Potsdam |
Der Ausbau zur ResidenzstadtDie wenig entwickelten, durch den Krieg schwer in Mitleidenschaft gezogenen märkischen Städte spielten im allgemeinen eine untergeordnete Rolle. Geplündert von Freund und Feind im Kriege, durch die Willkür der fürstlichen Beamten zu einem ohnmächtigen Amtsflecken hinabgesunken, durch Steuerabgaben schwer belastet — so stellte sich die Lage Potsdams dar. Der Kurfürst, im Bemühen, Ordnung und Übersicht im zerrütteten Land im Interesse seiner absolutistischen Herrschaft zu schaffen, betrieb daher auch seit 1646 den Rückerwerb Potsdams aus dem Pfandbesitz des Feudalherren Hacke. An den hohen Forderungen (14 000 Thaler) zerschlug sich zunächst diese Absicht, über diesen Streitereien zerfielen Schloß und Amt in der Zwischenzeit mehr und mehr. Erst 1660 erhielt der Kurfürst gegen eine wahrscheinlich geringere Vergleichssumme das "Pfand" zurück. Motiviert und beeindruckt durch die landschaftliche Schönheit und deren Wildreichtum, ließ er 1660 die Wiederherstellung des Schlosses in Angriff nehmen, die 1670 zu einem ersten Abschluß geführt wurde; seit 1671 wurde für längere Zeit "Hof" in Potsdam gehalten. Beeinflußt von Holland wollte Kurfürst Friedrich Wilhelm aus dem Potsdamer Gebiet einen großen "Frucht- und Ziergarten" machen (Vorbild für Obst-, Gemüse- und Weinbau im ganzen Land), angereichert mit Werken der Baukunst. Zwischen 1660 und 1664 wurden daher die sich im Besitz adliger Familien befindlichen Dörfer Bornim, Bornstedt, Geltow, Golm, Grube, Drewitz und Glienicke vom Kurfürsten angekauft und zur "Herrschaft Potsdam" vereinigt. "Lustschlösser" mit Gartenanlagen entstanden in Bornim (1664), Caputh (1673) und Glienicke (1680). Mittelpunkt seiner bevorzugten Residenz aber wurde das Stadtschloß in Potsdam. Die frühesten Kupferstiche von Potsdam zeigen einen Schloßbau mit Gartenanlagen im holländischen Stil. Offensichtlich war schon nach kurzer Zeit erkennbar, daß der Bau für die Hofhaltung nicht ausreichte, denn eine Erweiterung erfolgte im Zeitraum 1679 bis 1682. Im Zusammenhang damit entstand 1685 das "Pomeranzen Haus" (Orangerie), im 18. Jahrhundert zum Marstall umgebaut. Der Schloßkomplex hatte im Zentrum der Stadt damit eine beherrschende Stellung erreicht.
Die "Insel Potsdam" erhielt bessere Zugänge. So erfolgte eine Erneuerung der Langen Brücke 1662 bis 1664, 1674 entstand eine Brücke bei Baumgartenbrück, 1682 die Brücke bei Nedlitz, um 1683 eine bei Glienicke. Als Kurfürst Friedrich Wilhelm im Potsdamer Stadtschloß am 29. April 1688 starb, waren die wüsten Bürgerstellen zum Teil wieder besetzt, einige neue Häuser waren entstanden, vor allem war durch das Hinausrücken des Stadtgrabens Platz für eine Stadterweiterung geschaffen, welche die spätere städtebauliche Entwicklung beeinflussen sollte. Die Anlage der Allee nach dem "Pannenberg" zeichnete die zukünftige Vereinigung mit dem Siedlungsgebiet "Kiez" bereits ab. Anstelle der frühdeutschen Burg war ein beeindruckender Schloßbau entstanden, an den sich das "Städtchen" als unscheinbares Beiwerk anlehnte. Potsdam war neben der Hauptstadt und Hauptresidenz Berlin damit Ende des 17. Jahrhunderts im Zuge des weiteren Ausbaus des brandenburgisch-preußischen Staates zu einem politischen Machtzentrum in wesentlichen Zügen herangewachsen. Die eigenartige Infrastruktur der Residenz-, Soldaten und Beamtenstadt belegt die fast völlige wirtschaftliche Abhängigkeit von Hof und Armee, wesentliche soziale Wurzel des "Geistes von Potsdam". Die ehemalige Kleinstadt mit überkommenem, gering entwickeltem Handwerk und Handel bildete im 19. Jahrhundert ein differenziertes Dienstleistungsgewerbe aus. Die städtebauliche Entwicklung ihrer Residenz haben die Hohenzollern mit unterschiedlicher Intensität gefördert. Abschnitten großer Aktivitäten (1664 bis 1682, 1721 bis 1742, 1744 bis 1770, 1820 bis 1860) standen Perioden des Verfalls und der Stagnation gegenüber. Die erhaltenen Baudenkmale des historischen Altstadtensembles, die großartigen Schlösser- und Gärtenkomplexe sowie Zeugnisse landschaftsgestaltenden Einflusses zeichnen bis heute charakteristische Züge Potsdams. Hochbegabte und bedeutende europäische und deutsche Baumeister, Handwerker und Gartengestalter schufen bleibende Leistungen der Weltkultur. Im "Versailles des Nordens" wirkten und weilten berühmte Wissenschaftler, Künstler, Philosophen und andere Persönlichkeiten.
