Berlin

 
 
Die Landschaft

Die naturbedingten Landschaften in und um Berlin entstanden durch Jahrtausende zurückliegende Vorgänge, die mit der eiszeitlichen Vergletscherung eng verknüpft sind. Das Eis führte umfangreiche Gesteinsmaterialien aus dem hohen Norden mit sich und lagerte sie entweder als Endmoränen während bestimmter Stillstandslagen des Eisrandes oder im Untergrund der Gletscher als Grundmoränen. Die Gesteine wurden durch den Druck des Eises teilweise zu feinem Geschiebemergel zerquetscht. Beim Abschmelzen führten die Schmelzwässer Kiese und Sande heran und lagerten sie als Sanderflächen ab. Die meisten Ablagerungen im Berliner Gebiet gehören der letzten Eiszeit, der sogenannten Weichseleiszeit, an. In einer Etappe des Eisrückgangs, dem sogenannten Frankfurter Stadium, schufen die Schmelzwässer das Berliner Urstromtal, in dem auch die heutige Spree fließt. Ebensolche ostwestlich verlaufenden Urstromtä1er sind das Eberswalder und das Baruther Urstromtal. Verbunden wurden diese Haupttäler durch nordsüdlich verlaufende Schmelzwasserrinnen. So bietet sich heute das Bild der Landschaft im Berliner Raum als Land von Platten und Talniederungen, von Seen und Rinnen dar.

Für das Stadtgebiet von Berlin sind drei Hauptlandschaftsformen bestimmend: das Berliner Urstromtal sowie die Hochflächen des Barnim und des Teltow. Letztere sind wieder durch Fließe, Niederungen beziehungsweise Seenrinnenketten in Einzellandschaften aufgegliedert. Das Berliner Urstromtal verengt sich von 10 bis 15 Kilometern im Zentrum von Berlin auf rund 4 Kilometer. Diese Stelle bildete also eine naturgegebene Paßsituation. Die das Berliner Urstromtal begrenzenden Hochflächen von Teltow und Barnim tragen ihre Landschaftsnamen seit dem Mittelalter. 

Liegt die Talaue bei ungefähr 35 Meter Normalnull, steigen die Hochflächen auf 50 bis 60 Meter oder mehr an. Die Müggelberge mit 115 Meter Höhe ragen daraus hervor. Die Spreeaue wird von Sandflächen eingenommen, die nur von vermoorten Abschnitten unterbrochen sind. In der Spree befinden sich eine Reihe von Talsandinseln (beispielsweise Liebesinsel und Kratzbruch bei Stralau oder die Rohrwallinseln im Stadtbezirk Köpenick), die durch ihre Lage einen natürlichen Schutz boten und daher seit ur- und frühgeschichtlicher Zeit besiedelt worden sind. Am Spreeübergang im Zentrum lagen vier solcher Talsandinseln (eine auf Cöllner und drei auf Berliner Seite), die von ovaler oder nierenförmiger Gestalt waren. Für die Überquerung der Spree und für die Anfänge von Berlin und Cölln haben diese Inseln immense Bedeutung gehabt. Sie erwiesen sich als die ursprünglichen Siedlungskerne. Nur hier konnte man seinerzeit aufragende Steinbauten wie die Kirchen oder das Rathaus im Mittelalter errichten.

Die beschriebene natürliche Gliederung des Berliner Raumes in Täler und Hochflächen sowie die zahlreichen Seen und der dadurch bedingte Fischreichtum, die Wälder des Barnim und des Teltow mit dem Wild, der Wechsel von guten und minderen Böden boten dem ur- und frühgeschichtlichen Menschen insgesamt ein günstiges geographisches Milieu. Das trifft sowohl für Jäger, Sammler und Fischer als auch für Pflanzenbauer und Viehhalter zu.

Vorgeschichte

Die ältesten eindeutigen Spuren der Anwesenheit von Menschen im Berliner Raum gehören in das 9. Jahrtausend v.C., als nach einem erneuten Kälteeinbruch in der sogenannten Dryaszeit die letzte Vereisungsphase endgültig beendet war. In dieser Zeit begannen kleinere Menschengruppen die märkische Tundrenlandschaft zu durchstreifen und haben so ihre Spuren bei der Jagd auf Rentiere hinterlassen. Am Tegeler Fließ im Norden Berlins wurden typische Feuersteingeräte der Rentierjäger wie Stielspitzen, Rundschaber, Klingenschaber und kleine Feuersteinmesserchen gefunden. Die Funde zeigen, daß die Jagd auf das Ren und wahrscheinlich auch das Sammeln von Gräsern, Wildfrüchten, Wurzeln die Existenzgrundlage der kleinen Jägergemeinschaften bildeten. Zwar bestand keine dauerhafte Seßhaftigkeit, doch konnte auf Grund des Phänomens der regelmäßigen »Rentierwanderung« eine festere Bindung im Territorium entstehen, die saisonweise anhielt. Der Bau von Vorratsgruben und die Anlage von Herdstellen beweisen, daß man sich nicht nur in den Tagen des Durchzugs der Rentiere hier aufhielt.

Aus dem Zeitalter der Mittelsteinzeit sind auf dem Territorium Berlins über 100 Fundstellen bekannt.  Die Masse der Funde fällt in den jüngeren Abschnitt der mittleren Steinzeit, als die zahlreichen Dünenzüge um den Müggelsee, entlang von Havel, Spree und Dahme, am Malchower See oder bei den Fischteichen von Buchholz immer wieder als Rastplätze aufgesucht wurden. Zwischen 5000 und 3000 v. u. Z. herrschte hier ein Klimaoptimum (sogenanntes Atlantikum) mit höheren Durchschnittstemperaturen als heute. Auf allen Fundplätzen kann man immer noch Feuersteingeräteinventar wie Beile, Schaber, Kratzer, Bohrer, Stichel, Klingen, Pickel sowie Kleingeräte (sogenannte Mikrolithen) finden. 


Werkzeuge             

Über Vorstellungen von der Totenverehrung und dem jenseitigen Leben geben drei Bestattungen von Schmöckwitz Auskunft, die die ältesten Menschenfunde vom Berliner Gebiet darstellen. Die Toten waren zerstückelt in Gruben inmitten der Siedlung beigesetzt worden. Brandspuren sowie Hinweise auf Entfernung der Weichteile sind als kultischer Kannibalismus gedeutet worden. Nach einem Fundplatz südlich Berlins wurde für die materielle Kultur der späten Jäger- und Fischerbevölkerung der Begriff Jühnsdorfer Gruppe geprägt.

