Potsdam

 

 

Die Landschaft

Die Oberflächenformen der Landschaft um Potsdam wurden im Eiszeitalter, dem Pleistozän, gebildet. Sie gehören damit neben den nördlich bis zur Ostseeküste anschließenden Gebieten des Tieflandes zu den erdgeschichtlich jüngsten Bildungen Mitteleuropas. Obwohl Hügelketten und sanft ansteigende Berge das Haveltal begleiten, gibt es keinen "gewachsenem Fels". Solche Bildungen kommen - von den Rüdersdorfer Kalkbergen und dem Salz-Gipsstock bei Sperenberg abgesehen - erst weiter südlich vor.

Während des jüngsten Abschnitts der Erdneuzeit (Quartär) gingen die Inlandeisgletscher von Norden her viele Male über das Land hinweg. Im Pleistozän, das weltweit durch große Schwankungen des Klimas gekennzeichnet war, gab es Kaltzeiten (Glazialzeiten), in denen das Eis mehr oder weniger weit nach Süden vordrang. Sie wurden von Warmzeiten (Interglazialzeiten) unterbrochen. Im mitteleuropäischen Tiefland unterscheidet man heute drei große Vereisungen (Elster-, Saale- und Weichsel-Eiszeit). Für die Bildung der Potsdamer Landschaft ist die Endphase des gesamten Eiszeitalters bedeutsam, nämlich das Brandenburger Stadium der Weichsel-Vereisung. Dabei erreichten die Gletscher im Potsdamer Raum eine äußerste Randlage. Sie verlief südlich von Brandenburg über Cammer, Kanin und Ferch nach Beelitz und weiter in Richtung Luckenwalde.

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Während des allmählichen Rückzuges des Eises nach Norden gab es mehrere längere Stillstandslagen des Gletscherrandes im Potsdamer Gebiet. Jede dieser Stillstandslagen ist mit der Ausbildung einer sogenannten "glazialen Serie" verbunden, die in Richtung auf das eisfreie Gebiet hin aus ebener und kuppiger Grundmoräne, Endmoräne, Sander und Urstromtal besteht, das die Abflußbahn des abschmelzenden Eises stellt. Die Potsdamer Landschaft hat Anteil an den Formengemeinschaften mehrerer Eisrandlagen, die sich ineinandergeschachtelt von Süd nach Nord anordnen. 

Als Teil des Potsdam-Brandenburger Havelgebietes, eines wechselnd breiten von kleinen Grundmoräneninseln durchsetzten Niederungsgürtels mit einer mittleren Höhe von 30 bis 35 m, besitzt vielfältige Landschaftsformen einschließlich kleiner flächen und Endmoränenzüge (Brauhausberg, Ravensberge, Saarmunder Berge). Südlich des Potsdamer Havelgebietes liegen sandige Grundmoränen um Caputh, Michendorf und Wilhelmshorst, Endmoränen (Wietkiekenberg bei Ferch 126 m), weite Sanderschüttungen (Lehniner Land, Beelitzer Heide) und schließlich das Baruther Urstromtal, durchgehender Niederungsstreifen die Gebiete der Weichsel-Vereisung von denen des geologisch älteren Flämings getrennt. Nördlich und östlich schließen die weithin geschlossenen ebenen Grundmoränenlandschaften der Nauener Platte und des Teltow an.

Zur Ur- und Frühgeschichte des Havellandes

Seit dem Jungpaläolithikum (ca. 12000—8000 v. C.) bewohnten nur einzelne nomadisierende Jäger- und Sammlergruppen sporadisch die Talsandinseln, Seenufer und die Flußtäler des Potsdamer Raumes. Der Boden war durchsetzt mit Sümpfen und Tümpeln, zahlreiche eiszeitliche Seenketten (Jungfern-, Templiner-, Schwielow- oder Tiefer See), FlußinseIn und -ablagerungen der Havel und Nuthe sollten einmal die Anlage der künftigen Stadt beeinflussen. Über die ersten Bewohner ist bisher wenig bekannt. Die ältesten Fundplätze ("Kaninchenberg" Rehbrücke, Schlaatz, Drewitz und im Altstadtgebiet) sind in die mittlere Steinzeit (um 8.000— 3.000 v. C.) einzuordnen.

Erst die weitere Entwicklung in der Bronzezeit (ca. 1.800— 800 v. C.), so die Durchsetzung von Bodenbau und Viehzucht, förderte das beginnende Seßhaftwerden der Menschen und schuf allmählich soziale Differenzierungen. Bronzeschatzfunde gibt es in Bornim (1957 beim Bau der Kläranlage Potsdam-Nord entdeckt), in Krampnitz oder in Fahrland. Das Havelland und auch die Potsdamer Umgebung erwiesen sich jetzt als eine durchaus "fundreiche" Landschaft, aus der die Entdeckung der "Römerschanze" ("Räuberschanze", "Königswall") herausragt. Der mächtige Rundwall (ehemalige Holz-Erde-Befestigung) war in der jüngsten Bronzezeit Burgmittelpunkt des Havellandes und ist bis heute eine der größten derartigen Anlagen in Norddeutschland (1909/11 gelang hier Prof. Dr. Schuchhardt, Berlin, der erstmalige Nachweis eines altgermanischen Holzhauses).

Die Bronzezeit ist im engeren Stadtgebiet weiter dokumentiert durch die Funde in der Pirschheide, die Entdeckung einer Siedlung im Gebiet der Walter-Junker-Straße und durch das 1903 in der Berliner Vorstadt gefundene "Fürstengrab. Einen interessanten Einblick in die kultischen Vorstellungen gewährt der bekannte "Kultwagen von Eiche-Golm", 1934 beim Graben auf dem "Ehrenpfortenberg" fand. Der Bodenfund (um 1.000—700 v. C.) weist auf die engen Beziehungen des Potsdamer Raumes zur Lausitzer Kultur.


Kultwagen                    

Spätestens bis um 200 v. C. hatten sich die hier lebenden ethnischen Einheiten zu Stämmen und Stammesverbänden formiert, die in der Folgezeit als Germanen in das Licht der Geschichte traten. Während der römischen Kaiserzeit (0 — 350 n. C.) war das Territorium Siedlungsgebiet der Semnonen. Schon 1768 wurde beim Bau des Neuen Palais wurde ein germanischer Urnenfriedhof entdeckt. Das bisher größte entdeckte germanische Urnenfeld bei Kemnitz (bei Werder dem 2. Jahrhundert n. C. erlaubt mit seinen reichen Grabbeigaben wertvolle Einblicke in die Kultur- und Lebensweise der Menschen dieser Zeit. Der Raum des Potsdamer Havelüberganges wurde wahrscheinlich nur zeitweilig von einzelnen Gruppen besiedelt und innerhalb der Völkerwanderung schon um 500 n. C. verlassen, während seit dem 6./7. Jahrhundert slawische Stammesgruppen über den 0der-Spree-Raum einwanderten.

Bis zur Mitte des 9. Jahrhunderts entwickelte sich Brandenburg zum Hauptort des entstehenden Slawengaues Stodor (Heveldun) und zu einem bedeutenden politisch-ökonomischen und kulturellen Zentrum der slawischen Stämme östlich der Elbe. Das Ergebnis bisheriger Stadtkernforschung und die uns bekannten slawischen Fundplätze (Große Fischer-/Holzmarktstraße, Tornow, Planitz-Insel) ordnen den Beginn slawischer Besiedlung frühestens in das Ende des 6. Jahrhunderts ein.


    slawische Burgreste

Im Zuge feststellbarer Siedlungskontinuität entstand im 7./8. Jahrhundert auf einer Talsandinsel in der Havel gegenüber der Nuthemündung (Standort der späteren Heiligengeistkirche) eine altslawische Niederungsburg. Dieser Sitz eines slawischen Stammesadligen entwickelte sich bald zu einem wichtigen Burgbezirksmittelpunkt mit einer offenen Vorburgsiedlung, der durch seine günstige Lage im Havel-Nuthe-Dreieck die Wasserwege zwischen Havelland, Teltow und Zauche kontrollierte.

Die slawische Burg wurde damit zu einer der drei Keimzellen der späteren Stadt Potsdam.

Potsdam im Mittelalter

Im Verlauf der deutschen Ostexpansion unterwarf König Heinrich I. in den Jahren 928/929 die an den Ostgrenzen des Reiches lebenden slawischen Spree-Havel-Stämme. 928 fiel die Brandenburg (Brendanburg 948), der Hauptort der Heveller. Zur weiteren Erschließung des eroberten Landes begründete König Otto I. 948 die Bistümer Brandenburg und Havelberg. Zum Sprengel der Diözese Brandenburg gehörten auch das Havelland, die Zauche und Teile des Teltow.

Noch einmal konnten sich auch die Heveller im Verlaufe des mächtigen Aufstandes der Elbslawen unter Führung des Lusitzenbundes (die "Grimmigen") im Jahre 983 für rund 150 Jahre von den deutschen Herrschaft befreien. In der Folgezeit versuchten die 0ttonen, in mehreren Feldzügen (985—997), die Gebiete östlich der Elbe wieder zu erobern. Dabei gerieten die slawischen Spree-Havel-Stämme im Osten auch unter den zunehmenden Druck des polnischen Piastenstaates, dessen zeitweilige Einflußsphäre bis nach Köpenick (997 reichte und der 991 einen Einfall über das Potsdamer Gebietes bis nach Brandenburg unternahm.

Vor diesem politischen Hintergrund ist die bekannte ottonische Schenkungsurkunde vom 3. Juli 993 zu sehen, in der Potsdam und Geltow erstmals in der geschichtlich überliefert sind. Die Merseburger Kaiserurkunde ist heute nach jahrhundertelangem Streit seit Gundling (1724) als erste sichere Identifizierung Potsdams anzusehen. 

Im 10. Jahr seiner Regierung schenkte der erst 13jährige Kaiser Otto III. (980—1002), "auf Veranlassung und Wunsch unserer geliebten Großmutter Adelheid, der großmächtigen Kaiserin, sowie auf Bitte unserer Getreuen... unserer lieben Tante Mathilde, der ehrenwerten Äbtissin der Quedlinburger Kirche" die Orte "Poztupimi" (Potsdam) und "Geliti" (Geltow) in der Provinz "Hevellon" auf der Insel "Chotiemvizles" mit allen Gerechtsamen. In der Urkunde ist ausdrücklich die einflußreiche Großmutter des minderjährigen Kaisers, die zweite Gemahlin und Witwe Ottos I., Adelheid, genannt, die nach dem Tode der Kaiserinmutter Theophano (991) die Vormundschaftsregierung führte. 


         Schenkungsurkunde                

Mathilde, zweite Äbtissin des Jungfrauenklosters zu Quedlinburg, war Adelheids und Ottos 1. Tochter. Die Schenkung ist in die Maßnahmen des deutschen Reiches einzuordnen, gemäß der ottonischen Reichskirchenpolitik auch im grenznahen slawischen Hevellergau die polnischen expansiven Bestrebungen zurückzudrängen bei gleichzeitigem Rechtsanspruch auf dieses Gebiet. Angesichts der Ohnmacht der "Bischöfe ohne Land" blieb es allerdings bei dieser Demonstration. In den Jahren 1911 und 1921 wurden, begünstigt durch extremes Niedrigwasser der Havel, Ausgrabungen an der Heiligengeistkirche (1726/34, 1945 stört) vorgenommen, um den 993 erwähnten slawischen Burgwall zu finden. Die gewonnenen Ergebnisse ließen bald erkennen, daß tatsächlich auf einer ehemaligen kleinen Havelinsel, inzwischen längst mit dem Festland verbunden, die gesuchte slawische Anlage (Durchmesser etwa 80 m), eine der Keimzellen des späteren Potsdam, liegt. Vergleiche mit den Ausgrabungen von Lossow bei Frankfurt (Oder) und Oppeln erleichterten die Einordnung und Bestimmung der reichen Funde in das 10./11, Jahrhundert. Nach diesen ersten Erkenntnissen war die Anlage von etwa 800 bis um die Mitte des 12. Jahrhunderts bewohnt.

