16. - 19. Oktober 1813
 
 
Der Angriff der Verbündeten beginnt

Bald nach 12 Uhr mittags griff das Korps Langeron Radefeld an, ohne viel Widerstand zu finden. Es war der General Graf Normann mit seinen württembergischen Reitern, der hier stand, sich aber zum höchsten Erstaunen des Blücherschen Hauptquartiers nicht auf das die vier Straßen tragende Plateau, sondern gegen Lindenthal zurückzog. Eine Attacke, die alsbald Oberstleutnant von Katzeler mit dem ostpreußischen Nationalkavallerieregiment ritt, wurde abgewiesen.

Hinter den Württembergern zeigte sich die Front eines Infanteriebataillons, das am Waldsaume von Lindenthal gut postiert, mit Erfolg auf die preußische Kavallerie schoß. Nach einem Versuch, zwischen Lindenthal und Wahren gelegene Artillerieschanzen, die mit 16 Geschützen besetzt waren, noch eine zeitlang zu halten, ging die französische Avantgarde auf die Hauptstellung zwischen Möckern und Wiederitzsch zurück. Noch immer glaubte Blücher zwar, daß von jenem Plateau, von Breitenfeld, Gefahr drohe. Er behielt daher das Korps Sacken als Reserve zur Hand. — Aber Yorck sah ein, daß er bei Verfolgung der ihm gegebenen Direktion dem Feinde seine rechte Flanke bot. Er beschloß daher, ohne die Befehle des Oberkommandos abzuwarten, eine Rechtsschwenkung zu vollführen, um die richtige Angriffsfront zu haben. Ein Überblick über die feindliche Stellung zeigte ihm die große Bedeutung des Dorfes Möckern und schon war man der feindlichen Stellung so nahe gekommen, daß gehandelt werden mußte.


    Blücher

Auch der tapfere Major von Hiller, der die Yorcksche Avantgarde führte, handelte auf eigene Faust. Er warf die französischen Vortrupps aus den Dörfern Stahmeln und Wahren hinaus und marschierte an der Elster längs gegen Möckern. Hier stieß plötzlich eine halbe Kompanie österreichischer Jäger zu den Preußen. Willig schlossen sie sich der preußischen Avantgarde an. So ging es auf Möckern zu, auf die Nordseite des Dorfes, die sich an der Straße Halle-Leipzig ungefähr 300 Schritte breit hinlagerte, jedes Haus, jede Scheune von den in der Verteidigung geschickten Franzosen in eine Festung gewandelt. Die Gartenhecken, die Mauern und Zäune sprühten, die Büsche am Elsterabhang waren gute Verstecke für französische Tirailleurs. Die Batterien Marmonts, jenseits des Dorfes sehr günstig postiert, sandten ihre Kugeln den Angreifern entgegen. 

Voran Major von Klüx mit seinem Vortrab: Gardejäger, ostpreußische Jäger, ostpreußische Infanterie, schlesische Landwehr des Bezirks Neisse. Während die preußische Artillerie am Hohlweg der Landstraße auffährt, stürmt die Infanterie in das Dorf, dringt auf eine Strecke hinein, wird aber von den Marinesoldaten Marmonts mit solchem Ungestüm empfangen und zurückgeworfen, daß sogar die Jäger, die in geschlossener Kolonne als Soutien folgen, in Unordnung kommen. Ein sofort unternommener zweiter Angriff gelingt nicht besser. Im Feuer muß Major von Hiller seine Truppen ordnen: dann von neuem vor, zum dritten Mal.

Graf Wedell, Führer der Neissener Landwehr, leitete den ersten Angriff. Mit dem Bajonett werfen sich seine Landwehrleute gegen ein großes massives Gehöft, nehmen es, nisten sich ein und decken das Vorgehen der Jäger, der Ostpreußen. Aber Marmont erkennt so gut wie Yorck den Wert des Besitzes von Möckern. Er sendet, als er die großen Verluste seiner 2. Mariner sieht, die 1. Mariner zur Hilfe. Schon sind die Preußen mitten im Dorf, schon an der Querstraße, die zur Elsterbrücke führt, da rücken die alten Marinesoldaten an.

Es entspinnt sich ein Nahgefecht, französische Marinesoldaten, preußische Jäger, Landwehr, Linie, alles ein Knäuel, blutig, fast unentwirrbar. Und in diesem Augenblick kommen die Leibgrenadiere zu Hilfe. Sie haben den steilen Uferhang von der Elster her erklommen, sie dringen ins Dorf, die französischen Seeleute wanken! Aber in diese Augenblick, als sich schon der Sieg in Möckern auf die Seite der Angreifer zu neigen scheint, eilt im Laufschritt das 37. Leichte der Division Langrange heran, Artillerie im Rücken und in der Front, Gewehrfeuer desgleichen, Hiller muß seine dezimierten Bataillone zurücknehmen, Sterbende und Verwundete müssen zurückbleiben, die Verluste sind ungeheuer.

Hiller holt alles vor, was er zur Hand hat: zwei schlesische Landwehrbataillone, das erste Brandenburger Bataillon und die westpreußischen Grenadiere. Es ist die höchste Zeit; denn schon dringt der Feind aus dem wieder eroberten Dorfe vor und stürzt sich auf eine wehrlose Batterie und erobert eine Haubitze. Hiller attackiert mit gefälltem Bajonett die Franzosen, wirft sie in das Dorf zurück, dringt von neuem in das brennende Dorf ein und dringt vor bis zum anderen Ende. Während Hillers Männer im Dorfkampf rangen, wandten sich die Brandenburger Grenadiere vom Leibregiment mit Wucht gegen die Batterie, die, schräg gegen Möckern gerichtet, so verheerend wirkte. Trotz der Kartätschenladungen, die ihnen entgegengeschmettert wurden, gingen die Leute vor. 


Angriff auf Möckern              

Aber da warf sich ihnen plötzlich ein frisches Marinebataillon in die Flanke. Unter schweren Verlusten wurde das Leibgrenadierregiment nach Möckern hineingeworfen und dort auch in den Dorfkampf verwickelt. Es blieb dem General Yorck nichts übrig, als die 2. Brigade Prinz Karl von Mecklenburg einzusetzen, um endlich Möckern zu nehmen.

Und in dies Getöse hinein rauscht die 2. Brigade, die der Prinz von Mecklenburg heranführt, an der Spitze das ostpreußische Füsilierbataillon unter Major Penzig. Aber der Herzog von Ragusa hat von seiner erhöhten Stellung wohl bemerkt, was am Werke ist. Division Compans hat halbrechts gemacht und sich in Bereitschaft gesetzt, zur rechten Zeit zur Stelle zu sein. Ragusa in Person führt frische Marinesoldaten gegen Mecklenburg vor. Bis auf 50 Schritt lassen die Seeleute von Brest und Toulon die Ostpreußen herankommen, dann geben sie ein mörderisches Feuer, und zugleich sprühen die Hecken und Mauern von Möckern. Unter diesem Kreuzfeuer schmilzt das Bataillon Ostpreußen rasch zusammen, weicht und löst sich auf. Seine Trümmer retten sich in das Dorf hinein. Aber schon sind die Musketiere heran: die Bataillone von der Schleuse und Kurnatowski; werfen sich auf die Marinesoldaten und zersprengen sie, wenden sich gegen die Batterie von Zwölfpfündern. Aber plötzlich taucht ein neues französisches Bataillon auf, der Angriff der Ostpreußen stutzt, Prinz Mecklenburg sprengt heran, sie fortzureißen. Einige blind abgegebene Schüsse lassen inmitten der französischen Infanterie zwei Pulverwagen in die Luft fliegen. In dieser Verwirrung dringt das Bataillon von der Schleuse auf die Batterie ein; schon sind zwei Geschütze erobert, die Bedienungsmannschaften zu Boden gestoßen. Da führt General Compans eine neue Sturmkolonne vor und wirft sich den Preußen in die linke Flanke. Der Angriff ist abgeschlagen. Die preußischen Batterien müssen zurück, der Feind drängt scharf nach. Die Trümmer der Brigade Mecklenburg fluten zurück: über 1500 Mann Verlust im Verlauf einer knappen Stunde.

Und während östlich von Möckern auf Höhen dieser Kampf tobt, wütet ein nicht weniger mörderischer Kampf im Dorfe selbst. Es ist der siebente Angriff auf Möckern. Man hatte aufgegeben, in geschlossenen Kolonnen vor dringen. In einzelnen Trupps von 20, 30, Mann, bunt durcheinander Landwehr, Jäger, Grenadiere, Füsiliere, drängte und pirschten sich an die Gehöfte heran, um diese kleinen Festungen zu erobern. Französischen Marinesoldaten wehrten sich hartnäckig.


