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Noch am selben Tag nahm die Kavallerie der
2. Armee wieder Fühlung mit dem Gegner auf. Bei Zwittau kam es zu
Nachhutgefechten. Am 8.7. ging die Elbarmee über Iglau auf Znaim vor,
die 1. Armee auf Brünn und die 2. Armee auf Olmütz. Sie sollte eine
solche Stellung einnehmen, daß sie die Truppen Benedeks gut beobachten
und ihnen folgen konnte, falls diese sich nach Wien wandten, oder nach
Schlesien auswichen, sofern die Österreicher mit überlegenen
Kräften angriffen. Doch kam es in den folgenden Tagen nur zu
unbedeutenden Zusammenstößen der Kavallerie.
Der preußische Vormarsch schuf für Österreich eine
bedrohliche Lage. Noch wirkte sich die vereinbarte Vermittlung Napoleons
nicht aus. Man mußte deshalb in Wien selbst schnelle Entschlüsse fassen.
Vor allem kam es darauf an, die Hauptstadt vor dem preußischen Angriff zu
sichern. Auf die Nordarmee war zunächst nicht in vollem Umfang zu
rechnen. Um die Truppen der Südarmee dafür rasch einsetzen zu können,
ließ die österreichische Regierung Venetien größtenteils räumen,
obwohl sich Italien noch nicht bereit gezeigt hatte, die Kampfhandlungen
einzustellen. Weiter beschloß sie, Erzherzog Albrecht zum
Oberkommandierenden aller Armeen zu ernennen und den größten Teil der
Streitkräfte an die Donau zu verlegen. Aus der Nordarmee, den Korps der
Südarmee und den verschiedensten Truppen aus dem Innern des Kaiserreiches
sollte bei Wien eine neue starke Feldarmee gebildet und mit ihr notfalls
eine Schlacht angenommen werden.
In den bereits besetzten oder unmittelbar vom Gegner
bedrohten Landesteilen bot die kaiserliche Regierung den Landsturm auf und
forderte die territorialen Militärbefehlshaber und Zivilorgane auf,
Insurrektionen und Partisanenkämpfe zu entfachen. Es kam auch zu
einzelnen Erhebungen und zu Streifzügen kleinerer militärischer
Einheiten im Rücken der preußischen Armee. Da aber diese Kriegführung
im vollen Widerspruch zur bisherigen innenpolitischen Regierungspraxis
stand und in Friedenszeiten dafür auch keinerlei Vorkehrungen getroffen
worden waren, kam eine Insurrektion in Böhmen und Mähren trotz mahnender
Aufrufe des Kaisers, hoher Staatsbeamter und Offiziere nicht über
Anfänge hinaus. Allerdings sahen sich einige preußische
Armeeoberkommandos und Generalkommandos veranlaßt, rigorose Maßnahmen
gegen einen drohenden Guerillakrieg zu ergreifen oder der Bevölkerung
gegenüber anzudrohen.
Bereits am 9.7. erhielt Benedek den Befehl, auch das 3.
Korps und die sächsischen Kräfte mit der Eisenbahn nach Wien zu senden.
Die übrigen Truppen sollten neu formiert und dann ab 14./15.7. über
Preßburg nach Wien in Marsch gesetzt werden. Der Eisenbahntransport
dieser Truppen war nicht möglich, er hätte etwa einen Monat beansprucht —
eine Zeit, die dem österreichischen Kommando wegen des schnellen
Vormarschs der Preußen nicht zur Verfügung stand. Alle diese Maßnahmen
zeigten, daß die regierenden Kreise in Wien trotz der
Vermittlungsversuche Napoleons III. noch schwankten, ob sie den Krieg
gegen Preußen beenden sollten. Die kriegswilligen Kräfte um Albrecht
hofften auf eine baldige militärische Unterstützung
durch Frankreich, weil sie erwarteten, daß die Vermittlungsaktion an den
preußischen Forderungen scheitern werde.
