|
Das Herzogtum Preußen
Nach dem bei der Bevölkerung das
evanglische Bekenntnis auf fruchtbaren Boden fiel, wagte der Hochmeister
Albrecht von Brandenburg mit Hilfe des polnischen Königs den Ordenstaat
zu säkularisieren und in ein weltliches Herzogtum umzuwandeln. Albrecht
erklärte sich bereit, die polnische Lehnhoheit anzuerkennen und schwor am
10.4.1524 in Krakau den Lehnseid.
Der neue Herzog war 15 Jahre lang Hochmeister des Deutschen
Ordens gewesen. So hat er die vielen segensreichen Errungenschaften
kultureller und wirtschaftlicher Art, die der Orden entwickelt hatte, in
den neuen, weltlichen Staat übernommen und sie, besonders auf geistigem
Gebiete, zu weiterer Blüte gebracht. Man darf auch bei Abrechts
aufrichtiger Frömmigkeit ohne Bedenken sagen, daß seine
Regierungshandlungen in erster Linie religiös begründet waren. Eine
stattliche Zahl von Kirchen und Schulen sind durch ihn errichtet worden. Gottesdienst und
Erziehung blieben in den neuen Dörfern nie unberücksichtigt. Er hat auch
vielfach konfessionell Verfolgte angesiedelt.
|
|
Hzm Preußen |
Der Verwaltungsaufbau beruht ganz auf den bisherigen
Einrichtungen des Ordens. An die Stelle der Großgebietiger traten als
nächste Ratgeber des Herzogs die vier Oberräte: Landhofmeister,
Oberburggraf, Kanzler und Obermarschall. Diesen engeren Rat ergänzten
seit 1542 die Amtshauptleute der vier angesehensten Hauptämter
Brandenburg, Fischhausen, Schaaken und Tapiau. Sie waren alle
Einheimische, während die gelehrten Räte des Hofgerichts bis zur
Gründung der Universität Königsberg von auswärts kamen, wie auch schon
früher zur Ordenszeit. Die Komtureien wurden zu Hauptämtern, denen
mehrere Kammerämter unterstanden, die wie beim Orden von Kämmerern
verwaltet wurden. Mit der Zeit wurden einige Hauptämter bei schwierigen
Finanzlagen des Staates gegen größere Summen erblich ausgeliehen. Das
entsprach den umfangreichen Güterverleihungen an die Söldnerführer nach
1466. Solche verpfändeten Hauptämter waren Gerdauen, Gilgenburg, Dt.
Eylau und Schönberg.
|
Da es nur eine große Stadt, Königsberg,
gab, überwogen von vornherein die Vertreter des Adels, der sich jedoch
nicht zu einem einheitlichen Stand verschmelzen konnte. Es bildeten sich
vielmehr zwei Kurien, die »Herren und Landräte« und »Ritterschaft und
Adel«, als »Oberstände« zusammengefaßt. Unter Adel im engeren Sinne
verstand man den niederen einheimischen, meist stammpreußischen, mit
mittelgroßem Landbesitz. Zur ersten Kurie gehörten die Bischöfe, die
reichsfreiherrlichen Geschlechter, Nachkommen der Söldnerführer, wie die
Dohna, Schlieben, Tettau, Eulenburg, Egloffstein, Truchseß zu Waldburg,
Nostiz, Schenk zu Tautenberg u. a., und die vom Herzog berufenen
Landräte, meist Amtshauptleute. Erst Anfang 17. Jh. wurden die
Freiherren aus der ersten Kurie hinausgedrängt. Es blieben nur die
Landräte, die sich nun auch aus dem niederen Adel ergänzten.
Auf die bedrohliche Lage der Bauernschaft war der
Herzog gleich nach der Säkularisation sehr nachdrücklich hingewiesen
worden, und zwar durch den samländisch-natangischen Bauernaufstand vom
September 1525. Die Schuld lag nicht allein bei Albrecht. Schon zur
Ordenszeit waren die freien Bauern, insbesondere die stammpreußischen
freien Hofbesitzer, die durch ihren Reiterdienst in den langen Kriegen
viel zu oft ihrer Wirtschaft ferngehalten worden waren, fast in die
Notlage der unfreien Bauern abgesunken. Überdies hatte sich bei den
Amtleuten der Mißbrauch eingeschlichen, entgegen den Handfesten auch von
den Freien Scharwerk zu verlangen, weil die Arbeitskräfte knapp geworden
waren. Viele freie Bauern waren schon damals zu Gutsuntertanen geworden.