       Häuserkampf in Möckern

Allmählich mußte Marschall Marmont immer mehr Teile der Division Compans einsetzen. Auf seinem rechten Flügel, gegen den die Brigaden Horn und Hünerbein vorging langsam und sich zurückhaltend,  denn Yorck wollte erst die beiden Dörfer Klein- und Großwiederitzsch von Langeron erobern lassen, bevor er auf seinem linken Flügel ernst machte. Auf seinem rechten Flügel beschränkte Marschall Marmont sich auf eine schwere Kanonade. Die beiden preußischen Brigaden hatten harte Verluste durch das wohlgezielte Feuer der französischen Artillerie. Und immer noch kämpfte Langeron mit sein stattlichen Korps von 15.000 Mann gegen einen Feind, dem er viermal überlegen war an Zahl, Infanterie noch weit mehr. 

Der polnische General Dombrowski verteidigte mit vier Bataillonen und 14 Geschützen sowie 14 Schwadronen Kavallerie die Dörfer Klein- und Großwiederitzsch. Zugleich mit der Avantgarde Yorcks hatte auch die Avantgarde Marquis Langeron unter dem General Kapwitsch angegriffen. Mit größter Zähigkeit klammerten sich die Polen Dombrowskis in der Dörfern fest. Als aber die Kavallerie unter Fournier gegen die Russen versagte, wurden die Dörfer leergefegt. Mit Verlust mehrerer Geschütze und Munitionswagen und 500 Gefangenen mußten die Polen zurück auf Eutritzsch. Aber Dombrowski sammelte alles, was er hatte, und führte seinen Gegenstoß mit soviel Geschick und Wucht, daß die Russen Hals über Kopf wieder hinaus mußten. Marquis Langeron selbst setzte sich an die Spitze seiner Truppen und warf dank seiner Übermacht die Polen und Franzosen wiederum auf Eutritzsch zurück.

Da erschien die ungefähr 5.000 Mann starke französische Division Delmas, welche den Fuhrpark und die Reserveartillerie 3. Korps nach Schönefeld führen sollte. General Delmas, der seine Aufgabe hatte und hier gerade in ein Gefecht hineinplatzte, das ihn im Grunde gar nichts angehen durfte, schob einige Bataillone vor, um seinen Abmarsch zu decken. Sein Erscheinen war demnach für Langeron ein Schreckschuß, da der russische General die französischen Infanteriekolonnen und den großen Wagenpark für ein anmarschierendes Korps hielt. So blieb Langeron gefesselt in seiner Stellung. Ja, als Delmas jene Bataillone vorschob, glaubte Langeron sich angegriffen und es kam nun zwischen den Russen und Franzosen zu einem erbitterten Nahkampf um das nordöstlich von Wiedritzsch gelegene Birkholz. Selbst Blücher glaubte jetzt, daß seine Ahnung, die Hauptmacht des Feindes käme aus jener Richtung, sich bestätigte, und hielt das Korps Sacken als Reserve zurück.

Yorcks entscheidender Angriff

Die Brigade Horn und Hühnerbein rückten unter schweren Verlusten in einem mörderischen Muketen- und Kartätschenfeuer gegen den rechten Flügel Marmonts vor. Von ihnen war Hilfe bei Möckern nicht zu erhoffen, sie hatten genug mit sich selbst zu tun. Wollte Yorck noch einen entscheidenden Erfolg erzielen, so mußte er seine letzten Reserven, die acht Bataillone der Brigade Steinmetz einsetzen. Es waren zwei Grenadierbataillone und sechs Landwehrbataillone, mit welchen Oberst von Steinmetz gegen die französische Stellung vorrückte. Zugleich sandte Yorck den Grafen Brandenburg zu den Generalen Horn und Hünerbein und ließ auch ihnen den allgemeinen Angriff befehlen. Der Herzog von Ragusa hatte inzwischen seine Truppen auf die Höhe zurückgenommen, seine Batterien neu gerichtet und wartete den Angriff der Preußen ab.


        Yorck

In zwei Treffen ging Oberst von Steinmetz vor. Drei seiner Bataillone warf er in das Dorf, mit den anderen fünf suchte er im Sturmschritt mit gefälltem Bajonett die Höhe zu gewinnen, die Marmont besetzt hielt. Bis auf 100 Schritt drangen die Bataillone Steinmetz an die Front des Feindes heran. Aus Geschützen und Gewehren sprühte den Angreifern ein solcher Feuerregen entgegen, daß im Nu alle Stabsoffiziere bis auf einen hinweggefegt waren. Die Bataillone stutzten, wankten, wichen. Wohl drang das zweite Treffen, von Steinmetz selbst geführt, über die Leichen der Waffenbrüder vor. Aber während die preußischen Batterien infolge Munitionsmangels schwiegen, schmetterte Marschall Marmont aus 40 Geschützen Tod und Verderben.

Oberst von Steinmetz fiel, die Majors, die Hauptleute sanken tot oder verwundet. Ein letzter Anlauf wurde genommen; die Franzosen warteten den Zusammenstoß nicht ab und räumten den Kirschberg. Um dieselbe Zeit hatte eine Schar Freiwilliger bei Wahren eine Laufbrücke über die Elster aufgefunden und war am jenseitigen Ufer hinab nach Möckern gedrungen, wo sie, was andere schon zu Anfang versucht, an den stehengebliebenen Brückenjochen hinauf kletterten und den Feinden, die im Dorfe standen, in den Rücken fielen, während die Brigaden Horn und Hünerbein von der entgegengesetzten Seite eindrangen. Da flogen einige französische Munitionswagen in die Luft und richteten so große Verwirrung an, daß Marmont, der hierbei selbst verwundet worden war, die Ordnung nicht sogleich wieder herzustellen vermochte. Jetzt war der Augenblick zum Einhauen für die Reiterei gekommen. Es war gegen 5 Uhr nachmittags; Yorck erkannte, daß, wenn er die in Verwirrung geratenen Franzosen erst wieder zur Besinnung kommen lasse, Möckern und mit ihm die Schlacht für ihn verloren sei. Schon rückten neue feindliche Infanteriekolonnen heran; die preußischen Brigaden waren völlig aufgelöst, Yorck stand kein geordnetes Bataillon mehr zur Verfügung. Da erblickte er links der Straße von Möckern drei Schwadronen Brandenburger Husaren, kaum 200 Mann, in Linie aufmarschiert.

Sohr begab sich mit seinen Husaren etwas rechts von der Mitte der in großen Intervallen aufgestellten Schwadronen. Major von Sohr gelang es, mit seinen Reitern zwei feindliche Vierecke zu sprengen, die französische Reiterei, die herbeieilte, zurückzuwerfen und fünfzehn Kanonen nebst fünf Munitionswagen zu erbeuten. Der Major selbst wurde durch den rechten Arm geschossen. Als er sich bei Yorck meldete, sagte der General: »Ich habe Ihnen den Sieg des heutigen Tages zu danken, und ich wende es Ihnen und Ihrem braven Regimente nie vergessen.«

2000 Mann Gefangene, ein Adler, zwei Fahnen, 40 Stück Geschütze und eine Reihe von Munitions wagen waren den Preußen in die Hände gefallen. Der französische Feldherr gab seinen Verlust an Toten und Verwundeten mit 7.000 Mann an. Von den ungefähr 20.000 Mann, mit welchen Yorck in die Schlacht gegangen war, waren kaum 13.000 Mann übrig. Als die Spitzen der preußischen Vorhut sich  Marschall Marmont zeigten, lag die Entscheidung nicht mehr bei Wachau und Güldengossa, sondern im Nord Leipzigs bei Möckern. 


Yorcks Reiterangriff auf Möckern     

Denn hätte Napoleon zur rechten Zeit das Korps Marmont südlich Leipzig gehabt, so wäre, bevor noch ihre Reserven her waren, der Ring der Verbündeten gesprengt und bei der Überspannung der Kräfte ein jähes Erlahmen erfolgt.

