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Von allen Teilen der Marienburg hat der Hochmeisterpalast am
frühesten und am stärksten die Anteilnahme der Besucher und der gelehrten Forscher
herausgefordert. Schon 1749 veröffentlichte Gottsched im "neuen Büchersaal der
schönen Wissenschaften und freien Künste" einen Aufsatz Hanovs über den »großen
Saal" d. h. den Sommerremter, und gab auch Abbildungen bei. Die erste Baugeschichte
des Schlosses schrieb 1802 Konrad Levezow, »Fragmente einer Geschichte des Schlosses
Marienburg in Preußen«. Hier sagt er, daß Siegfried von Feuchtwangen mehrere neue
Gebäude anlegen ließ, in welchen sich außer den Wohnzimmern des Hochmeisters ein
besonderer großer Saal für die Kapitelversammlungen und ein großes Refektorium bestand.
Mit anderen Worten also der Palast und der große Remter, erbaut 1309-1311.
Dieser Zeitbestimmung folgen Büsching 1823 und Johann
Voigt 1824. - Ferdinand von Quast hat dann das ganze Schloß als erster gründlich
untersucht und erkannte im Mittelschloß eine ältere Baugruppe mit dem Großen Remter und
eine jüngere, dem eigentlichen Palast; jenen schrieb er der Zeit des Dietrich von
Altenburg zu, diesen der Regierung Winrichs von Kniprode.
Steinbrecht hat 1891 in der ersten Auflage seines Führers durch das
Schloß den älteren Palastbau in die Zeiten Werners von Orseln und Luthers von
Braunschweig, also 1324-1335 hinaufrückt, hielt aber bei dem jüngeren Palast an einer
Bauzeit unter Winrich von Kniprode fest. Neben erneuter Durchforschung der Archivalien
wurden auch verwandte Burgbauten am Rhein untersucht, 1899 Zons, später seit 1902 auch
Zülpich, Linz, Hülchrath, Andernach u. a. Die Formenverwandtschaft der beiden
Marienburger Palasterker, der Fenster u. a. mit den Einzelheiten der rheinischen Burgen
erschien sehr beachtenswert; die Mehrzahl dieser Burgen entstammt der Regierungszeit des
Kölner Erzbischofs Friedrich von Sarwerden (1370-1414), könnten also in den ersten
Jahrzehnten desselben auf den Palastbau irgendwie eingewirkt haben.Jetzt glaubte
Steinbrecht alle bisherigen Beobachtungen zu einem Ergebnis zusammenschließen und auch
die Notiz in Posilges Chronik vom Bau des Treßlergemaches 1398 deuten zu können.
Im Tätigkeitsbericht der Schloßbauverwaltung 1916-1920
hat Steinbrecht diese Gedanken weiter entwickelt, auch durch zeichnerische Beigaben der
Bauten in Zons und Andernach. K. H. Clasen stimmte 1924 der späten Entstehungszeit des
Palastes zu, versah die Beteiligung Fellensteins allerdings mit einem Fragezeichen;
französische Vorbilder stellte er als die bedeutungsvolleren hier gegenüber den
rheinischen. Das Wichtigste ist, daß die Bauzeit des zweiten Palastes in den beiden
letzten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts nunmehr als gesichert gelten darf. Hiernach
stellt sich die Baugeschichte des Hochmeisterpalastes etwa folgendermaßen: Wir können
zwei Abschnitte unterscheiden:
1. Den Anbau des Nogatflügels, beginnend mit der Überwölbung des
Mühlengrabens, über der sich der viergeschossige Bau erhebt, mit dem W i n t e r r e m t
e r, dem Sommerremter und der schönen Flurhalle neben diesen; in den drei unteren
Geschossen wird der obere Grundriß folgerichtig vorbereitet.
2. Den Umbau des älteren Palastes, seine Erweiterung nach Osten,
hier im Erdgeschoß die Amtsräume des T r e ß l e r s 1398. Sodann der Neubau der K a p
e l l e.
Schwierigkeiten bereitet nur die Frage nach dem Beginn dieser
Bauten. Der Nogatflügel hat etwa 729 Quadratmeter Grundfläche und bei 27 bis 30 Meter
Höhe 21 530 Kubikmeter umbauten Raumes. Ein Bau von dieser Ausdehnung, mit schwierigen
Grundbauten, mit durchgängiger Überwölbung und vielen Steinhauerarbeiten erfordert eine
lange Bauzeit. Für den Baubeginn kommt daher die Amtszeit des Hochmeisters Conrad von
Wallenrod (1391 bis 1393) nicht in Betracht, der eigenartige Charakter dieses Hochmeisters
war auch nicht auf Palastbauten gerichtet. So muß man an einen seiner beiden Vorgänger
denken.
Winrich von Kniprode (1351-82) ist seit 1334 im Orden nachweisbar,
1338 wurde er Komtur von Danzig, 1343 oberster Marschall und seit 1346 residierte er schon
als Großkomtur in Marienburg. Als er am 24. Juni 1382 starb, hatte er eine nachweisbare
Amtstätigkeit von 48 Jahren hinter sich, der sicherlich eine mehrjährige Dienstzeit als
einfacher Ordensritter vorausgegangen war. 1382 war er wohl schon im 79. Lebensjahre: in
diesem hohen Alter läßt das Repräsentationsbedürfnis nach und man unternimmt nicht
mehr große Bauten. Conrad Zöllner von R o t e n s t e i n (1382-1390) war
schätzungsweise zwanzig Jahre jünger als Winrich, und noch in voller Rüstigkeit. In den
Litauerkämpfen war er häufig an der Front; wir lernen ihn als einen klugen Staatsmann
und vornehmen Charakter kennen; der Plan einer Universität in KuIm verrät geistige
Interessen. Häufige Besuche von Fürsten und Kreuzfahrern zwangen ihn in Marienburg zu
repräsentativer Bewirtung. In der Ordensgeschichtsschreibung des 15. Jahrhunderts wird er
sehr günstig beurteilt, so von Laurentius Blumenau und in der jüngeren
Hochmeisterchronik. Die Idee zur Einrichtung eines solchen Monumentalbaues ist Conrad
Zöllner wohl zuzutrauen.