Deshalb war die Masse der Teilnehmer am Aufstand von
1525 von den wirtschaftlich schwer bedrohten Preußisch Freien gebildet.
Im Grunde loyal gesinnt, wollten sie lediglich demonstrieren und haben
auch keine Ausschreitungen verübt.
Der Herzog war nicht im Lande. Nach seiner beschleunigten
Rückkehr konnte der Herzog wählen, ob er den bäuerlichen Mittelstand
kräftigen oder dem Großgrundbesitz preisgeben wollte. So
entschied sich Albrecht für eine halbe Maßnahme: Die Hinrichtung dreier
Rädelsführer war milde im Vergleich zu den grausamem Urteilen im Reiche;
aber dieses Blut war das einzige, das damals in Preußen geflossen ist. Die Bauern
fühlten sich verraten
und wurden schwankend im Glauben an den Rechtsschutz durch den
Landesherrn. Erst die Bauernbefreiung von 1807 hat Abhilfe geschaffen.
Einstweilen nahm das Bauernlegen seinen Fortgang.
Die Stellung der Stände war recht einflußreich, wenn
auch keineswegs übermächtig. Sie hatten nicht nur die Bewilligung der
Steuern, sondern auch die Verwaltung der einkommenden Gelder. Diese wurden
in drei »Steuerkasten« für die einzelnen Bezirke gesammelt: den
samländischen im Norden, den natangischen im Südosten und den
oberländischen im Südwesten. Darf über stand der »Landkasten« als
selbständige Behörde neben der herzoglichen »Rentkammer«.
Als oberste Kirchenbeamte wurden die Bischöfe, die auf
ihr Territorium verzichtet hatten, bis Ende 16. Jh. beibehalten. Es blieb
bei den zwei Bistümern: Samland für den Norden, Pomesanien für den
Süden.
Die Verweltlichung von 1525 leitete auch eine Blüte
geistiger Kultur ein. Bildung und Kunstpflege waren humanistisch. Der
Gedankenaustausch zwischen Ost- und Westpreußen war rege. In Danzig wurde
der neue Geist nicht weniger gepflegt wie zu Königsberg. Die drei
ermländischen Bischöfe zwischen 1523 und 1551 stammten aus Danzig:
Moritz Ferber, Johannes Dantiscus und Tiedemann Giese. Der große preußische Astronom Nikolaus Copernicus, Thorner
Bürgerssohn und Domherr zu Frauenburg, der die alte Lehre der
Pythagoräer von der Umdrehung der Erde um die Sonne, die durch Ptolemäus
für fast anderthalb Jahrtausende verschüttet worden war, zu
wissenschaftlicher Gewißheit erhoben hat, hat an der Schaffung einer
einheitlichen Münze für Ost- und Westpreußen mitgearbeitet und war als
Arzt wiederholt in Königsberg, wo er den Herzog kennenlernte, mit dem er
in Briefwechsel gestanden hat. Das große Werk, das seine Entdeckung
festhielt, »De revolutionibus orbium caelestium libri VI«, erschien erst
in seinem Todesjahr 1543 zu Nürnberg.
Andere führende Humanisten waren die beiden Kanzler
Apel und Fischer und der Erfurter Crotus Rubeanus, Verfasser der »Epistolae
virorurn obscurorum«, zeitweise Rat des Herzogs. Bekannte Namen von Klang
sind ferner die Holländer Gnaphaeus und Rex Polyphemus, Neffe des Erasmus
von Rotterdam, der eine Pädagoge, der andere Bibliothekar. Im Jahre 1540
war die Schloßbibilothek gegründet worden. Weiter sind zu nennen: der
herzogliche Leibarzt Aurifaber, der Mathematiker und Kartograph Zell, der
1542 die erste gedruckte Karte Preußens herausgab.