Der Prozeß der Seßhaftigkeit vollzog sich im Berliner Raum erst zu Beginn des 3. Jahrtausends v. C. Nach der vorherrschenden Gefäßform wurde diese bäuerliche Wirtschaft als Trichterbecherkultur bezeichnet. Vom Berliner Gebiet können bisher etwa 250 Fundplätze der Jungsteinzeit zugewiesen werden, wobei ein Großteil nur Einzelfunde von Feuerstein- oder Felsgesteinbeilen und Felsgesteinäxten darstellen. Im Verlauf der Jungsteinzeit stieg die Besiedlungsdichte im Berliner Raum merklich an. Archäologisch-kulturell reihen sich die Gräber, Siedlungen und Einzelfunde aus der zweiten Hälfte des 3. Jahrtausends v. C. vom Berliner Boden mehreren in den brandenburgischen Bezirken verbreiteten archäologischen Kulturgruppen zu, nämlich der Havelländischen Kultur, der Kugelamphorenkultur, der Einzelgrabkultur, der Schnurkeramik und der Oderschnurkeramik.

Die ersten kupfernen beziehungsweise bronzenen Metallgegenstände waren auf dem Wege des Austausches von Süden nordwärts gelangt. An Havel und Spree hielt sich auch während der älteren Bronzezeit der Umfang der Bronzeverarbeitung in Grenzen. Dem 15./14.Jahrhundert v. C. können vom Berliner Raum nur etwa ein Dutzend Fundplätze zugewiesen werden. Allerdings ragt der große Bronzefund von Spandau hervor, der sich aus 19 Bronzewaffen zusammensetzt (Schwerter, Dolche, Lanzen, Beile) und als Opferfund gedeutet wird. Der Fund läßt kulturelle Verbindungen sowohl ins nördliche Mitteleuropa als auch ins Donaugebiet erkennen. Erst zu Beginn der jüngeren Bronzezeit am Ende des 13. Jhds v. C. lassen bisher mehr als 200 Fundplätze auf eine dichte Besiedlung des Berliner Gebietes schließen. Die Schwierigkeit für die hiesigen Bronzegießer bestand nur in der Rohstoffbeschaffung aus südlichen Gebieten. Sie waren über Jahrhunderte von den Rohstoffquellen im südlichen Mitteleuropa abhängig. Die Funde lassen in der Tat auf intensive Kontakte schließen und darauf, daß der Metallbedarf weitgehend hatte gedeckt werden können. Dennoch waren die Siedler zeitweise gezwungen, auch noch Knochen, Stein und Horn zur Geräteherstellung einzusetzen. 


         Bronzespangen

Die materielle Kultur der jüngeren Bronzezeit Berlins ist von einer Burganlage, zahlreichen Gräbern, Siedlungen, Depot- und Einzelfunden aus allen Stadtbezirken bekannt. Betrachtet man die materiellen Hinterlassenschaften der jüngeren Bronzezeit von Berlin insgesamt, so tragen diese unzweifelhaft den Stempel der Lausitzer Urnenfelderkultur. Die Forschung rechnet daher auch mit direkter Zuwanderung von Bevölkerungsteilen aus dem sächsisch-lausitzischen Raum und erklärt damit die starke Besiedlungsdichte. Andererseits sind lokale Besonderheiten in der materiellen Kultur im unteren Spreegebiet sichtbar.

Von einer voll ausgebildeten Eisenzeitkultur kann man im Berliner Raum erst vom 6.Jahrhundert v. C.  an sprechen. In dieser Zeit sind germanische Stämme, die zur Jastorfkultur gehörten, in den Berliner Raum eingewandert. Die 55 Fundplätze vom Berliner Stadtgebiet bilden die direkte Fortsetzung des dicht besiedelten Havellandes, das seinerseits wieder räumlichen Kontakt zum Kerngebiet der Jastorfkultur um mittlere und untere Elbe hatte. Die Berliner Funde schließen sich der Mittelelbe-Havel-Gruppe der Jastorfkultur an. Hierzu sind wohl die Sueben zuzuordnen. Bereits im Jahre 5 n. C. wurden die Semnonen, die sich selbst für den ältesten und edelsten der Suebenstämme hielten, erstmals in antiken Quellen genannt. Die germanische Besiedlung des Berliner Raumes setzte sich in den Jahrhunderten nach Beginn unserer Zeitrechnung kontinuierlich fort, obgleich die Besiedlungsdichte in den einzelnen Jahrhunderten nicht unerheblich schwankte. So widerspiegelt sich im Besiedlungsbild in der zweiten Hälfte des 2.Jahrhunderts der Abzug semnonischer Stammesteile. Hingegen kann das archäologische Fundmaterial im ostbrandenburgischen Seen- und Heidegebiet, wozu noch der Osten Berlins zu zählen wäre, mit burgundischer Siedlungstätigkeit in Verbindung gebracht werden. Im 3./4.Jahrhundert nahm die langsame Ausdünnung der germanischen Besiedlung an der Spree ihren Fortgang, wenngleich hier Funde germanischen Ursprungs noch aus der Mitte des 6.Jahrhunderts gemacht wurden. Gegenüber der römischen Kaiserzeit ist in der Völkerwanderungszeit ein eklatanter Rückgang der Besiedlung zu verzeichnen. Die Masse der germanischen Bevölkerung dieses Raumes wurde mit in den Strudel der Völkerwanderung gerissen und beteiligte sich am Einbruch in das untergehende Römerreich. Antike Quellen sprechen sogar von einem »Königtum« der Semnonen. 

In der jüngeren Völkerwanderungszeit (5./6.Jahrhundert) stand der Berliner Raum zwar unter dem Eindruck des Thüringer Königreiches, lag aber wahrscheinlich etwas abseits vom gesamtgermanischen Geschehen. Vermutlich geht dies wenigstens zum Teil auf die ausgedünnte Besiedlung zurück. In den durch die germanische Abwanderung dünn bewohnten Berliner Landschaften begannen sich seit dem 6./7.Jahrhundert slawische Siedlergruppen niederzulassen, die das Land wieder für Bodenbau und Viehhaltung erschlossen, im weiteren Verlauf Handel und Handwerk entfalteten, Burgen bauten und schließlich politische und ökonomische Mittelpunkte schufen. Die slawische Besiedlung war insgesamt mit einem Landesausbau verbunden. Doch spielte am Beginn der slawischen Einwanderung auch eine wichtige Rolle, daß einige der spätgermanischen Siedlungskammern noch erhalten waren. 