Über 300 Jahre vergingen seit der ottonischen Urkunde, bis der Name Potsdam wieder erschien. Mit dem Askanier Albrecht dem Bären (um 1100—1170), Zeitgenosse Kaiser Friedrich Barbarossas, begann die entscheidende Phase der deutschen Ostexpansion in das Potsdamer Gebiet. Albrecht, seit 1134 Markgraf der Nordmark, unterwarf die Prignitz, das Spree- und Havelland (die Zauche bereits 1127/30) endgültig der deutschen Herrschaft. Seinem politischen Programm kam entgegen, daß im Elbe-Odergebiet die einflußreichen Wendenfürsten durch eine enge Anlehnung an den deutschen Adel die eigene Herrschaft zu stabilisieren versuchten.


      A Altstadt     B Kiez

Mit dem letzten Hevellerfürsten Pribislaw-Heinrich kam es um 1140 zu einer Vereinbarung, die dem Markgrafen nach dem Tode des Fürsten die Herrschaft im Hevellergebiet sicherte (1157 endgültige Inbesitznahme Brandenburgs). Der Askanier vereinigte die Alt- und Mittelmark, weitete seinen territorialen Machtbereich durch Eroberungen und eine geschickte Erbschaftspolitik vor allem bis an die Grenzen des polnischen Staates und den meißnisch-sächsischen Einflußbereich aus und legte durch inneren Landesausbau entscheidende Grundlagen für eine eigene Territorialherrschaft (1157 Markgraf von Brandenburg). Das brandenburgische Landesfürstentum entwickelte sich in der Folgezeit zum wichtigsten Staatsgebilde im norddeutschen Raum (1356 Kurfürstentum).

In der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts wurden zum Schutz des brandenburgischen Grenzlandes auch gegen den sächsischen Teltow eine Reihe von Burgwarden an der Havel-Nuthe-Linie angelegt (Spandau, Potsdam, "Neue Burg" bei Drewitz, Saarmund, Beuthen, Trebbin). Direkt am Havelufer, in der Nähe der heutigen Langen Brücke, wurde wahrscheinlich um 1160 eine einfache Holz-Erde-Befestigung errichtet, die um 1220 zu einer Burg mit Ringmauerwerk und Vierecksturm erweitert wurde (Sitz eines markgräflichen Gefolgsmanmes). Nach vorliegenden Erkenntnissen entstand um diese Zeit im Schutze der Anlage eine Burgsiedlung (1317 oppidum) mit Kern um den Alten Markt. Die wenigen Kolonisten kamen wahrscheinlich aus den askanischen Stammlanden und der Altmark.

Nicht zuletzt die naturräumlichen Bedingungen ließen ein regelmäßiges, halbkreisförmiges Stadtbild, weit abweichend vom üblichen regelmäßigen Grundriß deutscher Kolonistenstädte des 12./14. Jahrhunderts, entstehen (begrenzt durch Schloßstraße/Neuer Markt/Platz der Einheit/Am Kanal/Französische Straße). Einfache, mit Stroh oder Schilf gedeckte Häuser in aufgelockerter Bebauung mit dazwischenliegenden Gärten und Ackerflächen, so bot sich der Anblick dar. Sümpfe, kleinere Wasserläufe, einige Gräben und Erdwälle und erst später "Tore" waren der einzige Schutz des "Städtchens".

Am Anfang des 14. Jahrhunderts entstand westlich an einer Havelbucht als Dienstsiedlung der Kiez (1349 Kytz, erst 1722 eingemeindet)‚ während östlich des Fleckens sich die "Burgfischerei" (1375 erstmalig erwähnt) entwickelte. Der slawische Burgwall auf der Havelinsel war nur noch kurze Zeit bewohnt und wurde dann mehrfach überbaut (u. a. Speicher, Windmühle, Weinkeller). Damit hatten sich bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts die wichtigsten mittelalterlichen Keimzellen Potsdams voll herausgebildet.

Mit dem Wegfall der Grenzlage sank nach wenigen Jahrzehnten die ohnehin geringe Bedeutung des Platzes, den spärlich entwickeltes Handwerk und Handel sowie ein fast völlig Mangel an Ackerfläche bis in das 17. Jahrhundert zu den kleinsten märkischen Städten stempelten. "Bostam" (1314 wurde auf den Landtagen durch die "Sprache" Neustadt Brandenburg vertreten (1345 Stadtrecht, 1404 "Radmanne und Borgere", 1449 "Burgermeistere"). Rat und Urteil holt man sich beim Schöffenstuhl zu Brandenburg, die unterste Gerichtsbarkeit nahm ein Stadtschulzengericht wahr.

Die erste exakte Bestandsaufnahme, das historische Landbuch Kaiser Karls IV. aus dem Jahre 1375, zählte zur Burg außer Stadt, Kiez und Potsdamer Heide nur noch das Dorf Kammerode. Die Fischerei war ältestes Gewerk; erste Handwerkergilden waren die Wollenweber und Gewandschneider 1409 und 1468 die Schuhmacher. Eine erste Feldsteinkirche ("Marienkirche") entstand wohl im 13. Jahrhundert am Standort der heutigen Nikolaikirche.

Nach den Askaniern (1134—1320), den Wittelsbachern (1320-1373), Luxemburgern (1373—1411) und den Wirren der "Raubritterzeit" begann mit dem feierlichen Einzug des Burggrafen Friedrich VI. von Nürnberg und der Huldigung der Landesständischen Versammlung in Brandenburg 1412 die über 500 Jahre andauernde Herrschaft der Hohenzollern in der Mark. Auch Potsdam huldigte dem 1411 von König Sigismund ernannten neuen Statthalter der Mark am 29. September 1412. Spärlich erhaltene Quellen berichten von zahlreichen Übergriffen der Amtshauptleute, die gegenüber dem schwache Stadtregiment nach Belieben schalteten und walteten. 


Prager Groschen    

Unter dem Amt (seit 1426 bezeugt) sank Potsdam auf die Stufe einer völlig abhängigen Mediatsstadt herab. Anders als die mächtigen märkischen Hansestädte Berlin, Brandenburg, Frankfurt (Oder) — ja, selbst Jüterbog, Wittstock, Pritzwalk oder Kyritz —‚ deren Fernhandelsbeziehungen bis nach Mittel-, Süd- und Norddeutschland und zum Teil in den Ostseeraum reichten, dürfen wir in Potsdam nur ein bescheidenes wirtschaftliches Lehen annehmen. Die Produktion für den Eigenverbrauch bzw. zur städtischen Versorgung war typisch, Fernhandel nicht nachweisbar. Der Ort gehörte zur "Sprache" Brandenburg (an 7. Stelle hinter Spandau, Treuenbrietzen, Nauen, Rathenow und Beelitz) und wurde von der Mutterstadt auf allen Städte- und Landtagen vertreten. Einen eigenen Abgeordneten hat die Zollstätte (1370 erwähnt) nie entsandt: Zum Landfrieden der mittelmärkischen Städte 1393 wurden ein gewappneter Fußsoldat und ein Armbrustschütze, im 16. Jahrhundert dann 12 Mann und ein zweispänniger Rüstwagen gestellt. Matthäus Merian erwähnt 1652 Potsdam ("Potstamb, Potstain, Potzsten") in seiner "Beschreibung der vornehmsten und bekanntisten Stätte und Plätz" Brandenburgs nur mit wenigen Sätzen.

Viele Bürger betrieben etwas Ackerbau und Viehzucht, ihre schmalen Ackerstücke und Gärten lagen meist innerhalb der Stadt. Es existierte gemeinsames Wald- und Wiesenland, man hielt sogar einen Rind- und Schweinehirten ("Schweiner") und einen "Stadtbullen"; Imkerei und Holzwirtschaft, Wind- und Wassermühlen (,‚Hakenmühle" 1349), ein "Salzhaus" und eine "Baderei" sind bezeugt. Die  Hauptgewerke dürften seit dem 15. Jahrhundert die Fleischer (Knochenhauer erst Ende des 16. Jahrhunderts nachweisbar), Kürschner, Schneider und Tuchmacher ("Viergewerke") gewesen sein. Bezeugt als ältestes Statut der differenzierten Handwerksstruktur ist das der Wollenweber und Gewandschneider (1409). Der älteste von der Stadt erteilte Innungsbrief ist der der Schuhmacher (1468); weiter folgen das Statut der Schneider (1536), Tischler (1537), der Leineweber (1559), der Innungsbrief der Weißbäcker (1559), das Innungsprivileg der Grobschmiede (1566) u. a. Ein eigentliches Stadtpatriziat hat sich nicht herausgebildet. Dennoch sind innerstädtische Auseinandersetzungen zwischen dem Stadtregiment (Tuchmacherinnung) und der Bürgerschaft sowie den Zünften aus dem 15. Jahrhundert überliefert (Wahl von Bürgervertretern "Viere von der gemeinen").


   Brand. Thaler

Marktzölle waren eine wichtige Einnahmequelle des Amts. Die Zollrolle von 1540 erwähnt sieben jährliche Märkte. Es gab "Abendmärkte", Hunde- und Ziegenmärkte sowie zwei "rechte" Jahrmärkte (am 24. Juni und am 21. Oktober). Die städtische und zünftlerische Schutzpolitik unterband jede Konkurrenz des platten Landes und unterwarf innerhalb der städtischen Bannmeile fremde Gewerbeausübung rigorosen Beschränkungen. Überliefert seit dem 16. Jahrhundert ist auch die Existenz von Weinbergen in und um Potsdam. Potsdamer Landwein soll sogar via Hamburg bis nach England exportiert worden sein oder gelangte zur Essigfabrikation nach Zossen.

Der Kiez

Der Potsdamer Kiez an der Neustädter Havelbucht ist einer der Siedlungskeime, aus denen die Stadt entstand. Kiez (auch Kietz) ist in der Mark Brandenburg die Bezeichnung für mittelalterliche Siedlungen, vor allem im Havel- und Odergebiet, außerhalb des eigentlichen Stadtgebietes. Ihre ursprünglichen Bewohner waren vielfach Slawen, die sich überwiegend vom Fischfang ernährten. Aus dem Jahre 1349 stammt die älteste uns bekannte Urkunde, in der der "Kytz zu Potstamp" erwähnt wird.

Auch diese kleine Siedlung lag außerhalb des Potsdamer Stadtgebietes, das zur damaligen Zeit in der Gegend des Neuen Marktes ein Ende hatte. Die Kiezbucht, mit altem Namen "der Giesel", reichte bis in die Gegend der heutigen Straßenkreuzung Charlotten- und Lindenstraße. Vom Gebiet des heutigen Rechenzentrums durch die Dortustraße zog sich ein breiter Sumpfstreifen, der die Siedlung nach dieser Seite abgrenzte. Der freie Zugang zum Wasser war sicher einer der Gründe für die Ansiedlung der slawischen Fischer, die im Abhängigkeitsverhältnis zum deutschen Feudalherrn standen. Das Erbregister des Amtes Potsdam aus dem Jahre 1589 enthält folgende Festlegungen: "Der Kietz vor Pottstamb... gehörtt Churf. G. mit ober- und untergerichten zu wasser und lande, auch mit zinsen und dinst...".