Zwei Jahre darauf, am 17. 8. 1544, kommt die Gründung
der Universität Königsberg zustande, schon längst eine Notwendigkeit
für die Heranbildung des Nachwuchses theologischer und juristischer
Beamter, aber auch eine Stätte unvoreingenommener freier Forschung. Diese
Schöpfung hat Königsberg zu einem zweiten Wittenberg gemacht. Hans Luft,
der Buchdrucker, 1549 bis 1551 in Königsberg, brachte in einer Bibel
Albrechts Bild neben dem des Kurfürsten Friedrich von Sachsen. Der erste
Rektor war Georg Sabinus, ein glänzender lateinischer und griechischer
Stilist, Schwiegersohn Melanchthons. Die Universität wurde ein neuer Anziehungspunkt
für ganz Deutschland und sandte ihre Ausstrahlungen weit über die
Grenzen hinaus nach Osten.
|
Königsberg |
Die bildende Kunst machte mit einigen Renaissancebauten
fränkischer Prägung einen neuen Anfang, da die Backsteingotik des
Ordens nun der Vergangenheit angehörte. Schon seit 1410 hatten die
unaufhörlichen Kriege die Bautätigkeit so gut wie ganz gelähmt, soweit
es sich nicht um Wiederherstellungen handelte.
Herzog Albrecht starb am 20. 3. 1568 zu Tapiau. Am gleichen Tage folgte ihm seine zweite
Gemahlin Anna Maria von Braunschweig auf Schloß Neuhausen in den Tod. Sie
hinterließen vier Töchter und einen 15jährigen Sohn Albrecht Friedrich,
dessen Schwachsinn schon frühzeitig offenbar geworden war.
Auf dem polnischen Reichstage zu Lublin im Jahre 1569
hat der junge Herzog dem Könige von Polen den Lehnseid geleistet; mit ihm
wurden die Gesandten seines Vetters Georg Friedrich von Ansbach und Kurfürst
Joachim II. von Brandenburg belehnt.
Es war der gleiche Reichstag, auf dem die Autonomie
Westpreußens über die Köpfe seiner Stände hinweg beseitigt und die
Personalunion mit der Krone Polens in eine Realunion mit dem Reiche Polen
umgewandelt wurden. Nun waren die westpreußischen Landtage nur noch
vorbereitende Ausschüsse des polnischen Reichstages, von dem die Städte
Polens ausgeschlossen waren. Danzig, Elbing und Thorn erhielten das Recht
der Teilnahme; doch hat Danzig grundsätzlich davon keinen Gebrauch
gemacht, weil es diese sog. »Lubliner Union« nicht anerkannt hat. Die
beiden anderen Städte erschienen selten, da sie stets überstimmt wurden.
Immerhin haben die westpreußischen Landstände sich einige Besonderheiten
bewahren können: Steuerbewilligungsrecht, Steuerverfassung, Entscheidung
über Teilnahme an Kriegen und das Landeswappen, den schwarzen Adler mit
erhobenem Schwertarm.
Der starke Zuwachs an Einfluß der ostpreußischen
Stände, insbesondere die Regentschaft der Oberräte, blieb zunächst
bestehen. Doch fand sie bald ein Ende, als Markgraf Georg Friedrich von
Brandenburg 1577
mit Einwilligung des Königs Stephan Bathory die vormundschaftliche
Regierung im Herzogtum übernahm. Er wurde im Jahre darauf auch mit
Preußen belehnt und erhielt den Herzogstitel. Seine geschickte und
sparsame Verwaltung machte ihn mehr und mehr unabhängig von der
Steuerbewilligung der Stände und drängte damit von selbst deren Einfluß
zurück. So wurde die wirtschaftliche Grundlage für den neuen Wohlstand
geschaffen, vor allem auch die Siedlung tatkräftig gefördert. Wegen der
anhaltenden Kriege in Westeuropa blühte besonders der Getreidehandel, an
dem Land und Städte verdienten.
Die natürliche Folge war, daß auch das geistige Leben
neuen Auftrieb erhielt. Lateinschulen wurden in Tilsit, Saalfeld und
Lyck errichtet. 1576 konnte der Pastor Caspar Hennenberger zu Mühlhausen
seine berühmte Landkarte mit herzoglicher Unterstützung drucken.
Georg Friedrich hat Preußen 1586 verlassen, weil seine Erblande ihn
riefen. Er hat aber bis zu seinem Tode 1603 aus der Ferne weiterhin für
Ordnung und Wohlstand gesorgt. Nach 1587 richtete er statt der
bischöflichen Verwaltungen zwei Konsistorien zu Königsberg und Saalfeld
ein. Die Brandenburger fanden wohlgeordnete Finanzen, als sie die
Vormundschaft übernahmen, zuerst Kurfürst Joachim Friedrich, dann Johann
Sigismund (1608 bis 1619), beide mit Töchtern Albrecht Friedrichs
verheiratet Als der kranke Herzog 1618 starb, wurde der Kurfürst im
Anfangsjahre des 30jährigen Krieges Herzog in Preußen.
