Potsdam |
Potsdam Anfang des 19. JahrhundertsAnderthalb Jahrzehnte nach seinem Beginn erreichte der große Krieg in Europa schließlich auch Potsdam. Im Oktober 1806 drang die Garde Imperiale Napoleons in die Stadt ein. Am Abend des 24. Oktober 1806 stand Napoleon I. in der mit Fackeln beleuchteten Gruft der Potsdamer Garnisonkirche vor dem Sarg Friedrichs des Großen. Erst am 2. September waren die Potsdamer Garden über die Lange Brücke in die Schlacht marschiert, nun kehrten die Überlebenden als Gefangene der französischen Sieger in ihre Garnison zurück. Napoleon hatte das Stadtschloß zwei Tage als Quartier gedient. Er ließ sich durch die ehemaligen Wohnräume Friedrichs des Großen führen, der als Feldherr seine besondere Wertschätzung genoß, besuchte die Garnisonkirche und die Anlagen von Sanssouci. Der Kaiser verließ Potsdam bald wieder, neuen Feldzügen und neuen Eroberungen entgegen. Mit sich nahm er als Kriegsbeute den Schwarzen Adlerorden Friedrichs des Großen, den Interimsdegen und zahlreiche Kunstgegenstände aus den Potsdamer Schlössern. Doch die französische Armee hielt Potsdam weiterhin besetzt, zeitweilig mit bis zu 6 000 Mann. Damit begann unter dem Druck des Besatzungsregimes für die Einwohner eine harte und entbehrungsreiche Zeit. Da Potsdam Hauptkavalleriedepot der französischen Armee wurde, galt es nicht nur, die Besatzungstruppen täglich mit Brot und Wein, Fleisch und anderen Nahrungsmitteln zu versorgen; auch Tausende zum Teil in Kirchen untergestellte Pferde forderten ihre tägliche Ration an Futter. In den zwei Jahren französischer Besatzung verließen rund 2 500 Potsdamer ihre Heimatstadt. Viele waren durch die als Kontinentalsperre deklarierte Sperrung aller überseeischen Rohstoffzufuhren um Lohn und Brot gebracht worden.
Die Stadtkassen waren leer, mußte doch Potsdam bis Ende Januar 1808 für die Beherbergung der französischen Truppen 850 000 Taler aufbringen. Damit nicht genug. Der Magistrat wurde außerdem verpflichtet, seinen Anteil an den preußischen Kriegsschulden und den von Preußen allgemein zu leistenden Besatzungskosten zu übernehmen. Auch die Aufnahme eines größeren Kredits bei Hamburger Finanzkreisen erleichterte nicht die prekäre Lage der Stadt. Der Magistrat sah sich gezwungen, eine Insolvenzerklärung abzugeben. In langen zähen Verhandlungen mit der Kammer der Kurmark wurde immerhin ein Zahlungsaufschub erreicht. Die fällige Kontributionssumme war noch lange nicht abgetragen, als im Dezember 1808 die französischen Truppen Potsdam räumten und wenige Monate später Potsdamer Truppenverbände wieder in ihre Garnison einrückten. Wenigstens die Lage der Soldatenwitwen und -waisen verbesserte sich, konnten sie doch wieder mit staatlicher Unterstützung rechnen. Allmählich belebte sich die Tätigkeit einiger Potsdamer Manufakturen, so die der Gewehrfabrik als des damals bedeutendsten Unternehmens in Potsdam, das im Sommer 1812 wieder 210 Beschäftigte zählte. Erst nach der Völkerschlacht von Leipzig im Herbst 1813 war die Gefahr einer neuen Besetzung durch französische Truppen für Potsdam endgültig vorbei. An den Auswirkungen der Kriegs- und Okkupationszeit litt die Stadt indes noch lange. Seit 1814 hatten ihre Einwohner eine jährliche Zinsen- und Kriegssteuerlast von über 65 000 Talern zu tragen, die um so schwerer aufzubringen war, als das gewerbliche Leben nach Kriegsende nur schwer wieder in Gang kam. Ausnahmen bildeten die Gewehrfabrik und eine größere Tuchmanufaktur, denen Heeresaufträge einen festen Absatz sicherten. Die schweren Kriegsfolgen zeigten sich auch im Potsdamer Stadtbild. Die Stadt machte einen vernachlässigten und heruntergekommenen Eindruck. Viele Häuser im Zentrum waren, von ihren Besitzern aufgegeben, unbewohnt. Die 1795 einem Brand zum Opfer gefallene Nikolaikirche lag über fünfzehn Jahre nach Kriegsende immer noch in Trümmern. Der Wilhelmsplatz war ein einziger Morast, und auch der mit Wasser angefüllte Bassinplatz bot keinen erfreulichen Anblick. Erst nach und nach gewann Potsdam wieder ein freundliches Aussehen, nachdem unter der Leitung Peter Joseph Lennés umfangreiche Verschönerungsarbeiten eingeleitet und im Rahmen dieser Maßnahmen bedeutende Mengen von Sand als Füllgut für die morastigen Plätze im Zentrum der Stadt aufgeschüttet worden waren.
