16. - 19. Oktober 1813
 
19. Oktober 1813

Fürst Schwarzenberg hatte am Abend des 18. Oktober auf der Höhe von Meusdorf einen konzentrischen Angriff seiner Truppen auf Leipzig befohlen, und obgleich es durch die große Unruhe, die im Dunkel der Nacht sich in den Stellungen der Franzosen zeigte, und durch den ständigen Rückzug der Trains, Munitionskolonnen, Kavalleriekorps klar werden mußte, daß Napoleon an eine Erneuerung der Schlacht nicht dachte, blieb es bei den Befehlen des Oberfeldherrn.

Gegen 7 Uhr früh trafen der Zar, der König von Preußen und Fürst Schwarzenberg sich auf den Höhen von Probstheida, um den letzten Kriegsrat für den beginnenden Sturm auf Leipzig zu halten. Der Zar ritt an die russische Sturmkolonne des Grafen Wittgenstein heran und redete zu seinen Soldaten: »Kinder! Gekämpft habt ihr in diesen Tagen als unbesiegbare Helden, jetzt aber seit großmütig gegen die Besiegten und gegen die Bewohner der Stadt. Euer Kaiser bittet euch darum, und wenn ihr mich lieb habt, so werdet ihr meine Befehle getreu erfüllen!«

Der Endkampf beginnt

Probstheida war leer und wurde dann von dem 9. preußischen Landwehrregiment besetzt. Der König stellte seine Landwehr dem Zaren vor. Von den 1.000 Mann, die das Regiment am vor Beginn der Schlacht gezählt hatte, standen nur noch 435 in Reih und Glied.

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Fürst Schwarzenbergs Anordnung hatte jeder stürmenden Kolonne eins der Leipziger Tore überwiesen. Die Kolonne Colloredo sollte auf der Bornaer Straße anrücken und das Peterstor, Barclay de Tolly das Windmühlen- und Sandtor, Bennigsen, von Stötteritz vordringend, das Spitaltor angreifen. Der Kronprinz von Schweden hatte das Grimmaische und Blücher mit seiner Schlesischen Armee das Hallische Tor zugewiesen erhalten. So rückten die Kolonnen gegen die Stadt an, die noch bis oben voll von Verteidigern und auf dem Rückzug befindlichen Franzosen steckte.

Napoleon stieg gegen 9 Uhr zu Pferde, um nach einem Abschied von dem König von Sachsen die Stadt zu verlassen. Noch in der Morgenfrühe hatte der Kaiser, um Zeit zu gewinnen, den Magistrat veranlaßt, an alle Heerführer der Verbündeten Gesuche um Schonung der Stadt zu richten. Die Monarchen empfingen die Deputation auf dem Thonberge vor Leipzig im Rahmen eines glänzenden Gefolges.

Der Sturm auf Leipzig

Inzwischen waren von allen Seiten die Sturmkolonnen gegen Leipzig vorgedrungen. Die Stadt Leipzig war damals mit starken Mauern umgeben und mit Wachttürmen versehen. Durch die Mauern führten vier Tore in das Innere und für Fußgänger außerdem noch vier sogenannte kleine Pförtchen. Rund um die Mauer lief ein tiefer, aber an den meisten Stellen trockener Graben, über den breite Steinbrücken zu den Toren führten. Das Glacis jenseits des Grabens war mit breiten Lindengängen bedeckt.

Schon hatten die Franzosen und Rheinbundtruppen das ganze Vorterrain aufgegeben und der Sturm drohte an die Mauern der Stadt zu branden, als Kaiser Alexander, bewogen durch die Deputationen des Magistrats und den königlichen Oberst von Ryssel, wie schon erwähnt wurde, die Feindseligkeiten einzustellen befahl. Die zarische Majestät entsandte alsbald nach einer Besprechung mit König Friedrich Wilhelm den General von Toll, seinen Flügeladjutanten, und den preußischen Oberstleutnant von Natzmer nach Leipzig hinein zum König August. Sie hatten den Auftrag dem sächsischen Herrn zu erklären, daß, nachdem alle früheren Anträge der Verbündeten zurückgewiesen worden seien, von Unterhandlungen zwar nicht mehr die Rede sein könne, daß man aber die Stadt Lepzig gern schonen würde, wenn der Feind sie unverzüglich räume; die sächsischen Truppen wolle man nicht als Feinde ansehen, wenn sie sich jeder Teilnahme am Kampfe enthielten und in rückwärtigen Stellungen ihre Gewehre in Pyramiden zusammensetzten. Frist eine halbe Stunde.

Die Parlamentäre mußten sich in Leipzig herumdrängen und wurden zunächst zu drei der befehlshabenden Marschälle geschickt. Noch war der Kaiser selbst in der Stadt, auf dem Wege zum Ranstädter Steinweg. Aber weder der Fürst Poniatowski noch der Herzog von Castiglione, Augereau, noch der Herzog von Belluno, der kühle Marschall Victor, konnten oder duften sich auf irgend etwas, was nach Kapitulation aussah, einlassen. Über diesen Umweg gelangten unter großem Zeitverlust die beiden Offiziere endlich auf den Markt zur Wohnung des sächsischen Königs. 