 germanischer Schmuck

Im weiteren Verlauf taucht germanisches Kulturgut (Kumpfgefäße) nur noch sporadisch auf, weil wahrscheinlich die spätgermanische Restbevölkerung durch die Slawen assimiliert wurde. Die Einwanderung slawischer Bevölkerung, die zunächst in kleinen Gruppen erfolgte, begann womöglich noch im 6. Jahrhundert zunächst zögernd, verstärkte sich bald aber immer mehr. Zwei Herkunftsrichtungen wurden erschlossen. Die eine Richtung dürfte aus Böhmen über die mittlere Elbe in die brandenburgischen Landschaften verlaufen sein, eine andere über die Oder westwärts aus dem Weichselraum. Die slawischen Siedler im Berliner Raum gehörten hauptsächlich zwei Stämmen an. Die archäologische Fundkarte läßt die Siedlungsgebiete zum Teil deutlich erkennen. Diese sind überwiegend mit schriftlich überlieferten Stämmen der Sprewanen und Heveller in Verbindung zu bringen. Die Siedlungsgebiete lehnten sich an die größeren Talränder an. Sümpfe oder große Wälder bildeten natürliche Grenzen. Eine Urkunde des Jahres 965 verlautbart, daß der Gau Sprewa auf beiden Seiten der Spree lag.


    slawisches Tongefäß

Den Mittelpunkt des Sprewanenstammes bildete die Burg auf der Schloßinsel Köpenick. Ein zweites bedeutendes Siedlungsgebiet der Slawen stellte das Havelland dar. Hier wohnte der mächtige südliche Lutizenstamm der Heveller. Brandenburg, Potsdam und Spandau markierten die östlichen wichtigen Burgorte. Als einziger slawischer Fürst ist allerdings nur Jaxa de Copnic namentlich überliefert, der auch Münzen prägen ließ. Aus den Schriftquellen erhellt, daß dieser Jaxa Erbansprüche auf das Hevellerfürstentum erhob und wahrscheinlich im Jahre 1153 die Brandenburg eroberte, diese aber bereits 1157 wieder an Albrecht den Bären aus askanischem Haus verlor. Das Köpenicker Fürstentum vermochte sich jedoch noch einige Jahrzehnte zu behaupten.

Die Anfänge Berlin/Cöllns

Die Doppelstadt Berlin-Cölln entstand, soweit archäologisch feststellbar, auf in slaw. Zeit weitgehend unbesiedeltem Boden. Die rechtliche Gründung wurde früher allgemein auf Grund schriftlicher Quellen in die Zeit um 1230 gelegt. Bis heute herrscht die Meinung vor, daß die günstige Verkehrslage an der Spree den Ausschlag für die Wahl des Ortes gegeben habe. Vor allem dachte man dabei an den Nord-Süd-Handel. Neue Ausgrabungen, die in Berlin-Cölln und auf dem Teltow meist erst in den letzten Jahren durchgeführt wurden, zwingen jedoch zur erneuten Überprüfung dieser Überlegungen. Die Stadtkerne von Berlin und Cölln liegen auf zwei benachbarten Sandkuppen inmitten des Warschau-Berliner Urstromtales und werden heute durch den Spreelauf getrennt, der früher nur ein Spreearm war. Nordwestlich der Berliner Sandkuppe schließen sich zwei weitere an. Ob die unmittelbar nördlich von der Berliner »Insel« liegende Kuppe, auf der das heutige Rathaus steht, schon zum engeren Berliner Siedlungskreis gehörte, ist noch nicht geklärt. Archäologische Untersuchungen an der im Krieg zerstörten Nikolaikirche und neben der ebenfalls ausgebrannten Cöllner Petrikirche ergaben jeweils unter einer Feldsteinbasilika aus dem 1. Drittel des 13. Jh. Gräber, die zu Friedhöfen gehörten und von denen ein Teil wenigstens in das 12. Jh. zurückreicht. Da zu den Gräbern auch eine Siedlung, vielleicht auch eine Holzkirche gehören muß, darf man von 2 Niederlassungen beiderseits der Spree schon während der 2. Hälfte des 12. Jhs. ausgehen. 

Die Erweiterung der Berliner Siedlung auf die vierte und nordwestlichste Sandkuppe, auf der die Marienkirche steht, kann nach dem archäologischen Befund frühestens in der 1. Hälfte des 13. Jhs. erfolgt sein, wahrscheinlich erst nach 1220—30. Auf dieser nördlichsten der 4 Berliner »Inseln«, an deren Nord-Flanke der tiefste von 3 ursprünglich vorhandenen Spreearmen entlangfloß, ist als Vorläufer der mgfl. »euria« »Alter Hof« bezeugt, der, nach Analogien, aus der 2. Hälfte des 12. Jhs. stammen dürfte; seine genaue Lage ist unbekannt. Eine Datierung ist noch nicht möglich. Man kann vermuten, daß es sich bei einem »Alten Hof« um einen befestigten burgähnlichen Sitz handelte. Seine günstige Lage gestattete es, von dort aus den nördlichen Spreelauf zu kontrollieren und die nördliche Flanke der entstehenden Berlin-Cöllner Niederlassung zu decken. Erst im Zuge der Stadterweiterung während der 1. H. des 13. Jhs. mag er diese Funktion verloren haben. Er wurde nun in das Weichbild der Stadt einbezogen.

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Die Entstehungsgeschichte von Berlin und Cölln läßt sich nicht getrennt von den Siedelvorgängen im weiteren Umkreis betrachten. Sie wird verständlicher, wenn man einen Blick auf die gleichzeitigen Verhältnisse auf dem Teltow und im übrigen Spreetal wirft. Man darf nach den jüngsten Grabungsergebnissen wohl davon ausgehen, daß der westliche Teltow bis zu den Templerniederlassungen Tempelhof, Mariendorf und Marienfelde südlich Berlins von der Zauche und dem Havelland aus durch die Askanier bereits bald nach 1170 besiedelt wurde. Über diese durch die Templerdörfer gebildete 0st-Grenze hinaus war ein Vorstoß nicht möglich, weil das benachbarte Gebiet von Slawen besetzt war, über die die wettinischen Mgff. der Ostrnark Herrschaft beanspruchten. Die Siedlungen von Berlin und Cölln bildeten somit zu jener Zeit den östlichsten Punkt in einer Kette von dt. Niederlassungen. Die exponierte Lage der Orte Berlin und Cölln erklärt das Vorhandensein eines mgfl. Stützpunktes, eben des »Alten Hofes« in Berlin.

 
 
Berlin/Cölln im Mittelalter

Urkunden über Gründung oder Stadterhebung von Berlin-Cölln sind nicht erhalten. Die sächs. Fürstenchronik (um 1280) berichtet, daß die Mgff.-Brüder Johann I. (1225—1266) und Otto III. (1225—1267) viele Städte erbaut haben, und setzt an die Spitze Berlin. Die ersten urkundlichen Erwähnungen der beiden Orte zeigen bereits eine voll ausgebildete Stadt mit Propstei und Kaufmannschaft. Der 1237 als plebanus de colonia bezeichnete Geistliche Symeon ist 1244 praepositus de Berlin, 1247 praepositus de colonia juxta Berlin. Hier erscheint mit ihm als Zeuge Marsilius, scultetus de Berlin, ebenso für beide Orte zuständig. 1251 besaß Berlin bereits Zollfreiheit, 1252 tagte dort ein Provinzialkapitel der Franziskaner. 1253 erteilte Berlin an das eben erweiterte  Frankfurt/O. eine Rechtsweisung, Magdeburgisches Recht, das es von Brandenburg übernommen hat. Die ersten Anlagen der Landesherrschaft - ein großer Hofbesitz (aula) in Berlin, Klosterstr., Mühlen und Münze - zeigen bereits die Bedeutung. Einen Plan gibt erst 400 Jahre später, Merians Topographie 1652. Er läßt die mittelalterliche Stadt noch gut erkennen, das planmäßige Straßennetz und die räumliche Einheit. Der Mauerring umschloß die Doppelstadt, durch Türme und Weichhäuser verstärkt. Mauer und Graben von Cölln liefen vormals um den »Dom« (Kirche der Dominikaner) quer über das Schloßgelände zur Spree. 