Ein Festsaal und ein Porzellankabinett wurden eingerichtet. Vollendet wurden diese Arbeiten nach 1689 unter Kurfürst Friedrich III. für dessen zweite Frau. Doch da die Kurfürstin das neue Schloß Lietzenburg bevorzugte, verlor das Schlößchen an Bedeutung. Erst 1678 erwarb Kurfürst Friedrich Wilhelm das Gebiet zwischen Griebnitzsee und Havel. Der Bau des Schlosses Klein Glienicke begann um 1682. Baumeister war wahrscheinlich Charles Philippe Dieussart (gestorben 1696). Ein Garten und vier Teiche wurden angelegt, und ein Wassergraben umgab das Schloß. Auch Weinberge und ein großer Baumgarten mit 5000 Bäumen gehörten zur Anlage. Unter Friedrich Wilhelm I. verfielen auch hier Garten und Weinberge. Das Schloß wurde 1715 zum Lazarett "und im Jahre 1758 vom König dem Potsdamschen Juden Joel zu einer Tapetenmanufaktur erb und eigenthümlich geschenkt". Die Edikte von 1661, 1667 und 1679 hatten die Einwanderung von Niederländern gefördert. 1671 gewährte der Kurfürst gegen einen Schutzzoll (,‚Schutzjuden") ersten jüdischen Familien wieder Aufnahme in seinen Landen. 1683 wurde im Golmer Luch für Schweizer Kalvinisten das Kolonistendorf Nattwerder (heute Ortsteil von Grube) angelegt. Von ursprünglich 17 angeworbenen Familien kamen schließlich 1685 nur vier an (,‚Vierhäuser"), 1713 zog der "Soldatenkönig" wieder Katholiken ins Land. Nach der Aufhebung des Ediktes von Nantes (1598) durch Ludwig XIV. von Frankreich im Oktober 1685, das bisher den Hugenotten freie Ausübung ihres reformierten Glaubens und Schutz garantiert hatte, ergoß sich ein riesiger Flüchtlingsstrom in alle Länder Europas. In Konkurrenz zu anderen protestantischen Staaten erließ Friedrich Wilhelm von Brandenburg am 8. November 1685 das bedeutungsvolle "Edikt von Potsdam" (im Stadtschloß). Durch das Edikt kamen etwa 20000 Refugiés nach Brandenburg-Preußen. Die kurfürstlichen Kommissare v. Diest, Romswinkel, v. Gericke, Merian und Lely wurden beauftragt, die Flüchtlinge zu empfangen, auszustatten und von den Sammelpunkten Amsterdam, Frankfurt (Main) und Köln in die brandenburgischen Lande zu dirigieren. Am 10. Januar 1686 stellte Joachim Ernst v. Grumbkow (1637—1690), Chef des allmächtigen Generalkriegskommissariats, der Zentralbehörde, die das gesamte Wirtschaftsleben leitete, dem Kurfürsten in Berlin die ersten 15 Refugiés vor. Die Einwanderung der durch Versprechungen und Privilegien angelockten Flüchtlinge, von denen zunächst nur wenige nach Potsdam kamen, beschleunigte die Manufakturentwicklung (rund 40 neue Gewerbezweige), brachte Kapital ins Land und befruchtete außerordentlich das geistig-kulturelle Leben.
Die fast 15jährige Tätigkeit des geheimnisumwitterten Johann Kunckel (zwischen 1630/38—1703) in Potsdam ist ein interessantes Kapitel in der Geschichte des europäischen Glases. Durch den hochbegabten Glastechniker wurde die Stadt erstmals in das Feld der Wissenschaften und Technik eingeführt. Im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts entstanden auch in und um Potsdam u. a. eine Seiden-, Damast- und Fayencemanufaktur. Sie alle überragte an Bedeutung die um 1650 gegründete Spiegelglashütte auf dem "Hakendamm" (Standort Nähe "Übergang", Friedrich-Engels-Straße). Johann Kunckel, Sohn eines Glashüttenbesitzers aus Hütten bei Rendsburg, kam 1678 durch Vermittlung des kurfürstlichen Leibarztes Dr. Mentzel nach Berlin, nachdem er bis 1677 in kursächsischen Diensten gestanden hatte. Für die barocke Prunkentfaltung des kurbrandenburgischen Hofes war der durch Erfindung des Phosphorsteins und gelehrte chemische Schriften bereits bekannte Alchemist eine wichtige Figur. Am 2. August 1678 gestattete ihm Friedrich Wilhelm von Brandenburg erste Kristallglas-Versuche in der um 1674 gegründeten Spiegelglashütte im nahen Drewitz und am 7./17. Juli 1679 erhielt er einen dreijährigen "Arrende-Kontrakt" für die Hütte, die der kühl kalkulierende Geschäftsmann bald zum Hakendamm verlegte. 1678 führte er hier erstmals im großen Stil das Verfahren zur Herstellung von Goldrubinglas in die Praxis ein. Mit seinem Geschäftspartner, dem Hüttenpächter Jobst Ludewig, erhielt er am 9. Dezember 1679 ein kurfürstliches Privileg (Monopol) für den Verkauf von Kristall- und Schockglas in der Kurmark. Potsdam trat damit unter Kunckel die Nachfolge der Manufakturen von Grimnitz und Marienwalde an und wurde in der Folgezeit zur bedeutendsten brandenburgischen Glasbütte. Die prachtvollen, mit hervorragendem Schnittdekor versehenen Kristall-Pokale, -Gläser, -Becher und -Kannen fanden reißenden Absatz. Kunckel entwickelte durch verbesserte Produktionsmethoden die Hütte zu einem leistungsfähigen Unternehmen und schuf hochwertige Glassorten und Farbgläser.