 

 
17. Oktober 1813

Der 17. Oktober, ein Sonntag, war für Kaiser Napoleon kein Feiertag. Der große entscheidende Sieg war ausgeblieben, und wenngleich die französischen Truppen das Gefühl haben konnten, siegreich geblieben zu sein, bei Wachau, bei Liebertwolkwitz, am Kolmberg, die Tatsachen widersprachen dem doch. Wenn schon dem Munitionsmangel, der sich allenthalben auf der französischen Linie zeigte, beseitigt werden konnte, die klaffenden Lücken, die die Kanonen, Gewehred, der Säbel und das Bajonett in den Reihen seiner Soldaten gerissen hatten, waren nicht wieder zu füllen. Das einzige Korps, das noch intakt war, war Reynier mit seinen Sachsen und die Division Durutte. Aber die Sachsen konnten als »Rocher de bronce« nicht mehr gelten. Während sich so die Reihen des Kaisers nur um wenige tausend Mann mehrten, flossen den Verbündeten namhafte Verstärkungen zu: Bennigsen, Bubna, Colloredo und dann von Norden Blücher und - vielleicht - die Königliche Hoheit von Schweden.

Am Morgen des 17. Oktober war ein Rückzug noch möglich, und zwar ein Rückzug, der den weitaus größten Teil des kaiserlichen Heeres in Sicherheit gebracht hätte. Aber hier spielte die Politik des Kaisers in seine militärischen Maßnahmen hinein. Hatten nicht am Nachmittag des 16. die Glocken von Leipzigs Türmen den Sieg verkündet? Zog er sich jetzt zurück, so gestand er seine Niederlage ein, und mochte er durch die Erhaltung des größten Teils seiner Armee seine Lage auch militärisch verbessern, politisch büßte sie schwer ein. Aber selbst militärisch mußte der Rückzug hinter die Saale, denn eine andere Rückzugsstraße gab es jetzt für den Kaiser nicht mehr, auch eine unersetzliche Einbuße für ihn mit sich bringen. Die Besatzungen der Festungen in Deutschland, im Ganzen an 150.000 Mann zum größten Teil erprobter Truppen, waren rettungslos verloren. Und ohne sie blieben die Verbündeten dem Kaiser so gewaltig überlegen, daß er die Rheingrenze nicht zu halten vermochte.


    Kaiser Joseph

Er versuchte daher, in Verhandlungen mit seinen Gegnern zu treten. Hierzu ließ er den gefangenen österreichischen General Graf Merveldt seine Vorschläge überbringen. Er schlug einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen vor, die Räumung der Hansestädte, Polens, Illyriens, Spaniens. Gleichzeitig beanspruchte er Holland, die Rheinbundstaaten und freie Hand in Italien. Die Verbündeten beschlossen nach kurzer Beratung, dem Korsen überhaupt keine Antwort zu senden. Daß der Kampf am 17. Oktober nicht wieder voll aufgenommen wurde, lag jedoch nicht an Napoleons Vorschlägen, sondern daran, daß Schwarzenberg noch das Herannahen des Kronprinzen von Schweden und der Reserven unter Bennigsen abwarten wollte. Blücher, der den Angriff auf Gohlis und Eutritzsch schon wieder aufgenommen hatte, mußte diesen abbrechen, konnte aber Gohlis halten.

Zunächst glaubte Napoleon, die äußere Linie, die er am 16. verteidigt hatte, auch noch am 18. Halten zu können. Es ging der Befehl aus, daß die Truppen in die alten Stellungen einrücken sollten, aber dann kamen nacheinander Nachrichten von dem Anrücken der russischen Reservearmee, der Nordarmee, von der Einnahme von Gohlis durch den General von Sacken. Und so glaubte denn der Kaiser, seine Truppen näher um Leipzig zusammenziehen zu müssen, innerhalb eines engeren, aber dafür um so festeren Halbkreises, der sich von Connewitz über Probstheida, Zuckelhausen, Zweinaundorf, Paunsdorf und Schönefeld erstreckte.

Den rechten Flügel kommandierte der König von Neapel, das Zentrum der Herzog von Tarent und den linken Flügel der Fürst von der Moskwa. In Leipzig selbst stand General Dombrowski mit seinen Polen und einigen Abteilungen der Leipziger Garnison. Besonderen Wert legte der Kaiser darauf, sich die Rückzugsstraße über Lindenau zu decken. Noch am Abend des 17. mußte das Korps Bertrand, verstärkt durch die Division Guilleminot, eine Kavalleriebrigade und eine zwölfpfündige Batterie, auf Weißenfels abmarschieren. General Rogniat, der Chef des Ingenieurwesens, begleitete Bertrand mit einer Schar von Gardepionieren, um die Brücke wiederherzustellen, falls die Verbündeten sie abgebrochen hätten. Dafür übernahm der Marschall Mortier mit seine zwei Divisionen der Jungen Garde und 48 Geschützen die Wacht am Defilee von Lindenau.

 

 
18. Oktober 1813

Der Kaiser hatte am Abend des 17. Oktober sein Hauptquartier nach Stötteritz verlegt in das Zentrum der neu ausgewählten Stellung. In Probstheida überwachte er selbst die Aufstellung seiner anmarschierenden Regimenter. Von Probstheida fuhr der Kaiser nach Reudnitz zum Marschall Ney, der die Aufgabe bekommen sollte, mit den Korps Marmont und Reynier den linken Flügel der französischen Stellung gegen Blücher und Bernadotte zu decken. Das Korps Souham, zwischen Schönefeld und Volkmarsdorf aufgestellt, sollte unterstützen. Es galt für Ney auf jeden Fall die Verbindung mit Macdonald aufrecht zu erhalten, den inneren Ring, den fest zusammengezogen, die französische Armee bildete, geschlossen zu halten, um unter dessen Schutz den Rückzug antreten zu können. 

Es sollte dann ein Korps nach dem anderen aus der Linie gezogen werden, während sich die bleibenden enger zusammenschlossen und auf Hieb und Stoß gegen den andrängenden Feind wehrten. Es sollte nicht ein nächtlicher Rückzug werden, sondern vielmehr ein Rückzug bei hellem Tage und im langsamen Schritt, ein Rückzug, der eine imposante Haltung behauptete und ohne Hindernis durch das lange Defilee von Leipzig nach Lindenau bewerkstelligt werden könnte. Und in der Tat war ja diese gewaltige Schlacht des 18. Oktober ihrem ganzen Stile nach nichts als eines der größten Rückzugsgefechte.

plan10.jpg (159998 Byte)

Schon in der Morgenfrühe war bekannt geworden, daß die Franzosen sich aus den vorgestern behaupteten Stellungen zurückgezogen hatten. Das Dorf Wachau lohte am nächtlichen Himmel auf, und als ein österreichischer Oberstleutnant von der Vorpostenlinie eine Patrouille hinschickte, fand man diesen Schlüsselpunkt des 16. Oktober bereits verlassen.

Lößnig, Dölitz, Dösen

Der allgemeine Angriff der verbündeten Armeen war auf 7 Uhr früh befohlen, aber die ausdrückliche Bestimmung des Oberkommandos wünschte ein übereinstimmendes Handeln der einzelnen Kolonnen, um keine einer Niederlage auszusetzen. Als aber der Erbprinz von Hessen-Homburg bei seinem Vorrücken die bisherigen Stellungen der Franzosen leer fand, ging er über Wachau und Markkleeberg vor, in welcher Linie er eigentlich warten sollte, nahm im heftigen Vordringen die Dörfer Dösen und Dölitz und wandte sich, unterstützt von den links der Pleiße stehenden österreichischen Truppen, gegen Lößnig. Marschall Augereau, der hier befehligte, sandte um Unterstützung ins Hauptquartier, und auch dem König Murat schien die Sache bedenklich zu werden. Aber der Schlachtenmeister an der Tabaksmühle nutzte gerade diesen Augenblick, der seinen Unterführern bedenklich schien. Marschall Oudinot wird mit der Division Decouz, zwölf Bataillonen Junger Garde, in die Bresche geschickt. Sein Angriff reißt die Truppen Augereaus und Poniatowskis mit vor. Lößnig, in welches die Osterreicher schon eindringen wollen, wird gesichert, Dölitz im heftigen Sturm erobert und leergefegt. Und schon bricht die Woge des Angriffs gegen Dösen. Fürst Schwarzenberg ist selbst zur Stelle. Er sendet nach dem Grenadierkorps Rajewski‚ sendet an den Feldzeugmeister Gyulai, der doch eigentlich dem umstellten Löwen den Ausgang von Lindenau wehren soll, sofort auf Cröbern zu marschieren, um das Loch stopfen zu helfen. Inzwischen schnellt die Division Weißenwolf vor, die noch bei Markkleeberg steht. Im Laufschritt, unter der Last der Waffen und Tornister keuchend, eilen die Weißenwolf-Grenadiere herbei. Es ist höchste Zeit, die Bataillone der Brigade Beck kommen aufgelöst und zermürbt von dem Dorfkampf eben aus Dölitz zurück. Da wirft sich das Bataillon Call hinein. Die Grenadiere dringen mit gefälltem Bajonett in Dölitz ein und stürmen jäh bis an das andere Ende hindurch. Bataillon Fischer, Bataillon Portner folgen. Der Erbprinz von Hessen-Homburg sinkt schwer getroffen zusammen, aber das Dorf wird zurückgewonnen, und keine Anstrengung der Franzosen vermag es wieder zu erobern. Aber inzwischen hat Oudinot Dösen angegriffen. Die zum Schutz des Dorfes aufgestellte Batterie wird von französischer Kavallerie attackiert und zurückgetrieben. 