   Ersterwähnung Cöllns

Zwei Übergänge - Mühlendamm und Lange Brücke - leiteten den Verkehr zu den 5 Toren: südlich der Spree das Gertrauden (urspr. Teltower) und Köpenicker Tor, nördlich, das Spandauer, Georgen- (urspr. Oderberger) und Stralauer Tor. Der Aufstau durch den Damm in der Spree gab die Wasserkraft für die Mühlen und den Überfluß in die schützenden Stadtgräben. So muß die Schiffahrt »bi den molcndamm« umladen »von de Aversprew up de Nedersprew«. Der Größe entsprechend - Berlin 47 ha (1140 : 510 m); Cölln 23 ha (800 : 370 m) - besaß Berlin zwei Pfarrkirchen, St. Nikolai und St. Marien. Für Cölln reichte St. Petri aus. Beide Städte hatten Klöster, jeweils an der Mauer, Franziskaner (Klosterstr.) und Dominikaner (Brüderstr.). Dazu bestanden zwei Armenhöfe (Spitäler) mit Kapellen, Heiliggeist am Spandauer Tor und vor dem Oderberger Tor St. Georgen. 


Ersterwähnung Berlins   

Das Gertraudenspital (Spittelmarkt) südlich von Cölln wurde erst nach 1405 errichtet. Die Rathäuser befanden sich im Schnittpunkt der Hauptstraßen, in Cölln am Fischmarkt, in Berlin gleichweit vom Neuen und Alten (später Molken-) Markt entfernt gelegen (Kreuzung Spandauer u. Georgen- urspr. Oderberger Str.). Die Lage des Alten und des Fischmarkts beiderseits des Mühlendamms fällt auf. Hier lag offenbar eine Keimzelle der Doppelstadt, gleichsam als Zwillingssiedlung erwachsen aus Raststätten reisender Kaufleute, sogen. »Staumärkte«. Gegenüber den älteren Paßorten  Bln.-Spandau und Bln.-Köpenick fand hier der Handel aus der Mark Meißen und von Magdeburg über Berlin-Belzig-Saarmund einen kürzeren Weg nach Stettin und zur Ostsee. Der Weg durchzieht Cölln als Gertraudenstraße und mündet jenseits auf dem Alten Markt, aber er setzt sich nicht fort. Das älteste Berlin um St. Nikolai mit der Achse der Spandauer und Stralauer Straße scheint von der WO-Richtung gestalten zu sein, Entscheidend war die Kaufmannschaft. Zur Zollfreiheit erwarb Berlin schon früh das Stapelrecht. Berlin war Vermittler für zahlreiche Güter des Ostens, besonders Polens: Holz und Getreide, Felle und Häute, Wachs und Honig. Das Hamburger Schuldbuch (1288) verzeichnet Austausch von Holz und »Berliner Roggen« aus der Mark gegen flandrische Tuche und Wein. In der »Koplude Gulde« waren die Fernhändler beider Städte vereinigt; ihre Familien besetzten den Rat, in den nur zeitweilig Handwerker gelangten. In der Verwaltung blieb jede Gemeinde für sich, mit eigenen Innungen und eigener Bürgerschaftsvertretung; Bäcker und Fleischer, Tuchmacher und Schuhmacher bildeten die Viergewerke, neben sie traten nach 1400 die Verordneten, vom Rat ernannt. Berlin hatte 2 Bürgermeister (Olderlude) und 12 Ratmannen, Cölln 1 und 6. Das älteste Siegel Berlins von 1253 zeigt den mgf. Adler vor einem dreitürmigen Stadttor. Die ersten Bürger kamen z. T. vom Rhein, aus Niederfranken und Westfalen. 

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Stärker beteiligt waren auch ostfälische Sachsen. Vom Rhein wurde wohl der Name "Cölln" mitgebracht, zumal in Köln der Dom ebenfalls St. Petri geweiht war. Der Name "Berlin" ist slawischen Ursprungs und läßt sich wohl auf die Wurzel "brl" (Sumpf, Morast) und das Anhängen des Suffixes "-in" als Geländename für einen trockenen Platz innerhalb eines Morastes zurückführen. Der rasch errungene Wohlstand und die ungewöhnlich starke Steuerkraft der beiden Städte begünstigte die Errichtung aufwendiger profaner und geistlicher Steinbauten. Um 1300 wurde die um 1319 fertiggestellte Mauer begonnen. Die beiden Klosterkirchen, die Berliner Heiliggeistkapelle (Spandauer Str. 1273/1313 erweitert, ein Backsteinbau mit spätgotischen Sterngewölben) bezeugen den Aufstieg Berlins ebenso wie die 3 Stadtkirchen, von denen die Marienkirche (am Neuen Markt, got. Hallenkirche, im Kern um 1260/70, nach 1380 wiederausgebaut; Wandgemälde «Totentanz v. 1470) das einzige erhalten gebliebene mittelalterliche Wahrzeichen Berlins ist. 

Die ältere Nikolaikirche (frühgot. Westbau aus Granit um 1230; vollendet um 1470) war nach dem 2. Weltkrieg nur als Ruine inmitten der fast nur noch am Grundriß erkennbaren Altstadt Berlins erhalten. Die mittelalterliche Cöllner Petrikirche brannte 1730 ab; der hier 1853 errichtete Neubau wurde im Krieg zerstört und 1963 abgetragen. Auch von der stattlichen Klosterkirche des Franziskanerklosters (eine erste frühgot. Backsteinbasilika entstand ca. 1270—90; Klosterstr.) ist nur die Ruine erhalten. Neben dem »Grauen Kloster« (Landesschule seit 1574) entstand, wohl auf älterem landesherrlichem Besitz (1260 aula Berlin) gelegen, zwischen ca. 1310 und 1316 das »Hohe Haus« (20 m Frontbreite, mit dreischiffiger Halle), der Sitz der askanischen und wittelsbachischen Landesherren und Ort zahlreicher ständischer Landesversammlungen (1931 beim Abbruch des »Lagerhauses«/ Wollmanufaktur, in das das Hohe Haus verbaut war, freigelegt).