Am 27. Oktober 1685 schenkte ihm der Kurfürst die Pfaueninsel ("Pfauenwerder") mit allen Rechten, um "... neben dem schönsten Cristall allerhand rare Gläser zu Unserem sonderbahren gnädigsten Gefallen, wie wol mit nicht geringen Kosten..." zu " präparieren". Die neue Glashütte wurde am nordöstlichen Ufer errichtet. 1686 kam noch das Kladower Schulzengericht hinzu, nachdem schon sein Sohn Albrecht zum Verwalter der kurfürstlichen "Kunst- und Naturalienkammer" ernannt worden war. Potsdam wird Königliche ResidenzIm März 1701 hielt König Friedrich I. glanzvollen Einzug in Potsdam, das sich unter seiner Herrschaft kaum entwickelte, davor allem der repräsentative Ausbau der Hauptstadt Berlin und seiner Lieblingsresidenz Oranienburg sein Hauptinteresse fand. Schloß und Amt Potsdam sowie Caputh waren 1688 seiner Stiefmutter, der Kurfürstin Dorothea, zugefallen. Erst nach ihrem Tode erwarb er beides am 7. Juni 1690 für 160 000 Taler. So fand in Potsdam, neben der weiteren Ausgestaltung einiger Schloßräume, die "Rangerhöhung" ihren Ausdruck nur durch den Bau des "Fortuna-Portals" (Jean de Bodt 1701). Die zahlreichen Hoffeste standen in krassem Gegensatz zu den ärmlichen Verhältnissen in der Stadt, deren Einwohnerzahl von 1688 bis 1713 nahezu unverändert blieb (rund 1500, etwa 200 Häuser). Nur zwei Straßen (Friedrich-, Französische Straße) mit einigen wenigen Häusern (Friedrichstadt) wurden nördlich des Stadtkanals angelegt und u. a. eine direkte Verbindung zur Glienicker Brücke 1693 (Berliner Straße) geschaffen. Vor dem Hintergrund des "Nordischen Krieges" (1700/21) fand in Potsdam das "Dreikönigstreffen" (2. bis 9. Juli 1709) zwischen dem Preußenkönig, Friedrich IV. von Dänemark und "August dem Starken", Kurfürst von Sachsen, seit 1697 König von Polen, statt. Zwar blieb ihr gegen Schweden gerichtetes Freundschafts- und Neutralitätsbündnis ohne wesentliche politische Ergebnisse, dafür zählten glanzvolle Festlichkeiten, Jagden sowie eine Havelfahrt mit der berühmten Prunkyacht "Liburnica" am 8. Juli nach Caputh zu den Höhepunkten. Nach dem Tode Friedrichs I. in Preußen (25. Februar 1713) trat der 24jährige Friedrich Wilhelm I., am 14. August 1688 als einziger Sohn des ersten Preußenkönigs in Berlin geboren, ein schweres Erbe an. Er soll für seine Krönung genau 2547 Taler und 9 Pfennige ausgegeben und erklärt haben, dies sei die letzte Verschwendung, die er noch dulde. Mit ihm begann ein neues, entscheidendes Kapitel in der Geschichte Potsdams.
Die Soldaten wurden zunächst in Bürgerquartieren der Altstadt untergebracht, aber gleichzeitig begann nach persönlichen Plänen des Königs in mehreren Etappen bis 1742 die bislang bedeutendste flächenmäßige und bauliche Entwicklung der Stadt, deren Gesamteinwohnerzahl von etwa 1.500 im Jahre 1713 (220 Häuser) auf 11.708 bis 1740 (1154 Häuser) stieg. 1740 lagen in Potsdam fast 3500 Soldaten. Zahlreiche alte Häuser wurden abgerissen, wüste Stellen bebaut, sumpfiges Gelände trockengelegt und der Stadtkanal 1722 als Transportweg begradigt — eine gewaltige ingenieurtechnische Leistung dieser Zeit mit sparsamsten Mitteln. Plätze entstanden und lange, breite, wie auf dem Schachbrett gezogene Viertel und Straßen; Häuser in Reihe und Glied wie Soldaten. Drei neue Kirchen (Heiligengeistkirche 1726/34, Nikolaikirche 1721/24, Garnisonkirche 1730/35) bestimmten von nun an die markante Stadtsilhouette. "Da der König entschlossen war, mehrere Soldaten um sich zu haben, und unter dessen eigener Aufsicht eine Kriegspflanzschule allhier anzulegen; so war es auch nothwendig, die Stadt zu vergrößern, und hierzu ward nicht allein ein Plan entworfen, sondern auch alle dienliche Anstalten zu Herbeischaffung der erforderlichen Baumaterialien getroffen." Mit diesen Sätzen beschreibt der bekannte Potsdamer Baumeister Heinrich Ludwig Manger im Jahre 1789 die unmittelbar nach dem Machtantritt folgende Zeit des "Soldatenkönigs". Zu den allerersten Baumaßnahmen gehörte die Errichtung eines "Lusthauses" nach holländischer Art, eine "halbe Meile" von der Stadt entfernt, wo die durch den Wald geschlagenen Wege auf einen Punkt zusammenliefen: den "Stern". Die Potsdam umgebenden teilweise breiten und oft auch tiefen Sumpfgebiete hatten bis zum Jahre 1713 die bauliche Entwicklung der kleinen Stadt gehemmt. Ein unregelmäßig verlaufender Graben begrenzte das bebaute Gebiet nach Westen und Norden. Eine neu errichtete Mauer grenzte das abgesteckte Territorium ein. Dieses wurde fortan als "Neustadt" bezeichnet (im Gegensatz zu der innerhalb des Grabens liegenden "Altstadt"). Die "Neustädter" Havelbucht erinnert noch heute an diese Entwicklung.