Angriff auf das äußere Grimmasche Tor

Die Majestät ließ durch seinen Staatsminister von Einsiedel ausrichten, daß Seine Majestät der König »beschäftigt sei«. Auf die Entrüstung General von Tolls erschien Friedrich August nach wenigen Minuten und erklärte, daß die Sachsen nicht die Waffen strecken werden. Die Marschälle, denen der Kaiser die letzte Verteidigung der Stadt anvertraut hatte, waren in sich uneinig über das, was zu tun sei. Herzog Ney war mit dem Kaiser abgeritten und Herzog Macdonald versah mit der ihm eigenen Umsicht und Gewissenhaftigkeit den schweren Dienst, Leipzig zu verteidigen.

Der Kampf um die Grimmaischen Tore

Im blutigem Ringen waren die Vorstädte und Gärten von den Angreifern genommen worden. Das äußere Grimmasche Tor war mit Wagen, Lafetten und Palisaden verrammelt und wurde . Wenige Mann an der Bresche hätten die Preußen mit Kolben und Bajonett längere Zeit aufhalten können, aber die Besatzung des Tores hatte sich zurückgezogen.

Von allen Seiten fluteten die Verteidiger in die Stadt zurück, d.h. sie wollten zurück, aber laut kaiserlicher Order waren die Tore versperrt. Wie gewissenhaft es die Rheinbundtruppen mit den kaiserlichen Befehlen nahmen, mußte Napoleon selbst erleben, als ihn die badische Torwache nicht hinauslassen wollte. Wie eine Herde wurden die Trümmer der französischen Division Charpentier und der Rheinbunddivision Marchand durch die Allee auf das Innere Grimmaische Tor getrieben, von allen Seiten bedrängt, beschossen, mit dem Bajonett angegriffen, ein verlorenes Häuflein, das vergeblich an das Grimmaische Tor klopfte. In das dichte Gewimmel von Franzosen und Rheinbündlern prasselte der Hagel der preußischen Schützen, die hinter Bäumen und was sich sonst noch an Deckung bot, sicher zielen konnten. Gleichzeitig aber drangen russische Batterien auf dem Steinweg vor und kartätschten darauflos — keine Schlacht mehr, ein Schlachten.

Durch den Ansturm gibt das innere Grimmaische Tor nach, bricht, und die Flüchtenden wälzen sich in die Stadt. Aber noch gelingt es den Badensern, das Tor wieder zu verrammeln und den nachdringenden Verfolgern den Eingang zu verwehren. Eine Zeitlang hielt sich das Grimmaische Tor noch. Immer mehr Verbündete stürmten heran, und plötzlich brach das innere Tor zum zweiten Mal. Damit schien der französische Widerstand an diesem Ende der Stadt erlahmt.


   Hallesche Tor nach der Schlacht

Gegen das Hallesche Tor drang das Blüchersche Heer vor. Hier fochten, da General von Yorck mit seinen Preußen bereits nach Halle abmarschiert war, um die Verfolgung aufzunehmen, die russischen Abteilungen des Blücherschen Heeres unter Sacken und Langeron. Die Polen der Division Dombrowski und die französische Division Durutte unter Anführung Reyniers hatten hier die Verteidigung. Der Übermacht mußten die Verteidiger nach tapferer Gegenwehr weichen. 

Sie zogen sich an das Ranstädter Tor zurück, um dem Übergang über die Elster näher zu sein. Hierher zog sich auch Fürst Joseph Poniatowski zurück, der das Peterstor gegen Bennigsen zu verteidigen hatte. Als Bennigsen die Petersvorstadt so leicht gewann, marschierte er gegen das Glacis vor, wurde hier aber von polnischen Geschützsalven empfangen. Es kam zu einem heftigen Geschützkampf, in den dann plötzlich der furchtbare Donner hineintönte, den die vorzeitige Sprengung der Elsterbrücke verursachte.

 

Die Sprengung der Elsterbrücke

Der gewaltige Donner, mit welchem die Elsterbrücke, der letzte feste Weg, den die Nachhut der geschlagenen Armee über die Elster hatte, in die Luft flog, war sozusagen das Finale dieses furchtbaren Schlachtengetöses von drei Tagen. »Der Schlag war so heftig«, sagt ein Augenzeuge, »daß wir, an 15 Personen, die wir etwa 100 Schritte davon in einem Garten standen, betäubt zu Boden geworfen und eine ziemliche Strecke fortgekollert worden. Große Quaderstücke und die Brustlehnen der Brücke wurden zwei Stock hoch in den Saal der Kleinen Funkenburg geschleudert.«

So wichtig wie für den Rückzug der französischen Armee, so wichtig mußte diese Elsterbrücke am Ranstädter Tor dem Feinde für das Nachdrängen sein. Man hatte daher von französischer Seite die Vorbereitungen getroffen, die Brücke im richtigen Augenblick, nachdem die französische Armee sie passiert hatte, in die Luft zu sprengen. Die Kompanie der Gardesappeure wurde dem Genieobersten Montfort zur Verfügung gestellt, um die Sprengungsarbeiten einzuleiten. Alles war vorbereitet. Unter dem westlichen Ende der Brücke war ein Pulverkahn vorbereitet untergeschoben, in den nur der Funke zum Zünden geworfen zu werden brauchte.