Der Nogatflügel mit den beiden Remtern steht eigentlich
unorganisch vor dem Kernbau. Trotzdem fügt er sich sehr gut dem Gesamtbilde der Burg ein.
Die Zusammenfassung der Remter und des Ganges zu einem einheitlichen Bau ist
baukünstlerisch ein Meisterwerk. Durch die Zurücksetzung des Ganges entsteht eine
Staffelung, die den Sommerremter als den vornehmsten Raum besonders hervorhebt, dem auch
noch von der dritten Seite die Lichtzufuhr ermöglicht ist. Die Auflösung der
Strebepfeiler in einen Kern und vorgesetzte Freisäulen, konstruktiv gedacht, wirkt hier
als besonderes Schmuckmittel. Vorbilder für alle diese Eigenheiten sind bisher nicht
gefunden, der Baumeister schuf aus eigenem Können heraus. Kennzeichnend ist auch, der
Verzicht auf jegliches Ornament; nur glatte Gesimse und Kantenprofile werden angebracht.
Die Fenster und Türen haben durchweg rechteckige Öffnungen mit steinernen Stürzen. Der
Name des Baumeisters ist unbekannt, nur sein Werk steht vor uns.
Der Hochmeisterpalast ist der letzte Monumentalbau, den der Orden in
der Marienburg errichtete. Bis 1410 trat nach ihm eine Ruhepause ein, und dann begannen
1412 die Wehranlagen der Ostfront.
Baubeschreibung des Hochmeisterpalastes.
1. D a s
H a u p t g e s c h o ß. Für die Beurteilung der
alten Raumverteilung ist die Beschreibung wichtig, die im September 1565 von 3
königlichen Kommissaren bei der Revision des Schlosses verfaßt wurde. Diese kann als
zuverlässig angesehen werden. Da sie den Zustand 108 Jahre nach dem Auszug der
Ordensritter schildert, ist anzunehmen, daß große Veränderungen noch nicht vorgenommen
waren. Die nächste Beschreibung stammt von der
Revision vom Januar 1607 und enthält Zusätze von einem bald danach ausgeführten Umbau.
Vergl. die Abb. 13.
D i e T r e p p e lag seit der Erbauung 1399 in dem Eckraum 2 a.
Noch 1607 wird sie dort erwähnt. Erst danach wurde sie beseitigt und eine Freitreppe zur
Kapelle gebaut, die man dann zu einem Flur umwandelte.
D e r g r o ß e F l u r durchquert das ganze Gebäude. Drei
verschiedenartige Teile sind erkennbar. Der westliche rd. 25 m lang, der Gang vor dem
Sommerremter war mit 6 Kreuzgewölben auf Rippen überwölbt.
Die inneren Strebepfeiler sind ähnlich wie an der Nogatfront durch
freistehende schlanke Granitpfeiler ersetzt, und 1 Pfeiler über dem Waschbecken ist sogar
oben durch einen Kragstein abgefangen. Diese außerordentlich kühne Konstruktion ist noch
in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten. Alt ist auch die Brunnenanlage, die eine
Wasserförderung aus einem Brunnenschacht im Keller ermöglichte. Der mittlere Teil des
Flures hat 4 scharfgratige Kreuzgewölbe auf achteckiger roter Granitsäule und einen
länglich viereckigen Granitpfeiler mit abgeschrägten Ecken als östliche Mittelstütze.
Dieser Raum gehört noch zur älteren Palastanlage, ist aber Ende des 14. Jahrhunderts neu
gewölbt.
Der östliche Teil wurde durch die nach 1772 erfolgten Umbauten sehr
verändert. Er wies jedenfalls bei der ersten Wiederherstellung 1823 starke Zerstörungen
an den Decken auf, die aber z. T. auf frühere Zeiten zurückgehen mögen. Dieser Teil des
großen Flures führte 1565 den Namen "Kreuzbau" mit dem Zusatz, ,,daß er 6
kleine runde und 2 große Pfeiler enthält. In ihm befanden sich damals steinerne Bänke
an den Wänden, 1 Schornstein und 1 Schenktisch. Es waren auch Tische vorhanden. In diesem
Bau saßen vordem Kreuzritter. Er war kreuzförmigen Baues«. Dieser ,,Kreuzbau"
umfaßte die Räume 2 a, 2 b und 3. Die Ende des 14. Jahrhunderts zweifellos vorhanden
gewesenen Gewölbe können in dem Raum 2 b bei der Belagerung von 1410 zerstört und durch
eine Holzbalkendecke ersetzt worden sein, zu deren Unterstützung die erwähnten 6 kleinen
Pfeiler dienten. Die beiden erwähnten 2 großen Pfeiler gehörten dann zu dem gewölbten
Raum 3. Rechnet man zu dieser Raumgruppe noch die Vorhalle zur Kapelle hinzu, so kann man
ungefähr von einem kreuzförmigen Grundriß sprechen. Dieser ganze Flur diente zur
Ordenszeit als Warte- und Empfangshalle für die Besucher des Hochmeisters. Gleichzeitig
dürfte sich hier die Wache aufgehalten haben, die den Zugang zu den Räumen des
Hochmeisters regelte, die oben genannten Kreuzritter.
Hochmeisters Gemach. Nach der Beschreibung von 1607 waren
die Räume 4 und 5 zu einem Bau vereinigt, die Decke war aus Holz. Hierzu tritt ergänzend
der Bericht des Marienburger Predigers Häbler über den Befund vom Jahre 1823: ,,Die
Wände waren sehr zerhackt, nur an der Seitenmauer nach dem ,Kleinen (d.h. Winter-)Remter
und an der Fensterwand zeigten sich Spuren ehemaliger Gewölbe, die aber vermuten ließen,
daß Gewölbe nebeneinander und das eine nach dem Remter hin niedriger als das andere,
hier 2 Stuben nebeneinander gedeckt haben." Die Wiederherstellung 1823 schuf dennoch
ein einheitliches Zimmer mit Verwendung einer anderswo gefundenen Granitsäule. Hiernach
müssen wir die zwei kleineren Räume 4 und 5 von 1565/1607 als den ursprünglichen
Zustand betrachten. Diese beiden Räume, die in polnischer Zeit als ,,Gemach des
Königs" bezeichnet werden, gehörten also vorher wohl zum ,,Gemach des
Hochmeisters", sie waren vielleicht seine Amtsräume.