Der Schulze und die übrigen 21 aufgezählten "Cossaten" mußten für den Kurfürsten u. a. "mit brieffen vier meil weges lauffen, und zu wasser soweitt fharen, und im schlosse die gemecher reinigen, und was der dinste mehr sein, müssen sie alle thun".

1722, die Stadt hatte sich flächenmäßig vergrößert, wurde der Kiez eingemeindet und gehörte nun zur "Neustadt". Die Fischerhäuser, einst mit Rohr oder Stroh gedeckt, erhielten nun einen gradlinigen Straßenverlauf, ein zweites Geschoß und Ziegeldächer. Alle Häuser mußten wie auch die übrigen der Stadt Soldaten des Königs beherbergen. Hinter den Häusern (zur Wasserseite) entstand ein Bollwerk zum "Schutz gegen Schmuggel und gegen Deserteure", der "Wall am Kiez", der seinen Anfang an der "Stadtmauer" hinter dem Neustädter Tor hat Nach 1800 eingeebnet, traten an seine Stelle promenadenartige Wege. Ihr überliefertes bauliches Gesicht erhielt die Kiezstraße in den siebziger und achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts. 


Kietzstraße              

Eines der schönsten Barockhäuser in Potsdam ist das Haus Kiezstraße 5, erbaut 1780 vom Baumeister Georg Christian Unger. 1753 entstand am Ende der Breiten Straße in unmittelbarer Nähe des Eingangs zum Kiez das Neustädter Tor. Nach einer "Idee und Zeichnung von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff erhielt es zwei 0belisken "42 Fuß hoch". Zu den bekanntesten Bewohnern des Kiezes gehörten die Baumeister Büring und Gontard, die einst im nicht erhaltenen Hause Kiezstraße 23 wohnten. Der englische Bombenangriff auf Potsdam am 14. April 1945 schlug auch dem Stadtgebiet Kiez schwere Wunden.

Die Landstadt Potsdam

Es gab in der Mark Brandenburg kaum eine andere Stadt, die öfter ihren Besitzer gewechselt hat, als Potsdam. Obwohl markgräfliche Stadt ist sie durch mehrere Jahrhunderte hindurch als "Pfandbesitz" nicht weniger als 17mal von einer Hand in die andere gegangen. Der Landesherr sicherte sich dadurch erhebliche Einkünfte.

Die erste bekannte Verpfändung datiert aus dem Jahre 1323. Herzog Rudolph von Sachsen, in Wittenberg residierend, verpfändete "die Insel und Stadt Potsdam, von der Havel daselbst bis zur Fähre bei Nedlitz mit den Dörfern Bornstedt, Golm, Grube, Bornim ... mit allen Einkünften, sowohl in der Stadt und in den genannten Dörfern" an das Domstift zu Brandenburg. Wie lange diese Herrschaft gedauert hat, ist nicht überliefert.

Botho und Friedrich von Torgau, die "Herren von Zossen", werden 1349 als Eigentümer bestimmter Rechte in Potsdam erwähnt, und 1373 war es Heinrich von der Gröben aus Beuthen, der im Besitz von Potsdam war. Im Jahre 1382 überließ Sigismund, ein Sohn Kaiser Karls IV., Potsdam "mit dem Kietze, dem Zoll und allem Zubehör" dem Kloster Lehnin.


Kloster Lehnin

Wichard von Rochow, der zu den bedeutendsten Adelsgeschlechtern der Mark und zu den Parteigängern der Gans und Quitzows gehörte, war Pfandbesitzer Potsdams zu der Zeit, als der Burggraf Friedrich VI. von Nürnberg Statthalter der Mark wurde. Mit diesem ersten Kurfürsten aus dem Hause Hohenzollern begann eine neue Etappe der Entwicklung des brandenburgischen Staates. Gewaltsam erzwang er als Kurfürst Friedrich I. (1415—1440) die unentgeltliche Herausgabe der Stadt Potsdam von Wichard von Rochow. Am 21. Februar 1416 huldigte Potsdam seinem neuen "Herrn". Aber bereits am 19. Juni 1426 verpfändete dieser die Stadt an die Gebrüder von Lattorf für "400 Schock guter Böhmischer Groschen".

Nur die "Wildbahn" behielt sich der Kurfürst für Jagdzwecke vor. Otto von Bardeleben war der nächste Pfandbesitzer Potsdams, der 1429 "Schloß, Städtlein und Amt" erhielt. Am 27. Dezember 1438 ging die Stadt an Meinecke von Rohr für 1721 Rheinische Gulden, "gut an Golde und schwer genug an Gewicht", die dieser dem späteren Kurfürsten Friedrich II. (1440—1470) "vorgestreckt" hatte. 1440 erfolgte schon die nächste Verpfändung an Claus von der Gröben, 1448 an Georg von Waldenfels, 1456 an Achim von Haacke, und 1463 war schließlich Bischof Dietrich von Brandenburg Pfandinhaber.

Die Burg Potsdam war seit der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts Sitz eines Amtes. Diese Einrichtung sollte der Verbesserung der kurfürstlichen Macht dienen. Der erste Potsdamer Amtmann" hieß Sigismund Weyher. Der Kurfürstliche Rat Caspar von Köckeritz zeichnete sich dadurch aus, daß er sowohl Amtmann wie auch Pfandinhaber Potsdams war. Dietrich von Haacke hatte dem brandenburgischen Kurfürsten Johann Sigismund (1608—1619) so große finanzielle Vorschüsse geleistet, daß ihm 1611 Schloß und Amt Potsdam als "Unterpfand" überlassen wurden.

Die erste urkundliche Erwähnung einer "Brücke", welche die Verbindung zwischen dem Gebiet der Zauche und dem Teltow einerseits und der "Insel Potsdam" andererseits herstellte, geht zurück auf das 14. Jahrhundert. Ein eindeutiger Nachweis über die Existenz des Havelüberganges an dieser Stelle stammt aus dem Jahre 1416. Kurfürst Friedrich I. gestattete die Erbauung einer Brücke "über die Havel in der Richtung nach dem Teltow" zum Nutzen der Stadt, der er das Brückengeld als Einnahme zuwies. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts haben die Bürger Potsdams an ihrer Langen Brücke offensichtlich wenig Freude gehabt, denn zu den Lasten der Erhaltung kamen noch die Querelen mit den Adeligen, die sich weigerten, Brückengeld zu entrichten. Im Dreißigjährigen Krieg marschierten dann die Truppen der krieg-führenden Parteien mehrfach über die Lange Brücke, um schließlich die Stadt zu verwüsten.

Erst 1660, der Dreißigjährige Krieg hatte die Stadt schwer verwüstet, setzte sich Kurfürst Friedrich Wilhelm (1640— 1688) mit den Erben derer von Haacke auseinander und erwarb den Pfandbesitz zurück. Seitdem blieben dann "Schloß, Stadt und Amt" Potsdam im Besitz der brandenburgischen Kurfürsten.

Nach dem Wiederaufbau der nach der großen Feuersbrunst 1536 eingeäscherten Stadt vernichtete der 30jährige Krieg alle wirtschaftlichen Ansätze, Hungersnöte und Seuchen (Pestzeit 1611 bis 1631) rafften hinweg, was übrigblieb. Die Einwohnerzahl des "zuletzt jammervoll verkümmerten Stadtwesens" sank von 1300 auf rund 700 Menschen; 1660 (79 Häuser, 119 lagen wüst), um erst gegen 1713 die alte Höhe wieder zu erreichen.


30jähriger Krieg          

Die Mark war von 1626 an fast ununterbrochen Kriegsschauplatz einer barbarischen Kriegsführung der wilden Soldateska aller Herren Länder. Das Land wurde wüst und leer. Die Bevölkerung ging um fast die Hälfte, ja stellenweise bis zu 75 Prozent zurück. Auch für die Potsdamer war es oft schwer zu unterscheiden, ob die eigenen oder die feindlichen Truppen schlimmer hausten. Wie andere kleinere Landstädte diente die Stadt oft als erster Zufluchtsort der Landbevölkerung der Insel Potsdam, um das nackte Leben zu retten (so 1635 den Golmern).

Anders als das immerhin befestigte Schloß mit Ringmauer, Burggraben und Ecktürmen, das unter der Amtshauptmannschaft Wolf Dietrich v. Haackes (1606-1650) zum sicheren Aufenthalt des Landadels wurde, blieb die nur dürftig bewehrte Stadt mit einer "Landwehr" im Norden, dem Kiez und Grüntor, Stadtwall und Graben, in die 1626 einige brandenburgische Soldaten als Bedeckung gelegt worden waren, ihrem Schicksal überlassen. Eine Inventur der städtischen Rüstkammer am 27. Mai 1633 ergab die "stattliche" Anzahl von 20 Harnischen und Piken, 19 Musketen, 12 Feuerrohren, 14 Hellebarden und Federspießen. Viel Staat war damit nicht zu machen.

Die offensichtliche Bedeutungslosigkeit des Städtchens und die "gesicherte, weltvergessene Lage des Potsdamer Werders", insbesondere die sumpfigen Flächen und Wiesen und die Havel um die Altstadt-Sandscholle, boten dagegen leidlichen Schutz, doch schon der Kiez lag plündernden Marodeuren offen dar. Nachdem schon einmal im Dezember 1625 umherstreifende Aufklärer bis in die Gegend um Trebbin gekommen waren, rückte die kaiserliche Armee unter Albrecht Wenzel Eusebius v. Waldstein, gen. Wallenstein, 1627 in die Mark Brandenburg ein und bezog hier Winterquartier. Potsdam mußte bis 1629 monatlich 450 Taler Unterhalt aufbringen.

In den kommenden Jahren durchzogen oft kleinere Soldatentrupps plündernd das Potsdamer Gebiet. 1626 waren es Dänen und mehrfach Fußvolk der Truppen Ernst v. Mansfelds. Kaiserliche Soldaten plünderten Neuendorf, Bornstedt, Bornim und Golm, andere wurden am 24. April 1626 durch Kiezer Fischer vertrieben (ein Soldat wurde erschossen, zwei gefangengenommen). "Dies dürfte wohl die einzige Waffentat wehrhafter Potsdamer Bürgermiliz sein, von welcher die Geschichte meldet..."

Begleiter der wilden Zeit waren seit 1623 Mißernten, Teuerungen, Viehseuchen und furchtbare Hungersnöte wie 1630. Oft fehlte es an Saatgut, Vieh und am Nötigsten zum Bestellen der Felder, die immer mehr verkümmerten. Seuchen wie Typhus oder die Pest, der "schwarze Tod", grassierten. So wurden im Schreckensjahr 1631 nur 18 Kinder geboren, während 471 Menschen starben, darunter 308 an der Pest (,‚Potsdamer Sterben").

1631, während der Belagerung Magdeburgs, demonstrierte in Potsdam vor den Toren Berlins König Gustav II. Adolf von Schweden mit 16000 Soldaten seine militärische Stärke, um die Bündnisbereitschaft des schwankenden Brandenburger Kurfürsten zu erzwingen. 


     Lagerleben

Auch die Schweden (Feldlager auf dem Brauhausberg vor der Stadt vom 8. bis 13. Mai 1631), die einige Häuser des Kiezes niederbrannten, "fouragierten wie die Feinde". Sachsen (1633), wieder Schweden (bis 1635), Marodeure (1638) u. a. Soldatenhaufen waren bis 1640 ungebetene "Gäste" des "Städekens". Als der "Westfälische Frieden" 1648 den Schlußstrich zog, gab es auch in Potsdam eine Bilanz des Schreckens. Die Stadt lag zum großen Teil wüst, mehr als die Hälfte der Einwohner waren tot oder geflüchtet, nur rund 700 lebten noch. Die Menschen waren apathisch, sogar Wölfe drangen in die Stadt ein. Nedlitz und Stolpe waren völlig wüst, andere Dörfer der "Insel Potsdam" teilwüst und entvölkert. Hunger und Elend sowie wirtschaftliche Zerrüttung kennzeichneten das Bild.