Vereinigung mit Brandenburg
Der alte Ordensstaat hatte
nach 400jähriger Selbständigkeit aufgehört, ein eigenes Land zu sein,
und wurde Teil eines größeren Staatsgefüges. Die Eigenart, besonders
das reiche kulturelle Erbe, sind jedoch auch der Provinz erhalten
geblieben; denn Preußen führte durchaus kein abgeschieden provinzielles
Leben. Acht Jahre nach Beginn des großen Krieges wird es zum Brennpunkt
der Weltpolitik als Streitobjekt zwischen Schweden und Polen.
Die Beziehung zu
Skandinavien bestand schon seit der Zeit der Wikingersiedlungen des
Samlandes vom 9.-11. Jh. Nun, da sich Schweden zur nordischen Vormacht
entwickelt hatte, entsprach es nur der naturgegebenen Stoßrichtung, daß
auch Preußen und Livland Ziele seiner Ausdehnungspolitik wurden. Wenn es
gelang, in Preußen gegen Polen festen Fuß zu fassen, konnte König
Gustav Adolf als Vorkämpfer der Evangelischen weiteres Vorgehen gegen den
Kaiser von hier aus in Betracht ziehen. Der Augenblick zum
Eingreifen war nicht ungünstig gewählt, da bei den Lutherischen ernste
Besorgnisse gegenüber polnischen gegenreformatorischen Bestrebungen
herrschten. Der Bau der katholischen Kirche im bis dahin rein
evangelischen Königsberg 1616 war Ausdruck eines Anspruches auf
Gleichberechtigung trotz des ungleichen Zahlenverhältnisses der beiden
Bekenntnisse.
|
|
So wurde der Schwedenkönig
bei seiner Landung in Pillau am 5. 6. 1626 nicht als Eroberer angesehen,
sondern wie ein Helfer begrüßt. Man gab sich auch damit zufrieden, daß
er Pillau nebst dem Löwenanteil der Seezölle behielt, dazu das Samland
und Memel besetzte und dann Elbing zu seinem Standort wählte. Danzig, die
Konkurrentin, belagerte der König und erhob den Seezoll am Danziger
Haupt. Kriegsschauplatz wurde besonders das Weichselgebiet. Zweimal kamen
den Polen wallensteinische Regimenter zu Hilfe.
Als aber entscheidende
Erfolge ausblieben, beendete der König das Unternehmen und schloß 1629
zu Altmark bei Christburg mit Polen, Brandenburg und Danzig einen
sechsjährigen Waffenstillstand. Brandenburg erhielt die vorläufige
Verwaltung von Marienburg und einen Teil der Seezölle am Danziger Haupt.
1630 war die erste schwedische Besetzung zu Ende. Gustav Adolf gewann
freie Hand für das Eingreifen im Reich. Nach Ablauf der sechsjährigen
Frist wurde zu Stuhmsdorf 1635 ein 26jähriger Friede festgesetzt, wobei
Schweden alle Eroberungen in Preußen herausgab.
Das Land erholte sich rasch
von den Kriegseinwirkungen und wurde entschieden die einträglichste der
drei brandenburgischen Gebietsgruppen. Die Universität zog viele Studierende aus dem Westen des Reiches
herüber. Die 1629 gegründete Bibliothek des Kanzlers Martin v.
Wallenrodt wurde 1673 der öffentlichen Benutzung freigegeben. Die Rechtswissenschaft brachte im
Jahre 1620 das kodifizierte Preußische Landrecht zustande, dem 1616 ein
ansehnlicher Band mit den »Privilegien der Stände« vorausgegangen war,
der auch die vertraglichen Abmachungen des Preußischen Bundes mit dem
König von Polen vom 6. 3. 1454 enthielt. Der zwanzigjährige Friedrich
Wilhelm erhielt die Belehnung 1640 von König Wladislav IV.
verhältnismäßig leicht, weil dieser sein Vetter und persönlicher
Freund war und man den jungen Prinzen für harmlos hielt. Stände und
polnische Kommissare in Preußen hätten ihm gern ihre Bedingungen
gestellt. Aber es gelang ihm, gestützt auf die Meinung von seiner
Ungefährlichkeit, auch ohne Konzessionen mit den Ständen bald in ein
erträgliches Verhältnis zu kommen, indem er geschickt an die guten
Beziehungen zu seinem Vater anknüpfte.
