpskommando wie hier das Fußartilleriebataillon mit vier Batterien schwerer Feldhaubitzen, einer Fernsprechabteilung, Fliegern, Luftschiffern und schweren Funkenstationen.

glieder.jpg (36248 Byte)

Unvergleichlich größeres Gewicht als zuvor gewann jetzt der Train mit seinen verschiedenen Kolonnen, die alles für den augenblicklichen Bedarf notwendige Versorgungsgut mitführten und den gesamten Materialabschub, auch Verwundete und Kranke, zurückzutransportieren hatten. Ein prinzipieller Unterschied bestand zwischen den Gefechtsstaffeln (Munitionskolonnen, Feldlazarette) und der Gefechtsbagage (Patronenwagen, Feldküchen und Sanitätsfahrzeuge) einerseits, der Großen Bagage (Lebensmittel-Futter-Pack-Vorratswagen und Feldschmieden) andererseits, die nicht unmittelbar nach Kampfeintritt, sondern erst danach im Biwak oder Quartier benötigt wurde. Hinzu traten dann noch die Kolonnen zur Ergänzung von Munition und Verpflegung, der Korpsbrückentrain, Verkehrsformationen und die großen Feldlazarette.

In Deutschland sollten sofort nach Mobilmachungsbeginn in jedem Armeekorpsbereich neben dem aktiven noch ein gleichstarkes Reservekorps aus Reservisten aufgestellt werden, aber ohne schwere Artillerie und Fliegerstaffel; außerdem ein Landwehrkorps ohne Spezialtruppen bis auf die Kolonnen. Die in die erste Linie gehörenden Armeekorps rückten dann mit 41.000 Mann, 14.000 Pferden und 2.400 Wagen und Geschützen aus, verladen auf 106 Eisenbahnzüge. Davon umfaßten allein die Kolonnen 5.000 Pferde und 1.200 Wagen. Zur besseren Führung waren Armeen zu bilden, die aus mehreren Armeekorps, zugeteilten Kavallerie- und Reservedivisionen bestanden.