Nach der Konvention von Tauroggen am 30. Dezember 1812 hatten sie an den Feldzügen ihrer Kompanie teilzunehmen. Während ihre Landsleute nach dem Bündnis zwischen Rußland und Preußen am 18. Februar 1813 den russischen Bataillonen zugeteilt wurden, verblieben die Sänger auf Wunsch des Königs als »Geschenk« des Zaren in preußischen Diensten. 1815 füllte Alexander während seines Rückmarsches die durch »Kriegsblessuren« gelichteten Reihen des Chores wieder auf. Im Todesjahr des Zaren 1825 waren von den einst 62 Sängern nur noch 19 am Leben. Planung und Bau der Kolonie »Alexandrowka« verliefen nach den Regeln preußischer Akuratesse. Befehlsmäßig wurde laut Kabinettsorder »die Leitung der ganzen Ausführung des Planes« dem Kommandanten des Ersten Garde-Regiments zu Fuß, Oberst von Röder, übergeben. Zusammen mit dem Kommandeur der Garde-Pionier-Abteilung und Gartendirektor Lenné entwickelte man die Ideen für den Bau der befohlenen »Häuser ... nach der Art der Russischen Bauernhäuser« sowie für die Gestaltung der äußeren Umgebung, Anlage der Gärten, Schmuckpflanzungen und Alleen. Von vier Standortvorschlägen war bereits am 14. Januar 1826 die Entscheidung für den »vor dem Nauener Tor gelegenen« getroffen worden. Dort, wo die beiden nördlichen Ausfallstraßen gegeneinander laufen, formte Lenné aus der alten Spandauer Chaussee durch Hinzufügen eines Kreuzungsarmes das der Militärkolonie »Alexandrowka« zugrunde liegende Andreas-Kreuz aus. Nicht minder klug waren die Entwürfe Snethlages für die Bauwerke. Zum Bau der massiven Militärkirche kamen »die Bisse und auch die kirchlichen Geräte von St. Petersburg«. Imitationen hingegen wurden die Blockhausbauten, aus denen man die Gehöftanlagen für die 12 Kolonisten, die für den preußischen Aufseher der Kolonie, Feldwebel Riege, und für den Kirchen-Ältesten Tornofski zusammenfügte. Hinter ihren anmutigen, filigran verzierten Fassaden verbirgt sich eine solide Fachwerkkonstruktion. Am 2. April 1827 bezogen die Kolonisten und ihr Aufseher die repräsentativen Gehöfte, wo sie Haus, Hof und Ställe mit einem vollständigen Inventar ausgestattet vorfanden. Auch die sich den Höfen anschließenden großen Obst- und Gemüsegärten waren angelegt und bestellt. Sie erhielten laut Statut die Grundstücke »als nutzbares Eigenthum nebst dazugehörigem Zubehör und Inventar«. Heute leben in der Kolonie noch in männlicher Erbfolge Nachkommen zweier Kolonisten. Nach einer dreijährigen Bauzeit fand am 11. September 1829 die feierliche Einweihung der Kirche statt. Das architektonische Erscheinungsbild der mit fünf Zwiebeltürmen versehenen Kapelle und des in »bunter Manier« ausgeführten Wohnhauses des Kirchenältesten Tornofski auf dem Kapellenberg wurde von dem damaligen Geheimen Oberbaurat Karl Friedrich Schinkel maßgeblich beeinflußt.