  Barclay de Tolly

Aber auch hier treffen rechtzeitig Unterstützungen ein, und es gelingt, die Franzosen zurückzudrängen. Inzwischen war auch General Barclay de Tolly mit der zweiten Angriffskolonne vorgegangen, links General von Kleist mit seinen Preußen, rechts Graf Wittgenstein, im Rückhalt die russsisch-preußischen Garden und Grenadierreseryen.  Die Dörfer Wachau und Liebertwolkwitz waren leer. Um die Zeit, als die zweite Kolonne vor Probstheida eintraf, war es, daß der Ang ersten Kolonne Hessen-Homburg von den Gardebataillonen Oudinots zurückgeschlagen wurde. Das Gefecht wurde durch das persönliche Eingreifen des Fürsten Schwarzenberg wiederhergestellt. Dennoch beschloß man in Probstheida zu warten, bis Hessen-Homburg und die dritte Kolonne nach rechts, Bennigsen wieder in gleicher Höhe und im Vorrücken waren. 

Vor den Mauern Probstheidas entwickelte sich ein lebhaftes Plänklergefecht, und es fuhren Batterien schwersten Kalibers auf, die begannen, ihre Geschosse in das Dorf zu werfen. Probstheida war damals eins der größeren Kirchdörfer im Leipziger Sprengel, etwa eine Meile vor der Stadt. Es hatte eine Reihe massiv gebauter Häuser, und seine Gärten waren von festen Lehmmauern eingefaßt. Die Franzosen hatten sich in den wenigen Stunden der Nacht vorzüglich auf die Verteidigung eingerichtet, und eine Zickzackkette von Batterien umkränzte das Dorf. Dahinter standen die Kolonnen von Victor und Lauriston fertig in der Schlachtordnung, und die Alte Garde konnte jeden Augenblick im Notfalle eingreifen. Dieser spitze, scharf vorspringende, todbringende Winkel war der Schlüsselpunkt der Stellung der französischen Linie. Diesem Bollwerk gegenüber standen die Truppen der zweiten Kolonne Barclays.

Der Führer des russischen Reserveheeres und der Oberkommandierende der dritten Angriffskolonne Baron Bennigsen fand wie die anderen Kolonnen das Bild vor seiner Front am 18. früh völlig verändert. Hätte der Herzog von Tarent, Marschall Macdonald, noch die Punkte der äußeren Linie, den Kolmberg, Klein-Pösna und die anderen eroberten Vorwerke und Dörfer gehalten, so wäre es bei der Ubermacht Bennigsens wohl möglich gewesen, den französischen Marschall zu überflügeln. Aber Bennigsen fand, als er vorging, diese Dörfer geräumt und den französischen Ring so eng an Leipzig herangezogen, daß er auf seinem rechten Flügel erst Verbindung mit der Nordarmee des Kronprinzen von Schweden und der Schlesischen Armee Blüchers suchen mußte, wenn er nicht selbst Gefahr laufen wollte, plötzlich in der Flanke angegriffen zu werden. Er hatte den Kosakenhetman Graf Platow damit beauftragt, die Verbindung mit Bernadotte und Blücher herzustellen. Platow umging den äußersten linken Flügel der französischen Stellung und saß plötzlich zwischen den im Rückzuge begriffenen Trains des Korps Macdonald. Am Vorwerk »Heiterer Blick« östlich von Paunsdorf stieß Platow auf preußische Kavalleriepatrouillen der Schlesischen Armee, und nun wußte man, daß man wenigstens auf diese zählen konnte.

Holzhausen und Zuckelhausen

Trotz dieser veränderten Verhältnisse mußte General Bennigsen danach streben, die gleiche Angriffshöhe mit den benachbarten Kolonnen einzuhalten. Die ersten bedeutenden Hindernisse, auf welche er stieß, lagen in den Dörfern Holzhausen und Zuckelhausen mit dem in der Mitte dahinterliegenden stark befestigten Steinberg. Der Herzog von Tarent hatte vorzügliche Anstalten getroffen, diese Dörfer zu verteidigen. In Holzhausen stand die Division Charpentier, dieselbe, die am 16., Gewehr im Arm, den Kolmberg gestürmt hatte. Zwei Stunden lang währte das blutige Ringen um Holzhausen, und als es den Osterreichern endlich gelungen war, unter den schwersten Verlusten Holzhausen zu nehmen, warf Macdonald seine ganze Reiterei, die er zur Hand hatte, auf ihre Reserven und stürzte sich selbst an der Spitze der Infanterie in das Dorf, die eingedrungenen österreichischen Kolonnen vor sich her stoßend. Als sich aber gegen 1 Uhr mittags die starke Übermacht Bennigsens mehr und mehr entwickelte und das Dorf von drei Seiten angegriffen, geriet die Division Charpentier in Auflösung und flutete in Unordnung aus dem Dorf gegen den Steinberg zurück.

Sobald Holzhausen geräumt war, ließ sich auch das Nachbardorf Zuckelhausen nicht mehr halten. Dies Dorf war von deutschen (rheinbündischen) Bataillonen besetzt. Es waren badische und hessische Truppen, die hier mit starker Energie und Zähigkeit gegen ihre deutschösterreichischen und preußischen Landsleute kämpfen mußten. Als die Dörfer in seinen Händen waren, beschloß Bennigsen sofort den Angriff auf den Steinberg, welcher von der Division Gérard verteidigt wurde. Als Marschall Macdonald die Angriffskolonne aus Holzhausen und neben Holzhausen vorbrechen sah, schickte er seine Kavallerie unter den Generalen Sebastiani und Walther (zur Unterstützung gesandte Gardekavallerie) entschlossen vor. 


Bennigsen        

So geschickt die Attacke geritten wurde, sie brach sich an den Karrees der russischen Regimenter Smolensk und Narwa, und als gleichzeitig General Strogonow die Reiterei seiner Avantgarde eingreifen ließ, russische Ulanen und Husaren, wichen die französischen Reiter zurück. Als jetzt die Division Gérard auf dem Steinberg die überlegenen Kolonnen der österreichischen Infanterie herankommen sahen, verlor sie die Haltung und ging zurück, ohne den Angriff abzuwarten. In diesem Augenblick setzte auf Befehl des Generals Barclay, der den Rückzug Gérards bemerkte, Graf Pahlen mit seiner Kavallerie ein. Er suchte die Division Gérard vor dem Erreichen der Hauptstellung bei Probstheida abzuschneiden. Schon saßen seine 3. Kürassiere zwischen der Artillerie vor Probstheida, als Graf Pahlens Pferd ihm unter dem Leib erschossen wurde. So konnten die Franzosen ihre Geschütze retten, und das alsbaldige Vordringen ihrer Infanterie wies den Kavalleriestoß zurück. Der Steinberg, die Dörfer Zuckelhausen und Holzhausen waren also in den Händen der Verbündeten, und General von Zieten nahm seine Geschütze vor die Front, die Kanonade auf Probstheida eröffnend.

Inzwischen war General Graf Bubna, der den rechten Flügel der Armee Bennigsen führte, weniger glücklich gewesen. Er hatte vor sich in Paunsdorf das Korps Reynier, die Sachsen und die Division Durutte. Zwar drangen seine 6. Jäger und seine Grenzer wiederholt in Paunsdorf ein, und es gab einen heißen Kampf um den Besitz des Dorfes. Aber die vereinigten Sachsen und Franzosen warfen die Osterreicher zweimal wieder hinaus. General Bubna konnte nicht auf Erfolg rechnen, bevor nicht der Kronprinz von Schweden heran war, um sich seinem rechten Flügel anzuschließen, denn dieser rechte Flügel Bubnas stand frei in der Luft, solange nicht die Nordarmee den Ring schloß. Graf Platow, der Kosakenhetman, hielt aufmerksam Wacht. 