Überhaupt sind die ostpreußischen
Stände dem Landesherrn gegenüber nie grundlos renitent gewesen. Es ging ihnen beim Streit
mit den Brandenburgern von Anfang an um die Wohlfahrt des Landes. Ihre
Einsichten freilich hielten sie für die einzig richtigen und verfolgten
sie mit echt ostpreußischer Hartnäckigkeit. In den Friedenszeiten unter
den wenig tatkräftigen Kurfürsten Joachim Friedrich und Johann Sigismund
hatten die Oberräte ihre Machtbefugnisse ziemlich genau wieder auf den
Stand von 1568 bringen können und sich sogar ständig »Regimentsräte«
nennen lassen, was ihnen eigentlich nur in Abwesenheit des Herzogs
zustand. Als dann 1655 König Karl X. Gustav von
Hinterpommern her den zweiten Schwedenkrieg mit Polen in Westpreußen
eröffnete, ließen die Stände Friedrich Wilhelm auch nicht in Stich. Der
Kurfürst wollte zunächst die Neutralität wahren und schloß zu diesem
Zweck am 12.11. ein Bündnis mit den westpreußischen Ständen. Aber
Karl Gustav eroberte Thorn und Elbing und zwang im Januar 1656 den
Kurfürsten im Königsberger Vertrag, statt der polnischen die schwedische
Lehnshoheit anzunehmen. Dafür überließ er ihm das Ermland. Die
Ableistung des Lehnseides wurde für ein Jahr aufgeschoben. Damit war zum
ersten Male das Lehnsverhältnis zum König von Polen unterbrochen.
Aber Pillau und Memel und die Hälfte der
Seezölle mußten nun wieder den Schweden ausgeliefert werden, denen das
ganze Land militärisch offenstand. Erst als der König aus Polen
Rückschläge erlitt, ließ er sich herbei, im Vertrage von Marienburg am
25. 6. 1656 die Bedingungen zu verbessern und ein richtiges Bündnis mit
dem Kurfürsten zu schließen. Dieser gewann die dreitägige
Schlacht bei Warschau vom 28.-30. 7. In diesem und dem nächsten Jahre
fielen tatarische Horden in Ostpreußen ein, verübten Mord und Brand und
schleppten die Bevölkerung in die Sklaverei, aus der nur wenige lange
Jahre später heimkehrten.
Als sich dann schon bald gegen das
erfolgreiche Schweden eine neue Koalition bildete, der auch Dänemark
beitrat, war König Karl Gustav bereit, Brandenburg für die Bündnishilfe
noch einen höheren Preis zu zahlen: Im Vertrag zu Labiau am 20. 11. 1656
verzichtete er auf die Lehnshoheit über Preußen und erkannte die
Souveränität des Kurfürsten an. Dieser ist dann an der Spitze
brandenburgischer und schwedischer Truppen bis Jütland vorgedrungen und
hat anschließend das langjährige Ziel brandenburgischer Politik,
Vorpommern mit der Odermündung, besetzt.
Sehr vorsichtig begann nun Polen unter
Vermittlung des Kaisers mit dem Kurfürsten wieder Fühlung zu suchen, um
dem schwedischen Gegner seine stärkste Stütze zu entwinden. Es ist
größtenteils das Verdienst des kaiserlichen Gesandten Franz Paul
Freiherrn v. Lisola, wenn im Vertrag zu Wehlau vom 29. 9. 1657 Polen nun
auch seinerseits auf die Lehnshoheit verzichtete und die Souveränität
Preußens in vollem Umfang anerkannte. Gleichzeitig wurde ein
zehnjähriges Bündnis gegen Schweden geschlossen. Der Kurfürst gab das
Ermland wieder heraus und erhielt dafür Elbing, dazu Lauenburg, Bütow
und die Starostei Draheim, die vor 1466 dem Orden gehört hatte. Der
Friede zu Oliva am 3. 5. 1660 zwischen Kaiser, Brandenburg, Schweden und
Polen brachte der preußischen Souveränität die völkerrechtliche
Anerkennung. Elbing blieb noch von Polen besetzt und ist erst 1703 mit
Preußen vereinigt worden. Vorpommem hat der Kurfürst nicht erhalten.