Mit Sorge und Unruhe mußten aber Hof und Regierung das
Anwachsen der nationalen Befreiungsbewegungen in den unterdrückten
Provinzen, besonders in Ungarn und Siebenbürgen, und das Anwachsen der
bürgerlichen Opposition feststellen. Eine weitere Fortführung des
Krieges hing von entscheidenden innenpolitischen Zugeständnissen ab, die
von der regierenden Bürokratie und Aristokratie abgelehnt wurden. Sie
waren dafür bereit, die Forderungen des Gegners anzuerkennen und auf
ihrer Grundlage einen Frieden zu schließen, nachdem Unterhändler am 7.7. vergeblich ein zweites Mal um einen befristeten Waffenstillstand
gebeten hatten. Die in Wien noch nicht bekannten preußischen Forderungen
entsprachen im Prinzip den Berliner Vorschlägen zur Bundesreform und
liefen auf eine Annexion norddeutscher Gebiete hinaus.
Allerdings begann sich der diplomatische Druck
Frankreichs auszuwirken. In Paris verhandelte der preußische Botschafter
angestrengt mit Napoleon III. Außerdem tauchte der französische
Botschafter in Berlin, Benedetti, am 12.7. im preußischen Hauptquartier
auf. Von dort begab er sich nach Wien, um auch hier die weitere Politik im
Sinne seines Herrn zu beeinflussen. Der Krieg war rascher verlaufen, als
Napoleon und seine Regierung erwartet hatten. Vor allem überraschten sie
die Schlacht bei Königgrätz und ihr Ergebnis. Auf ein militärisches
Eingreifen war Frankreich nicht vorbereitet. So mußte Napoleon versuchen,
durch beschwörende Worte und Entgegenkommen das preußische Hauptquartier
zu bewegen, sieh seinen Wünschen zu beugen. Alle kriegführenden Mächte
sollten sich dem Schiedsspruch des französischen Kaisers unterwerfen und
deshalb alle weiteren Kampfhandlungen ihrer Truppen sofort einstellen.
Inzwischen hatten die preußische Elbarmee am 13.7.
Znaim und die 1. Armee Brünn erreicht. Die 2.
Armee ging jetzt in Richtung auf Proßnitz vor. Sie sollte Benedek bei
Olmütz festhalten oder ihn nach Norden abdrängen. Aber sie erreichte die
neuen Marschziele mit den Spitzenkorps erst am 15.7. Nur dadurch
waren die Korps der Nordarmee in der Lage, ungestört abzumarschieren. Da
es der 2. Armee nun nicht mehr möglich war, den Abmarsch des Gegners von
Olmütz zu stören, befahl das Hauptquartier der 1. Armee, dem Gegner bei
Lundenburg sowohl die Straße nach Wien als auch nach Preßburg zu
sperren. Das bedeutete, das unmittelbare Vorgehen auf Wien einzustellen
und eine mehr östliche Richtung einzuschlagen. Befand sich wirklich ein
großer Teil der Nordarmee auf dem Marsch nach Wien, so mußte mit
größeren Kämpfen gerechnet werden. Für diesen Fall wurde die Elbarmee
erneut dem Oberkommando der 1. Armee unterstellt
Im preußischen Hauptquartier bestanden
unterschiedliche Vorstellungen über die weitere Kriegführung. Der
Ministerpräsident trat für die Aufnahme von
Waffenstillstandsverhandlungen ein. Er befürchtete für die nächsten
Wochen eine französische Intervention, zudem hielt er die Fortsetzung des
Krieges gegen Österreich für nicht im preußischen Interesse liegend.
Deshalb trat Bismarck für reale Forderungen an die Wiener Regierung ein
und lehnte jede Annexion österreichischen Gebiets ab. Doch um den Gegner
schnellstens verhandlungsbereit zu machen, schreckte der
Ministerpräsident des preußischen Königs nicht davor zurück, Aufrufe
an die tschechische Bevölkerung zu erlassen und die Ungarn zur
Insurrektion gegen die Habsburger anzustacheln. Aus kriegsgefangenen
Ungarn stellte Bismarck mit Hilfe des Generalstabes eine »Ungarische
Legion« auf, deren Kommando der Revolutionsgeneral von 1848, Klapka,
übernahm.
Auch der Chef des Generalstabes, Moltke, trat für eine
Beendigung des Krieges ein. Die völlige militärische Vernichtung
Österreichs lehnte er ab, da er im Kaiserstaat Österreich einen
künftigen Bundesgenossen gegenüber Rußland und Frankreich sah. Doch um
die eigenen Forderungen durchzusetzen, hielt Moltke die Fortführung der
Offensive auf die Donau und unter Umständen den Angriff auf Wien für
notwendig. Nach seiner Meinung hatte die vergangene Schlacht den Feldzug
gegen Österreich für Preußen entschieden, und die weiteren Operationen
sollten nur ein Druckmittel sein, um den Gegner endgültig friedensbereit
zu machen.