 

 
 
Der Ausbau zur Residenzstadt

Die wenig entwickelten, durch den Krieg schwer in Mitleidenschaft gezogenen märkischen Städte spielten im allgemeinen eine untergeordnete Rolle. Geplündert von Freund und Feind im Kriege, durch die Willkür der fürstlichen Beamten zu einem ohnmächtigen Amtsflecken hinabgesunken, durch Steuerabgaben schwer belastet — so stellte sich die Lage Potsdams dar.

Der Kurfürst, im Bemühen, Ordnung und Übersicht im zerrütteten Land im Interesse seiner absolutistischen Herrschaft zu schaffen, betrieb daher auch seit 1646 den Rückerwerb Potsdams aus dem Pfandbesitz des Feudalherren Hacke. An den hohen Forderungen (14 000 Thaler) zerschlug sich zunächst diese Absicht, über diesen Streitereien zerfielen Schloß und Amt in der Zwischenzeit mehr und mehr. Erst 1660 erhielt der Kurfürst gegen eine wahrscheinlich geringere Vergleichssumme das "Pfand" zurück. Motiviert und beeindruckt durch die landschaftliche Schönheit und deren Wildreichtum, ließ er 1660 die Wiederherstellung des Schlosses in Angriff nehmen, die 1670 zu einem ersten Abschluß geführt wurde; seit 1671 wurde für längere Zeit "Hof" in Potsdam gehalten.

Beeinflußt von Holland wollte Kurfürst Friedrich Wilhelm aus dem Potsdamer Gebiet einen großen "Frucht- und Ziergarten" machen (Vorbild für Obst-, Gemüse- und Weinbau im ganzen Land), angereichert mit Werken der Baukunst. Zwischen 1660 und 1664 wurden daher die sich im Besitz adliger Familien befindlichen Dörfer Bornim, Bornstedt, Geltow, Golm, Grube, Drewitz und Glienicke vom Kurfürsten angekauft und zur "Herrschaft Potsdam" vereinigt. "Lustschlösser" mit Gartenanlagen entstanden in Bornim (1664), Caputh (1673) und Glienicke (1680).

Mittelpunkt seiner bevorzugten Residenz aber wurde das Stadtschloß in Potsdam. Die frühesten Kupferstiche von Potsdam zeigen einen Schloßbau mit Gartenanlagen im holländischen Stil. Offensichtlich war schon nach kurzer Zeit erkennbar, daß der Bau für die Hofhaltung nicht ausreichte, denn eine Erweiterung erfolgte im Zeitraum 1679 bis 1682. Im Zusammenhang damit entstand 1685 das "Pomeranzen Haus" (Orangerie), im 18. Jahrhundert zum Marstall umgebaut. Der  Schloßkomplex hatte im Zentrum der Stadt damit eine beherrschende Stellung erreicht.


           Stadtschloß um 1660

Nach dem inneren Ausbau der Residenzstadt war eine Erweiterung vorgesehen. Für die niedergerissenen 39 Häuser und Bürgerstellen am Markt entstanden auf der "Kurfürstlichen Freiheit" (heute: Breite-Straße, Henning-von-Tresckow- Straße, Werner-Seelenbinder-Straße) 21 Bürgerhäuser. Der holländische Planteur Langelaer legte 1668 Alleen in Potsdam an, eine verlief im Zuge der heutigen Breite Straße/ Feuerbachstraße. 

Die "Insel Potsdam" erhielt bessere Zugänge. So erfolgte eine Erneuerung der Langen Brücke 1662 bis 1664, 1674 entstand eine Brücke bei Baumgartenbrück, 1682 die Brücke bei Nedlitz, um 1683 eine bei Glienicke. Als Kurfürst Friedrich Wilhelm im Potsdamer Stadtschloß am 29. April 1688 starb, waren die wüsten Bürgerstellen zum Teil wieder besetzt, einige neue Häuser waren entstanden, vor allem war durch das Hinausrücken des Stadtgrabens Platz für eine Stadterweiterung geschaffen, welche die spätere städtebauliche Entwicklung beeinflussen sollte. Die Anlage der Allee nach dem "Pannenberg" zeichnete die zukünftige Vereinigung mit dem Siedlungsgebiet "Kiez" bereits ab. Anstelle der frühdeutschen Burg war ein beeindruckender Schloßbau entstanden, an den sich das "Städtchen" als unscheinbares Beiwerk anlehnte. Potsdam war neben der Hauptstadt und Hauptresidenz Berlin damit Ende des 17. Jahrhunderts im Zuge des weiteren Ausbaus des  brandenburgisch-preußischen Staates zu einem politischen Machtzentrum in wesentlichen Zügen herangewachsen.

Die eigenartige Infrastruktur der Residenz-, Soldaten und Beamtenstadt belegt die fast völlige wirtschaftliche Abhängigkeit von Hof und Armee, wesentliche soziale Wurzel des "Geistes von Potsdam". Die ehemalige Kleinstadt mit überkommenem, gering entwickeltem Handwerk und Handel bildete im 19. Jahrhundert ein differenziertes Dienstleistungsgewerbe aus.

Die städtebauliche Entwicklung ihrer Residenz haben die Hohenzollern mit unterschiedlicher Intensität gefördert. Abschnitten großer Aktivitäten (1664 bis 1682, 1721 bis 1742, 1744 bis 1770, 1820 bis 1860) standen Perioden des Verfalls und der Stagnation gegenüber. Die erhaltenen Baudenkmale des historischen Altstadtensembles, die großartigen Schlösser- und Gärtenkomplexe sowie Zeugnisse landschaftsgestaltenden Einflusses zeichnen bis heute charakteristische Züge Potsdams. Hochbegabte und bedeutende europäische und deutsche Baumeister, Handwerker und Gartengestalter schufen bleibende Leistungen der Weltkultur. Im "Versailles des Nordens" wirkten und weilten berühmte Wissenschaftler, Künstler, Philosophen und andere Persönlichkeiten.

1662 gelangte das ehemalige Jagdschloß Caputh in den Besitz von Philippe de Chiéze (gestorben 1673). De Chiéze, Baumeister des kurfürstlichen Stadtschlosses Potsdam, erneuerte den in Dreißigjährigen Krieg zerstörten Vorgängerbau. Er baute ein zweigeschossiges Wohnhaus. Nach seinem Tode ließ Kurfürst Friedrich Wilhelm es für seine Frau Dorothea erweitern und umgestalten. Es erhielt pavillonartige Seitenflügel, eine einheitliche Fassade und an der Gartenseite einen Mittelrisalit und Freitreppe. 


Schloß Caputh                 

Ein Festsaal und ein Porzellankabinett wurden eingerichtet. Vollendet wurden diese Arbeiten nach 1689 unter Kurfürst Friedrich III. für dessen zweite Frau. Doch da die Kurfürstin das neue Schloß Lietzenburg bevorzugte, verlor das Schlößchen an Bedeutung.

Erst 1678 erwarb Kurfürst Friedrich Wilhelm das Gebiet zwischen Griebnitzsee und Havel. Der Bau des Schlosses Klein Glienicke begann um 1682. Baumeister war wahrscheinlich Charles Philippe Dieussart (gestorben 1696). Ein Garten und vier Teiche wurden angelegt, und ein Wassergraben umgab das Schloß. Auch Weinberge und ein großer Baumgarten mit 5000 Bäumen gehörten zur Anlage. Unter Friedrich Wilhelm I. verfielen auch hier Garten und Weinberge. Das Schloß wurde 1715 zum Lazarett "und im Jahre 1758 vom König dem Potsdamschen Juden Joel zu einer Tapetenmanufaktur erb und eigenthümlich geschenkt".

Die Edikte von 1661, 1667 und 1679 hatten die Einwanderung von Niederländern gefördert. 1671 gewährte der Kurfürst gegen einen Schutzzoll (,‚Schutzjuden") ersten jüdischen Familien wieder Aufnahme in seinen Landen. 1683 wurde im Golmer Luch für Schweizer Kalvinisten das Kolonistendorf Nattwerder (heute Ortsteil von Grube) angelegt. Von ursprünglich 17 angeworbenen Familien kamen schließlich 1685 nur vier an (,‚Vierhäuser"), 1713 zog der "Soldatenkönig" wieder Katholiken ins Land.  Nach der Aufhebung des Ediktes von Nantes (1598) durch Ludwig XIV. von Frankreich im Oktober 1685, das bisher den Hugenotten freie Ausübung ihres reformierten Glaubens und Schutz garantiert hatte, ergoß sich ein riesiger Flüchtlingsstrom in alle Länder Europas. In Konkurrenz zu anderen protestantischen Staaten erließ Friedrich Wilhelm von Brandenburg am 8. November 1685 das bedeutungsvolle "Edikt von Potsdam" (im Stadtschloß). Durch das Edikt kamen etwa 20000 Refugiés nach Brandenburg-Preußen. Die kurfürstlichen Kommissare v. Diest, Romswinkel, v. Gericke, Merian und Lely wurden beauftragt, die Flüchtlinge zu empfangen, auszustatten und von den Sammelpunkten Amsterdam, Frankfurt (Main) und Köln in die brandenburgischen Lande zu dirigieren. Am 10. Januar 1686 stellte Joachim Ernst v. Grumbkow (1637—1690), Chef des allmächtigen Generalkriegskommissariats, der Zentralbehörde, die das gesamte Wirtschaftsleben leitete, dem Kurfürsten in Berlin die ersten 15 Refugiés vor.

Die Einwanderung der durch Versprechungen und Privilegien angelockten Flüchtlinge, von denen zunächst nur wenige nach Potsdam kamen, beschleunigte die Manufakturentwicklung (rund 40 neue Gewerbezweige), brachte Kapital ins Land und befruchtete außerordentlich das geistig-kulturelle Leben. 


    französische Kirche

Eine französischen Kolonie entstand in Potsdam erst 1731 (eine "Französisch-Reformierte Gemeinde" war bereits am 11. Juli 1723 in der Schloßkapelle gegründet worden). Schon die erste Stadterweiterung (1719/22) sah die Anlage eines "französischen Quartiers" vor. Nach dem Patent vom 29. Januar 1720 und dem "Edict du roi" vom 19. Oktober 1731 besaß dieses Gemeinwesen bis 1809 in der Stadt eine politische, juristische und religiöse Sonderstellung.

Die fast 15jährige Tätigkeit des geheimnisumwitterten Johann Kunckel (zwischen 1630/38—1703) in Potsdam ist ein interessantes Kapitel in der Geschichte des europäischen Glases. Durch den hochbegabten Glastechniker wurde die Stadt erstmals in das Feld der Wissenschaften und Technik eingeführt.

Im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts entstanden auch in und um Potsdam u. a. eine Seiden-, Damast- und Fayencemanufaktur. Sie alle überragte an Bedeutung die um 1650 gegründete Spiegelglashütte auf dem "Hakendamm" (Standort Nähe "Übergang", Friedrich-Engels-Straße). Johann Kunckel, Sohn eines Glashüttenbesitzers aus Hütten bei Rendsburg, kam 1678 durch Vermittlung des kurfürstlichen Leibarztes Dr. Mentzel nach Berlin, nachdem er bis 1677 in kursächsischen Diensten gestanden hatte. Für die barocke Prunkentfaltung des kurbrandenburgischen Hofes war der durch Erfindung des Phosphorsteins und gelehrte chemische Schriften bereits bekannte Alchemist eine wichtige Figur. Am 2. August 1678 gestattete ihm Friedrich Wilhelm von Brandenburg erste Kristallglas-Versuche in der um 1674 gegründeten Spiegelglashütte im nahen Drewitz und am 7./17. Juli 1679 erhielt er einen dreijährigen "Arrende-Kontrakt" für die Hütte, die der kühl kalkulierende Geschäftsmann bald zum Hakendamm verlegte.