Zu den Gemächern des Hochmeisters gehören noch folgende Räume:
M e i s t e r s K a p e l l e erreicht man vom großen Flur durch
eine Vorhalle. Sie hatte in der älteren Gestalt, um 1320, zwei schmale Kreuzgewölbe auf
Rippen und einen polygonalen Chor, mit fünf Seiten des Achtecks geschlossen, und öffnete
sich nach Westen in einem Gurtbogen nach einem Gange, der längs durch den damaligen
Palast hindurchzog. Der Meister des Umbaues am Ende des 14. Jahrh. brach das Chorpolygon
ab, baute an der Hofseite eine Giebelwand mit drei spitzbogigen Fenstern, schloß auch den
Gurtbogen durch eine Stellwand und schuf so einen quadratischen Grundriß von rd. 5,8 m
Seitenlänge; er überdeckte den Raum mit einem scharfgratigen Sterngewölbe. Die
Umbauarbeiten wurden 1399 vollendet.
Aus der älteren Kapelle stammen die Gewölbekragsteine, zierliche
Steinhauerarbeiten aus Gotländer Kalkstein, ferner die Reste einer alten Wandbemalung.
Unten ist ein Maßwerkmuster nach Art einer Fliesenverkleidung aufgemalt, darüber waren
Apostelfiguren gemalt, von denen zwei, Thomas und Petrus, noch vorhanden sind,
ausgezeichnete, monumental aufgefaßte Gemälde, gut erhalten. Das zweiteilige Fenster der
Nordseite, das vor 1400 vermauert worden war, wurde 1817 wieder entdeckt, und hiernach ist
das Maßwerk neu gearbeitet.
Die Wiederherstellung 1817-1823 gab der Kapelle ungefähr die
Raumform, die sie durch den Umbau vor 1400 erhalten hatte. Das Sterngewölbe behielt man
bei:
Vom Kreuzbau führt aber auch eine Tür nach einigen kleinen
Räumen, und über dieser Tür ist, jetzt halb erloschen, das Wappen eines der beiden
Hochmeister Jungingen gemalt, vermutlich des Konrad, zu dessen Amtszeit dieser Bau
ausgeführt wurde. Der westliche Raum war wohl das S c h l a f g e m a c h des
Hochmeisters, der östliche der Raum für die Bedienung. Hierauf folgt westlich von der
Kapelle ein größerer Raum (V), wohl das Wo h n g e m
a c h des Hochmeisters. Meisters Kammer -Schlafraum - und Meisters Stübchen - Wohnraum -
werden zwischen 1401 und 1419 wiederholt im Treßler- und im Hauskomtursbuch genannt. -
1914 deckte man die alte Bemalung auf, im ersten Raum ein zierliches Rankenmuster, grün
und rot auf hellem Grund, auf den unteren Wandflächen Vorhänge. Die Nordwand hat in den
Bogenfeldern die halb lebensgroßen Gestalten der hl. Katharina, Barbara, Dorothea und
Margaretha, gut erhaltene künstlerisch wertvolle Gemälde, wohl von Peters Hand.
Der Raum besaß eine Fußbodenheizung.
Der als Wohngemach angesprochene Raum ist größer und mit zwei
scharfgratigen Kreuzgewölben überdeckt. Eine Fußbodenheizung, ein Eckkamin und vier
große Mauernischen für Wandschränke deuten auf einstige Bewohnbarkeit des Raumes. Die
Bemalung der Wände und Gewölbe ist ähnlich wie in dem vorigen Raum, jedoch ohne
figürliche Gemälde.
Hinter diesem Raum liegt ein 15 m langer tonnengewölbter Raum, der
den ganzen Bau durchquert. Heizung und Malerei fehlen, in der Außenmauer ist ein
Dansk.
Die Wände haben auch hier 4 große Wandschränke und 1 kleines verschließbares Gewölbe
für Silbergerät. In diesem Raum, der 1417 als Meisters H i n t e r k a m m e r erwähnt
wird, war auch die Schlafbank des Silberwäschers.
Nun folgen die beiden im Anbau liegenden Remter. Der W i n
t e r r e m t e r, 12 :12 m groß, 7,8 m hoch, hat Fußbodenheizung durch einen im
Untergeschoß liegenden Ofen; der zum Heizbetriebe für die Entlüftung nötige Kamin ist
schon frühzeitig zerstört worden. Vielleicht stand hier seit dem Ende des 15.
Jahrhunderts ein Kachelofen. Die Gewölbe sind alt, 1820 instand gesetzt und haben, wie im
Sommerremter, die Form einer ringförmigen Tonne mit Stichkappen. An den Wänden sind
einige Hochmeisterbildnisse freigelegt, wohl die Gemälde, die Maler Peter 1402 und 1407
ausführte. Der Fliesenbelag ist 1933 erneuert.
Der S o m m e r r e m t er, 14 :14 m groß und 9,7 m hoch,
wurde 1818-1819 wiederhergestellt. Sein Gewölbe ist das alte; in ihm zeigt sich die
organische Weiterbildung der älteren Remtergewölbe. Vier Tonnengewölbe, deren
Scheiteirippen ein Quadrat von 7 m Länge bilden, umziehen den Mittelpfeiler. Nach innen
senken sich die Gewölbeflächen trichterförmig zur Mittelstütze herab, an den Wänden
sind sie von je vier Stichkappen durchbrochen. Das Rippenprofil mit Birnstab ähnelt dem
der älteren Gewölbe; kennzeichnend für den Meister dieses Baues ist aber das Fortlassen
jeglichen Schmuckes. Nur architektonische Profilierungen sind angebracht, dort wo
konstruktive Bauglieder besonders hervorgehoben werden müssen. Daher waren hier auch
keine eigentlichen Wandgemälde vorhanden. Man hatte sich begnügt, die Wände rot zu
tünchen und die Gewölbe weiß zu halten. Die Innenwand hatte aber zu beiden Seiten der
Schenkbank und des Kamines Wappen und Inschriften. Ferner lief eine Inschrift in der Höhe
des Gewölbekämpfers rings um den Saal. Das wenige, was man vorfand, wurde aber 1819
übertüncht. Dagegen wurde die in älteren Chroniken überlieferte Reiminschrift unter
der Polenkugel schon 1817 nicht mehr vorgefunden.