Sturm auf das Grimmasche Tor      

Nun war aber Oberst Montfort nicht genau über die Ordnung des Rückzugs informiert. Eine Brücke mit einem untergeschobenen Pulverkahn und ein Korporal mit brennender Lunte sind zwei Dinge, die  möglichst lange auseinander bleiben sollten. In diesem Augenblick erscheinen einige Jägerabteilungen vom Korps Sacken vom Rosental her, die alsbald zu schießen beginnen. Sie wären leicht zu vertreiben gewesen, aber in den Augen des Koporals wurden sie zu einer großen Gefahr und schon flog der Funke in den Kahn. Was sich über die Brücke wälzte, flog in die Luft: Balken, Steinmassen, Menschen, Wagen, Pferde, explodierende Munitionskarren dazwischen. Aber die Flut der Flüchtenden drängt nach, gepeitscht von den Schüssen preußischer und russischer Jäger, vor sich plötzlich die Elster ohne rettende Brücke.

Es blieb nur die Wahl, entweder in den Fluß zu springen, oder vor den Siegern die Waffen zu strecken. Viele suchten sich durch Schwimmen zu retten. Ganze Haufen von Monturen, Kürassen, Waffen, Stiefeln, die man am Ufer fand, zeigten das. Aber der Fluß war reißend und bald staute seinen Lauf ein Wehr von Leichen ertrunkener Menschen und Pferde, dazwischen die Trümmer von Kriegsgerät, ein grauenhaftes Bild der Zerstörung. Im Richterschen Garten hatten sich Tausende zusammengedrängt, die noch hofften, den Verbündeten zu entkommen. Es ging ein Laufsteg vom Richterschen Garten über die Elster, der aber bald unter der Last der Menschen brach.


   Der Tod des Fürsten Poniatowski

Der Fürst Joseph Poniatowski forderte die aufgelösten Truppen zum Standhalten auf. Dann, als alles verloren war, warf er sich mit seinem Pferd in die Elster. Das Pferd konnte im Moorgrund des Ufers nicht weiter, und der Fürst sprang ab. Es gelang, ihn an das Ufer zu ziehen, und er, obgleich von seinen Wunden erschöpft und von der Aufregung der sechstägigen Kämpfe (er stand seit Liebertwolkwitz — 14. Oktober — im Kampf), kletterte auf ein anderes Pferd und sprengte von neuem in die angeschwollene Elster. Er kam nicht mehr zum Vorschein, eine preußische Kugel hatte ihm die Brust durchbohrt.

Der Sieg

Gegen 1 Uhr mittags erschienen Kaiser Alexander und König Friedrich Wilhelm in Begleitung des Fürsten Schwarzenberg und eines großen Gefolges in Leipzig. Kaum drei Stunden war es her, seit der korsische Imperator die Stadt verlassen hatte. Auf dem Marktplatze von Leipzig verkündete Gneisenau im Kreise von Offizieren: »Der Krieg darf nur in Paris und mit dem Sturze Napoleons enden!« Auf diesem Marktplatz wurde noch am selben Tag Blücher zum Generalfeldmarschall ernannt.

Auf Seiten der Verbündeten betrugen die Verluste rund 1800 Offiziere und 50.000 Soldaten tot oder verwundet. Die französische Armee erlitt einen Verlust von annähernd 40.000 Mann und ließ an Gefangenen, an Kranken und Verwundeten in Leipzigs Lazaretten 30.000 Mann in den Händen der Verbündeten zurück.

An Beute ist den Verbündeten 28 Fahnen und Adler, über 300 Geschütze, über 900 Munitionswagen, an die 15.000 Zentner Pulver und an 40.000 Infanteriegewehre in die Hände gefallen. Unter den Gefangenen waren 36 französische Generale, darunter Reynier, Charpentier und der Marquis de Lauriston. Das ganze Elend des männermordenden Krieges mußten die Verwundeten erdulden. Leipzig war bis oben vollgestopft von zerschossenen und sterbenden Kriegern. Die Feldlazarette waren Pesthöhlen.  


Siegesparade in Leipzig              

Keine Zeit für den Einzelnen, die notwendigen Amputationen mußten in wenigen Minuten erledigt werden.

In der Leipziger Schlacht verspielte Napoleon seine rechtsrheinischen Positionen und entging nur knapp seiner vollständigen Vernichtung. Verfolgt von preußischen Truppen unter Blücher, in einer letzten Kraftanstrengung die bayerischen Truppen unter Wrede beiseiteschiebend, erreichte seine von Tag zu Tag weiter dezimierte Armee den Rhein am 2. November. Ende November stand kein französischer Soldat mehr auf deutschem Boden. Der Krieg wurde nunmehr an seinen Ausgangspunkt nach Frankreich zurückgetragen.