1678 führte er hier erstmals im großen Stil das Verfahren zur Herstellung von Goldrubinglas in die Praxis ein. Mit seinem Geschäftspartner, dem Hüttenpächter Jobst Ludewig, erhielt er am 9. Dezember 1679 ein kurfürstliches Privileg (Monopol) für den Verkauf von Kristall- und Schockglas in der Kurmark. Potsdam trat damit unter Kunckel die Nachfolge der Manufakturen von Grimnitz und Marienwalde an und wurde in der Folgezeit zur bedeutendsten brandenburgischen Glasbütte. Die prachtvollen, mit hervorragendem Schnittdekor versehenen Kristall-Pokale, -Gläser, -Becher und -Kannen fanden reißenden Absatz. Kunckel entwickelte durch verbesserte Produktionsmethoden die Hütte zu einem leistungsfähigen Unternehmen und schuf hochwertige Glassorten und Farbgläser.

Die Potsdamer Glashütte wurde mit Spezialisten aus Böhmen, Schlesien, Hessen und Sachsen betrieben. Dabei bestimmte der Kurfürst Art und Umfang der Produktion vielfach bis hin zur künstlerischen Gestaltung der Erzeugnisse. Die Hütte leitete ein "Glasschreiber", für den Absatz war ein Berliner "Glasfaktor" verantwortlich. Ein bis zwei "Glasmeister" beaufsichtigten die Produktion. Die "Glasmacher" (Hüttenarbeiter) durften Potsdam nur mit landesherrlicher Genehmigung verlassen. Die "Rohprodukte" übernahmen hochqualifizierte Glasschneider in Berlin und Potsdam und verkauften sie nach der künstlerischen Weiterbearbeitung, wobei der Kurfürst das Vorkaufsrecht besaß. Kunckel, der bekannte Glasschneider nach Potsdam holte, produzierte vor allem Prunk- und Luxusglas.


       Glasofen              

Am 27. Oktober 1685 schenkte ihm der Kurfürst die Pfaueninsel ("Pfauenwerder") mit allen Rechten, um "... neben dem schönsten Cristall allerhand rare Gläser zu Unserem sonderbahren gnädigsten Gefallen, wie wol mit nicht geringen Kosten..." zu " präparieren". Die neue Glashütte wurde am nordöstlichen Ufer errichtet. 1686 kam noch das Kladower Schulzengericht hinzu, nachdem schon sein Sohn Albrecht zum Verwalter der kurfürstlichen "Kunst- und Naturalienkammer" ernannt worden war.

Potsdam wird Königliche Residenz

Im März 1701 hielt König Friedrich I. glanzvollen Einzug in Potsdam, das sich unter seiner Herrschaft kaum entwickelte, davor allem der repräsentative Ausbau der Hauptstadt Berlin und seiner Lieblingsresidenz Oranienburg sein Hauptinteresse fand. Schloß und Amt Potsdam sowie Caputh waren 1688 seiner Stiefmutter, der Kurfürstin Dorothea, zugefallen. Erst nach ihrem Tode erwarb er beides am 7. Juni 1690 für 160 000 Taler. So fand in Potsdam, neben der weiteren Ausgestaltung einiger Schloßräume, die "Rangerhöhung" ihren Ausdruck nur durch den Bau des "Fortuna-Portals" (Jean de Bodt 1701). Die zahlreichen Hoffeste standen in krassem Gegensatz zu den ärmlichen Verhältnissen in der Stadt, deren Einwohnerzahl von 1688 bis 1713 nahezu unverändert blieb (rund 1500, etwa 200 Häuser). Nur zwei Straßen (Friedrich-, Französische Straße) mit einigen wenigen Häusern (Friedrichstadt) wurden nördlich des Stadtkanals angelegt und u. a. eine direkte Verbindung zur Glienicker Brücke 1693 (Berliner Straße) geschaffen.

Vor dem Hintergrund des "Nordischen Krieges" (1700/21) fand in Potsdam das "Dreikönigstreffen" (2. bis 9. Juli 1709) zwischen dem Preußenkönig, Friedrich IV. von Dänemark und "August dem Starken", Kurfürst von Sachsen, seit 1697 König von Polen, statt. Zwar blieb ihr gegen Schweden gerichtetes Freundschafts- und Neutralitätsbündnis ohne wesentliche politische Ergebnisse, dafür zählten glanzvolle Festlichkeiten, Jagden sowie eine Havelfahrt mit der berühmten Prunkyacht "Liburnica" am 8. Juli nach Caputh zu den Höhepunkten.

Nach dem Tode Friedrichs I. in Preußen (25. Februar 1713) trat der 24jährige Friedrich Wilhelm I., am 14. August 1688 als einziger Sohn des ersten Preußenkönigs in Berlin geboren, ein schweres Erbe an. Er soll für seine Krönung genau 2547 Taler und 9 Pfennige ausgegeben und erklärt haben, dies sei die letzte Verschwendung, die er noch dulde. Mit ihm begann ein neues, entscheidendes Kapitel in der Geschichte Potsdams.


    Holländerviertel

Kaum ein anderer Preußenkönig — ausgenommen Friedrich II. — hat so deutlich seine Spuren in der Geschichte der Stadt Potsdam hinterlassen, wie Friedrich Wilhelm I. von Preußen (1713—1740). Am 3. Juli 1713, nur wenige Monate nach dem Tode Friedrichs I., marschierten die "roten Grenadiere" aus Mittenwalde in die Stadt ein, in der künftig nach dem Willen des "Soldatenkönigs" das "Herz der Militärmonarchie" schlagen sollte. Die Bataillone aus Ruppin, Brandenburg und Nauen folgten — der Auftakt zur Entwicklung als Soldaten- und Garnisonstadt war gegeben. 

Die Soldaten wurden zunächst in Bürgerquartieren der Altstadt untergebracht, aber gleichzeitig begann nach persönlichen Plänen des Königs in mehreren Etappen bis 1742 die bislang bedeutendste flächenmäßige und bauliche Entwicklung der Stadt, deren Gesamteinwohnerzahl von etwa 1.500 im Jahre 1713 (220 Häuser) auf 11.708 bis 1740 (1154 Häuser) stieg.

1740 lagen in Potsdam fast 3500 Soldaten. Zahlreiche alte Häuser wurden abgerissen, wüste Stellen bebaut, sumpfiges Gelände trockengelegt und der Stadtkanal 1722 als Transportweg begradigt — eine gewaltige ingenieurtechnische Leistung dieser Zeit mit sparsamsten Mitteln. Plätze entstanden und lange, breite, wie auf dem Schachbrett gezogene Viertel und Straßen; Häuser in Reihe und Glied wie Soldaten. Drei neue Kirchen (Heiligengeistkirche 1726/34, Nikolaikirche 1721/24, Garnisonkirche 1730/35) bestimmten von nun an die markante Stadtsilhouette.

"Da der König entschlossen war, mehrere Soldaten um sich zu haben, und unter dessen eigener Aufsicht eine Kriegspflanzschule allhier anzulegen; so war es auch nothwendig, die Stadt zu vergrößern, und hierzu ward nicht allein ein Plan entworfen, sondern auch alle dienliche Anstalten zu Herbeischaffung der erforderlichen Baumaterialien getroffen." Mit diesen Sätzen beschreibt der bekannte Potsdamer Baumeister Heinrich Ludwig Manger im Jahre 1789 die unmittelbar nach dem Machtantritt folgende Zeit des "Soldatenkönigs". Zu den allerersten Baumaßnahmen gehörte die Errichtung eines "Lusthauses" nach holländischer Art, eine "halbe Meile" von der Stadt entfernt, wo die durch den Wald geschlagenen Wege auf einen Punkt zusammenliefen: den "Stern".

Die Potsdam umgebenden teilweise breiten und oft auch tiefen Sumpfgebiete hatten bis zum Jahre 1713 die bauliche Entwicklung der kleinen Stadt gehemmt. Ein unregelmäßig verlaufender Graben begrenzte das bebaute Gebiet nach Westen und Norden. Eine neu errichtete Mauer grenzte das abgesteckte Territorium ein. Dieses wurde fortan als "Neustadt" bezeichnet (im Gegensatz zu der innerhalb des Grabens liegenden "Altstadt"). Die "Neustädter" Havelbucht erinnert noch heute an diese Entwicklung.

In den Verlauf der Mauer baute man drei Stadttore: das Nauener, das Jäger und das Brandenburger Tor nebst Wachhäusern. Der alte Graben wurde durch einen neu "gestochenen" Kanal ersetzt, dessen Verlauf durch die Dortustraße (vom Kiezgebiet aus), Yorckstraße und Am Kanal noch erkennbar ist. — Mit dem Jahre 1721 (der Nordische Krieg hatte sein Ende gefunden, und diese Tatsache erlaubte Friedrich Wilhelm I. offensichtlich, den inneren Ausbau seines Staates verstärkt voranzutreiben) begann der "starke Bau" in der Residenz Potsdam. 


Jägertor           

Größte Schwierigkeiten bereitete die Trockenlegung des Sumpfgebietes des "Faulen Sees". Erst im Jahre 1730 konnten auf diesem zu einer "Plantage" umgewandelten Sumpf Bäume gepflanzt werden (Platz der Einheit). Auch die an den Platzseiten errichteten Häuser standen auf zahlreichen Pfählen.

Folgende größere Bauten entstanden nach 1721: die Stadtkirche St. Nikolai am Alten Markt, die Hof- und Garnisonkirche in der Breiten Straße, die Heiligengeistkirche in der Burgstraße, Gebäude für die Gewehrfabrik (heute: Dortustraße/ Henning-von-Tresckow-Straße, der erste Bau des Großen Militärwaisenhauses (heute: Dortustraße, Spornstraße, Lindenstraße, Breite-Straße) sowie ein Rathaus mit einer "steinernen Vorderseite" (das übrige Fachwerk) und ein "neues Landschaftshaus" in der Breiten Straße.

Im Jahre 1732 beschloß der König die notwendige Erweiterung der "Neustadt". Den Grundstein für die neue Stadtmauer legte Friedrich Wilhelm 1. selbst. Die Schopenhauerstraße — Hegelallee — Kurfürstenstraße — Hebbelstraße — Berliner Straße umgrenzten nun das damals abgesteckte Gebiet der sogenannten zweiten Stadterweiterung. Die hier entstandenen Häuser hatten im wesentlichen ein bestimmtes Muster: zwei Stockwerke mit je fünf Fenstern, darüber eine ausgebaute Giebelstube.

An größeren repräsentativen Gebäuden errichtete man allerdings nur die "Große Stadtschule" und das Kommandantenhaus (später Amtsgericht). Mitte der dreißiger Jahre des 18. Jahrhunderts begann die Erbauung der ersten Häuser im Holländischen Viertel. Die letzten dieser Häuser wurden erst nach dem Regierungswechsel 1740 fertiggestellt.