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Sie lautete: Als man zelet m cccc x iar
Dieß sag ich euch allen fürwar
Der stein wart geschossen in die want
Hie sal er bleiben czu einem ewigen pfant.
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Nach der Überlieferung sollte während der Belagerung der
Marienburg durch die Polen 1410 bei einer Versammlung der Ordensgebietiger im Sommerremter
durch Verrat mit einer Geschützkugel die einzige tragende Säule getroffen und das
Gewölbe so zum Einsturz gebracht werden. Die Kugel ging jedoch dicht an dem Pfeiler
vorbei und blieb in der Wand stecken, wo sie noch heute zu sehen ist.
In den oberen Fenstern fanden sich Überreste der aus Stuck
geformten Vierpässe, dagegen sind sie in den unteren Fenstern eine Zutat der ersten
Wiederherstellung. Die farbige Verglasung wurde von den Mitgliedern der königlichen
Familie von Preußen gestiftet. Oben sind zehn Vorgänge aus der Ordensgeschichte
dargestellt, unten die Stifterwappen. Schinkel hatte die Oberleitung. Alte Glasmalereien
waren hier nicht nachweisbar, man glaubte bei der Wiederherstellung, 1828, solche
einsetzen zu müssen, da man in den Rechnungsbüchern des Ordens Hinweise auf farbige
Fenster gefunden hatte. Die Kunst der Glasmalerei war damals verlorengegangen. Es ist das
Verdienst des Leiters des Baues, des Bauinspektors Gersdorff, das Geheimnis, farbige
Gläser zu brennen, durch lange Versuche wieder entdeckt zu haben.
Die oberen Wandblenden erhielten 1855-1856 zehn gemalte
Idealbildnisse von 8 Hochmeistern und 2 Landmeistern in Preußen. Am wertvollsten sind das
fünfte und sechste Bild, die Hochmeister Siegfried von Feuchtwangen und Luther von
Braunschweig darstellend. Adolf Menzel hat sie vom 1. bis 12. August 1855 gemalt. Sie
überragen die anderen Bilder bei weitem.
Vom Sommerremter führt zum Flurgange eine breite Tür mit
profiliertem Kalksteingewände. Die Türnische ist in der dicken Mauer als Vorhalle
ausgebildet, deren eigenartige Architektur überrascht: schlanke Stempfosten ohne Sockel
und Kapitäl als Stützen und waagerechte Steinbalken über ihnen, nur die Betonung
konstruktiver Gedanken als würdige Vorbereitung zu der großartigen Raumschöpfung des
Remters.
2. Das Erdgeschoß und das Untergeschoß. Der mit vielen Wappen
geschmückte Raum unter Meisters Kammer war der "Kumpane Stübchen". Der Raum
hat 50 qm Grundfläche, der Ausdruck Stübchen würde nach unserm Sprachgebrauch nicht
mehr zutreffen. 1413 wurde hier ein Kachelofen gesetzt. - Unter dem Sommerremter liegen in
zwei Geschossen je ein Vorraum und drei Stuben, alle mit scharfgratigen Kreuzgewölben auf
je einer Mittelsäule gewölbt. Diese sehr gut belichteten Räume, zum Teil mit 4
Fensterplätzen, sind vor allem als Schreibstuben für den Treßler und für die Schreiber
in der Kapellanei anzusprechen. Vielleicht war oben das Treßlerrevier, unten die
Kapellanei). Der obere Dreipfeilersaal - unter dem Winterremter - war die
Gebietigerratsstube. Die Eintragung im Hauskomturbuch zu 1411: "der gebittiger gemach
wurde des meisters gemach« würde bedeuten, daß die Gebietigerratsstube vom
Hauptgeschoß in das Erdgeschoß verlegt wurde. -Die vier Räume, die im 19. Jahrhundert
Dienstwohnung des Schloßwarts waren, können nur Schlafkammern der Schreiber gewesen
sein. Unbestimmbar ist noch die Kammer hinter dem Kumpanstübchen. Hier könnten der
Kämmerer, der Kellermeister oder auch die Diener des Hochmeisters gehaust haben. Die
Kammer und das Stübchen des Kellermeisters werden mehrfach genannt. Im Winkel zwischen
der Kapelle und dem Großen Remter war ein Anbau, der einen Flur in Verlängerung der
Hinterkammer und zwei Stuben enthielt. Wahrscheinlich war er dreigeschossig. Hierneben dem
Brunnen wohnten des Kapellans Schüler.
Vielleicht war hier auch die Kammer des Meisters
Kapellans selbst, falls er nicht einen der Räume unter dem Sommerremter innehatte. Über
dem Erdgeschoß wurden an der nördlichen Außenwand der Kapelle beim Abbruch des Anbaues
"alte Malereien, selbst mit untermischter Vergoldung" gefunden, die nicht etwa
äußere Fassadenmalerei gewesen waren. Es muß der Anbau also mindestens zweigeschossig
gewesen sein und unten ein vornehmer ausgestalteter Raum, etwa die Stube von Mei- sters
Capellan, enthalten haben.
Bei dieser Raumverteilung ist zu berücksichtigen, daß nach dem
Tode des Erbauers, Conrad von Jungingen, 1407, hier noch 6 Hochmeister gewohnt haben.
Namentlich nach der Beschießung 1410 und den umfangreichen Reparaturen 1411 kann schon
ein Wechsel in der Benutzung der einzelnen Räume eingetreten sein.