Potsdams Stellung als Überregionales Verwaltungszentrum festigte sich, seitdem die neue Regierung der Kurmark und die Verlegung der Oberrechnungskammer nach Potsdam eine Entwicklung ein geleitet hatte, die hier bis 1836 zur Konzentration von 17 Verwaltungs-, Militär- und Justizbehörden führte. Diese sozialökonomische Struktur gab der Potsdamer Einwohnerschaft ein besonderes Gepräge. Ende der sechziger Jahre standen 28 % aller Potsdamer Erwerbspersonen in Militärdiensten. Eine herausragende Bedeutung hat für Potsdam nach 1815 das Schaffen großer Architekten, Bildhauer, Kunsthandwerker, Garten- und Landschaftsgestalter erlangt. Sie, namentlich Karl Friedrich Schinkel und Peter Joseph Lenné, trugen dazu bei, Potsdam mit seinen Schlössern und Gärten wie seinen städtischen Sakral- und Profanbauten zu einem Gesamtkunstwerk von nationaler Bedeutung zu erheben. Vor allem die Erfordernisse Potsdams als Garnison, Residenz und Verwaltungsmittelpunkt der Provinz Brandenburg und des Regierungsbezirkes Potsdam standen im Zentrum allen Baugeschehens. Die Erweiterung der Potsdamer Garnison, deren Angehörige 1841 bereits 6 700 Mann zählten, und der Übergang zur Kasernierung machten umfangreiche Neubauten von Truppenunterkünften und anderen militärischen Einrichtungen notwendig. Seit 1835 entstanden in schneller Folge eine Reihe meist vom historisierenden Burgenstil geprägte Militärbauten, die noch heute im Potsdamer Stadtbild unübersehbare Zeichen setzen. Auch die königliche Familie hat in dieser Zeit umfangreiche Bauaufträge vergeben. Zahlreiche fiskalische Neubauten, die Vollendung der das Stadtzentrum architektonisch beherrschenden Nikolaikirche, die Ausdehnung und Umgestaltung der Parkanlagen, die Verschönerung der öffentlichen Plätze und die Verlegung eines massiven Straßenpflasters in der Innenstadt gaben Potsdam schon bis 1848 ein repräsentatives Aussehen. Neue Villengebäude für adlige Pensionäre, höhere Offiziere und Beamte bildeten mit den neuen Kasernen und Magazingebäuden vornehmlich im Norden und Nordosten Potsdams architektonische Ensemble, in denen sich der Charakter der Stadt als Militär- und Beamtenstadt eindrucksvoll verkörperte. Zugleich dehnte sich Potsdam in mehrere Richtungen aus, in seinen fünf Vorstädten setzte eine intensive Bebauung ein.