Die überkommene, spärliche spätmittelalterliche Wirtschaftsstruktur hatte sich nur geringfügig unter den folgenden Hohenzollernherrschern entwickelt. Friedrich Wilhelm I. ordnete den wirtschaftlichen Aufstieg seiner Lieblingsresidenz in die allgemeinen Linien seiner Politik ein. Optisch trat zwar der Schloßkomplex gegenüber der sich rasch vergrößernden Stadt etwas zurück, die allseitige Abhängigkeit von Hof und Armee verstärkte sich ins Gewaltige; das Schicksal der Garnisonstadt und ihrer 12000 Bürger verknüpfte sich von nun an mit der Armee: Handel und Gewerbe wurden völlig auf die Bedürfnisse des Militärs ausgerichtet. 


 Garnisonskirche

Potsdams Handwerkermeister durften sicher auf Absatz ihrer Produkte durch das Militär rechnen. Die schnelle Aufsiedlung verschob zudem die alte Sozialstruktur. Die Stadt verlor ihren Grundbesitz als Bauland. Das Bautempo erhöhte sich ständig. So wurden in den Jahren bis 1740 etwa 480 Häuser, ein Teil seit 1724 "auf Vorrat", gebaut. Kein Wunder, daß Ziegelmanufakturen (u. a. die Potsdamer Ratsziegelei) florierten und Bauunternehmen und -handwerkern lohnender Verdienst winkte. Jeder Hausbesitzer hatte 2, 4 oder 6 Grenadiere in "ordannanzmäßigem Quartier" ohne Verpflegung aufzunehmen. Den Häusern wurden nutzbare Gerechtigkeiten, besonders die Braugerechtigkeit, verliehen. Braunahrung (z. B. Braunbiersuppe) war in dieser Zeit ein wichtiger Nahrungszweig.

Die Zahl der Braugerechtsame stieg von 1720 bis 1738 um weitere 75 Stätten (1770 existierten noch 150). Die Krugwirtschaften der umliegenden Dörfer hatten ihr Bier aus Potsdam zu beziehen. Dennoch blieben die ärmlichen finanziellen Verhältnisse Potsdams, das erst 1730 durch Friedrich Wilhelm I. aus der Reihe der kleinen Städte ausgeschieden und unter die Hauptstädte gerechnet wurde. Die Städte der ganzen Monarchie hatten in einer Zwangskollekte für Potsdams Kämmereivermögen aufzukommen - So kamen 1733 rund 78.000 Taler für den Ankauf des Rittergutes Falkenrehde zusammen. Zahlreiche Patente warben um die Einwanderung fähiger Facharbeiter und Unternehmer. Auch die Religionsflüchtlinge kamen im allgemeinen aus Staaten, in denen die Produktion fortgeschritten war (Einführung neuer Gewerbe). Um diese seßhaft zu machen, wurden ihnen zahlreiche Privilegien (so das "Edit du roi" 1731 der französischen Kolonie) gewährt.

Bürgerliche Unternehmer (,‚Entrepreneurs") etablierten auch in Potsdam bald Manufakturen. Das Berliner Bank- und Handelshaus der preußischen Könige David Splitgerber (1683—1764) und Gottfried A. Daum (1679—1743) begründete mit königlicher Förderung (Vertrag vom 31. März 1722) am Stadtkanal eine "Gewehrfabrique", die bereits am 12. Juni 1723 die ersten 400 Gewehre auslieferte. Die Büchsenmacher wurden durch Daum in Lüttich und Solingen mit vielen Versprechungen angeworben. 1730 arbeiteten in Potsdam 200 und in der Filiale Spandau 52 Facharbeiter. Die Lieferanten der preußischen Armee konnten bald zum Export übergehen.

Dazu kamen die zentralisierten Manufakturen des "Schutzjuden" David Hirsch (1730), von Ephraim u. Söhne (1745), Isaac Levin Joel (1746) u. a. Die Belebung bezeugen auch die erste Samtmanufaktur (1728), die erste Tabakfabrik in Preußen der Gebrüder Samuel und Pierre Schock (1730) und eine Fayencemanufaktur der Gebr. Rewendt (1737). Potsdam konnte einen namhaften Anteil an der märkischen Textilindustrie erwerben.

Die wirtschaftliche Entwicklung Potsdams erfuhr unter Friedrich Wilhelm I. von Preußen kräftige und belebende Impulse. Seit seiner Regierungszeit verstärkte sich die Verflechtung mit dem nahen Berlin. Trotz deutlichen Aufschwungs des Manufakturwesens blieben eine verbreitete Hausindustrie und der gewerbliche Kleinbetrieb allgemein typisch.

Im Juli 1713 erfolgte die Verlegung von 600 "Roten Grenadieren" in die Stadt Potsdam. Die damals übliche und in Wusterhausen, Mittenwalde und Zossen erprobte Einquartierung bei den Bürgern (Naturaleinquartierung) wurde für die kleine Stadt eine schwere Last. Jeder Quartierwirt hatte für freies Obdach, Holz, Licht und Bett der Soldaten zu sorgen. Bereits 1715 brach eine Fleckfieberepidemie aus, sicher gefördert durch die notdürftigen Verhältnisse in den ärmlichen Häusern Potsdams. Der Neu- bzw. Ausbau der Stadt wurde zur Notwendigkeit, um "kommode Quartiere" für die Grenadiere zu erhalten. 


Gewehrfabrik am Kanal      

Aufgrund der erstaunlichen Bauleistungen der Jahre zwischen 1720 und 1740 konnten mehr und mehr Soldaten aus anderen Standorten nach Potsdam verlegt werden. Im April 1738 wurde das ganze dritte Bataillon auf einmal aus Brandenburg nach Potsdam verlegt. 2733 Soldaten und 751 "Unrangierte" zählte man zu dieser Zeit und das bei einer Einwohnerzahl, die nur knapp über 8000 lag. Jeder vierte Mensch in Potsdam trug den "bunten Rock" des Königs.

Die Soldaten kamen aus den verschiedenen Gebieten und Staaten. Freiwillig waren die allerwenigsten in die preußische Armee gelangt. Oft mit List, Gewalt und Versprechungen nach Potsdam verschleppt, fanden sich viele der "langen Kerls" plötzlich im blauen Rock des Bataillons der "Unrangierten" wieder, aus dem sie dann später in "das lange Potsdamsche Grenadier- oder Königs-Regiment" (Garde) eingereiht wurden. Dasselbe sollte, wie das Wort Garde besagt, dem unmittelbaren Schutz für die "geheiligte" Person des Monarchen dienen, gleichzeitig aber Muster und Vorbild für die ganze Armee sein. Seiner Vorliebe für "lange Kerls" folgend, scheute der König weder Gewalt noch Geld, um die größten Leute aus dem In- und Ausland zu bekommen. 12 Millionen Taler soll er dafür ausgegeben haben. Der preußische Gesandte in London beispielsweise "deklarierte" lange Männer als "Statuen" oder "Gemälde" für die überhaupt nicht existierende Kunstsammlung des preußischen Königs, um die englischen Behörden zu täuschen. Es gab ernsthafte diplomatische Auseinandersetzungen, nicht nur mit England.

Für "lange Kerls" bildete sich durch die Praxis nach und nach eine förmliche Taxe. Der gewöhnliche Preis des Handgeldes eines "fünf Fuß zehn Zoll" (Rheinländ. Maß) großen Mannes waren 700 Taler. Einer von "sechs Fuß" (1 Fuß = 31,4cm) wurde mit 1000 Talern bezahlt. Der teuerste aller "langen Kerls" soll der Irländer James Kirkland gewesen sein. Für ihn soll der König fast 9000 Taler gezahlt haben.


 Langer Kerl

Zahlreiche der unter Zwang und Gewalt nach Potsdam verschleppten Soldaten versuchten zu fliehen, Desertationen waren an der Tagesordnung. Nach der Überwindung der Stadtmauer (bzw. des Palisadenzaunes) waren die ersten sächsischen Dörfer in der Nähe von Ferch (Kanin, Klaistow, Busendorf) das Ziel der Flüchtlinge. Wurden sie jedoch aufgegriffen, warteten grausame Abschreckungsstrafen (vom "Spießrutenlaufen" bis zur Hinrichtung) auf die Unglücklichen. Während der Regierungszeit Friedrich Wilhelms I. desertierten ca. 30.216 Mann. Obwohl es "seinen blauen Kindern" gestattet war, Gewerbe zu treiben, Bier- und Weinhäuser sowie Materialläden zu halten, war der König durch zahlreiche Soldatenrevolten seines Lebens nicht immer sicher. So wird erzählt, daß beim Exerzieren der "langen Kerls" hin und wieder dem König Kugeln um die Ohren pfiffen, von denen man nicht wußte, woher sie kamen. 

Auch wenn im Ausland die "Spielerei" Friedrich Wilhelms I. oft belächelt wurde, es gilt festzuhalten, daß die Potsdamer Garde zum Lehrregiment der preußischen Armee und Potsdam zur "Pflanzschule der Armee" wurden. Im Jahre 1722 eröffnete der König das Militärwaisenhaus. Die Anregung zur Gründung bekam Friedrich Wilhelm I. durch seine Besuche 1713 und 1720 in den "Franckeschen Stiftungen" in Halle (1698 gegründet). Das Potsdamer Waisenhaus erhielt seinen Hauptstandort zwischen den heutigen Straßen Linden-, Sporn-, Dortu- und Breiten-Straße. Hier entstanden 1724 das Knabenhaus und im Laufe der nächsten Jahre weitere Einrichtungen.

In der Heilig-Geist-Straße wurde 1725 ein Waisenhaus für Mädchen gebaut. Bereits das zu frühe Beziehen der noch feuchten Bauten führte zu epidemieartigen Erkrankungen, an denen viele Kinder starben. Zur Führung des Waisenhauses erließ Friedrich Wilhelm I. ein "Generalreglement", das alle Angelegenheiten und den Tagesablauf straff regelte. Neben einem spärlichen Unterricht, der aus Katechismus, Lesen, Rechnen und Schreiben bestand, hatten die Kinder vor allem zu arbeiten. Dazu hatte man einen Spinn- und einen Strickmeister angestellt. Unter ihrer Anleitung mußten die Knaben Wolle spinnen und Strümpfe für Auftraggeber (z. B. das Berliner Lagerhaus) stricken. Darüber hinaus wurden Zöglinge in die Potsdamer Manufakturen geschickt. In der benachbarten Gewehrmanufaktur Daum und Splitgerber mußten zeitweilig 50 bis 60 Kinder täglich 10 Stunden arbeiten. Ältere Knaben kamen als "Lehrlinge" zu Potsdamer Handwerksmeistern. Unter Friedrich II. von Preußen erhielt das Waisenhaus ein repräsentativeres Aussehen (Gontard 1771/77), doch die bisher ohnehin mangelhafte Erziehung trat nun völlig in den Hintergrund. Nach dem Siebenjährigen Krieg beherbergte das Waisenhaus schließlich 2000 Knaben und 500 Mädchen.

 
 
Potsdam zur Zeit Friedrichs des Großen

Es hatte rund 200 Jahre nach der ersten urkundlichen Erwähnung gedauert, bis schließlich ein "Stedeken" entstanden war, und abermals 500 Jahre, bis dieses "Poztamp" zur Residenz des emporstrebenden brandenburgisch-preußischen Staates erhoben wurde. In nur 27 Jahren wurde Potsdam zur zweitgrößten preußischen Stadt hinter Berlin. Unter dem zweiten Preußenkönig war aus dem bescheidenen märkischen Städtchen das "Herz der Militärmonarchie" mit immerhin 11.708 Einwohnern geworden.