Im Unterschied dazu verlangten König Wilhelm und seine
persönliche militärische Umgebung den rücksichtslosen Vormarsch bis zum
triumphalen Einmarsch der preußischen Truppen in Wien. Der Gegner sollte
in verletzender Weise gedemütigt und für seinen Kriegseintritt streng
bestraft werden. Dieses Verlangen stieß auf die Ablehnung Bismarcks, auch
Moltke teilte diesen Standpunkt des Königs nicht. Doch das halsstarrige
Beharren des Königs auf seinen Absichten drohte zu einer ernsthaften
Gefahr für Preußen zu werden, da es -
wenn nicht bald eine
Vereinbarung mit Wien zustande kam - zu
einer Kriegsverlängerung mit unabsehbaren militärischen und politischen
Folgen führen mußte. Außer Frankreich trat auch Rußland für einen
baldigen Frieden ein. Deshalb wollte Moltke unbedingt die Vereinigung der
österreichischen Nordarmee und der Südarmee verzögern, um den weiteren
Widerstand des Gegners zu erschweren. Geringe preußische Kräfte griffen
bei Tobitschau und Roketnitz die Kolonnen des österreichischen 8. Korps
überraschend an. Von diesem Überfall wurden auch Teile des
österreichischen 1. Korps betroffen. Nach diesem Gefecht änderte die
Nordarmee ihre Marschrichtung. Sie bog ins Waag-Tal ab und begann den
Übergang über die Kleinen Karpaten, um auf diesem Umwege Wien zu
erreichen. Bei energischer Verfolgung wäre die Verhinderung dieses
Vorhabens möglich gewesen. Aber das Oberkommando der 2. Armee hielt die
Vereinigung aller Armeen vor Wien für wichtiger. Als dann am 16.7. doch
noch ein Vorstoß unternommen wurde, war es zu spät. Die Nordarmee war
wieder entkommen.
Am 12.7. war Erzherzog Albrecht in Wien eingetroffen.
Am Hof und in der Regierung verstärkten sich bereits die Stimmen, die
für die Aufnahme von Verhandlungen mit dem preußischen Hauptquartier
waren. Ihnen neigte auch der Kaiser zu. Erzherzog Albrecht dagegen, der
immer noch mit einer französischen Intervention rechnete, verlangte
unbedingten Widerstand und dazu die Verteidigung Wiens und der Donaulinie.
Er setzte Benedeks Abmarsch von Olmütz durch und zog auch das
Kavalleriekorps über die Donau zurück. Nur eine schwache Nachhut
verblieb nördlich des Stroms. Sie sollte beim Anrücken der Preußen auf
die nördlich von Wien in Bau befindlichen Stellungen -
die Floridsdorfer Schanzen - ausweichen.
Am 16. 7. trafen bei Wien auch die ersten Einheiten aus Italien ein.
Eine Brigade des 10. Korps wurde
am 17.7. nach Blumenau entsandt, um dort den gegen Preßburg
vordringenden Gegner aufzuhalten. Außerdem erhielt Benedek den Befehl,
die Bewegungen der preußischen Truppen durch Vorstöße abzufangen. Das
war bei dem Zustand der Nordarmee jedoch nur schwer ausführbar. Der
entbehrungsreiche Marsch hatte die Truppen erneut außerordentlich
erschöpft. Die einzige Aufgabe, die sie noch lösen konnten, bestand
darin, so schnell es ging, Wien zu erreichen. Dort waren bis zum 20.7.
das 3. und 10. Korps der Nordarmee, vier Kavalleriedivisionen sowie das 5.
und 9. Korps der Südarmee versammelt, insgesamt etwa 105 000 bis 110000 Mann.
Das preußische Hauptquartier rechnete schon vor dem
20.7. mit etwa 150 000 Österreichern bei Wien und erwartete eine
österreichische Offensive. Deshalb wurden zunächst die 1. Armee und die
Elbarmee nach Lundenburg und Laa befohlen, um eine günstige Stellung für
Angriff und Abwehr gegen die beiden österreichischen Gruppierungen zu
haben. Darauf wurde am 19.7. der Befehl zum Angriff auf die Donaulinie
erneuert. Alle drei Armeen sollten sich hinter dem Russ-Bach vereinigen:
Die Elbarmee bei Wolkersdorf, die 1. Armee bei
Deutsch-Wagram, die 2. dahinter bei Schönkirchen. Sie sollten versuchen,
überraschend Preßburg und den dortigen Donauübergang zu nehmen. Im
weiteren erwog man den Angriff auf Wien.