Größte Schwierigkeiten bereitete die Trockenlegung des Sumpfgebietes des "Faulen Sees". Erst im Jahre 1730 konnten auf diesem zu einer "Plantage" umgewandelten Sumpf Bäume gepflanzt werden (Platz der Einheit). Auch die an den Platzseiten errichteten Häuser standen auf zahlreichen Pfählen. Folgende größere Bauten entstanden nach 1721: die Stadtkirche St. Nikolai am Alten Markt, die Hof- und Garnisonkirche in der Breiten Straße, die Heiligengeistkirche in der Burgstraße, Gebäude für die Gewehrfabrik (heute: Dortustraße/ Henning-von-Tresckow-Straße, der erste Bau des Großen Militärwaisenhauses (heute: Dortustraße, Spornstraße, Lindenstraße, Breite-Straße) sowie ein Rathaus mit einer "steinernen Vorderseite" (das übrige Fachwerk) und ein "neues Landschaftshaus" in der Breiten Straße. Im Jahre 1732 beschloß der König die notwendige Erweiterung der "Neustadt". Den Grundstein für die neue Stadtmauer legte Friedrich Wilhelm 1. selbst. Die Schopenhauerstraße — Hegelallee — Kurfürstenstraße — Hebbelstraße — Berliner Straße umgrenzten nun das damals abgesteckte Gebiet der sogenannten zweiten Stadterweiterung. Die hier entstandenen Häuser hatten im wesentlichen ein bestimmtes Muster: zwei Stockwerke mit je fünf Fenstern, darüber eine ausgebaute Giebelstube. An größeren repräsentativen Gebäuden errichtete man allerdings nur die "Große Stadtschule" und das Kommandantenhaus (später Amtsgericht). Mitte der dreißiger Jahre des 18. Jahrhunderts begann die Erbauung der ersten Häuser im Holländischen Viertel. Die letzten dieser Häuser wurden erst nach dem Regierungswechsel 1740 fertiggestellt. Die überkommene, spärliche spätmittelalterliche Wirtschaftsstruktur hatte sich nur geringfügig unter den folgenden Hohenzollernherrschern entwickelt. Friedrich Wilhelm I. ordnete den wirtschaftlichen Aufstieg seiner Lieblingsresidenz in die allgemeinen Linien seiner Politik ein. Optisch trat zwar der Schloßkomplex gegenüber der sich rasch vergrößernden Stadt etwas zurück, die allseitige Abhängigkeit von Hof und Armee verstärkte sich ins Gewaltige; das Schicksal der Garnisonstadt und ihrer 12000 Bürger verknüpfte sich von nun an mit der Armee: Handel und Gewerbe wurden völlig auf die Bedürfnisse des Militärs ausgerichtet.
Die Zahl der Braugerechtsame stieg von 1720 bis 1738 um weitere 75 Stätten (1770 existierten noch 150). Die Krugwirtschaften der umliegenden Dörfer hatten ihr Bier aus Potsdam zu beziehen. Dennoch blieben die ärmlichen finanziellen Verhältnisse Potsdams, das erst 1730 durch Friedrich Wilhelm I. aus der Reihe der kleinen Städte ausgeschieden und unter die Hauptstädte gerechnet wurde. Die Städte der ganzen Monarchie hatten in einer Zwangskollekte für Potsdams Kämmereivermögen aufzukommen - So kamen 1733 rund 78.000 Taler für den Ankauf des Rittergutes Falkenrehde zusammen. Zahlreiche Patente warben um die Einwanderung fähiger Facharbeiter und Unternehmer. Auch die Religionsflüchtlinge kamen im allgemeinen aus Staaten, in denen die Produktion fortgeschritten war (Einführung neuer Gewerbe). Um diese seßhaft zu machen, wurden ihnen zahlreiche Privilegien (so das "Edit du roi" 1731 der französischen Kolonie) gewährt. Bürgerliche Unternehmer (,‚Entrepreneurs") etablierten auch in Potsdam bald Manufakturen. Das Berliner Bank- und Handelshaus der preußischen Könige David Splitgerber (1683—1764) und Gottfried A. Daum (1679—1743) begründete mit königlicher Förderung (Vertrag vom 31. März 1722) am Stadtkanal eine "Gewehrfabrique", die bereits am 12. Juni 1723 die ersten 400 Gewehre auslieferte. Die Büchsenmacher wurden durch Daum in Lüttich und Solingen mit vielen Versprechungen angeworben. 1730 arbeiteten in Potsdam 200 und in der Filiale Spandau 52 Facharbeiter. Die Lieferanten der preußischen Armee konnten bald zum Export übergehen. Dazu kamen die zentralisierten Manufakturen des "Schutzjuden" David Hirsch (1730), von Ephraim u. Söhne (1745), Isaac Levin Joel (1746) u. a. Die Belebung bezeugen auch die erste Samtmanufaktur (1728), die erste Tabakfabrik in Preußen der Gebrüder Samuel und Pierre Schock (1730) und eine Fayencemanufaktur der Gebr. Rewendt (1737). Potsdam konnte einen namhaften Anteil an der märkischen Textilindustrie erwerben. Die wirtschaftliche Entwicklung Potsdams erfuhr unter Friedrich Wilhelm I. von Preußen kräftige und belebende Impulse. Seit seiner Regierungszeit verstärkte sich die Verflechtung mit dem nahen Berlin. Trotz deutlichen Aufschwungs des Manufakturwesens blieben eine verbreitete Hausindustrie und der gewerbliche Kleinbetrieb allgemein typisch.