Nach seinem Tode (31. Mai 1740) übernahm der 28jährige Thronfolger im Potsdamer Stadtschloß einen gefestigten Staat, einen Staatsschatz von 8,7 Millionen Reichstalern und eine schlagkräftige Armee von 83000 Mann. Unter Friedrich II. von Preußen (1740—1786) wurde Potsdam zu einem Zentrum europäischer Politik und Diplomatie. Friedrich II., der "Finanzminister und Feldmarschall des Königs von Preußen" in einer Person sein wollte, legte sein Vater aber mit der wohl bestausgebildeten europäischen Armee eine gefährliche Waffe in die Hand. Am 22. Juni 1740 umrahmte die berühmte Riesengarde noch die Beisetzung Friedrich Wilhelms I., am nächsten Tage wurde sie aufgelöst.


Großes Waisenhaus       

Der "roi philosophe" prägte wie sein Vorgänger für Jahrhunderte entscheidend das Antlitz Potsdams, wo er seit 1745 fast ständig Aufenthalt nahm. Die Stadt, für deren Ausbau er über 10,5 Millionen Taler ausgegeben haben soll, wurde nach seinen persönlichen Vorstellungen zu einer Residenz europäischen Ranges mit ihren 18.503 Einwohnern im Jahre 1786 (ohne Militär).

Unter der Oberleitung Knobelsdorffs, Gontards (seit 1764), Ungers und Mangers schufen bedeutende Baumeister vor allem nach 1763 prunkhafte Ensembles und Gebäude, die trotz des Einfließens mannigfaltiger Quellen einen insgesamt einheitlichen und geschlossenen Eindruck vermittelten. Der repräsentative Ausbau begann mit dem barocken Umbau des Stadtschlosses (1744/52), der königlichen Winterresidenz, und des Ensembles des Alten Marktes. Erlebbare Zeugnisse der einstigen Schloßumgebung sind der Marstall (1746), die eh. Kommandantur (1752), die Häuser am Neuen Markt, in der Schloßstraße und die Kopfbauten in der Breiten-Straße (bis 1751).

Die reglementierende Einwirkung des Monarchen auf alle kommunalen Belange blieb. Mit einem "consul dirigens" an der Spitze wurde die Rolle des Polizeidirektoriums weiter gestärkt. Ausdruck der Militär- und Garnisonstadt, deren bebaute Fläche (rund 142 ha) sich nicht mehr wesentlich erweiterte, waren daneben 139 Kasernen, Lazarette und andere Militäreinrichtungen (1774). 1769 kamen auf etwa 17000 Einwohner rund 8000 Militärpersonen und Hofangestellte. Die völlige Abhängigkeit von Armee und Hof kennzeichnet die Tatsache, daß in Kriegszeiten, wo die Garnison mit ihrer monatlichen Konsumtionskraft von immerhin 30.000 Talern fehlte, wirtschaftliche Stagnation eintrat. Nach der Quartierrolle von 1750 (die Naturaleinquartierung wurde erst 1787 aufgehoben) lagen 4630 Mann in 1083 Bürgerquartieren und 856 "Beweibte" in den Kasernen.

Als nach dem Dreißigjährigen Krieg Potsdam während des Siebenjährigen Krieges zum ersten Male wieder durch österreichische Besetzung von Kriegswirren überzogen wurde (10.—14. Oktober 1760) und Feldmarschall-Leutenant Graf Esterhazy der Stadt eine Kontribution von 60.000 Talern auferlegte, wandte man sich hilfesuchend an Friedrich II., der jedoch ablehnte.

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   Stadtplan 18. Jh.

Die systematische Bebauung des Alten Marktes erfolgte dann in der Regierungszeit Friedrich Wilhelms 1. Im Jahre 1721 erließ dieser eine Kabinettsordre zum Abriß und Neubau einer Kirche, die 1724 den Namen St. Nikolai erhielt. Der Baumeister Philipp Gerlach errichtete diese Stadt- und Bürgerkirche mit einem fast 85 m hohen Turm an der Nordseite. Der Beginn der repräsentativen Gestaltung des gesamten Alten Marktes während der Regierungszeit Friedrichs II. von Preußen zu einer "römischen" Platzanlage ist im Zusammenhang mit dem seit 1744 erfolgenden Umbau des Stadtschlosses zu sehen. 

Ein Beispiel dafür war das große Prediger- und Schulhaus (1752 erbaut) an der Ostseite des Marktes (hinter der Nikolaikirche), eine Kopie der Fassade des Palazzo della Consulta in Rom. Gleichfalls nach Vorgaben des Königs baute Carl von Gontard im Jahre 1771 den Palast Barberini, der den Abschluß des Marktplatzes nach der Havelseite bilden sollte. Der Mittelbau war dem Palazzo Barberini frei nachgestaltet, die Seitenteile nach dem Vorbild des Palazzo Borghese. Bereits 1752 bis 1754 wurde eine Schaufassade (nach der Kirche Mario Maggiore in Rom) vor dem südlichen, dem Platz zugewandten Teil der Nikolaikirche errichtet. Der Entwurf dazu soll von Knobelsdorff stammen. Der den Mittelpunkt des Alten Marktes bestimmende Obelisk entstand in den Jahren 1753 bis 1755 nach einer Zeichnung dieses bedeutenden Baumeisters.

Ein Marktplatz wird nicht nur von einem Kirchenbau, sondern auch vom Rathaus bestimmt. Das Potsdamer, das vierte seit dem Mittelalter, errichtete Johann Boumann in den Jahren 1753 bis 1755 nach einem nicht verwirklichten Entwurf Andrea Palladios (1508—1580) für den Palazzo Angarano in Vincenza (Italien). Schon im Jahre 1701 hatte das Stadtschloß bekanntlich einen wirkungsvollen Abschluß zur Marktseite mit dem von Jean de Bodt (1 670-1745) errichteten und mit einer Fortuna gekrönten Kuppelbau erhalten. Das gesamte Stadtschloß erhielt innerhalb einer achtjährigen Bauzeit (1744—1752) nunmehr seine endgültige, repräsentative Gestaltung, maßgeblich bestimmt durch Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff. Eine einheitliche architektonische Gliederung, ein reicher plastischer Schmuck und nicht zuletzt eine auffällige Farbigkeit machten diesen Bau zu einer herausragenden Anlage im Zentrum der Altstadt. Die übrigen Seiten des Alten Marktes begrenzten meist drei- und viergeschossige Bürgerhäuser, erbaut in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Vor allem aber wurde Potsdam mit einem Kranz von Schlössern und Parks umgeben, die den Reiz der Havellandschaft nutzten und der Stadt fortan ihre baukünstlerische Eigenart und kulturhistorische Bedeutung als "Versailles des Nordens" verliehen. 1744 begonnen und bis in die 70er Jahre fortgeführt (Neues Palais als zweite Sommerresidenz 1763/69), entstand ein großartiges Ensemble mit Sanssouci als Kernstück. Ausgangspunkt war der "wüste Berg" vor dem Brandenburger Tor, den Baudirektor Diterichs terrassierte und zu einem Weinberg umgestaltete. Das Weinbergschloß (Grundsteinlegung 14. April 1745) wurde zum Hauptwerk Georg W. v. Knobelsdorffs.

Zu einem einmaligen Ensemble von Weltrang fügen sich die Schlösser von Sanssouci mit ihren Gärten und Parks zusammen. Während der Regierungszeit Friedrichs II. entstanden hier die Hauptleistungen des "Potsdamer Rokoko" mit dem Auftakt des Schlosses auf dem Weinberg bis zum Ausklang durch den gewaltigen Baukomplex des Neuen Palais mit den Communs.


            Sanssouci

Schon durch die von Friedrich II. gewählte Lage auf dem zum Weinberg gestalteten ehemals "Wüsten Berg" wird der private, intime Charakter der Sommerresidenz deutlich, der dem französischen "maison de plaisance" folgt und in dem der König sans souci — ohne Sorge — leben wollte.


Neues Palais                

Nach einer Skizze Friedrichs II. entstanden die Entwürfe des genialen Baumeisters Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff (1699—1753), die Ausführung in den Jahren 1745/47 lag in den Händen von Diterichs und Boumann. Der eingeschossige breitgelagerte Bau mit 13 Räumen (2 Säle, Kleine Galerie, im östlichen Teil die Wohnung des Königs, westlich Gästezimrner) empfängt seine Besucher im Ehrenhof mit weit im Halbkreis schwingenden Kolonnaden und einer zurückhaltend-strengen Eingangsfront. Zur Parkseite lebt die Fassade durch sinnenfrohe Bacchanten-Paare, die als Karyatiden ihr Spiel treiben. Die heiteren Figuren von barocker Kraft und Bewegung schuf nach Entwürfen Knobelsdorffs Friedrich Christian Glume (171 1—1778), der auch im Schloßinneren, wie an Potsdamer Bürgerhäusern, den plastischen Schmuck gestaltete.

Die auf die individuellen Ansprüche Friedrichs II. zugeschnittenen Innenräume sind von erlesenem Geschmack und vereirien unter Knobelsdorffs Leitung die besten Maler, Bildhauer, Dekorateure und Stukkateure wie Pesne, Nahl und die Brüder Hoppenhaupt. Westlich und östlich begleiten das Schloß auf dem abfallenden Hügelgelände zwei wie der Hauptbau eingeschossige, sich sinnvoll den natürlichen Gegebenheiten der Landschaft anpassende Gebäude. Zur linken Seite wurden die Neuen Kammern, 1747 nach Entwürfen Knobelsdorffs als Orangerie errichtet, 25 Jahre später von Georg Christian Unger zum Gästehaus umgestaltet, nachdem sich der Westflügel des Schlosses Sanssouci mit nur 5 Gästezimmern als nicht ausreichend erwiesen hatte. Festliche Säle unterschiedlicher Farbklänge und Kavalierswohnungen befinden sich im Inneren.

Das östliche Pendant zu den Neuen Kammern bildet die Bildergalerie, 1755/63 von Johann Gottfried Büring errichtet und damit ältester erhaltener deutscher Museumsbau. Die kleine Galerie im Schloß reichte nach wenigen Jahren nicht mehr aus, die Ergebnisse der Sammelleidenschaft des Königs aufzunehmen. Der langgestreckte eingeschossige Bau beherbergt in seinem überaus festlichen, lichterfüllten Innenraum vor allem Werke der flämischen und italienischen Barockmalerei.

Die zwei Kilometer lange Hauptallee von Sanssouci führt parallel zu den Fronten von Bildergalerie, Schloß und Neuen Kammern vom Obeliskportal bis zum Neuen Palais und erweitert sich jeweils in Verlängerung der Hauptachsen der Gebäude zu einem Rondell. Das Parterre vor der Bildergalerie wurde nach der Hollandreise Friedrichs II. wohl schon 1755 im Stil holländischer Ziergärten geplant, jedoch erst nach dem Siebenjährigen Krieg 1764/66 ausgeführt. Laubengänge und Hecken faßten ehemals Kirschgartenquartiere ein, heute befinden sich Grünflächen an ihrer Stelle. Grottierte, skulpturengeschmückte Terrassen markieren das Gelände. 

Das Rondell unterhalb des Schlosses, in dem sich die "Große Fontäne" befindet, ist das Ergebnis einer Erweiterung um zwei Drittel im 19. Jahrhundert. Unterhalb der Neuen Kammern erstreckt sich anstelle des ehemals geometrischen Gartenparterres seit 1956 ein Rosengarten. Am 2. Mai 1747 meldete die "Spenersche Zeitung": "Gestern haben Seine Majestät, der König, dero bey Potsdam gantz neu erbautes, ungemein prächtiges Sommer-Palais, Sanssouci, bezogen..." Die Sommerresidenz wurde in 40 Jahren zu seinem Lieblingsaufenthalt, in dem er auch starb.