       Schlacht um Paunsdorf

Als Reynier plötzlich die Division Durutte vorschickte, um seinen Gegner von rechts zu überflügeln, gab Platow dem Grafen Bubna sofort Nachricht, und der österreichische Graf mußte seine ganze Division einsetzen, um sich seiner Haut zu wehren. Es war in dieser Stunde, als sich bei energischem Vorstoß gegen diesen rechten Flügel der Verbündeten wohl ein Erfolg auf französischer Seite hätte erzielen lassen; aber Michel Ney zeigte sich in diesen Leipziger Tagen weder am 16. noch am 18. Oktober auf der Höhe seines Ruhmes.

Die württembergische Reiterbrigade wechselt die Fronten

Graf Normann stand mit seiner württembergische Reiterbrigade und der reitenden Batterie des Leutnants Fleischmann weit vorgeschoben gegen Taucha hin. Vor seiner Front entwickelten sich bereits die Kavallerievortruppen des Korps Wintzingerode. In seinem Rücken stand der Hetman Graf Platow. Graf Normann mit seinen Geschwadern war dem Korps Marmont zugeteilt. Aber König Friedrich von Württemberg hatte dem Grafen empfohlen, seine Truppen »äußerst zu schonen und sich im übrigen in jedem Falle mit seinem Vorgesetzten, dem Generalleutnant Graf Franquemont, in Verbindung zu setzen.

In dieser Lage zwischen zwei Feuern und bei einem Angriff von zwei Seiten schlechterdings verloren, wußte Normann nicht recht, wie er handeln sollte. Außerdem wußte der Graf, daß Bayern bereits zu den Verbündeten übergetreten war, und daß der König seine Truppen im Falle eines Rückzuges nicht bei den Franzosen lassen, sondern nach Württemberg zurückziehen wollte. Es war wirklich eine böse Lage, in welcher sich dieser General befand. Sein Vorgesetzter, Graf Franquemont, war bereits mit dem General Bertrand nach der Saale abmarschiert. In Lindenau erreichte ihn soeben noch ein Kürassieroffizier der Brigade Normann, der um Verhaltensmaßregeln bat. Aber bevor dieser Offizier zurück war, hatte Normann schon gehandelt. Normann führte seine Brigade, die übrigens nur 556 Mann stark war, und seine Batterie, von der nur noch ein Geschütz brauchbar war, dem Kosakenhetman Graf Platow zu. Er erklärte zwar dem Kosakenführer, daß er nicht ohne Befehl seines Königs gegen die Franzosen fechten würde. Einstweilen wurde die Brigade zu den österreichischen Reserven in die letzte Schlachtlinie gesandt. Inzwischen hatte es Graf Bubna nicht leicht, sich gegen die Stöße Reyniers zu behaupten. Die Division Durutte, die zum größten Teil aus Strafsoldaten bestand und bei Großbeeren völlig versagt hatte, schlug sich hier bei Paunsdorf sehr tüchtig. 

Aber während ihre Kolonnen gegen die rechte Flanke Bubnas operierten, trafen die ersten Bataillone der Nordarmee ein, das Korps des General Bülow, die Ostpreußen der Division Hessen-Homburg. Noch war Paunsdorf von zwei französischen und zwei sächsiscchen Kompanien besetzt. Jetzt wurde die Sache anders. Die durch preußische Batterien und eine englische ganz neuartige Raketenbatterie verstärkte Artillerielinie drang bis auf Kartätschenschußweite an die französische Stellung heran und erschütterte durch ihr Feuer die Haltung der Franzosen. Und dieser Augenblick, wo die Division Durutte zurückging und Paunsdorf im Sturm genommen wurde, brachte eine weitere Schwächung der französischen Stellung mit sich: das längst Gefürchtete geschah, die Sachsen gingen in Massen zu den Verbündeten über.


Kampfszene                      

Die Sachsen wechseln die Seiten

Graf Reynier erkannte die Stimmung der Sachsen recht gut. Er hatte dem Kaiser bereits Meldung gemacht, und sein Vorschlag, die sächsischen Regimenter noch rechtzeitig vor Beginn des Tages nach Torgau abmarschieren zu lassen, fand Gehör. Aber es war zu spät: Die Straße nach Torgau war nicht mehr offen. Nun mußte Reynier sich behelfen, wie es ging. Auch Marschall Ney, Fürst von der Moskwa, hatte bereits befohlen, die wichtigsten Punkte durch französische Truppen zu besetzen. Indes blieb die Reiterbrigade der Sachsen im Vorterrain stehen, ungefähr in gleicher Höhe wie Graf Normann mit seinen Württembergern. Als Graf Normann überging, dachten auch die Sachsen an das Wechseln der Seiten. Man sandte den Premierleutnant von Ziegler zu der rückwärts stehenden Infanterie, um den Entschluß der Kavallerie anzuzeigen und zur Mitwirkung aufzufordern. Aber General von Zeschau erklärte bestimmt, daß er ohne den ausdrücklichen Befehl des Königs nichts tun werde, was seiner Pflicht entgegen sei.

Doch kaum hatte der Leutnant diese Meldung an den Major Fabrice gemacht, als auch schon die sächsischen Reiter ihre Säbel in die Scheide stießen und in schnellem Trab auf die Kosaken lossprengten, die ihnen gegenüberstanden. Auch das Bataillon Sahr, welches an die Parthewiesen vorgeschoben war, benutzte einen günstigen Augenblick, um sich bei den Kosaken zum Übertritt zu melden. Die Sachsen sollten nunmehr mit den Verbündeten kämpfen, was allerdings bei den preußischen Generalen schlecht ankam. In erster Linie Bülow wollte nichts davon wissen, daß seine preußischen Landwehren mit denselben Sachsen jetzt Schulter an Schulter fechten sollten, die sich noch vor kurzem bei Großbeeren und Dennewitz so feindselig gezeigt hatten. Jetzt, da es mit dem großen Kaiser und Schutzherrn zur Neige ging, kamen sie endlich an, und es war sehr wahrscheinlich, daß die Landwehrleute, die mit diesen Sachsen vor kurzem noch Kolbenduelle unter den schwersten Bedingungen ausgefochten hatten, auf die neue Waffenbrüderschaft sauer waren. So wurden die Sachsen hinter die Front geschickt und kamen nicht zur Verwendung.

Wie stand es inzwischen mit der Hauptmacht der Sachsen? Die sächsischen Männer taten in Paunsdorf und hinter Paunsdorf ihre Pflicht im Dienste der Franzosen. Bei weiterem Vordringen der Division Bubna wurde die erste Brigade näher an die Gärten von Sellershausen zurückgenommen, die reitende und die sechspfündige Fußbatterie aber neben der zwölfpfündigen aufgefahren. Mit Ungeduld erwartete man den Hauptmann von Nostitz, der vom General an den König entsandt war, um Verhaltungsbefehle einzuholen. 


Friedrich August

Die Antwort Friedrich Augusts war klar und deutlich:
»Herr Generalleutnant von Zechau! Ich habe stets Vertrauen in meine Truppen gesetzt und tue es in dem gegenwärtigen Augenblicke mehr als jemals. Die Anhänglichkeit an meine Person können mir solche nur durch Erfüllung ihrer Pflichten beweisen, und ich bin von Ihnen gegenwärtig, daß Sie alles anwenden werden, um selbige dazu anzuhalten. Hiermit bitte ich Gott, daß er Sie in seinen heiligen Schutz nehme.

Leipzig, den 18. Oktober 1813
Friedrich August«

Als General von Zeschau diese königliche Botschaft erhielt, war er trotz seiner durchaus deutschen Gesinnung entschlossen, seine Pflicht zu tun. Aber er stieß bei seinen Divisionären, dem Oberst von Brause und dem General von Ryssel, auf entschiedenen Widerspruch. Besonders Ryssel erklärte: » Er sei nun auf den Punkt gekommen, wo er Gott mehr gehorchen müsse, als den Menschen, und dem Vaterlande mehr als dem Könige, zumal einem Könige, der in seinen Handlungen unfrei sei.« So war der Übergang bei den Divisionären beschlossene Sache.