Aufgrund der erstaunlichen Bauleistungen der Jahre zwischen 1720 und 1740 konnten mehr und mehr Soldaten aus anderen Standorten nach Potsdam verlegt werden. Im April 1738 wurde das ganze dritte Bataillon auf einmal aus Brandenburg nach Potsdam verlegt. 2733 Soldaten und 751 "Unrangierte" zählte man zu dieser Zeit und das bei einer Einwohnerzahl, die nur knapp über 8000 lag. Jeder vierte Mensch in Potsdam trug den "bunten Rock" des Königs. Die Soldaten kamen aus den verschiedenen Gebieten und Staaten. Freiwillig waren die allerwenigsten in die preußische Armee gelangt. Oft mit List, Gewalt und Versprechungen nach Potsdam verschleppt, fanden sich viele der "langen Kerls" plötzlich im blauen Rock des Bataillons der "Unrangierten" wieder, aus dem sie dann später in "das lange Potsdamsche Grenadier- oder Königs-Regiment" (Garde) eingereiht wurden. Dasselbe sollte, wie das Wort Garde besagt, dem unmittelbaren Schutz für die "geheiligte" Person des Monarchen dienen, gleichzeitig aber Muster und Vorbild für die ganze Armee sein. Seiner Vorliebe für "lange Kerls" folgend, scheute der König weder Gewalt noch Geld, um die größten Leute aus dem In- und Ausland zu bekommen. 12 Millionen Taler soll er dafür ausgegeben haben. Der preußische Gesandte in London beispielsweise "deklarierte" lange Männer als "Statuen" oder "Gemälde" für die überhaupt nicht existierende Kunstsammlung des preußischen Königs, um die englischen Behörden zu täuschen. Es gab ernsthafte diplomatische Auseinandersetzungen, nicht nur mit England. Für "lange Kerls" bildete sich durch die Praxis nach und nach eine förmliche Taxe. Der gewöhnliche Preis des Handgeldes eines "fünf Fuß zehn Zoll" (Rheinländ. Maß) großen Mannes waren 700 Taler. Einer von "sechs Fuß" (1 Fuß = 31,4cm) wurde mit 1000 Talern bezahlt. Der teuerste aller "langen Kerls" soll der Irländer James Kirkland gewesen sein. Für ihn soll der König fast 9000 Taler gezahlt haben.
Auch wenn im Ausland die "Spielerei" Friedrich Wilhelms I. oft belächelt wurde, es gilt festzuhalten, daß die Potsdamer Garde zum Lehrregiment der preußischen Armee und Potsdam zur "Pflanzschule der Armee" wurden. Im Jahre 1722 eröffnete der König das Militärwaisenhaus. Die Anregung zur Gründung bekam Friedrich Wilhelm I. durch seine Besuche 1713 und 1720 in den "Franckeschen Stiftungen" in Halle (1698 gegründet). Das Potsdamer Waisenhaus erhielt seinen Hauptstandort zwischen den heutigen Straßen Linden-, Sporn-, Dortu- und Breiten-Straße. Hier entstanden 1724 das Knabenhaus und im Laufe der nächsten Jahre weitere Einrichtungen. In der Heilig-Geist-Straße wurde 1725 ein Waisenhaus für Mädchen gebaut. Bereits das zu frühe Beziehen der noch feuchten Bauten führte zu epidemieartigen Erkrankungen, an denen viele Kinder starben. Zur Führung des Waisenhauses erließ Friedrich Wilhelm I. ein "Generalreglement", das alle Angelegenheiten und den Tagesablauf straff regelte. Neben einem spärlichen Unterricht, der aus Katechismus, Lesen, Rechnen und Schreiben bestand, hatten die Kinder vor allem zu arbeiten. Dazu hatte man einen Spinn- und einen Strickmeister angestellt. Unter ihrer Anleitung mußten die Knaben Wolle spinnen und Strümpfe für Auftraggeber (z. B. das Berliner Lagerhaus) stricken. Darüber hinaus wurden Zöglinge in die Potsdamer Manufakturen geschickt. In der benachbarten Gewehrmanufaktur Daum und Splitgerber mußten zeitweilig 50 bis 60 Kinder täglich 10 Stunden arbeiten. Ältere Knaben kamen als "Lehrlinge" zu Potsdamer Handwerksmeistern. Unter Friedrich II. von Preußen erhielt das Waisenhaus ein repräsentativeres Aussehen (Gontard 1771/77), doch die bisher ohnehin mangelhafte Erziehung trat nun völlig in den Hintergrund. Nach dem Siebenjährigen Krieg beherbergte das Waisenhaus schließlich 2000 Knaben und 500 Mädchen. |
Potsdam zur Zeit Friedrichs des GroßenEs hatte rund 200 Jahre nach der ersten urkundlichen Erwähnung gedauert, bis schließlich ein "Stedeken" entstanden war, und abermals 500 Jahre, bis dieses "Poztamp" zur Residenz des emporstrebenden brandenburgisch-preußischen Staates erhoben wurde. In nur 27 Jahren wurde Potsdam zur zweitgrößten preußischen Stadt hinter Berlin. Unter dem zweiten Preußenkönig war aus dem bescheidenen märkischen Städtchen das "Herz der Militärmonarchie" mit immerhin 11.708 Einwohnern geworden.