Die Stadt wuchs nun über die endlich gefallenen Stadtmauern hinaus. Auch ihre Verkehrsverbindungen wurden in dieser Zeit ausgebaut. Der um die Jahrhundertwende befestigten Chaussee nach Berlin folgte der Neubau einer massiven, auf acht gußeisernen Bögen ruhenden Havelbrücke (Lange Brücke) im Jahre 1825, die die Verbindungen mit dein Teltow und der Zauche verbesserte. Eines der ersten in Deutschland gebauten Dampfschiffe verkehrte schon um 1820 zwischen Berlin und Potsdam als Fahrzeug der preußischen Post. Nach 1850 entstanden Chausseen nach Treuenbrietzen, Fahrland, Nauen, Eiche und Saarmund; die wichtigste Straße nach Berlin gewann durch den Neubau der massiven, aus Klinkern gebauten Glienicker Brücke, zwischen 1831 und 1834 nach einem Entwurf von Schinkel errichtet, eine neue Qualität. Mit der Eröffnung der Eisenbahnlinie zwischen den beiden preußischen Residenzstädten, als eine der ersten auf deutschem Boden überhaupt, wurde im Herbst 1838 die Grundlage für ein modernes Transportsystem von und nach Potsdam geschaffen. Bis 1846 überwog auf der neuen Strecke noch der Personenverkehr gegenüber dem Gütertransport. Schon im ersten Jahr ihres Bestehens fuhren mit der neuen Eisenbahn täglich über 2 000 Personen. Wenige Jahre später folgte die Weiterführung der Linie in westliche Richtung. Als die neue Gesamtstrecke zwischen Berlin und Magdeburg im August 1846 eröffnet werden konnte, hatte Potsdam endgültig Anschluß an das im Entstehen begriffene deutsche Eisenbahnnetz gefunden.
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Von der Weimarer Republik bis zum Ende des 2. WeltkriegesDurch die Novemberrevolution 1918 und die Abdankung des Kaisers verlor Potsdam seine Residenzfunktion. Im Verständnis der Stadtverwaltung wurde jedoch die offizielle Bezeichnung "Residenzstadt Potsdam" beibehalten. In dieser Zeit zeigen sich in Potsdam soziale Schwierigkeiten, ein besonderes Problem war die Wohnungsnot. Eine Abhilfe wurde durch neue Siedlungsbauten geschaffen. Der verlorene Krieg verschärfte die Not und das Elend. Der umfangreiche Besitz der Hohenzollern an Schlössern und Grundbesitz ging bis auf einige Wohnstätten (u. a. Schloß Cecilienhol) 1926 endgültig in Staatseigentum über. Das Stadtschloß am Alten Markt wurde zum Teil von der Stadt gemietet und diente bis 1945 als Sitz des Magistrats. Trotz der Verkleinerung des Heeres nach dem Versailler Vertrag blieb Potsdam Garnisonstadt (Infanterie-Regiment 9, Reiter-Regiment 4, Artillerie-Regiment 23). Die Auswirkungen des Krieges für die Einwohner der Stadt waren gravierend. Selbst die gewisse Wohlhabenheit der Potsdamer Beamtenschaft verlor sich in der Inflationszeit. Die Stadtverwaltung versuchte durch den Bau und die Vermietung von Siedlungen (Vorderkappe an der Leipziger Straße, Stadtheide 1919/21, im Bogen 1927 an der Zeppelinstraße, Meinstsiedlung 1928 und Stadtrandsiedlung an der Drewitzer Straße, Siedlung Waterland am Rande des Bornstedter Feldes 1923/27) der Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot entgegen zu wirken.