Es war in dem Augenblick, als die Brigade Hessen-Homburg mit ihren Vortruppen in den Kampf eingriff und die Division Durutte vollständig engagiert war, als Graf Reynier befahl, die zwölfpfündige Sachsenbatterie solle hinter Sellershausen zurückgehen. Aber plötzlich sah man, wie die ganze Artillerie der Sachsen in Sektionskolonnen abschwenkte und in vollem Trab den Weg gegen den Feind nahm. Diese Wendung sah so sehr einem entschlossenen Angriff ähnlich, daß die Reiterdivision Defrance annahm, die Sachsen wollen angreifen. Aber bald wurde den Franzosen klar, was hier vorging. Der Artillerie folgten in schnellem Tempo die erste und gleich darauf die zweite Brigade der Infanterie, während ein vorausgeschickter Adjutant die bisherigen Feinde von dem Vorhaben der Sachsen unterrichteten sollte.

Zunächst glaubte General von Zeschau, daß es sich hier um einen mißverstandenen Befehl Reyniers handle, aber dann, als er sah, wie der französische General selbst der Artillerie nachsprengte, und sie aufzuhalten suchte, wurde auch dem armen Kommandierenden alles klar. Er befahl daher dem Bataillon Prinz Friedrich haltzumachen. In der Tat gelang es der Autorität Zeschaus, einen Teil der Bataillone Friedrich und Anton zum Stehen zu bringen und im ganzen ungefahr 600 Mann mit ihren Offizieren zurückzuführen. Besonders das Bataillon Prinz Friedrich, das überhaupt nicht mehr wußte, was mit ihm war, wurde in der Front von der englischen Raketenbatterie beschossen und von den Franzosen vom Rücken her. Auch Marschall Ney hatte ein wachsames Auge auf die Sachsen und befahl, als er den Vorgang sah, einer Brigade der Division Defrance einzureiten und die Sachsen zurückzutreiben. Indes, schon hatten die Kosaken und Kavallerieschwärme der Vorhut General Strogonows sich zwischen die Sachsen und ihre Verfolger geworfen und trieben die französische Kavallerie nach kurzem Handgemenge zurück.

Die Kunde von dem plötzlichen Übertritt der Sachsen ging wie ein Lauffeuer durch die Angriffskette der verbündeten Armee. Auf dem Monarchenhügel empfingen Alexander, Friedrich Wilhelm und Kaiser Franz die sächsischen Generale. Alexander, wie immer begeistert, sagte den sächsischen Herren die größten Schmeicheleien, und Kaiser Franz meinte in seinem wienerischen Dialekt: »Haben‘s endlich a so g ‘scheit gemacht wie mir.« Den richtigen Ton traf in seiner Trockenheit der Preußenkönig, der kurz sagte: »Haben etwas lange auf sich warten lassen«. Im ganzen gingen etwa 3.200 Sachsen mit 19 Geschützen und 550 Württemberger mit einem Geschütz zu den Verbündeten über. Zur Verwendung gegen die Franzosen kamen von dieser Macht nur vier sächsische Geschütze.


Friedrich Wilhelm

Napoleon warf, nachdem ihm der Übergang gemeldet wurde, eine Brigade seiner Garde, die Gardekavallerie unter General Nansouty und 20 Geschütze reitender Artillerie in die Lücke. Noch waren die säschsischen Leibkürassiere und das sächsische Gardebataillon, das der Kaiser der zweiten Division seiner Alten Garde zugeteilt hatte, in unmittelbarer Nähe der kaiserlichen Person. Als dem Kommandeur der Gardereiter, dem General Lessing, der Übergang der Sachsen bekannt wurde, ließ der General den König um seine Befehle bitten. Aber von Friedrich August kam nur die knappe Entscheidung: »Meine Leibkürassiere haben stets ihre Schuldigkeit zu tun gewußt.« 

Blücher und Bernadotte

Der General von Podewils hatte Blücher und seinen Stab zu einer Konferenz mit Bernadotte und seinem Stab nach Breitenfeld eingeladen. »Ich gehe nicht hin«, sagte der alte Blücher, »was soll das Konferieren. Hol‘ der Teufel den Schubiak!« Gneisenau, dem ohnehin der Kopf von den vielen Geschäften, die auf ihn eindrangen, brummen mochte, hatte alles Menschenmögliche zu tun, um den Alten zur Nachgiebigkeit zu stimmen. Schließlich brummte Blücher: »Wenn es denn doch schon nicht mal ohne Konferenz abgehen soll, muß ich selber dabei sein.« In Begleitung Gneisenaus, des Prinzen Wilhelm, des Königsbruders, und des Majors Rühle von Lilienstein, der schon öfter mit Bernadotte unterhandelt hatte, begab sich der preußische Feldherr in der Frühstunde des 18. Oktober nach Breitenfeld. Er traf im Zimmer des Kronprinzen bereits die Kommissare der verschiedenen Staaten an, die alle auf den Gascogner einredeten, um ihn zum Vormarsch zu bringen. Blücher bestand kurz und knapp auf seiner Forderung. Er verlangte: Der Kronprinz solle mit der Nordarmee auf dem linken Flügel der Schlesischen Armee die Parthe überschreiten und die Franzosen angreifen. Wollte er das nicht, so solle Prinz Wilhelm, der Bruder des Königs, den Oberbefehl über das Bülowsche Korps nehmen und vereint mit der Schlesischen Armee handeln.


     Bernadotte

Als der Kronprinz an Langeron den Befehl schickte, bei Taucha über die Parthe zu gehen, korrigierte Blücher ihn eigenmächtig und ließ dem Kronprinzen sagen, der General würde sofort die Parthe überschreiten und in der Gegend von Nauendorf seine weiteren Befehle erwarten. Er behielt es sich vor, das Tun Bernadottes zu überwachen, und daß er das tat, war gut. Schon gegen 9 Uhr gewann General Langeron Fühlung mit dem Feinde. Seine Infanterie war zum Teil auf schnell geschlagenen Brücken übergegangen, zum Teil durch den Fluß gewatet. Es gelang dem General Langeron, seine Artillerie auf dem Keulenberg so zu postieren, daß die Artillerie des Generals Marmont, die ihm gegenüber stand, zum Schweigen gebracht wurde. Blücher war selbst zur Stelle und überwachte den Übergang des eigensinnigen Russen.

Gohlis und Pfaffendorf

Blücher war es denn auch, der General Sacken gegen Leipzig vorschickte und Yorck folgen ließ. Die Vorstädte um Leipzig und das Hallesche Tor wurden um jene Zeit, nachdem die Württemberger mit Bertrand abmarschiert waren, von den Resten der Division Dombrowski verteidigt. Als Oberst Gourgaud, der erste Ordonnanzoffizier Napoleons, die Lage nördlich von Leipzig erkannte, jagte er nach Stötteritz zurück, um dem Kaiser Meldung von der Gefahr, die dort drohte, zu machen. Der Kaiser sandte die Divison Pacthod, 6.000 Mann und 24 Geschütze, dem Feind entgegen. Im Eilschritt passierte die Garde Leipzig und warf sich in die Bresche. Damit war dem Vordringen des Blücherschen Korps nördlich von Leipzig ein Ziel gesetzt.

General von Sacken mußte sich an Yorck um Unterstützung wenden, und nur dem Eingreifen des ostpreußischen Füsilierbataillons und dem Leibregiments gelang es, Gohlis zu behaupten und auf Pfaffendorf vorzudringen. Der Angriff Sackens auf Leipzig prallte völlig ab. »Die Attacke des Generals von Sacken auf Leipzig«, berichtet Yorck, der von seinem erhöhten Standpunkt auf der Bodenerhebung jenseits von Gohlis einen günstigen Uberblick über das Schlachtfeld hatte, »hat zu heftig angefangen, als daß sie souteniert (unterstützt) werden könnte. Das russische Korps ist auf allen Punkten zurückgedrängt; es ist möglich, daß der Feind jetzt über Gohlis debouchiert (vordringt), was dem Angriff auf dem linken Ufer der Parthe nachteilig werden könnte.«

Schönefeld

Blücher war in sehr unmutiger Stimmung, daß er sich durch die Abgabe des Korps Langeron zu sehr geschwächt hatte, um aus eigener Kraft handeln zu können. Er ritt zwischen Parthe und Pleiße, zwischen Mockau und Eutritzsch ruhelos hin und her und gab schließlich Langeron, der noch immer ohne Befehle vom Kronprinzen war, den Auftrag, Schönefeld zu nehmen. Und schon rüstete sich Langeron, den Angriff auf das stark befestigte Dorf auszuführen, als auch vom Kronprinzen derselbe Befehl eintraf. Denn der Gascogner war vor seiner Armee auf dem Schlachtfeld eingetroffen. Seine Schweden hielt er zurück. Sie standen fast noch eine Meile hinter der Front bei Plaußig.