3. Meisters Großer Remter. Der Raum hat 15,0 zu 30,0m
Grundrißmaße, nach Kulmischem Maße etwa 52 zu 104 Fuß, also etwas weniger als 31/2 zu 7 Ruthen.
Dieses einfache Zahlenverhältnis 1 zu 2 und die Einteilung in 8 quadratische
Gewölbejoche sind bewußt gewählt (Taf. 57). Die Breite des erweiterten Querschnitts war
vielleicht durch die örtlichen Verhältnisse begrenzt, die Längenausdehnung stand aber
im Belieben des Baumeisters, muß also wegen dieses Maßverhältnisses gewählt sein.
Keiner von den älteren Bauten im Kulmerlande oder an der Haffküste hat Remter von diesen
Ausmaßen, auch der Kapitelsaal des Hochschlosses nicht (9 zu 24 m). Bauherr und
Baumeister haben hier einen Gedanken von unerhörter Kühnheit verwirklicht. Zum ersten
und vielleicht einzigen Male wurde hier keine Laubenhalle oder Kreuzgang vor den Bau
gelegt, die Fenster der Hofseite stehen frei, und damit hat der Bau von zwei Seiten volles
Tageslicht, vormittags bis etwa 10 Uhr und nachmittags von 17 Uhr an.
Die drei achteckigen Säulen sind aus rotem Granit gehauen, sie
haben 38 cm Durchmesser und 3,30 m Höhe. Die Stärke ist also ein zwanzigstel der
Lichtweite. Sockel und Kapitäle sind aus Kalkstein gehauen.
Das Kapitäl der mittleren Säule hat nur Laubschmuck, das südliche
Kapitäl hat tanzende Männergestalten, das nördliche die Geschichte des ersten
Menschenpaares:
D i e F i r m a r i e, auch Herrenfirmarie genannt, nimmt die
Westhälfte des Nordflügels ein. Als offenbar ältester Teil schält sich die Westhälfte
mit den beiden Remtern heraus. Der Zusammenhang mit dem Westflügel ist unverkennbar. Er
zeigt sich insbesondere in den Granitsäulen des unteren Kellers oder in den steinernen
Fensterkreuzen von Meisters Küche und den beiden Firmarieremtern. Der Grundriß
wiederholt sich in drei Geschossen, dem Erdgeschoß und zwei Kellergeschossen. Die
Treppenanlage ist sehr geschickt entworfen, nur der Eingang wird durch den etwas späteren
Bau der Speisekammer neben Meisters Küche gestört. Man gelangt so zu der zeitlichen
Reihenfolge: Zuerst die große Außenwand der Westfront, dann die Firmarie mit
Kreuzgewölben, dann der große Remter mit ähnlichen Kellergewölben, die aber schon sehr
früh umgeändert wurden, zuletzt der Ausbau von Meisters Küche und Speisekammer, alles
aber in ganz kurzen Zeitabschnitten, schnell hintereinander gebaut.
Hinter dem Firmarieflur liegt die kleine Firmariekapelle.
Der größte Raum ist mit seinen Grundrißabmessungen von 11 :13 m die östlich
anschließende Halle, der Baderaum. Über ihm liegen die Kammern der Insassen, der alten
und siechen Ritter. Zugänglich war die Badstube vom Hof und vom Flur vor der Kapelle. Die
Größe dieses Raumes deutet auf eine starke Benutzung durch die Ritterbrüder hin. Es gab
Dampf- und Wannenbäder und wahrscheinlich noch andere Behandlungen. Über die Einrichtung
der Badestube wird im Zusammenhang mit den anderen Badstuben berichtet. - Die
Firmarieküche war im Untergeschoß gelegen.
Über den beiden Remtern erhebt sich der reiche Giebel der z. T.
noch erhalten war. Unverkennbar ist die Abhängigkeit von der Steinarchitektur des
Westens.
D e r To r b a u hängt äußerlich mit der Firmane eng zusammen,
kennzeichnet sich aber innen als selbständiger Bau. Über der Tordurchfahrt ist ein Turm
von 8,8 :15,2 m Größe errichtet, der die Mauerkrone des benachbarten Schloßflügels
überragt. Die Kunde vom Vorhandensein dieses Turmes war völlig verlorengegangen, er ist
spätestens Anfang des 18. Jahrhunderts bei den Dachbauten Augusts II. beseitigt,
vielleicht aber schon früher.
Bei der Untersuchung des Baues im Jahre 1900 fanden sich in den
Ecken der Nordfront Bögen, die nur Sinn hatten, wenn sie eine starke Mauer trugen. Daraus
ergab sich hier der Abschluß mit drei Seiten des Achteckes. Jedenfalls wollte man hier
die Möglichkeit zur Aufstellung von Bliden haben, vielleicht aber auch ein Seitenstück
zu dem stattlichen Firmariegiebel schaffen. Dieser Turmbau hat über der gewölbten
Tordurchfahrt drei gewölbte Obergeschosse und dann die mit Balken gedeckte Wehr; die
gewölbten Räume sind nur auf der Hofseite gut belichtet. Westlich schließt sich im
Firmarieflügel eine Baulichkeit von 3,5 m lichter Weite an, die im Erdgeschoß die
gewölbte Torwart-Zelle hat, darüber 2 Räume mit Balkendecken, als behagliche
Wachstuben, und darüber im Wehrgangsgeschoß wieder einen gewölbten Raum. Die Durchfahrt
hat drei einflügelige Torverschlüsse, davor einen Zwinger. Das Haupttor wird durch ein
Fallgitter gesichert, für das eine hohe Nische angeordnet ist, wie an den beiden
städtischen Toren. In der Brücke wird die Torklappe von Ketten an Schwungruten gehalten.
Diese Tor-Bauweise weicht von der des Hochschlosses völlig ab, gleicht aber dem
Schnitztor der Marienburg und dem Burgtor von Stuhm. Die Profile an den Portalwänden und
den Seitennischen sind ebenfalls selbständig. Die Ostfront muß längere Zeit frei
gestanden haben, denn hier ist eine stehende Fuge sichtbar.