Man war sich im preußischen Hauptquartier darüber
klar, daß es nicht leicht sein würde, Wien zu erobern. Dort hatte sich
die Stimmung seit dem Eintreffen der siegreichen Südarmee wieder etwas
gehoben, man blickte hoffnungsvoller in die Zukunft. Die Entschlossenheit
zur Verteidigung der Stadt wurde stärker. Die österreichische Hauptstadt
war durch eine ausgedehnte verschanzte Linie geschützt. Sie bestand aus
einer Reihe von Feldbefestigungen und war mit 430 Geschützen bestückt.
Sie lehnte sich mit dem rechten Flügel an die Lobau, mit dem linken an
die Donau. In der Mitte klaffte zwar noch eine Lücke mit einer Breite von
7 Kilometern, aber sie konnte schnell provisorisch geschlossen und vor
allem durch Truppen ausreichend gesichert werden. Im Floridsdorfer
Brückenkopf stand das 10. Korps, rechts davon das 3., links das 9. Korps.
Sie bewachten die Donau, während das 5. Korps in Wien selbst stand. Die
Lage der Österreicher war also nicht aussichtslos. Sie mußte sich
verbessern, wenn die Kräfte der Nordarmee rechtzeitig Wien erreichten.
Aber das war in Frage gestellt, sobald es den Preußen gelang, den Paß
von Blumenau zu öffnen und Preßburg im Handstreich zu nehmen. Geschah
das, so blieb der Nordarmee nur der große Umweg über Komorn. Dann konnte
die Entscheidung bei Wien fallen, ohne daß es den Truppen Benedeks
möglich war einzugreifen.
Schon am 18.7. waren die Vorhuten der Preußen nur
noch etwa 40 Kilometer von Preßburg entfernt, während das nächste
österreichische Korps, das 2. Korps, noch etwa 80 Kilometer
zurückzulegen hatte. Noch am 21.7. waren zur Behauptung dieses wichtigen
Punktes nur zwei österreichische Brigaden verfügbar. Erst in der Nacht
und am Morgen des folgenden Tages wurden mit Hilfe von Bauernfuhrwerken
und der Pferdeeisenbahn die Truppen eines Korps herangebracht. Es war die
höchste Zeit, denn schon am 21.7. hatten zwei preußische Divisionen bei
Marchegg die March überschritten, waren bis Stampfen vorgegangen und
hatten den Paß von Blumenau erkundet. Für den 22.7. war der Angriff
befohlen. Die Österreicher standen in einer sehr starken Stellung, die
sich an die schroffen Berghänge anlehnte. Da ein frontaler Angriff nur
geringen Erfolg zeitigte, wurde eine preußische Division zur Umgehung
angesetzt. Noch bevor diese wirksam werden konnte, traf die Nachricht vom
Abschluß einer befristeten Waffenruhe ein.
Diese Waffenruhe war am 21.7. für fünf Tage
vereinbart worden, nachdem durch französische Vermittlung beide Seiten
ihr Einverständnis dazu und zur Aufnahme von direkten Verhandlungen
gegeben hatten. Erzherzog Albrecht hatte angesichts des Verlaufs der
Kämpfe und des Zustands der Nordarmee seine ursprüngliche Zuversicht
verloren. Auch gaben er und seine Umgebung die bisherige Hoffnung auf
französische Waffenhilfe auf. Da Kaiser Franz Joseph und der Hof
sofortige weitgehende Zugeständnisse an die ungarische Opposition
ablehnten, andererseits angesichts des massiven militärischen und
politischen Druckes des preußischen Hauptquartiers um den Bestand der
Monarchie besorgt waren, willigten sie in die Annahme der Forderungen
Bismarcks ein.
Am 22.7. begannen in Nikolsburg die Verhandlungen über einen
Waffenstillstand und einen Präliminarfrieden. Die Kampfhandlungen wurden
nicht wieder aufgenommen.
Am 23.8. wurde der endgültige Friede in Prag
unterzeichnet.
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