Der "roi philosophe" prägte wie sein Vorgänger für Jahrhunderte entscheidend das Antlitz Potsdams, wo er seit 1745 fast ständig Aufenthalt nahm. Die Stadt, für deren Ausbau er über 10,5 Millionen Taler ausgegeben haben soll, wurde nach seinen persönlichen Vorstellungen zu einer Residenz europäischen Ranges mit ihren 18.503 Einwohnern im Jahre 1786 (ohne Militär). Unter der Oberleitung Knobelsdorffs, Gontards (seit 1764), Ungers und Mangers schufen bedeutende Baumeister vor allem nach 1763 prunkhafte Ensembles und Gebäude, die trotz des Einfließens mannigfaltiger Quellen einen insgesamt einheitlichen und geschlossenen Eindruck vermittelten. Der repräsentative Ausbau begann mit dem barocken Umbau des Stadtschlosses (1744/52), der königlichen Winterresidenz, und des Ensembles des Alten Marktes. Erlebbare Zeugnisse der einstigen Schloßumgebung sind der Marstall (1746), die eh. Kommandantur (1752), die Häuser am Neuen Markt, in der Schloßstraße und die Kopfbauten in der Breiten-Straße (bis 1751). Die reglementierende Einwirkung des Monarchen auf alle kommunalen Belange blieb. Mit einem "consul dirigens" an der Spitze wurde die Rolle des Polizeidirektoriums weiter gestärkt. Ausdruck der Militär- und Garnisonstadt, deren bebaute Fläche (rund 142 ha) sich nicht mehr wesentlich erweiterte, waren daneben 139 Kasernen, Lazarette und andere Militäreinrichtungen (1774). 1769 kamen auf etwa 17000 Einwohner rund 8000 Militärpersonen und Hofangestellte. Die völlige Abhängigkeit von Armee und Hof kennzeichnet die Tatsache, daß in Kriegszeiten, wo die Garnison mit ihrer monatlichen Konsumtionskraft von immerhin 30.000 Talern fehlte, wirtschaftliche Stagnation eintrat. Nach der Quartierrolle von 1750 (die Naturaleinquartierung wurde erst 1787 aufgehoben) lagen 4630 Mann in 1083 Bürgerquartieren und 856 "Beweibte" in den Kasernen. Als nach dem Dreißigjährigen Krieg Potsdam während des Siebenjährigen Krieges zum ersten Male wieder durch österreichische Besetzung von Kriegswirren überzogen wurde (10.—14. Oktober 1760) und Feldmarschall-Leutenant Graf Esterhazy der Stadt eine Kontribution von 60.000 Talern auferlegte, wandte man sich hilfesuchend an Friedrich II., der jedoch ablehnte.
Ein Beispiel dafür war das große Prediger- und Schulhaus (1752 erbaut) an der Ostseite des Marktes (hinter der Nikolaikirche), eine Kopie der Fassade des Palazzo della Consulta in Rom. Gleichfalls nach Vorgaben des Königs baute Carl von Gontard im Jahre 1771 den Palast Barberini, der den Abschluß des Marktplatzes nach der Havelseite bilden sollte. Der Mittelbau war dem Palazzo Barberini frei nachgestaltet, die Seitenteile nach dem Vorbild des Palazzo Borghese. Bereits 1752 bis 1754 wurde eine Schaufassade (nach der Kirche Mario Maggiore in Rom) vor dem südlichen, dem Platz zugewandten Teil der Nikolaikirche errichtet. Der Entwurf dazu soll von Knobelsdorff stammen. Der den Mittelpunkt des Alten Marktes bestimmende Obelisk entstand in den Jahren 1753 bis 1755 nach einer Zeichnung dieses bedeutenden Baumeisters. Ein Marktplatz wird nicht nur von einem Kirchenbau, sondern auch vom Rathaus bestimmt. Das Potsdamer, das vierte seit dem Mittelalter, errichtete Johann Boumann in den Jahren 1753 bis 1755 nach einem nicht verwirklichten Entwurf Andrea Palladios (1508—1580) für den Palazzo Angarano in Vincenza (Italien). Schon im Jahre 1701 hatte das Stadtschloß bekanntlich einen wirkungsvollen Abschluß zur Marktseite mit dem von Jean de Bodt (1 670-1745) errichteten und mit einer Fortuna gekrönten Kuppelbau erhalten. Das gesamte Stadtschloß erhielt innerhalb einer achtjährigen Bauzeit (1744—1752) nunmehr seine endgültige, repräsentative Gestaltung, maßgeblich bestimmt durch Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff. Eine einheitliche architektonische Gliederung, ein reicher plastischer Schmuck und nicht zuletzt eine auffällige Farbigkeit machten diesen Bau zu einer herausragenden Anlage im Zentrum der Altstadt. Die übrigen Seiten des Alten Marktes begrenzten meist drei- und viergeschossige Bürgerhäuser, erbaut in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Vor allem aber wurde Potsdam mit einem Kranz von Schlössern und Parks umgeben, die den Reiz der Havellandschaft nutzten und der Stadt fortan ihre baukünstlerische Eigenart und kulturhistorische Bedeutung als "Versailles des Nordens" verliehen. 1744 begonnen und bis in die 70er Jahre fortgeführt (Neues Palais als zweite Sommerresidenz 1763/69), entstand ein großartiges Ensemble mit Sanssouci als Kernstück. Ausgangspunkt war der "wüste Berg" vor dem Brandenburger Tor, den Baudirektor Diterichs terrassierte und zu einem Weinberg umgestaltete. Das Weinbergschloß (Grundsteinlegung 14. April 1745) wurde zum Hauptwerk Georg W. v. Knobelsdorffs. Zu einem einmaligen Ensemble von Weltrang fügen sich die Schlösser von Sanssouci mit ihren Gärten und Parks zusammen. Während der Regierungszeit Friedrichs II. entstanden hier die Hauptleistungen des "Potsdamer Rokoko" mit dem Auftakt des Schlosses auf dem Weinberg bis zum Ausklang durch den gewaltigen Baukomplex des Neuen Palais mit den Communs.