Zu den wohlhabendsten und angesehensten Bürgern gehörten die Fernhandelskaufleute. Sie lieferten vor allem Holz, das aus der Rodung des Berliner Umlands stammte, sowie Getreide, das auf Teltow und Barnim angebaut wurde, nach Hamburg und nach Flandern. Die wichtigsten Importwaren waren Tuche aus Flandern und Meeresfische aus dem Ostseeraum, die die Grundlage für den Ausbau Berlin/Cöllns zu einem überregionalen Fischmarkt darstellen, auf dem zusätzlich auch Süßwasserfische aus den Gewässern der Umgebung gehandelt wurden. Importiert wurden darüber hinaus auch Felle, Textilien, Metallerzeugnisse, Waid, Gewürze und Wein. Einen beträchtlichen Teil ihrer Gewinne legten die wohlhabendsten unter den Kaufleuten in Grundbesitz in der ländlichen Umgebung an, indem sie den häufig in Geldschwierigkeiten steckenden Markgrafen und Adeligen die grund- und landesherrlichen Einnahmequellen in den umliegenden Dörfern abkauften oder diese Dörfer ganz von ihnen zu Lehen nahmen. 


Portalbogen-Hohes Haus 

Diese führenden Familien unter den Berliner Kaufleuten stellten das städtische Patriziat, aus dem sich die Mitglieder des Rates rekrutierten.

Zur städtischen Mittelschicht gehörten neben den im Einzelhandel tätigen Krämern und Händlern auch die Handwerker. Die angesehensten unter letzteren waren die Bäcker, Fleischer, Schuhmacher und Tuchmacher, die in den vier bedeutendsten Zünften oder » Gewerken « organisiert waren. Die übrigen Gewerke hatten eine weit geringere Bedeutung. Kürschner, Schneider und Schuhflicker waren immerhin noch in eigenen Zünften zusammengeschlossen, während in den anderen Handwerkszweigen Schmiede, Kannengießer, Maurer, Zimmerleute, Tischler, Drechsler, Schiffbauer, Böttcher, Leinweber, um nur einige zu nennen - die Zahl der Gewerbetreibenden oder ihr Einfluss offenbar für die Bildung einer Zunft nicht ausreichten. Das politische Gewicht und das soziale Ansehen der Angehörigen der »vier Gewerke» war dagegen so groß, dass sie sich deutlich aus der Masse der nicht ratsfähigen Bürger heraushoben und sich im Laufe der Zeit einen Anteil an der Ausübung der politischen Macht in der Stadt sichern konnten.


          St. Petri , Cölln
Am unteren Ende des sozialen Spektrums befanden sich diejenigen, die nicht über eigenen Hausbesitz und über eine qualifizierte Berufsausbildung verfügten. Zu ihnen gehörten Höker, Handlungsgehilfen, Gesellen und Lehrlinge, Dienstboten und Mägde sowie Lohnarbeiter


St. Nicolai, Berlin             

Diese besaßen häufig keinen festen Arbeitsplatz, sondern boten ihre Dienste dort an, wo sie gerade benötigt wurden - am Spreeufer und auf den Märkten beim Aus- und Umladen der Waren, auf dem städtischen Ziegelhof beim Brennen von Ziegeln und Kalk, an den Mühlen, auf den Schlachthöfen, in den Gerbereien und schließlich auch in der Landwirtschaft, die von nicht wenigen Bürgern als Nebengewerbe betrieben wurde. Diese Gruppe der unselbständig Beschäftigten ohne eigenen Hausbesitz war vom Erwerb des Bürgerrechts ausgeschlossen und erhielt daher auch keinen Anteil an dem stadteigenen Weide- und Ackerland, dessen Nutzung sich die Bürger teilten. Die Grenzen zur untersten Schicht der Bevölkerung - mittellose Kranke und Alte, von denen viele auf die Hilfe sozialer Einrichtungen angewiesen waren, sowie Angehörige »unehrlicher Berufe« wie Gaukler, Spielleute und Prostituierte - waren fließend.

Berlin hatte den Status einer Bürgergemeinde. Die Selbstverwaltung und die Ratsverfassung bedeuteten jedoch noch keine volle städtische Autonomie. Neben dem vom Markgrafen eingesetzten Stadtschulzen stand zwar ein Stadtrat an der Spitze der Stadtgemeinde, doch oblag es dem Schulzen, die vom alten Rat gewählten neuen Ratsherren jeweils zu bestätigen und einzusetzen. Der städtische Grund und Boden blieb Eigentum des Markgrafen. Für den Besitz oder die Nutzung der Baugrundstücke, des Marktes mit seinen Verkaufseinrichtungen und der Feldmark hatte die Bürgerschaft Grundzinse und Marktabgaben an den Landesherrn zu leisten. Die Bürger waren dem landesherrlichen Vogteigericht unterstellt, welches für alle Strafsachen mit Lebens- und Leibesstrafen sowie Klagen um Grundeigentum und die Freiheit einer Person zuständig war. Die Kompetenz des für Berlin und Cölln gemeinsamen Stadtgerichts war auf niedere, durch Geldleistungen und Bußen zu ahndende Streit- und Straffälle beschränkt. 


           1270  Stadtsiegel Berlin          1280                                               1338


Stadtsiegel Cölln 1321     

Stadtrichter war der Schulze. Er saß dem von sieben Schöffen, vier aus Berlin, drei aus Cölln, gebildeten Stadtgericht vor, verkündete und vollstreckte das von den Schöffen gefundene Urteil. Neben seiner Tätigkeit als Stadtrichter hatte der Schulze die markgräflichen Einkünfte in der Doppelstadt einzuziehen. Der Schulze trug sein Amt, das Schulzenamt, vom Markgrafen zu Lehen. Für seine Amtsführung hatte er festen Anteil an den landesherrlichen Gerichtsgefällen, Grundzinsen und Marktabgaben in Berlin und Cölln. Jedoch war der Schulze kein markgräflicher Dienstmann. Er gehörte dem Kreis der bei der Gründung führenden bürgerlichen Unternehmer an. Damit befand sich der Schulze in einer Doppelstellung. Er war einerseits landesherrlicher Amtsträger in der Stadt, andererseits Interessenvertreter der kaufmännisch-unternehmerischen Führungsschicht Berlins gegenüber dem Landesherrn. Das Bestehen der Ratsverfassung um 1250 dokumentiert nicht nur, daß die Verwaltung Berlins frühzeitig bei einem bürgerlichen Ratskollegium lag, sondern zugleich, daß bereits damals die Stadtregierung von wenigen Ratsgeschlechtern ausgeübt wurde.