Der Kronprinz sandte, die Wichtigkeit Schönefelds erkennend, dem Grafen Langeron den Befehl, das Dorf zu nehmen, koste es, was es wolle. Dreimal wurde das Dorf erstürmt und dreimal von den Franzosen zurückgewonnen. 

Ein furchtbarer Kampf, der hier um Schönefeld tobte! Marschall Marmont, der am 16. Möckern und seine Stellung gegen Wiederitzsch so tapfer verteidigt hatte, verteidigte heute Schönefeld. Das Dorf war durch davorliegende nasse Wiesen geschützt. Seine Eingänge waren gut verbarrikadiert. Aus allen Häusern, Höfen, Mauern, Fenstern blitzen Gewehrläufe hervor. Im Herrenhof zu Schönefeld war Brennstoff aufgehäuft, um im letzten Augenblick die Fackel hineinzuwerfen. Geschickt war das Terrain mit Geschützen gespickt. Die Russen schlugen sich mit einer unglaublichen Todesverachtung.


Schönefeld                       

Entscheidend für die Lage Marmonts war die Eroberung Paunsdorfs und das Zurückweichen der Division Durutte und der zugleich erfolgende Übergang der Sachsen. Gegen 5 Uhr mußte Marschall Marmont die Trümmer seiner Divisionen aus Schönefeld zurückziehen. Aber der Fürst von der Moskwa, die Bedeutung Schönefelds richtig einschätzend, greift zu seinen letzten Reserven. Er setzt die Regimenter der Division Ricard ein, 7.000 Mann und 40 Geschütze. General Souham erhält vom Marschall den Befehl, das Dorf wieder zu nehmen. Marmont ist bereits verwundet, Ney und Souham, als sie vorreiten, um die richtigen Angriffspunkte zu erkunden, werden beide getroffen. Das Kommando des 3. Korps geht an den General Ricard über. Wütend bricht Ricard mit seinen Batterien von 40 Geschützen und seinen noch unversehrten Bataillonen gegen Schönefeld vor.

Das Unglück will, daß Langerons Artillerie sich verschossen hat. Dem fortwährenden Geschützfeuer der französischen Batterien weichen die erschütterten Reste der russischen Truppen, das Dorf geht in franzöische Hände über. Nicht auf lange. Denn jetzt läßt Bernadotte 80 Geschütze vorgehen, alle mit frischer Munition. Unter dem Schutze dieser furchtbaren Kanonenkette bricht Langeron mit seinen Truppen von neuem vor. Vergebens wirft sich General Brayer mit seiner Brigade dem Feind entgegen. Er sinkt verwundet zusammen. Seine beiden Regimentskommandeure fallen. Gegen 6 Uhr weicht das 3. Korps Souham zurück und die Windmühlenhöhe zwischen Schönefeld und Reudnitz wird besetzt. Dieses Korps hatte 5000 Mann und 117 Offiziere eingebüßt.

General Bülow kommt!

Während dieser wütenden Kämpfe um Schönefeld hatte sich das ganze Korps Bülow gegen Paunsdorf auf der Tauchaer Landstraße entwickelt. Diesseits der Hügelreihe bei Taucha formierte sich das Bülowsche Korps, rechts die Brigade Krafft, in der Mitte Borstell, links die des Prinzen von Hessen-Homburg. Die Kolonnen setzten sich in Bewegung. Die Vortruppen der Division Hessen-Homburg in Verbindung mit den preußischen Truppen warfen sich auf Paunsdorf  und drängten die Division Durutte zurück. Als der Kampf um Schönefeld am heißesten tobte, gab der Kronprinz von Schweden dem General von Bülow den Befehl, Stünz und Sellershausen zu nehmen. Beide Dörfer wurden nach hartnäckigem Gefecht genommen. So war es gelungen, die Stützpunkte des rechte Flügels, Schönefeld, Paunsdorf, Sellerhausen und Stüntz zu nehmen.

Stötteritz und Probstheida

Nach dem Eintreffen der preußischen und russischen Truppen der Nordarmee ging Bennigsen gegen Mölkau und Zweinaundorf angreifend vor. Bis dahin hatte der Infanteriekampf mehr oder weniger geschwiegen und nur das große Artillerieduell hatte sich abgespielt. Die Dörfer Mölkau und Zweinaundorf wurden genommen und der österreichische General Klenau wandte sich jetzt gegen Stötteritz. Aber dieses Stötterritz gehörte mit dem davorliegenden, im Winkel vorspringenden Probstheida dem Kaiser selbst. Gegen Stötteritz und Probstheida war nichts auszurichten. 


             Probstheida

Das Dorf lag sehr vorteilhaft und jede Hecke, jede zerschossene Mauer, jedes Haus und jeder Graben hatte die französische Verteidigungskunst zu einer Bastion gemacht. Am nördlichen Eingang der Windmühle von Stötteritz fanden die Bauern am folgenden Tage die Toten haufenweise liegen, Gesicht gegen Gesicht gewendet, Mann gegen Mann, die sich gegenseitig mit dem Bajonett durchbohrt hatten. Kaiser Alexander von Rußland gab daher dem General Barclay de Tolly den Befehl, Probstheida anzugreifen, um der dritten Kolonne den Angriff auf Stötteritz zu erleichtern. Barclay ließ die 10. und die 12. preußische Brigade vorgehen. Aber der Angriff war verfrüht. 

Die Batterien hatten noch ihre zerstörende Arbeit nicht getan, und so tapfer auch die preußischen Tirailleurs vordrangen, sie fanden im Dorfe einen zu heftigen Widerstand. Mit Todesverachtung überstiegen die Männer angesichts eines sicher zielenden Feindes die Lehmmauern des Dorfes. Die Geschütze hatten hier keine Bresche zu legen vermocht, die Kugeln waren glatt durchgegangen und hatten nur Löcher hinterlassen.

Als die erste Mauer überstiegen ist, findet man kaum hundert Schritt dahinter eine zweite solche Mauer oder eigentlich keine Mauer, sondern ein feuerspeiendes, todbringendes Lehmgebirge. Jedes Loch, das die preußischen Kugeln geschlagen haben, wird zur Schießscharte. Einigen gelingt es, eine Gartentür zu finden. Sie wird eingeschlagen und die Angreifer kommen den Schießenden in den Rücken. Von Garten zu Garten, von Gehöft zu Gehöft treiben sie die Franzosen vor sich her.

Inzwischen hat auch der Prinz August von Preußen mit seiner 12. Brigade den Sturm unternommen. Als seine Füsiliere auf Schußweite an das Dorf heran sind, entblößt sich plötzlich eine verdeckte Kartätschenbatterie, die sie zum Weichen bringt. Gleichzeitig bricht eine französische Infanteriekolonne, das Dorf umreitend, vor. Ein russisches Reiterregiment wirft sich dem entgegen, und während des Handgemenges führt der Prinz seine Leute zurück. Prinz August von Preußen ist ein zäher Mann. Prinz August sammelt seine Bataillone von neuem und dringt gegen das heftige Kartätschenfeuer in das Dorf. Im furchtbaren Bajonettangriff wird die französische Stellung genommen. Schritt für Schritt muß der Prinz sich den Boden erkämpfen.

Unaufhaltsam drangen die Preußen vor, schon waren sie in die Mitte des Dorfes gelangt, ziemlich aufgelöst natürlich, wie das im Dorfgefecht nicht anders möglich ist. Da bricht, von dem General Grafen Rochambeau geführt, eine Division des Korps Lauriston vor. Die Wucht des Stoßes ist so groß, daß die Preußen abermals aus dem Dorf hinaus müssen. Flinke Tirailleurs, die der aufmerksame Zieten aus Zuckelhausen schickt, kommen zu spät. Die Preußen müssen aus dem Dorf zurück, die Franzosen drängen nach. Jetzt setzt der Herzog Eugen von Württemberg seine 1800 Mann ein und stürzt sich gegen Probstheida. 