Nach einer Skizze Friedrichs II. entstanden die Entwürfe des genialen Baumeisters Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff (1699—1753), die Ausführung in den Jahren 1745/47 lag in den Händen von Diterichs und Boumann. Der eingeschossige breitgelagerte Bau mit 13 Räumen (2 Säle, Kleine Galerie, im östlichen Teil die Wohnung des Königs, westlich Gästezimrner) empfängt seine Besucher im Ehrenhof mit weit im Halbkreis schwingenden Kolonnaden und einer zurückhaltend-strengen Eingangsfront. Zur Parkseite lebt die Fassade durch sinnenfrohe Bacchanten-Paare, die als Karyatiden ihr Spiel treiben. Die heiteren Figuren von barocker Kraft und Bewegung schuf nach Entwürfen Knobelsdorffs Friedrich Christian Glume (171 1—1778), der auch im Schloßinneren, wie an Potsdamer Bürgerhäusern, den plastischen Schmuck gestaltete. Die auf die individuellen Ansprüche Friedrichs II. zugeschnittenen Innenräume sind von erlesenem Geschmack und vereirien unter Knobelsdorffs Leitung die besten Maler, Bildhauer, Dekorateure und Stukkateure wie Pesne, Nahl und die Brüder Hoppenhaupt. Westlich und östlich begleiten das Schloß auf dem abfallenden Hügelgelände zwei wie der Hauptbau eingeschossige, sich sinnvoll den natürlichen Gegebenheiten der Landschaft anpassende Gebäude. Zur linken Seite wurden die Neuen Kammern, 1747 nach Entwürfen Knobelsdorffs als Orangerie errichtet, 25 Jahre später von Georg Christian Unger zum Gästehaus umgestaltet, nachdem sich der Westflügel des Schlosses Sanssouci mit nur 5 Gästezimmern als nicht ausreichend erwiesen hatte. Festliche Säle unterschiedlicher Farbklänge und Kavalierswohnungen befinden sich im Inneren. Das östliche Pendant zu den Neuen Kammern bildet die Bildergalerie, 1755/63 von Johann Gottfried Büring errichtet und damit ältester erhaltener deutscher Museumsbau. Die kleine Galerie im Schloß reichte nach wenigen Jahren nicht mehr aus, die Ergebnisse der Sammelleidenschaft des Königs aufzunehmen. Der langgestreckte eingeschossige Bau beherbergt in seinem überaus festlichen, lichterfüllten Innenraum vor allem Werke der flämischen und italienischen Barockmalerei. Die zwei Kilometer lange Hauptallee von Sanssouci führt parallel zu den Fronten von Bildergalerie, Schloß und Neuen Kammern vom Obeliskportal bis zum Neuen Palais und erweitert sich jeweils in Verlängerung der Hauptachsen der Gebäude zu einem Rondell. Das Parterre vor der Bildergalerie wurde nach der Hollandreise Friedrichs II. wohl schon 1755 im Stil holländischer Ziergärten geplant, jedoch erst nach dem Siebenjährigen Krieg 1764/66 ausgeführt. Laubengänge und Hecken faßten ehemals Kirschgartenquartiere ein, heute befinden sich Grünflächen an ihrer Stelle. Grottierte, skulpturengeschmückte Terrassen markieren das Gelände.
Im Jahre 1750 erteilte König Friedrich II. den Befehl, eine Weberkolonie auf einer Sandscholle vor dem Teltower Tor anzulegen. Das Gelände gehörte zur königlichen Forst und war von der Feldmark Neuendorfs umschlossen. Die Oberaufsicht bei der Anlage des Ortes und der Werbung der Kolonisten übertrug er dem Potsdamer Stadtkommandanten General Wolf Friedrich von Retzow. 1752 gab es in der Ortschaft schon 100 Häuser, in denen vorwiegend böhmische Spinner und Weber wohnten, die ihre Heimat meist wegen ihres Glaubens verlassen hatten. Die Mehrzahl arbeitete für Berliner und Potsdamer Verleger, d. h. ‚ sie erhielten Garn zur Verarbeitung und lieferten die gewebten Stoffe gegen Bezahlung ab. Zuerst angelegte Straßen waren die Alte Lindenstraße (jetzt Rudolf-Breitscheid- und Benzstraße), die Priesterstraße (jetzt Karl-Liebknecht-Straße) und die Wallstraße (heute Karl-Gruhl-Straße). Damit bildete sich um den Kirchplatz (Weberplatz) ein dreieckiges Ortszentrum. Zu jedem der eingeschossig erbauten 2-Familien-Häuser gehörten 1/8 bis 1/4 ha Gartenland. Nach dem Siebenjährigen Krieg wurden vorwiegend Bauhandwerker aus der Schweiz, aus Württemberg und Nassau angeworben und in der für sie erbauten Neuen Lindenstraße (heute Alt Nowawes) angesiedelt. 1780 lebten bereits 1500 Menschen im Ort. Damit wurde Nowawes (tschechische Bezeichnung für "Neuendorf") ebenso wie die Weberkolonien Kloster Zinna, Friedrichshagen und Philippsthal zum typischen Beispiel hohenzollernscher Siedlungspolitik. Die noch bestehende Schollengebundenheit der Bauern, der Zunftzwang der Handwerker, insbesondere aber die dünne Besiedlung des Landes machten die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte für die Manufakturarbeit notwendig. Neuendorf (1375 erstmalig erwähnt) und Nowawes vereinigten sich 1907 zur Landgemeinde Nowawes im damaligen Kreis Teltow. Der Ort erhielt am 1. April 1924 das Stadtrecht. Im Jahre 1939 wurde Neubabelsberg eingemeindet, bei gleichzeitiger Umbenennung der gesamten Stadt in Babelsberg. 1939 ging der Ort im Stadtgebiet Potsdam auf. Potsdam unter Friedrich Wilhelm II.In den frühen Morgenstunden des 17. August 1786 starb in Sanssouci Friedrich II. von Preußen. Der 41jährige Thronfolger, Sohn des Prinzen August Wilhelm (1722—1758) und Neffe des kinderlosen Königs, übernahm die Regierungsgeschäfte.