Nach der Mitteilung des Berliner Stadtrechts von 1253 saß der Rat ein Jahr im Amt. Der neue Rat wurde nicht von der Bürgergemeinde, sondern vom alten Rat gewählt. Dieser nahm an wichtigen Beschlüssen des neuen Rats teil, um nach Jahresfrist wieder an dessen Stelle zu treten. Die Wiederwahl war üblich, die gewählten Ratsherren blieben meist auf Lebenszeit in ihrer Würde. Beim Tode eines Ratsmitgliedes wählten die übrigen aus ihren Familien, aus den Ratsgeschlechtern, einen Nachfolger. Der Berliner Rat bestand aus zwölf Ratsherren, davon zwei Bürgermeistern, der Cöllner hatte sechs Mitglieder einschließlich eines Bürgermeisters. Als Mitglieder des Rates oder als Angehörige von Ratsgeschlechtern lassen sich die im Hamburgischen Schuldbuch erscheinenden Berliner Fernhändler sowie andere im Handel erfolgreiche Kaufleute nachweisen, ebenfalls die später in Geldgeschäften mit den Markgrafen feststellbaren Berliner Bürger, schließlich Bürger und Kaufleute, welche feudale Grundrenten auf dem Lande zu eigen oder zu Lehen besaßen. Sie, reiche Fernhändler, Finanzleute und Lehnbürger, beziehungsweise die kaufmännisch-unternehmerischen Führungskräfte stellten von Anfang an die städtische Führungsschicht dar.

Gewerksiegel der Viergewerke


Wollweber


Fleischer


Schuhmacher


Bäcker

Vermutlich ist es auch in Berlin zu Kämpfen zwischen den Kaufleuten und den Tuchmachern um den Einzelverkauf des Tuches nach Ellen, den Gewandschnitt, gekommen, doch haben diese in der spärlichen Überlieferung keine Spuren hinterlassen. Die in Gilden organisierten Kaufleute des hansischen Bereichs beanspruchten den Gewandschnitt allein für sich, was den Ausschluß der Tuchmacher vom Kleinverkauf bedeutete, die ihr Erzeugnis dann nur ballenweise an Kaufleute absetzen konnten. In andauernden Kämpfen mit den Tuchmachern setzten die Kaufleute der größeren märkischen Städte mit Hilfe markgräflicher Privilegien das Gewandschnittmonopol bis zum Beginn des 14.Jahrhunderts durch.

Die Räte der Doppelstadt führten eine entschiedene Politik, für ihren Handel und Marktverkehr Privilegien zu erhalten und die eigene Zuständigkeit für die städtischen Angelegenheiten im Territorialstaat auszubauen und zu verstärken. Sie konnten dafür die wachsenden städtischen Geldmittel einsetzen, welche die günstige Wirtschaftsentwicklung Berlins und Cöllns zur Verfügung stellte. Dem steigenden Geldbedarf der deutschen Territorialfürsten stand auch in der Mark Brandenburg ein finanzielles Defizit gegenüber. Es führte zu immer neuen Steuerforderungen der Askanier, die auf den Widerstand der Städte und der Ritterschaft stießen. Die Finanzkalamität nötigte den Landesherrn, feudales Grundeigentum, landesherrliche Einkünfte und Hoheitsrechte zu verkaufen, als Lehen auszugeben oder zu verpfänden. Berlin und Cölln erwarben bis 1298 den landesherrlichen Grundstücks-, Hufen- und Marktzins. Damit wurde das feudale Grundeigentum beseitigt und städtebürgerliches Privateigentum am städtischen Grund und Boden hergestellt. 

Die Abgaben zog künftig der Rat ein. Sie stellten von da an eine städtische Grund- und Marktsteuer dar. Eine Bestätigung der Rechte und Freiheiten Berlins von 1317 zeigt, daß die Doppelstadt bis dahin die Befreiung vom Vogteigericht erlangt hatte. Das Stadtgericht wurde für alle Streit- und Straffälle zuständig und zum alleinigen Gerichtsstand der Berliner Bürger erhoben. Bereits vor 1251 hatte Berlin für seine Bürger die gleiche Zollfreiheit innerhalb der Mark erworben, wie sie die Bürger der Stadt Brandenburg besaßen. Die Stadt löste den vom Landesherrn zu Berlin geforderten Zoll, den Herrenzoll, durch eine Jahresabgabe ab. 1298 kaufte Berlin den landesherrlichen Zoll, der in Köpenick von allen Holzflößen und Schiffen, die zwischen Berlin und Fürstenwalde verkehrten, zu zahlen war. 


     neuer Markt            

1317 erwirkte es die Befreiung von der Niederlage in Oderberg. Der Zeitpunkt ist ungewiß, wann Berlin selbst das Recht erwarb, in der eigenen Stadt die Niederlage aller durchgehenden Waren zu fordern.

1307 vereinigten sich Berlin und Cölln in Hinsicht auf die übergreifenden politischen und militärischen Fragen zu einer Bundesstadt. Ein aus den Räten beider Städte gebildeter Gesamtrat wurde zuständig für die Beziehungen zum Landesherrn, zu den anderen Städten und Ständen, für den Erwerb und die Verteidigung der städtischen Rechte und Freiheiten, für Bündnisse und die Kriegführung. In den inneren Angelegenheiten blieben die volle Selbständigkeit beider Stadtgemeinden und jeweilige Zuständigkeit des Rates von Berlin beziehungsweise von Cölln bestehen. Für die Rats- und Schöffenwahlen waren damals ausschließlich die Ratsherren von Berlin und Cölln zuständig. Von einer Bestätigung durch den Schulzen verlautete nichts mehr. Das Schulzenamt war nunmehr voll in die städtebürgerliche Selbstverwaltung integriert. Zum Ausdruck der Vereinigung von 1307 wurde auf oder an der Langen Brücke, der heutigen Rathausbrücke, die Berlin und Cölln verband, ein gemeinsames Rathaus errichtet. Im Verhältnis der beiden Städte entsprechend ihrer Größe entfielen auf Berlin 2/3 und auf Cölln 1/3 der Ratsmitglieder. 

In der Abwehr der ständigen Steuerforderungen der Markgrafen formierten sich die Städte, der Adel und die Ritterschaft der einzelnen Landesteile als politische Stände. Sie erzwangen 1280—1282 Verträge über die Zahlung einer ordentlichen Jahressteuer, die Bedeverträge, die ein Steuerbewilligungs- und Widerstandsrecht der Stände einschlossen. Berlin nahm an dieser Bewegung nicht nur teil, sondern war, als auf Grund der Steuerfrage 1280 erstmals ein märkischer Landtag zusammentrat, Versammlungsort. In Berlin wurde auch der erste märkische Städtebund von 1308/1309 geschlossen. Markgraf Waldemar bekräftigte nicht nur die Rechte und Freiheiten der verbündeten Städte. 