Fürst Schachowskoi klettert mit seinen Russen über die erste Lehmmauer, versucht, die zweite zu gewinnen, aber der Kartätschenhagel, der ihm entgegenbricht, schmettert ihn zurück. Die Verteidigung des Dorfes und der Gegenstoß gegen den preußischen und russischen Angriff wird mit stärkster Wucht geführt, denn der Kaiser ist selbst zur Stelle. Er hat die Division Rochambeau herbeigerufen, er läßt Friant mit der Alten Garde fest hinter das Dorf rücken. Diese Division Friant ist seine letzte Trumpfkarte. Er ist bereit, sie auszuspielen, denn es gilt, Probstheida zu halten. Besonders war es der General Vial, der sich mit seinem 2., 4. und 18. Linienregiment bei der  Verteidigung Probstheidas auszeichnete.


Bajonettkampf                    

Nach diesen Kämpfen um Probstheida gab man seitens der Verbündeten weitere Versuch zur Eroberung des Dorfes auf. Es war genug Blut geflossen, und es war inzwischen die Nachricht eingetroffen, daß der Rückzug der französischen Armee durch Leipzig nach Lindenau in vollem Gange sei, und daß demnach Napoleon entschlossen war, am nächsten Tag seine Stellungen zu räumen.

So hoffte man weiteres Blutvergießen zu meiden. General Barclay nahm seine Truppen aus dem Kanonenbereich Probstheidas zurück und verstärkte seine Geschützlinie derart, daß ein Vorbrechen der Franzosen aus Probstheida unmöglich war.

Das Resultat des 18. Oktober

Die Hauptlinie der Verteidigung Napoleons, Connewitz, Probstheida, Stötteritz, deren Eroberung seitens der Verbündeten seinen Rückzug gefährdet, ja unmöglich gemacht hätte, hatte der Kaiser gehalten. Dagegen waren die ganzen Positionen von Zuckelhausen bis Schönefeld verlorengegangen. Sein linker Flügel war bis dicht an Leipzig herangedrängt. Im Norden von Leipzig dagegen hatte das rechtzeitige Eintreffen der von Gourgaud herbeigeholten Division Junger Garde ein Vordringen des Korps Sacken aufgehalten.

So erweist sich diese Schlacht des 18. Oktobers, das auf beiden Seiten wohl einen Gesamtverlust von 40.000 bis 50.000 Menschen kostete, ein glänzendes Rückzugsgefecht großen Stiles, das der Kaiser konsequent durchführte. Seit 11 Uhr früh rollte der Rückzug durch Leipzig in der Richtung über den Ranstädter Steinweg und Lindenau nach Makranstädt. Züge von Verwundeten, soweit sie transportfähig waren, und Trainkolonnen, das diplomatische Korps, die Employées und was sonst noch entbehrlich war, zog ab. Man konnte vom Standpunkt der verbündeten Monarchen aus durch das Fernrohr deutlich den ungeheueren Wagenzug sehen, der über den Damm von Lindenau kroch.

Der alte Blücher bemerkte den Rückzug am ehesten. Er machte den Monarchen brieflich den Vorschlag, ihm ein Kavalleriekorps von 20.000 Pferden anzuvertrauen, um dem Feind »auf den Fersen zu sitzen«. Man darf ruhig glauben, daß ein solches Kommando in der Hand eines Blücher den Franzosen auf ihrem Rückzuge ungeheure Verluste gekostet hätte. Wer weiß, ob sie, mit solchem Geleit dem General Wrede und seinen Bayern und Osterreichern entgegengetrieben, nicht völlig aufgerieben worden wären. Hier war es wieder Kaiser Alexander, der dem Blücherschen Vorschlag geneigt war, aber bei dem vorsichtigen Schwarzenberg herrschte noch immer der Gedanke, daß der Kaiser dennoch am nächsten Morgen die Schlacht fortsetzen könne. Der Vorschlag Blüchers wurde abgelehnt und ihm nur aufgetragen, das Korps Yorck in der Richtung auf Halle abmarschieren zu lassen, um dem Feinde die Saaleübergänge streitig zu machen.


       Napoleon und Berthier

Zwar hatte der Kaiser Napoleon in der Nacht zum 18. die Stellungen, die er am 16. eingenommen und im Laufe des Tages erobert hatte, sämtlich geräumt, hatte seine Verteidigungslinie viel enger gezogen, und auch diese im Laufe des 18. Oktober am linken Flügel zum Teil aufgeben müssen. Aber die Hauptbollwerke Probstheida, Stötteritz, Connewitz hatte er gehalten. Von einer Flucht, von einem Zusammenbruch des französischen Heeres war nichts zu bemerken. Die Truppen fochten bis zuletzt mit großer Bravheit und hätten jedenfalls auch so am 19. gefochten, wenn der Kaiser von neuem die Schlacht angenommen hätte.

Es lag daher auch jetzt in den Entschlüssen Schwarzenbergs eine gewisse Vorsicht. Es war gegen 6 Uhr abends, als er auf dem Monarchenhügel die Generale versammelte und die Disposition für den nächsten Tag ausgab. Sie war knapp genug gefaßt: Alle Armeekolonnen sollten beim Morgengrauen bereitstehen, die Schlacht von neuem aufzunehmen. Sie sollten sich konzentrisch gegen Leipzig vorbewegen, um die Stadt zu erstürmen, denn erst nach Einnahme der Stadt sei der Sieg entschieden. Es ist ausgerechnet worden, daß von den verbündeten Truppen an 100.000 Mann mit einem gewaltigen Geschützpark überhaupt nicht ins Feuer kamen. Schon in dieser großen frischen Truppenzahl mußte der Erfolg des 19. liegen, wenn sie richtig verwendet wurde.

Der Kaiser Napoleon selbst hatte am 19. früh gefürchtet, daß sich ihm starke Truppenkolonnen in die Flanke werfen würden. In der Tat hatte Schwarzenberg noch am Abend des 18., teils auf dem Schlachtfeld, teils in seinem Hauptquartier Rötha die Kolonne des Feldmarschalleutnants Lederer, die des Grafen Bubna, ferner die österreichische Kavalleriedivision des Grafen Nostitz und russische Kavalleriereserven auf Pegau dirigiert, um von dort aus dem auf Weißenfels abmarschierenden Kaiser in die Flanke zu fallen. Aber noch in der Nacht wurde dieser Befehl wieder aufgehoben.

Es können lediglich politische Gründe gewesen sein, die hier den Ausschlag gaben. Denn es war einem entschlossenen Feldherrn möglich, dem Kaiser den Weg zu sperren. Ebenso denkbar ist es allerdings, daß Napoleon sich mit wuchtigem Stoß durchgeschlagen hätte, aber doch nur unter ungeheuren Verlusten, die durch eine ständige zähe Verfolgung von Tag zu Tag größer geworden wären und die die französische Armee bis zum Main sicher aufgerieben hätten. Es wäre dann dem Kaiser nichts übrig geblieben, als wie einst von der Beresina dem Heere vorauszueilen, um mit leeren Händen in Paris anzukommen. Kein Zweifel, daß der Empfang in der Hauptstadt an der Seine alsdann ein bedenklich schlechterer geworden wäre, als er ohnehin war, und daß die Organisation des Widerstandes jenseits des Rheins viel schwieriger gewesen wäre.

Napoleons Rückzugsvorbereitungen

Nachdem der Kaiser Napoleon die Verteidigung von Probstheida gesichert hatte, begab er sich zur Quandtschen Tabaksmühle zurück. Der Kaiser erkannte natürlich, daß er den Kampf am nächsten Tage nicht mehr erneuern könnte und daß noch während der Nacht die Rückzugsbewegung seiner Massen tatkräftig eingeleitet werden mußte.

Es galt vor allem, die französischen Truppen zu retten. Mochten die deutschen Hilfsvölker sich hier bei Leipzig in die Bresche werfen und jenen den Rückzug sichern. Die Polen unter dem Fürsten Poniatowski, die badischen und deutschen Rheinbundtruppen unter Macdonald, die nichtfranzösische Brigade Rottenbourg der Alten Garde, die Division Durutte, die nach der Meinung des Kaisers qualitativ nicht viel Wert hatte, sollten Leipzig halten und während der nächsten 24 Stunder den Rückzug decken. General Bertrand mit den 4. Korps war schon weit voraus und der Herzog von Treviso, Marschall Mortier, mit seinen Jungen Garden und der Gardekavallerie, die Division Guilleminot, die drei Kavalleriekorps und die Gardekavalleriedivision, sie alle waren schon jenseits Leipzigs auf dem Marsch nach Makranstädt. 


Napoleon        

Nacheinander sollten die Alten Garden, das 3. Korps, das 5. Korps folgen, und mit den übriggebliebenen Truppen, nachdem diese französischen Kerntruppen herausgesucht waren, sollte Marschall Macdonald die Nachhut bilden.

Fortsetzung