der Anlage einer Sommerresidenz inmitten weiter Parkanlagen im Norden der Stadt. Bereits als Kronprinz hatte der "dicke Wilhelm" 1783 das Gelände am Heiligen See vom Weingutbesitzer Punschel für 3300 Taler erworben. Die Hinwendung Friedrich Wilhelms II. zu geistig-künstlerischen Dingen geschah auch unter dem Einfluß des Dessau-Wörlitzer Kunstkreises. Aus Dessau vom Hofe des Fürsten Franz holte Friedrich Wilhelm II. 1786 den Baumeister Friedrich W. v. Erdmannsdorf (1736—1800) für die klassizistische Umgestaltung des friderizianisehen Schlaf- und Arbeitszimmers in Sanssouci und den Gartengestalter Johann A. Eyserbeck d. J. für die Anlage des "neuen Gartens" am Heiligen See. So wurden auch in der Anlage des Neuen Gartens neue Geisteshaltungen und Baugesinnungen wirksam. Toranlage und Nebengebäude an der Hauptallee zum Schloß tragen z. B. in Anlehnung an ältere Potsdamer Bauten noch immer holländischen Charakter (Gontard/Krüger 1789/90). Nach dem abrundenden Kauf einiger privater Gartengrundstücke 1787 wurde das Gelände zu einem romantischen Landschaftspark mit freien Sichten, geschwungenen Wegen, Baumgruppen von auserlesenen Gehölzen, mit aufgeschütteten Hügeln im Nordteil und mit den wie zufällig eingefügten Kleinarchitekturen und Staffagen umgestaltet. Schließlich verleihen die Einbeziehung des Heiligen Sees und die Ausdehnung bis zum Jungfernsee dem Park, der sein einheitliches Gesamtbild schließlich durch Peter J. Lenné in den Jahren 1817 bis 1848 erhalten sollte, seinen besonderen Reiz.
Trotz zügigen Baufortgangs kam es zu Unstimmigkeiten zwischen Bauherrn und Baumeister, und so leitete Carl G. Langhans (1732—1808), 1786 von Friedrich Wilhelm II. aus Breslau nach Berlin berufen, als neuer Direktor des Hofbauamtes 1790/92 den Innenaushau des Mitteltraktes. Auf ihn gehen vermutlich die Pläne der 1797 errichteten Seitenflügel zurück. Für ihren Bau wurden aus Gründen der Zeit- und Geldeinsparung bedenkenlos die Knobelsdorffsehen Marmorkolonnaden im Rehgarten von Sanssouei für einen Unkostenbeitrag von 10.000 Talern abgebrochen. Ihre monolithischen Säulen kamen verkürzt vor den inneren Seitenflügeln zur Aufstellung. Die frühklassizistischen Innenräume waren mit Mobiliar in strengen Formen, das vor klaren, mit Seide bespannten oder mit Edelhölzern furnierten Wandflächen stand, ausgestattet. In unmittelbarer Nähe des Palais wurde noch durch Gontard 1788/90 die Küche als ruinenhafter, halbversunkener Tempel errichtet. Sie ist durch einen unterirdischen Gang mit dem Schloß verbunden. Zu den Wirtschaftsgebäuden gehört auch der nördlich gelegene Eiskeller in Pyramidenform (1791/92 Langhans/Krüger). Auch die folgenden Bauten sind von Langhans entworfen, so die Orangerie (1791/92) mit ägyptisierender östlicher Fassade und reichgestaltetem Konzertsaal in der Mitte des Gebäudes. Der Bibliothek, 1792 bis 1794 am südlichen Rand des Parkes als gotisierender Pavillon gebaut, entsprach im Norden der um 1860 abgerissene Maurische Tempel. Die z. T. in erworbenen Grundstücken erhaltenen Gartenhäuser erhielten entsprechend ihrem Außenanstrich die Namen "Rotes", "Grünes", "Weißes" oder "Braunes Haus". Andere Kleinarchitekturen der Gartenanlage, deren stiller Reiz bis heute spürbar ist, wie das "Schindelhaus", die Grotte am Jungfernsee (1792) und die Eremitage östlich davon sind nicht mehr zugänglich bzw. verschwunden. Das Zeitalter der bürgerlichen Umgestaltung der deutschen Gesellschaft, das mit der Großen Revolution der Franzosen seinen Ausgang nahm, begann für Potsdam mit dem Kampf gegen diese Revolution. Ende Dezember 1792 marschierten die vier Potsdamer Gardebataillone dem Krieg im Westen Deutschlands gegen die französischen Revolutionsheere entgegen. In der gleichen Zeit setzte der lebenslustige preußische König Friedrich Wilhelm II., der Neffe des großen Friedrich, erste Zeichen der bürgerlichen Öffnung.
Die für Preußen allgemein charakteristische Tatsache der Beschäftigung einer bedeutenden Anzahl der Manufakturen für die Zwecke und den Bedarf der Armee läßt sich in Potsdam deutlich feststellen. So arbeiteten im größten Unternehmen der Stadt, der Gewehrfabrik, um 1789 allein 140 der insgesamt 1307 Arbeiter. Im Zusammenhang mit erhöhten militärischen Rüstungen im Vorfeld der Intervention von 1792 stieg die Zahl der in den Potsdamer Manufakturen Beschäftigten bis 1794 auf schließlich 1522 Personen. Aber auch die Zahl des Militärs wuchs weiter an. Im Jahre 1786 setzte sich in Potsdam die Garnison wie folgt zusammen: 1. Erstes Bataillon Leibgarde zu Fuß An der Ecke Charlotten-/Lindenstraße steht noch die alte Hauptwache (1795/97) für das Regiment "Prinz von Preußen". Jährlich fanden im Mai die "Revue" und im September das große repräsentative Herbstmanöver in Potsdam statt, an dem auch Militäreinheiten benachbarter Garnisonen teilnahmen. Die sogenannten Montierungskammern (Rüstkammern) befanden sich "auf den drei Hauptkirchen, über den Hauptwachen" und in dem 1785 neuerbauten Hause am Kanal, das vorher als Komödienhaus diente. Die Stadt war, wie Berlin, von der "Enrollirung" (Militäraushebung) frei, das bedeutete, daß kein geborener Potsdamer Kriegsdienste nehmen mußte. Potsdam blieb auch unter Friedrich Wilhelm II. die erste Garnison in Preußen.
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