Als Ende 1921 die mächtige Ufa sich das Babelsberger Filmgelände einverleibte, hatte der erste Weltkrieg der Bioskop-Geseltschaft eine existenzbedrohende Schuldenlast eingebracht, die sich auch durch die im Frühjahr 1919 vollzogene Fusion der Firma mit der Decla Filmgesellschaft kaum verringerte. Die so entstandene Decla-Bioskop war wohl der ernsthafteste Konkurrent für die Ufa —doch hinter letzterer stand eine konzentrierte Macht, die letztlich das nötige Geld und den längeren Atem hatte. Durch die Ufa-Gründung war 1917 aus der einstigen Varieté - und Jahrmarktsattraktion Film die politische Institution Film geworden. Die Gründung der Universum Film AG hatte Erich von Ludendorff während des Krieges angeregt und sich dabei der Unterstützung jener versichert, die später die Weimarer Republik nur als ein irrtümliches Intermezzo zu verstehen bereit waren. Das Engagement der geldschweren Hintermänner richtete sich darauf, die Filmproduktion in Deutschland zu kontrollieren und zu lenken. In Potsdam wurde Filmgeschichte geschrieben. Seit Erich Pommer 1916 die Filmgesellschaft Decla gegründet hatte, war er als erfolgreicher Produzent, als schillernde Persönlichkeit bekannt, die neben dem branchenüblichen Geschäftssinn ein ausgeprägtes Kunstverständnis besaß. Pommer verbrachte seine produktivsten Jahre vornehmlich im Babelsberger Ufa-Studio, bis er 1933 emigrierte. Mit seiner Unterstützung entstanden in den zwanziger Jahren Filme, die zu den Klassikern des deutschen Stummfilms wurden: »Das Cabinet des Dr. Caligari« (R:Robert Wiene, 1920 noch bei der Decla produziert), »Die Nibelungen« (R: Fritz Lang, 1924), »Der letzte Mann« (R: Friedrich Wilhelm Murnau, 1924), »Faust« (R: E W. Murnau, 1926) und »Metropolis« (R: Fritz Lang, 1927). Pommer war auch einer derjenigen, die am Ende der zwanziger Jahre den Tonfilm als neue Herausforderung für die Filmkunst begriffen. Bereits 1929/30 produzierte er im gerade errichteten Ton-Atelier in Babelsberg, dem sogenannten Tonkreuz, einen Tonfilm-Klassiker: »Der blaue Engel« (R: Josef von Sternberg, mit Marlene Dietrich). Die Premiere von »Der blaue Engel« fand zu einer Zeit statt, in der sich die gesellschaftlichen Konflikte vehement zuspitzten. Die Ufa - seit 1927 dem Pressekonzern des nationalistisch gesinnten Alfred Hugenberg zugehörig - leistete mit der Mehrzahl ihrer Produktionen einen Beitrag zu dieser Eskalation. Die Ufa-Theater boykottierten pazifistische Streifen wie »Im Westen nichts Neues«; hingegen bemühten Ufa-Filme wie Gustav Ucickys »Das Flötenkonzert von Sanssouci« (1930) den Preußenmythos, um die Bereitschaft zur Wiederaufrüstung zu befördern.
Die Wahl fiel nicht zufällig auf dieses Datum. An jenem Märztag im Jahre 1871 hatte Wilhelm I. den ersten deutschen Reichstag eröffnet. Im Zuge der demagogischen Beschwörung deutschpreußischer Traditionen sollte deutlich die Abkehr von »Weimar« und die Kontinuität mit dem deutschen Kaiserreich beschworen werden. Der »Tag von Potsdam« war die durch den Reichspropagandaminister kulthaft in Szene gesetzte »Vermählung zwischen den Symbolen der alten Größe und der jungen Kraft«, zwischen Preußentum und Nationalsozialismus, wie Adolf Hitler den Staatsakt nannte. Der Tag begann in früher Morgenstunde um 6.30 Uhr mit einem Militärkonzert der beiden Kapellen des Infanterie-Regiments Nr. 9 im Lustgarten. Zu dieser Zeit strömten bereits Massen von Menschen in die Stadt. Die Straßenbahnen waren überfüllt. Die Beamten und Offiziere hatten dienstfrei, und für die Kinder fiel die Schule aus. Um 10.30 Uhr begannen die bei solchen Anlässen üblichen Festgottesdienste. In der evangelischen Nikolaikirche hörte Hindenburg die Predigt des Generalsuperintendenten Dr. Otto Dibelius. Beim katholischen Hochamt in der St. Peter und Paul-Kirche, das Domkapitular Prälat Dr. Bannasch zelebrierte, war Himmler zugegen. Hitler und Goebbels besuchten in dieser Zeit die Gräber der ermordeten Märtyrer der braunen Bewegung auf dem Luisenstädtischen Friedhof in Berlin. Unter dem Glockengeläut aller Potsdamer Kirchen begaben sich im Anschluß an die Gottesdienste die Abgeordneten mit Hitler und der Reichsregierung an der Spitze zur Garnisonkirche, wo auch Hindenburg nach einer Autofahrt von der Historischen Mühle durch den Park und die Stadt eintraf. Hindenburg schritt dann die an der Garnisonkirche aufmarschierten Ehrenkompanien des Infanterie-Regiments Nr. 9 sowie der SA, des Stahlhelms und der deutschnationalen Kampfstaffeln ab und begrüßte die Kriegsveteranen von 1866 und 1870/71. Alles, was Rang und Namen hatte, war zu diesem Fest geladen. Nur die SPD-Fraktion und die KPD-Abgeordneten, gegen die bereits Haftbefehle liefen, waren ausgeschlossen. In der Kirche wurde der Staatsakt mit dem Choral von Leuthen: »Nun danket alle Gott« eröffnet. Danach sprach Hindenburg zu seinem Volk. Hitler verkündete seinen »unerschütterlichen Willen, das große Reformwerk der Reorganisation des deutschen Volkes und des Reiches in Angriff zu nehmen und entschlossen durchzuführen«.