 Hochgericht Berlin

Er ordnete die Auslieferung gefangener Verbrecher an und verlieh Berlin-Cölln 1317 das Recht, straffällige markgräfliche Vasallen, die auf frischer Tat innerhalb des Stadtgebiets ergriffen wurden, vor das Stadtgericht zu stellen, das heißt selbst zu richten. Das Erfordernis, sich gegen fürstliche Übergriffe zu verteidigen, stellte sich erneut und verschärft, als nach dem Tode Markgraf Waldemars und dem Aussterben der brandenburgischen Askanier 1319—1324 Erbfolgekriege die Mark zerrissen. An ihnen waren die Nachbarfürsten sowie die Wittelsbacher beteiligt, nachdem König Ludwig der Bayer 1323 seinen Sohn Ludwig den Älteren mit Brandenburg belehnt hatte. Berlin ergriff nachdrücklich für den vom König eingesetzten neuen Landesherrn Partei, da das »bessere Recht«, das Reichsrecht, auf seiner Seite stand. 

Als Propst Nikolaus von Bernau, Parteigänger des Papstes und Gegner der Wittelsbacher, 1324 in Berlin die päpstlichen Befehle gegen König Ludwig und die Bedrohung seiner Anhänger mit dem Kirchenbann verkündete, wurde er von den Berlinern erschlagen. Die Papstkirche antwortete mit dem Bann, der zwanzig Jahre über Berlin verhängt blieb. Zum Zeichen der Sühne wurde vor der Marienkirche ein Steinkreuz errichtet.

Die Bürgergemeinden zu Berlin und Cölln hatten bis 1317 in vollem Maße bürgerlich-städtische Autonomie im Territorialstaat erlangt. Zu einer Bundesstadt vereint und im Glanz der mittelalterlichen Städtefreiheit, begann sich Berlin-Cölln bereits in den ersten Jahrzehnten des 14.Jahrhunderts als ein politischer Mittelpunkt der Mark Brandenburg zu erheben.

Im Jahre 1346 erhoben sich in Berlin und in Cölln Zunfthandwerker und andere oppositionelle Kräfte gegen die patrizische Ratsherrschaft. Mit dem Berliner Aufstand sowie Zunfterhebungen in Stendal und Perleberg erreichten die innerstädtischen Auseinandersetzungen in der Mark Brandenburg in dieser Zeit einen Höhepunkt. Die Auseinandersetzungen zwischen den städtischen Mittelschichten, der bürgerlichen Opposition und dem herrschenden Patriziat betrafen auch in Berlin die Beteiligung der Handwerker am Stadtrat, die Mitbestimmung und Selbstverwaltung der Zünfte sowie die Finanz- und Steuerpolitik des Rates. Die Spannungen zwischen Patriziat und Zünften dürften sich in den vierziger Jahren des 14. Jahrhunderts besonders durch die Finanzgeschäfte Berliner Patrizier mit Markgraf Ludwig zugespitzt haben. 

Der Aufstand gab dem wittelsbachischen Markgrafen Ludwig Gelegenheit, Berlin als politischen Mittelpunkt der ständischen Bewegung in seine Abhängigkeit zu bringen. Er hatte 1345 in Berlin eine entschiedene Zurückweisung erfahren. Ein erster gesamtmärkischer Landtag hatte seine neue Steuerforderung abgelehnt, ein Bündnis und nötigenfalls bewaffneten Widerstand gegen diese beschlossen. Der Wittelsbacher stellte sich auf die Seite der Berliner Handwerker und verhalf ihnen zu einer Beteiligung ihrer Zünfte am Rat. Die in dieser Situation maßgeblichen Kräfte Berlins willigten ihrerseits in eine Beschränkung der politischen Selbständigkeit Berlins ein. 


Sterngewölbe Franziskaner-Kloster        

Der Rat, die Gemeinde und die Gewerke verbrieften, daß von nun an für alle Zeit die Berliner Gewerke durch vier, die Cöllner durch zwei dem Markgrafen genehme Zunftmeister im Rat vertreten sein sollten. Sie mußten andererseits in den Bau einer Zwingburg einwilligen, auf das Bündnisrecht und die freie Ratswahl verzichten sowie die landesherrlichen Schulden erlassen. Der Bruch der Berliner Autonomie bestürzte und empörte die märkischen Städte. 

Kaiser Karl IV. benutzte den "Falschen Waldemar" um die Herrschaft der Wittelsbacher in der Mark zu brechen. Berlin blieb jedoch bei den Wittelsbachern. Ein vereintes Heer der Nachbarfürsten zog mit dem falschen Waldemar alsbald gegen die Spreestädte. Die Waffenhilfe Markgraf Ludwigs kam zu spät. In Berlin brachen Kämpfe aus, die Stadt fiel, das Patriziat stellte seine Alleinherrschaft wieder her und huldigte dem falschen Waldemar. Die Anhänger Markgraf Ludwigs wurden verfolgt und gerichtet. Doch mußte Berlin politisch zurücktreten. Nicht hier, sondern im benachbarten Spandau versammelten sich 1349 35 märkische Städte, die Treue zum falschen Waldemar zu bekräftigen und die Erbfolge der askanischen Anhaltiner anzuerkennen.

 In die Entscheidungen der regierenden Räte für die Askanier oder Wittelsbacher haben die Gegensätze zwischen Patriziat und Zünften wahrscheinlich wesentlich hineingewirkt. Karl IV. selbst hat sich wiederholt direkt an die Zunftmeister und gemeinen Bürger gewandt, womit die Gewerke und die Gemeinde als politische Kräfte ausgewiesen wurden. In Berlin war die Lage unsicher geblieben. Offenbar ging der Rat 1349 auf einen Vergleich mit den Wittelsbachern ein. Er versprach, ihnen gehorsam zu sein, falls der König für sie entschiede. Doch hielt sich der Rat tatsächlich an die Askanier. Mit schweren Vorwürfen gegen den Rat von Berlin-Cölln wendeten sich die Wittelsbacher darauf an die Bürgerschaft, was jedoch nichts ausrichtete. Im Sommer 1351 erzwang Ludwig der Ältere durch eine Belagerung Berlins neue Verhandlungen. Der Markgraf bekannte sich schuldig an dem Zerwürfnis, stellte die Bundesstadt in allen Rechten und Freiheiten wieder her und bekräftigte diese.


 ewiger Pfennig

Zusammen mit anderen Städten erwarb die Bundesstadt die Münze des Berliner Münzbezirks. Berlin spielte auch eine führende Rolle, als die Stände 1368 die Entfernung landfremder Statthalter und Räte und die Teilnahme märkischer Herren und Städte an der Landesregierung erzwangen. Ebenso trat es führend bei der Abwehr der Eingriffe Karls IV. hervor, der 1371—1373 sogar Krieg gegen die Mark führte. 