Sie füllt den Raum zwischen dem Torbau und der Ostfront aus. Hier
waren die Umbauten am häufigsten erfolgt, die Veränderungen sehr groß. Zur polnischen
Zeit waren hier die Kanzlei und der königliche Schatz, also auch die Wohnung des
Schatzmeisters, so wird die Baulichkeit 1565 beschrieben. Johann Kostka, seit 1555
Schatzmeister von Marienburg und Unterschatzmeister von Preußen, hat die Wohnung umbauen
lassen; er starb 1581. Seit 1569 war er Ökonom und seit 1574 auch Starost von Marienburg.
Diese Zusammenlegung von Ämtern hatte zur Folge, daß hier 1607 bei der Kanzlei der
Unterstarost wohnte; 1626-1635 wohnten im Schlosse der schwedische Kommandant und dann der
kurbrandenburgische Gouverneur. In der Beschreibung von 1636 war hier die Starostei und
blieb es bis 1772. Dann war hier zunächst eine Offizierswohnung, später die Wohnung des
Magazinbeamten, schließlich die des Bezirksadjutanten. Die Schloßbauverwaltung übernahm
1892 Räume mit Balkendecken und in neuzeitlicher Einteilung.
Die Untersuchung ergab am Ostende einen ungefähr
quadratischen Raum von 10,25 :11,10 m Grundfläche, und dann nach Westen hin zwei Räume
mit zwei eng nebeneinander stehenden Fenstern auf der Hofseite und einen schmaleren Raum
mit einem Fenster. Diese 5 Hoffenster waren im Grunde gut erhalten. Im Erdgeschoß war
1565 eine Bäckerei, wohl der Ofen für die obere Luftheizung. Hiernach ergab sich die
alte Raumeinteilung. Kennzeichnend für diesen Bauteil sind die Gewölbesteine von 20 : 25
cm, die sich auch als Fliesen verwenden lassen, und die breiten Rippen der unteren
Gewölbe mit beiderseitiger Kehlung, die sich allerdings auch in der Firmane finden, aber
nicht im Keller vor Meisters Großem Remter. Der Zugang war durch die Treppe im Winkel
zwischen dem Nordilügel und Ostflügel, über den Gang vor den Kammern. Eine zweite, erst
nach völliger Ausräumung des Baues gefundene Wandtreppe liegt in der Tormauer und führt
vom Hof bis zum Wehrgangs-Speicher des Nordflügels.
Das Hauskomtursbuch nennt 1419 des Großkomturs Gemach und 1411 des
Großkomturs Kammern, 1383 und 1387 wird das umfangreiche Inventar seiner Kammer
verzeichnet. Sein Personal wird öfter genannt. Er brauchte also mehrere Räume, und das
führt zu der Annahme, hier seine Wohnung zu suchen. Dafür spricht auch, daß hier
später ein hoher polnischer Beamter wohnte, wie im Hochmeisterpalast der König. Der
Großkomtur hatte Obliegenheiten als Schatzmeister und war Aufsichtsbeamter für die
Amtsführung des Treßlers. Hier waren die polnischen Schatzmeister seine Nachfolger.
Das Erdgeschoß hat neben dem Tor eine mit Tonnengewölbe
überdeckte Pförtnerstube nebst einem Vorflur, zugänglich vom Torwege aus. Hieran
schlossen sich nach Osten Vorratsgewölbe und die Heizung an.
Die äußere Architektur ist an der Hofseite glatt, z.T. mit
Rautenmusterung belebt. Auf der Außenseite ist die ganze Nordfront
zusammengefaßt,. der
Wehrgang kragt einige Schichten vor. Den Mittelpunkt der rund 83 m langen Front bildet der
T o r t u r m; ihm steht gleichwertig zur Seite der große F i r m a r i e g i e b e l.
Tafel XVIII des Frick'schen Kupferwerkes gibt den alten Bestand
wieder; der Giebel hat sieben senkrechte Bahnen, die mit Maßwerkblenden gefüllt und oben
mit Kreisöffnungen und Giebeln abgeschlossen waren. Alt sind noch fünf, drei und zwei
Blenden mit Stuckmaßwerk und in den unteren Seitenbahnen die kreisförmigen
Durchbrechungen. Hiernach hat Steinbrecht die Giebel auf die übrigen fünf Felder
aufgesetzt. Der Abschluß der Giebelfelder mit Wimperg und Fialen war der
mittelalterlichen Baukunst geläufig. Die Gliederung durch waagerechte Gesimse ist der
Anfang einer Bereicherung, doch sind die Gesimse hier noch nicht um die Pfeiler herumgeführt. Es entstand nun die Frage, wie die Nordwestecke dieser
Front ausgebildet war; zuletzt hatte sie ein abgewalmtes Dach, das uns Breysig auf einem
Wasserfarbenblatt von 1818 überliefert hat. Man empfand hier bei der ersten
Wiederherstellung eine Lücke und setzte auf die Nordmauern einen hohen Giebel als
Seitenstück zum Firmariegiebel. Die neuere Untersuchung des Baues ergab aber, daß hier
und auch auf der Ostseite keine Verstärkung für den Unterbau eines Giebels war.
Steinbrecht vermutete hier einen Eckturm, weil Dalberg (in Pufendorfs Werk) einen solchen zeichnet und weil häufig zwei
Türme auf Wechselwirkung angeordnet sind, einer am Kernwerk, der andere - hier noch alt
erhaltene - in der Parchammauer. Beim Erdaushub zum Bau dieses Eckturmes traten die
Fundamente des alten Turmes zutage. Er hatte etwa 3,53 m Breite bei 0,67 m und 1,85 m
Vorsprung. Dieser Eckturm gehört zur ersten Anlage des Mittelschlosses, er ist im oberen
Teil wohl beim Kostkaschen Umbau, unten beim Magazinbau um 1800 abgebrochen.