Ein neuer Krieg war programmiert. Durch die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht wuchs Potsdam als Garnisonstadt über seinen früheren Rahmen hinaus. Eine große Kriegsschule in Bornstedt, eine Heeresunteroffiziersschule in Eiche und die Reitschule in Krampnitz machten Potsdam erneut zur »Pflanzschule des Heeres«. Über 10 000 Mann zählte die Garnison schon 1938. Eingemeindungen großen Umfangs waren die Folge. Die Gemeinden Bornstedt, Bornim, Nedlitz und Eiche gehörten ab 1935 zu Potsdam, seit dem 1. April 1939 auch die größte Stadt des Kreises Teltow: Babelsberg. Im Jahre 1938 hatte der nationalsozialistische Gauleiter Stürtz die Zusammenlegung der Stadt Nowawes (seit 1924) mit der Gemeinde Neu-Babelsberg und die Übernahme des Namens »Babelsberg« verfügt. Drewitz, Bergholz-Rehbrücke, Wilhelmshorst, Geltow, Golm, Grube und Fahrlaud kamen 1939 ebenfalls hinzu. Das Stadtgebiet wuchs von 5 745 Hektar auf 16 227 Hektar, die Einwohnerzahl stieg von 78 982 auf 135 892 Personen. Potsdam war kurz vor dem Ausbruch des 2. Weltkrieges zur »Großstadt« geworden. Joseph Goebbels leitete im März 1933 die totale Kontrolle des Staates über das Filmwesen in die Wege und vollendete sie durch die Verstaatlichung der Filmindustrie 1937. Getreu der Goebbelsschen Auffassung von der unmerklichen Erziehung der Massen durch den Film produzierte die Ufa in anempfohlener Ignoranz der Wirklichkeit weiterhin Valium für das Volk. Die Produktion von ausgesprochenen Propagandafilmen blieb sorgsam dosiert. Mit der deutschen Niederlage im 2. Weltkrieg war der Untergang der mächtigsten deutschen Filmfirma besiegelt. Der 21. Juli 1944 und seine Vorbereitung trugen einen deutlichen Potsdamer Akzent. Eine große Zahl der damals Handelnden lebte und arbeitete in der Stadt, plante hier den Umsturz. Mancher Fluchtweg führte über Potsdam. Die Stadt bot außerdem ein sicheres Versteck. Als Garnisonstadt war Potsdam besonders mit dem militärischen Flügel der Bewegung des 20. Juli verbunden. Er besaß hier gewisse eigenständige Zentren in den militärischen Einheiten und Dienststellen der Stadt wie im Reichsarchiv auf dem Brauhausberg oder im Infanterie-Regiment Nr. 9, das wegen seines hohen Anteils an adligen Offizieren scherzhaft als »Graf Neun« bezeichnet wurde. Aus dem I. R. 9 ging eine Reihe von Offizieren hervor, die aktiv an der Aktion beteiligt waren, Hitler zu töten, die Macht zu übernehmen und den Krieg zu beenden. Man weiß von 20 »Neunern« — Angehörige und Ehemalige — unter den Verschwörern des 20. Juli: Kein anderes Wehrmachtsregiment hat damit mehr Hitlergegner hervorgebracht als das I. R. 9.