|
Friede von Oliva
|
Die Stände hatten während des Krieges
alle Lasten und Mühen getreulich mit der Landesherrschaft geteilt. Nach
dem Frieden aber kam es zur letzten Auseinandersetzung zwischen dem
Kurfürsten und seinen privilegierten Untertanen, zwischen dem
Absolutismus, der sich von Frankreich her ausbreitete, und der
ständischen Verfassung, die in Preußen seit 1414 nun fast zweieinhalb
Jahrhunderte hindurch bestanden hatte. Auf der Höhe seiner Macht zögerte
der Kurfürst nicht, seine souveränen Rechte auch nach innen, den
Ständen gegenüber, geltend zu machen.
Huldigung der preuß. Stände
|
Auf dem großen Landtag von 1661—63
ging der härteste Widerstand von den drei Städten Königsberg aus, und
das lag wohl in erster Linie an der Unbeugsamkeit des Schöppenmeisters
vom Kneiphof, Hieronymus Roth oder Rohde, der keine der Freiheiten seiner
Fernhandelsstadt preiszugeben geneigt war. Der Kurfürst ließ ihn im
Oktober 1662 verhaften, wollte ihn aber freilassen, wenn er ein
Gnadengesuch einreichen würde. Da Roth dies ablehnte, blieb er bis zu
seinem Tode 1678 Gefangener auf der Festung Peitz. Unter der Drohung der
1657 am Westausgang des Pregels angelegten Festung Friedrichsburg, deren
Kanonen auf die Stadt gerichtet waren, leisteten die Stände die
Huldigung, die am 18. 10. 1663 auf dem Schloßhof stattfand. Die
Oberräte wurden kurfürstliche Beamte.
|
In den Jahren 1670/71 kam es nochmals zum
Konflikt über Geldforderungen für Heereszwecke. Als der ehemalige Oberst Christian Ludwig v. Kalckstein in Warschau
konspirierte, wurde er im Hause des brandenburgischen Residenten ausgehoben, nach Preußen gebracht, wegen Landesverrats abgeurteilt und
1672 in Memel hingerichtet. Damit war der Widerstand endgültig gebrochen.
Auch in Preußen begann das Zeitalter des Absolutismus, der sich auf ein
stehendes Heer stützte.
Der Kurfürst hatte es schon vorher
verstanden, sich geldlich vom ständischen Einfluß zu lösen. Da die
ursprünglich herzogliche Rentkammer neben dem »Landkasten« unter
ständische Aufsicht geraten war, hatte er beizeiten die schon von Georg
Friedrich eingerichtete »Schatulle« wieder aufleben lassen.
Hier hinein zinsten die Waldgebiete, die der herzoglichen Verwaltung
unterstanden, überhaupt alles Land aus Eigenbesitz des Fürsten, soweit
es an Siedler ausgetan war. Diese hießen, je nach Besitzrecht,
Schatullkölmer oder Schatullbauern, saßen im Osten und Süden des Landes
und unterstanden der Forstverwaltung. Meist waren es Masuren und Litauer.
Dem dritten Schwedeneinfall
begegnete der Kurfürst durch die bravouröse Schlittenfahrt seiner
Truppen über das Kurische Haff und das Gefecht bei Splitter 1679, mit dem
er den überraschten Gegner aus dem Lande vertrieb. Pillau, der immer noch
einzige größere Seehafen Brandenburg-Preußens, der nun vor Schweden
sicher war, wurde der Ausgangspunkt seines Oberseehandels nach der
Goldküste, den sein »Generalmarinedirektor«, der Holländer Benjamin
Raule, beaufsichtigte.