D i e G a s t k a m m e r n. Über die Benutzung der Gastkammern
haben wir alte Angaben im Marienburger Treßlerbuch, die Ziesemer im Anhang zur
Veröffentlichung des Ausgabebuches des Marienburger Hauskomturs für die Jahre 1410-1420
mitgeteilt hat. Es handelt sich zunächst um die Ausrichtung der Kammern zum großen
Kapitel im Jahre 1404. Die Reihenfolge ist nicht örtlich bedingt, sondern durch den Rang
der einzelnen Gebietiger.
An erster Stelle steht der Gebietiger von deutschen Landen mit seinen Begleitern; der
Meister soll in der Großkomturs-Firmarie liegen, seine anderen Gebietiger in den zwei
nächsten Kammern, bei ihm. Die Dienerschaft derselben kommt in die Briefjungenkammer,
also schon in die Vorburg. Der Meister von Livland und drei preußische Komture werden
auch in Quartiere in der Vorburg gelegt. Dann kommt aber der Komtur von Thorn in der
ersten Kammer auf dem Gange, weiterhin 3 Komture in der anderen, in der dritten und in der
vierten Kammer auf dem Gange und endlich die beiden Vögte von Samland in der fünften
Kammer auf dem Gange. Es folgen dann wieder Quartiere in der Vorburg und in der
Herren-Firmane. Hieraus geht hervor, daß die zuerst genannte Kammer dicht an der
Großkomturei lag und daß im ganzen 8 Kammern belegt werden. Diese Zahl paßt genau auf
den in den Nordgastkammern verfügbaren Raum. Die Südgastkammern werden nicht belegt,
statt dessen werden alle möglichen Behausungen in der Vorburg herangezogen; es müssen
also in den Südgastkammern Beamte des Ordens ständig und in größerer Zahl gewohnt
haben. Bei der Ausrichtung des kleinen Kapitels im Jahre 1399 war der Raumbedarf nicht so
groß, es fehlten vor allem die Meister von Livland und von deutschen Landen. Es werden
daher nur die erste bis fünfte Kammer auf dem Gange belegt mit Komturen, Vögten und
Pflegern.
Im Jahre 1565 war östlich vom Mittelschloßtor, also in der alten Großkomturei die
Kanzlei und die königl. Schatzkammer. Der Eckremter wird nur sehr dürftig beschrieben,
als Stube mit einem Fenster, war also damals vielleicht etwas verbaut oder man hatte
einige Fenster verschlagen. Dann heißt es: »Bei dieser Stube zur Seite ist eine Kammer,
die Tür an ihr ist verschließbar, und an der Kammer ist ein Bedürfnisort, die Tür an
ihm mit Schloß und Klinke. Von diesem Kämmerchen ist in der Mauer eine verschließbare
Tür, durch die man über eine Brücke zu einem Türmchen geht. Diese Kammer kann nur das
erste Abteil der Nordkammern gewesen sein, wir hätten also ähnlich wie zur Ordenszeit
die erste Kammer als Zubehör zur Großkomturei. Der Revisor von 1565 beschreibt dann die
Speicherböden über den Gastkammern, dann das Erdgeschoß mit 8 Abteilungen und weiterhin
mit mehreren Abteilungen im Süden, dann geht er in das Hauptgeschoß zurück und
beschreibt sieben gewölbte Kammern für das Dienstpersonal im Hauptgeschoß. Dann
beschreibt er einen Gang mit einem notwendigen Kämmerchen, dann wiederum sieben Kammern
mit je einem Fenster und bei diesen wiederum einen Bedürfnisort. »Auf der andern Seite
dieser Kammern ist eine Kirche, und es ist diesen Kammern gegenüber an dem Kirchlein ein
hölzernes Gitter, durch welches man zu ihm hineinschaut. In dieser Kirche ist ein Altar
und drei Fenster .. .« Hieraus geht klar hervor, daß die acht Räume der Nordgastkammern
zuerst beschrieben werden, von denen einer noch zur königl. Schatzkammer gehörte, und
dann folgen die sieben Räume der Südgastkammern, neben der Bartholomäuskapelle. Dieser
Zustand von 1565 entspricht genau dem zur Ordenszeit, fraglich bleibt es nur, ob die
Südgastkammern in diesen Zeiten zweigeschossig ausgebaut waren, wie es der Befund lehrt.
An der Tatsache, daß die Nordgastkammern als gewölbt 1565 beschrieben werden, bei den
Südgastkammern aber jede Angabe über die Decke fehlt, möchte ich annehmen, daß die
Decken hier Balkendecken waren; dann hätte die Zwischendecke also nicht bestanden. In den
oberen Kammern lag vielleicht nur Gerümpel, weshalb der Revisor dort nicht hinging. Für
die Ordenszeit ergibt sich nun aber das Bild, daß in der nördlichen Hälfte eine Kammer
die Firmarie des Großkomturs war und dann nur die sieben nächsten Kammern für
Beherbergungszwecke zur Verfügung standen. Die jetzt sog. Südgastkammern müssen daher
dauernd von Ordensbrüdern oder von Beamten des Hochmeisters bewohnt gewesen sein. Die
Fenster sind verhältnismäßig klein, die Räume sind daher ziemlich dunkel, auch bei
voller Morgensonne. Als Arbeitsräume für Schreiber sind sie nicht verwendbar. Dagegen
sind sie durchaus geeignete Wohn- und Schlafräume. Umgekehrt haben die Räume im
Erdgeschoß und im 1. Untergeschoß des Hochmeisterpalastes Fensterplätze mit sehr guter
Belichtung: hier werden die Arbeitsräume für das sehr zahlreiche Kanzleipersonal zu
suchen sein; die Unterkunftsräume waren dann wohl in der Südhälfte des Ostflügels. Ein
Teil der Kleriker war wohl auf dem Pfaffenturm untergebracht. Daneben nennt das
Ausgabenbuch des Hauskomturs 1410-1420 Kammern von Schreibern, Priesterherren und
Pfarrern.