Er wurde zum entschiedenen Gegner des NS-Staates und forderte ab 1938/39 den völligen Umsturz. Ab Anfang 1944 bildete er den Mittelpunkt eines kleinen verschworenen Kreises von Offizieren im Ersatzbataillon 9, in der Stammkaserne des I. R. 9 in der Potsdamer Priesterstraße (heute Henning-von-Tresekow-Straße). Weiterhin gehörten zu den verschworenen Offizieren des I. R. 9: Oberstleutnant Hasso von Boehmer, Major Axel Freiherr von dem Bussche-Streithorst, Hauptmann Dr. Hans Fritzsche, Oberleutnant Helmuth von Gottberg, Oberleutnant Ludwig Freiherr von Hammerstein, Oberstleutnant d. R. Carl-Hans Graf von Hardenberg-Neuhardenberg, Generalleutnant Paul von Hase, Leutnant Ewald Heinrich von Kleist, Oberst Hans Otfried von Linstow, Hauptmann Friedrich Karl Klausing, Major d. R. Ferdinand Freiherr von Lünick, Major d. R. Herbert Meyer, Leutnant Georg-Sigismund von Oppen, Feldwebel d. R. und OA Prof. Hermann Priebe, Oberst Alexis Freiherr von Roenne, Oberstleutnant Gerd von Tresckow, Oberstleutnant i. G. Hans-Alexander von Voß und Hauptmann d. R. Achim Freiherr von Willisen. Diese 20 Offiziere — darunter viele Reservisten und nur kurzzeitig Dienende — belegen angesichts von 1.000 das I. R. 9 durchlaufenden Offizieren einschließlich der Reservisten und Tochterregimenter bei aller Unterschiedlichkeit ihres Widerstandes vor allem die Besonderheit ihres Handelns. Der Weg der 20 »Neuner« in den Widerstand, von denen viele 1933 durchaus noch keine Gegner des Nationalsozialismus waren, verlief so verschieden, wie es die Motive und die Erfahrungen dieser Männer waren. Es muß zwar offen bleiben, inwieweit preußische Einflüsse und Traditionen den schwerwiegenden Schritt in den Widerstand erleichterten. »Am 20. Juli 1944 hat der soldatische "Geist von Potsdam" noch kurz vor Toresschluß Hitlers "Tag von Potsdam" widerlegt.« Die ersten Bomben fielen im Juni des Jahres 1940 auf die Stadt. In der Endphase des Krieges war sie das Ziel eines schweren Luftangriffs der Royal Air Force. In den späten Abendstunden des 14. April 1945 warfen 490 Flugzeuge 1 750 Tonnen Spreng- und Brandbomben auf die markierte Innenstadt ab. Der geschichtliche Zufall will es: auf den Tag 200 Jahre nach der Grundsteinlegung des Schlosses Sanssouci und 100 Jahre nach der Grundsteinlegung der Friedenskirche.
Die Zahl der Toten dieser Zeit kann nur geschätzt werden, zeitgenössischen Angaben zufolge waren es um die 3.000. Im Juli 1945 stand Potsdam erneut im Mittelpunkt der Weltöffentlichkeit: Im Schloß Cecilienhof fand vom 17. Juli bis 2. August 1945 die Potsdamer Konferenz der Siegermächte der Antihitlerkoalition statt. Truman, Churchill und Stalin verabschiedeten das Potsdamer Abkommen und beschloßen damit die europäische Nachkriegsordnung und das weitere Schicksal Deutschlands. Potsdam wurde Hauptstadt (bis 1952) des neu gegründeten Landes Brandenburg.
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