|
|
Königreich (Ost-) Preußen
Die preußische
Souveränität bildete die Grundlage für die Gewinnung der Königswürde
durch den Sohn des Großen Kurfürsten, Friedrich III. Vorangegangen bei
der Rangerhöhung war Kurfürst August der Starke von Sachsen, als
König von Polen, ein Ziel, dem die brandenburgischen Kurfürsten wegen
ihrer verwandtschaftlichen Beziehungen zum polnischen Königshause mehr
als einmal schon greifbar nahe gewesen waren. Innerhalb des Reiches war
die Krone nicht zu erreichen; aber Preußen gehörte formal nicht zum
Reich. Immerhin brauchte man die Anerkennung des Kaisers. Der Kurfürst
hat diese mit einer fast zwölfjährigen Unterstützung Österreichs im
spanischen Erbfolgekriege erkauft. Trotzdem war die Königskrone damit
nicht zu teuer bezahlt. Sie hat dem Gesamtstaat erhöhtes Ansehen
eingebracht und — den Namen gegeben. Vom östlichsten Landesteile her
übertrug sich die Bezeichnung der alten Stammeseinwohner mit dem Titel
des Herrschers auf das ganze übrige Gebiet. Wenn es auch, genau genommen,
staatsrechtlich noch »König in Preußen« und »preußische
Staaten« hieß, es war ein Königreich wie die alten europäischen
Staaten Frankreich, Spanien, England und Schweden. König von Preußen
wurde Friedrich der Große nach der Rückerwerbung Westpreußens im Jahre
1772.
|
Die Krönung fand zu
Königsberg am 18. 1. 1701 im Audienzsaal des Schlosses statt,
anschließend die Salbung in der Schloßkirche. Vorgenommen wurde sie von
den beiden, eigens dazu ernannten evangelischen Bischöfen, womit diese
alte Amtsbezeichnung wieder auflebte. Am Tage vorher war das
ostpreußische Landeswappen, einst nur im Herzschild über dem Ordenskreuz
geführt, zum Staatswappen erklärt und der schwarze Adlerorden gestiftet
worden.
|
|
In der Stadt erfolgten drei
wichtige kulturelle Gründungen am gleichen Tage: Die reformierte
Burgkirche wurde als Zeugnis von Toleranz und geistiger Freiheit
eingeweiht, die pietistische Privatschule, die 1698 der kurfürstliche
Holzkämmerer Theodor Gehr eingerichtet hatte, als Collegium Fridericianum
zur königlichen Schule erhoben und das Waisenhaus auf dem Sackheim
gegründet. Ein Volksfest mit Ochsen am Spieß und Wein aus Röhrenbrunnen
kam den Neigungen der Bevölkerung entgegen. Friedrich, der in Königsberg
geboren war, gab sich gern als Landsmann und war ausgesprochen
volkstümlich.
Auch die Stände wußte er
zu gewinnen: Aus den vier Oberräten wurden 1712 sechs Geheime Räte,
nominell Glieder des Geheimen Rates in Berlin, der höchsten
Landesbehörde. Sie bildeten die »Regierung«, die bis A. 19. Jh.
bestanden hat. Sie behielt die Oberaufsicht über die höchsten Gerichte
und die Konsistorien. Neben diesen provinziellen gab es königliche
Behörden, wie Kriegskommissariat und Domänenkammer, die nur
Durchgangsstellen zu den entsprechenden Berliner Zentralbehörden waren.
Das flache Land hat sich in
jenen Jahren nicht glücklich entwickelt. Besonders der Nordosten wurde
1708—11 durch die Pest in unheimlicher Weise entvölkert: Fast eine
Viertelmillion Menschen sind ums Leben gekommen, über 10000 Bauernstellen
wurden wüst. Abhilfe wurde aus dem Lande selbst und mit litauischen
Einwanderern nur zu zwei Fünfteln erreicht. Oberhaupt ging der
Bauernstand, der sich im Südosten von den Tatareneinfällen 1656/57 noch
nicht hatte erholen können, unter dem hohen Steuerdruck wirtschaftlich
weiter zurück. Der selbständige Hofbesitzer wurde vielfach ein Opfer des
Bauernlegens. Das um 1600 so wohlhabende Ostpreußen war ein armes Land
geworden.
Freundliche Ausnahmen sind die
eindrucksvollen Zeugnisse barocker Baukunst auf den Gütern. Namen wie
Schlüter, Nehring, Eltester, Collas, setzten sich auch im östlichsten
Landesteil Denkmäler durch die Schlösser zu Grünhof, Holstein,
Carwinden, Friedrichstein, Dönhoffstädt, Finkenstein (wohl das
stilvollste) und das ältere Schlobitten. Zu Heiligelinde entstand ein wahres Kleinod
barocker Kirchenbaukunst.
|
|