Weberkolonie Nowawes       

Im Jahre 1750 erteilte König Friedrich II. den Befehl, eine Weberkolonie auf einer Sandscholle vor dem Teltower Tor anzulegen. Das Gelände gehörte zur königlichen Forst und war von der Feldmark Neuendorfs umschlossen. Die Oberaufsicht bei der Anlage des Ortes und der Werbung der Kolonisten übertrug er dem Potsdamer Stadtkommandanten General Wolf Friedrich von Retzow. 1752 gab es in der Ortschaft schon 100 Häuser, in denen vorwiegend böhmische Spinner und Weber wohnten, die ihre Heimat meist wegen ihres Glaubens verlassen hatten. Die Mehrzahl arbeitete für Berliner und Potsdamer Verleger, d. h. ‚ sie erhielten Garn zur Verarbeitung und lieferten die gewebten Stoffe gegen Bezahlung ab.

Zuerst angelegte Straßen waren die Alte Lindenstraße (jetzt Rudolf-Breitscheid- und Benzstraße), die Priesterstraße (jetzt Karl-Liebknecht-Straße) und die Wallstraße (heute Karl-Gruhl-Straße). Damit bildete sich um den Kirchplatz (Weberplatz) ein dreieckiges Ortszentrum. Zu jedem der eingeschossig erbauten 2-Familien-Häuser gehörten 1/8 bis 1/4 ha Gartenland. Nach dem Siebenjährigen Krieg wurden vorwiegend Bauhandwerker aus der Schweiz, aus Württemberg und Nassau angeworben und in der für sie erbauten Neuen Lindenstraße (heute Alt Nowawes) angesiedelt. 1780 lebten bereits 1500 Menschen im Ort. Damit wurde Nowawes (tschechische Bezeichnung für "Neuendorf") ebenso wie die Weberkolonien Kloster Zinna, Friedrichshagen und Philippsthal zum typischen Beispiel hohenzollernscher Siedlungspolitik. Die noch bestehende Schollengebundenheit der Bauern, der Zunftzwang der Handwerker, insbesondere aber die dünne Besiedlung des Landes machten die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte für die Manufakturarbeit notwendig.

Neuendorf (1375 erstmalig erwähnt) und Nowawes vereinigten sich 1907 zur Landgemeinde Nowawes im damaligen Kreis Teltow. Der Ort erhielt am 1. April 1924 das Stadtrecht. Im Jahre 1939 wurde Neubabelsberg eingemeindet, bei gleichzeitiger Umbenennung der gesamten Stadt in Babelsberg. 1939 ging der Ort im Stadtgebiet Potsdam auf.

Potsdam unter Friedrich Wilhelm II.

In den frühen Morgenstunden des 17. August 1786 starb in Sanssouci Friedrich II. von Preußen. Der 41jährige Thronfolger, Sohn des Prinzen August Wilhelm (1722—1758) und Neffe des kinderlosen Königs, übernahm die Regierungsgeschäfte.


Gräfin Lichtenau

Mit dem großgewachsenen und schwergewichtigen Prinzen von Preußen kam das "schwarze Schaf" der Hohenzollerndynastie an die Macht. "König Friedrich Wilhelm II. (1786— 1797) war ein schwacher und unbedeutender Regent. Der neue König, vom Volk "Wilhelm der Dicke" genannt, kümmerte sich eigentlich mehr um seine Mätressen als um die Politik. Günstlinge wie der ehemalige Theologe und allmächtige Minister Johann Christoph v. Wöllner (1732—1800), ein "betrügerischer und intriganter Pfaffe" (Friedrich II.), die königliche Lieblingsmätresse Gräfin Lichtenau und General v. Bischoffwerder (1741—1803) beherrschten den Monarchen fast völlig. Im Todesjahr Friedrichs II. 1786 wandte sich sein Neffe und Thronfolger nach anfänglicher Absicht, Sanssouci zu bewohnen, bald einem neuen Projekt zu: 

der Anlage einer Sommerresidenz inmitten weiter Parkanlagen im Norden der Stadt. Bereits als Kronprinz hatte der "dicke Wilhelm" 1783 das Gelände am Heiligen See vom Weingutbesitzer Punschel für 3300 Taler erworben.

Die Hinwendung Friedrich Wilhelms II. zu geistig-künstlerischen Dingen geschah auch unter dem Einfluß des Dessau-Wörlitzer Kunstkreises. Aus Dessau vom Hofe des Fürsten Franz holte Friedrich Wilhelm II. 1786 den Baumeister Friedrich W. v. Erdmannsdorf (1736—1800) für die klassizistische Umgestaltung des friderizianisehen Schlaf- und Arbeitszimmers in Sanssouci und den Gartengestalter Johann A. Eyserbeck d. J. für die Anlage des "neuen Gartens" am Heiligen See. So wurden auch in der Anlage des Neuen Gartens neue Geisteshaltungen und Baugesinnungen wirksam. Toranlage und Nebengebäude an der Hauptallee zum Schloß tragen z. B. in Anlehnung an ältere Potsdamer Bauten noch immer holländischen Charakter (Gontard/Krüger 1789/90).

Nach dem abrundenden Kauf einiger privater Gartengrundstücke 1787 wurde das Gelände zu einem romantischen Landschaftspark mit freien Sichten, geschwungenen Wegen, Baumgruppen von auserlesenen Gehölzen, mit aufgeschütteten Hügeln im Nordteil und mit den wie zufällig eingefügten Kleinarchitekturen und Staffagen umgestaltet. Schließlich verleihen die Einbeziehung des Heiligen Sees und die Ausdehnung bis zum Jungfernsee dem Park, der sein einheitliches Gesamtbild schließlich durch Peter J. Lenné in den Jahren 1817 bis 1848 erhalten sollte, seinen besonderen Reiz.

1787 erging an Carl v. Gontard der Befehl zur Erbauung des Marmorpalais. Nach seinen Plänen entsteht ein villenartiger zweigeschossiger kubischer Bau mit bekrönendem Belvedere. Die Materialien - roter Backstein und grauer schlesischer Marmor - waren in den königlichen Depots noch vorhanden. Im Innern des "Marmorhauses" gruppieren sich auf quadratischem Grundriß um das zentrale Treppenhaus die Räume in strenger Symmetrie. 


Marmorpalais               

Trotz zügigen Baufortgangs kam es zu Unstimmigkeiten zwischen Bauherrn und Baumeister, und so leitete Carl G. Langhans (1732—1808), 1786 von Friedrich Wilhelm II. aus Breslau nach Berlin berufen, als neuer Direktor des Hofbauamtes 1790/92 den Innenaushau des Mitteltraktes. Auf ihn gehen vermutlich die Pläne der 1797 errichteten Seitenflügel zurück. Für ihren Bau wurden aus Gründen der Zeit- und Geldeinsparung bedenkenlos die Knobelsdorffsehen Marmorkolonnaden im Rehgarten von Sanssouei für einen Unkostenbeitrag von 10.000 Talern abgebrochen. Ihre monolithischen Säulen kamen verkürzt vor den inneren Seitenflügeln zur Aufstellung. Die frühklassizistischen Innenräume waren mit Mobiliar in strengen Formen, das vor klaren, mit Seide bespannten oder mit Edelhölzern furnierten Wandflächen stand, ausgestattet.

In unmittelbarer Nähe des Palais wurde noch durch Gontard 1788/90 die Küche als ruinenhafter, halbversunkener Tempel errichtet. Sie ist durch einen unterirdischen Gang mit dem Schloß verbunden. Zu den Wirtschaftsgebäuden gehört auch der nördlich gelegene Eiskeller in Pyramidenform (1791/92 Langhans/Krüger).

Auch die folgenden Bauten sind von Langhans entworfen, so die Orangerie (1791/92) mit ägyptisierender östlicher Fassade und reichgestaltetem Konzertsaal in der Mitte des Gebäudes. Der Bibliothek, 1792 bis 1794 am südlichen Rand des Parkes als gotisierender Pavillon gebaut, entsprach im Norden der um 1860 abgerissene Maurische Tempel. Die z. T. in erworbenen Grundstücken erhaltenen Gartenhäuser erhielten entsprechend ihrem Außenanstrich die Namen "Rotes", "Grünes", "Weißes" oder "Braunes Haus". Andere Kleinarchitekturen der Gartenanlage, deren stiller Reiz bis heute spürbar ist, wie das "Schindelhaus", die Grotte am Jungfernsee (1792) und die Eremitage östlich davon sind nicht mehr zugänglich bzw. verschwunden.

Das Zeitalter der bürgerlichen Umgestaltung der deutschen Gesellschaft, das mit der Großen Revolution der Franzosen seinen Ausgang nahm, begann für Potsdam mit dem Kampf gegen diese Revolution. Ende Dezember 1792 marschierten die vier Potsdamer Gardebataillone dem Krieg im Westen Deutschlands gegen die französischen Revolutionsheere entgegen. In der gleichen Zeit setzte der lebenslustige preußische König Friedrich Wilhelm II., der Neffe des großen Friedrich, erste Zeichen der bürgerlichen Öffnung. 


   Schauspielhaus

Zwischen 1795 und 1796 ließ er durch Philipp Boumann am Kanal ein Schauspielhaus im klassizistischen Stil errichten, das, »Dem Vergnügen der Einwohner« bestimmt, dem Potsdamer Publi kum geöffnet wurde, während ein Theaterbesuch bisher nur den Hofkreisen möglich gewesen war. Auch der Park von Sanssouci stand den Potsdamern jetzt zur Promenade offen. Am 16. November 1797 starb Friedrich Wilhelm II. von Preußen, vom Volk fast unbeachtet, im Marmorpalais des Neuen Gartens.

Die für Preußen allgemein charakteristische Tatsache der Beschäftigung einer bedeutenden Anzahl der Manufakturen für die Zwecke und den Bedarf der Armee läßt sich in Potsdam deutlich feststellen. So arbeiteten im größten Unternehmen der Stadt, der Gewehrfabrik, um 1789 allein 140 der insgesamt 1307 Arbeiter. Im Zusammenhang mit erhöhten militärischen Rüstungen im Vorfeld der Intervention von 1792 stieg die Zahl der in den Potsdamer Manufakturen Beschäftigten bis 1794 auf schließlich 1522 Personen.

Aber auch die Zahl des Militärs wuchs weiter an. Im Jahre 1786 setzte sich in Potsdam die Garnison wie folgt zusammen:

1. Erstes Bataillon Leibgarde zu Fuß
2. Zweites Bataillon der Fußgarde
3. Drittes Bataillon der Fußgarde
4. Grenadiergardebataillon
5. Ein Korps Unrangierte
6. Infanterie-Regiment Sr. K. Hoheit des Prinzen von Preußen
7. Eine Schwadron der Leibgarde zu Pferde
8. Reitende Artillerie
9. Ein Korps Ausrangierte
10. Die Königl. Suite und Adjutantur (auch Generalstab)
11. Ein Kommando von reitenden Feldjägern.

An der Ecke Charlotten-/Lindenstraße steht noch die alte Hauptwache (1795/97) für das Regiment "Prinz von Preußen". Jährlich fanden im Mai die "Revue" und im September das große repräsentative Herbstmanöver in Potsdam statt, an dem auch Militäreinheiten benachbarter Garnisonen teilnahmen. Die sogenannten Montierungskammern (Rüstkammern) befanden sich "auf den drei Hauptkirchen, über den Hauptwachen" und in dem 1785 neuerbauten Hause am Kanal, das vorher als Komödienhaus diente. Die Stadt war, wie Berlin, von der "Enrollirung" (Militäraushebung) frei, das bedeutete, daß kein geborener Potsdamer Kriegsdienste nehmen mußte. Potsdam blieb auch unter Friedrich Wilhelm II. die erste Garnison in Preußen.