Das Treßlerbuch erwähnt eine Werkstatt für Anfertigung von Handschriften: all diese
Leute waren hier vielleicht untergebracht. Es kämen auch der Kellermeister des
Hochmeisters, ein Graumänteler, in Frage und die Kämmerer, die keineswegs zum niederen
Gesinde gehörten. 1413 hat der Erzbischof von Riga, Joh. von Wallenrodt, eine Kammer im
Schloß (Hauskomturbuch). 1405 wohnte er in Marienburg mit 60 Pferden in der Herberge
(Treßlerbuch S.357). Nach dem Stadtbrande von 1410 war das wohl nicht mehr möglich und
er erhält für sich eine Kammer in der Marienburg.
Über die Baulichkeit der Schäfferei fehlt es uns an genaueren Angaben. Die 1887 von
C. Sattler veröffentlichten Rechnungsbücher des Großschäffers von Marienburg von 1399
und 1404-1418 erwähnen nicht die Räume und enthalten nur Handelsrechnungen. Die
Amtsbücher des Hochmeisters und des Konventes haben keine Baurechnungen für die
Schäfferei, vermutlich, weil der Großschäffer in eigener Geldwirtschaft stand. Im
Hauskomtursbuch findet sich aber S.73 eine Notiz zum Jahre 1412 »item 1/2 m deme
Kleynsmede vor 2 sios, ichlich slos hot slossel, die meysters dyner vorere Kamer under der
scheffery". Aus dieser beiläufigen Erwähnung - kann man auf die Lage der
Schäfferei schließen. Meisters Diener werden nicht in der Vorburg, weitab von ihrem
Herren gewohnt haben. Im Palast ist kein Platz für die Schäfferei. So kommt man zu der
Annahme, daß die Schäfferei im Südteil des Ostflügels im Obergeschoß lag, und
darunter im Hauptgeschoß wohnten in einer Kammer Meisters Diener.
In der äußeren Architektur geht der Baumeister eigene Wege, wie sie vor und nach ihm
kein Ordensbaumeister beschritten hat.
1. Die Hofmauer ist mit 11 großen Blendarkaden gegliedert, und dadurch kommt ein
großer Maßstab in dieses an sich nicht sehr hohe Bauwerk; man empfindet es auch nicht,
daß der Mauerfuß um 3,5 m ansteigt. Bei der Wiederherstellung 1879 war die Sicherung der
Pfeiler das erste, dann ließ sich das Zwischenfeld leichter abfangen. Mühe machte nur
ein Pfeiler, dessen Unterteil gänzlich morsch war; hier mußte der ganze Pfeiler auf
einem Tisch abgefangen und dann in voller Stärke unterfangen werden.
2. Die 1,40 m starke Außenmauer ist im älteren südlichen Teil mit Strebepfeilern von
1,14 m Breite und 0,63 m Vorsprung regelmäßig besetzt, im nördlichen mit solchen vom
0,78 :1,32 m. Es bestand hier wohl die Absicht, Material zu sparen. Künstlerisch treten
diese Strebpfeiler fast gar nicht in Erscheinung, da sie von der Parchammauer verdeckt
werden.
3. Notwendiges Zubehör wird in Anbauten verlegt. Die Bartholomäuskapelle springt 5,20
m in den Hof hinein, und dadurch wird die Hoffront beiderseits eingerahmt. Auf der
Feldseite sind zwei Danzken auf die Parchammauer gesetzt. Vom Mitteldanzk war noch der
westliche Kämpfer des Brückenbogens erhalten, von dem anderen der Unterbau der
Parcham-Sperrmauer. Der Baumeister hat also das Bestreben, keine geschlossene Baumasse zu
schaffen und bereichert dadurch die äußere Erscheinung.
Sie ist im Zusammenhang mit dem Ostflügel des Mittelschlosses erbaut und dient
zugleich als vornehmer Eingang zu den dort eingerichteten Wohnungen; die Grundmaße sind 5
X 7,5 m. Sie wird 1394 mit ihren Kirchengeräten zuerst erwähnt, zum Glockamt gehörig.
Aus dem reichen Bestande ist zu erwähnen eine hölzerne Tafel mit Heiligtum, wohl die
Altartafel; 1437 werden außerdem noch ein Bernsteinbild und ein hölzernes ,,Jorgebilde«
mit Heiligtum genannt. Vielleicht war dies eine ähnliche Georgenfigur wie die
Altmünsterberger, die jetzt in der Lorenzkapelle steht. 1417 wurde der bisherige
Chorcapellan Oswald Pfarrer zu St. Bartholomäus, ein Glöckner wird 1418 genannt. 1565
stand in dieser Kirche noch ein Altar; der Zugang von dem langen Gange war durch ein
hölzernes Gitter verschlossen; sie diente jetzt als Vorratskammer. 1607 hatte sie noch
den Titel des St. Bartholomäus; während der schwedischen Besetzung 1626-1629 muß hier
eine Veränderung erfolgt sein, denn 1649 führte sie einen anderen Titel, nach dem
Apostel der Preußen St. Adalbert; der steinerne Altartisch war bereits leer, 1675 war sie
anscheinend wieder benutzungsfähig. Im nordischen Kriege wurde die Kapelle von den
Schweden durch die Lagerung von Proviantvorräten profaniert, daher wird sie 1724 als
wüst und unbenutzt beschrieben, ohne Altaraufsatz, und blieb so bis 1772. Beim Magazinbau
1799-1803 wurde der vorspringende Teil abgebrochen, so daß nur der in der Verlängerung
des Ganges liegende Teil stehen blieb und durch eine Stellwand geschlossen wurde; der
Kapellenkeller blieb aber vollständig erhalten. Rabe konnte noch den alten Grundriß
richtig zeichnen. Für die Wiederherstellung enthielt die Südwand noch ein vermauertes
Fenster und die Gewölbeanfänger. Von der fensterlosen Nordwand waren in der einen Nische
noch Teile der alten Bemalung erhalten, in einer Renaissancearchitektur ein Heiliger, grau
auf blau gemalt.
Hochmeister
Albrecht von Brandenburg, Ulrich von Jungingen, Winrich von Kniprode,
Hermann von Salza
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