Berlin 1369       

Ein Berliner Truppenkontingent kämpfte verlustreich gegen den mit dem Kaiser verbündeten Erzbischof von Magdeburg. Diese Politik wurde von den Bürgermeistern Tile Wardenberg und Albert Rathenow durchgesetzt, wobei es über die Haltung gegenüber Karl IV. zum Streit im Berliner Rat kam. Nachdem Karl 1373 die Mark schließlich durch Kauf für das Haus Luxemburg erworben hatte, ließ er seine Gegner aus dem Berliner Rat entfernen.

Bereits am Ende des 13. Jahrhunderts hatten Berliner Bürger Grundrenten, Liegenschaften und Gerichtseinkünfte auf dem Lande erworben, meist in Form von Lehen. Im Verlauf des 14. Jahrhunderts erfolgte eine mehrfache Vermehrung. Doch läßt erst das Landbuch Karl IV. erkennen, in welchem Umfang Berliner Bürger tatsächlich Feudalgut besessen haben. 1375 hatten 41 Berliner Bürgerfamilien in 94 Dörfern des Berliner Raumes und der weiteren Umgebung Lehns- oder Eigenbesitz an Bauernwirtschaften und Kossätenstellen. Sie bezogen von den betreffenden Bauern und Kossäten Abgaben in Getreide, anderen Agrarprodukten und Geld, die einen Wert von jährlich mehr als 600 Mark Silber darstellten.

1376 wütete eine Feuersbrunst in Cölln und dem älteren Teil von Berlin. 1380 wurde Berlin in voller Ausdehnung von einer neuen Brandkatastrophe betroffen. Die Stadtbrände schufen eine Notlage und belasteten die Gemeinden und die einzelnen Einwohner mit hohen, schwer zu erbringenden Kosten für den Wiederaufbau. Unter diesem Druck kam es zum offenen sozialen Konflikt zwischen dem patrizischen Rat und den gemeinen Bürgern mit geringem Einkommen und Vermögen beziehungsweise ohne jedes Vermögen. Wegen der Verteilung der Lasten erhob sich außerdem Streit zwischen beiden Stadtgemeinden. Da die Cöllner sich einer Beteiligung am Aufbau der niedergebrannten öffentlichen Gebäude Berlins in geforderter Höhe versagten, betrieb der Berliner Rat die Auflösung der Vereinigung von 1307.

In den Notsituationen nach den Stadtbränden von 1376 und 1380 spielte Tile Wardenberg erneut eine wichtige politische Rolle. Er war Bürgermeister von Cölln gewesen und hatte bis zu seinem Sturz durch Karl IV. zusammen mit seinem Berliner Amtskollegen Albert Rathenow die Doppelstadt Berlin-Cölln geführt. Gegenüber der ihm verfeindeten Berliner Ratsmehrheit griff er die Sache der gemeinen Bürger, denen er Steuerfreiheit versprach, und der wirtschaftlich schwächeren Stadt Cölln auf.


Konrad v. Belitz 

Die Vorgänge um Wardenberg lassen erkennen, daß sich die bürgerliche Opposition in Berlin damals differenzierte. Die Zünfte insgesamt oder doch die führenden Gewerke der Bäcker, Fleischer, Schuhmacher und Tuchmacher verharrten auf der Seite des Rates. Auf Grund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung grenzten sich die letzteren seit dem Ende des 14. Jahrhunderts von den übrigen Zünften ab. Sie verbanden sich als Viergewerke und setzten als solche den anderen gegenüber eine politische Vorrangstellung durch. In der Krise von 1380 räumte der Rat den Viergewerken oder den Zünften insgesamt vorübergehend ein Mitsprache- und Zustimmungsrecht ein. Die gemeinen Bürger, vermutlich unter Einschluß der minderen Gewerke, also die ärmeren Bevölkerungsschichten folgten Wardenberg. Sie bezogen in dieser Verbindung erstmals eigenständige Positionen. 

Durch Vermittlung des neuen Markgrafen Sigismund und unter dem Eindruck der Volksbewegung verständigten sich im Herbst 1382 die patrizischen Räte von Berlin und Cölln, die Berliner Ratsherren mit Wardenberg. Doch blieben starke Unstimmigkeiten bestehen.

Zur Konsolidierung der innerstädtischen Verhältnisse ließ der Berliner Rat die städtischen Finanz- und Rechtsverhältnisse in einem Stadtbuch festschreiben. Dieses wurde 1391-1398 in niederdeutscher Sprache in Buchschrift auf Pergament geschrieben und durch Buchmalerei künstlerisch ausgestaltet. Das Berliner Stadtbuch verzeichnete in der Hauptsache die Einkünfte Berlins, die Privilegien der Markgrafen für die Stadt sowie des Rates für die Zünfte, das geltende, dem Sachsenspiegel entsprechende Berliner Zivil- und Strafrecht sowie die Anklagen des damaligen Rates gegen die früheren Bürgermeister Rathenow und Wardenberg. Die Zünfte ließen ihre Privilegien in das Stadtbuch eintragen. Es erschienen Fleischer, Schuhmacher, Tuchmacher, Bäcker, Kürschner, Schneider und Schuhflicker. Danach waren im 14.Jahrhundert in Berlin keine neuen Zünfte gebildet oder zugelassen worden.

Um die Ratsherrschaft zu festigen, aber auch seine Position gegenüber dem Cöllner Rat und im Umland zu stärken, unternahm der Berliner Rat in diesen Jahren weitere Schritte. 1391 kaufte er das Berlin-Cöllner Schulzenamt von der Berliner Bürgerfamilie Brugge, welche dieses einschließlich des landesherrlichen Anteils an den Gerichtsgefällen seit 1345 zu Lehen besessen hatte. Der Berliner Rat zog damit unter Ausschluß des Rates von Cölln das längst in patrizischen Händen befindliche Amt des Stadtrichters von Berlin und Cölln, sämtliche Gerichtsgefälle und andere Zins- und Renteneinkünfte des Schulzen in beiden Städten an sich. Dazu kamen der Erwerb der Pfandherrschaft über die Burg und Stadt Köpenick 1387 und der Kauf des Dorfes Lichtenberg 1391. Nach dem Brand war Berlin für fünf Jahre vom Landesbede befreit.

Um die Mitte des 14.  Jahrhunderts wurden Berlin und Cölln auch Mitglieder der Hanse, entwickelten jedoch in der Folgezeit ebenso wie Brandenburg und Frankfurt/Oder kaum hansische Aktivitäten. Im Kampf gegen das Raubritterunwesen am Ende des 14. Jhds. nahm Berlin im märkischen Städtebunde eine führende Rolle ein. 

Berlin/Cölln unter der Hohenzollernherrschaft

Als König Sigismund am 8. Juli 1411 den Burggrafen Friedrich von Hohenzollern zunächst zum »rechten obersten und gemeinen Verweser und Hauptmann» der Mark Brandenburg ernannte und ihm am 17. April 1417 dann in aller Form den Titel eines Markgrafen und Kurfürsten verlieh, war damit wieder eine starke Landesherrschaft errichtet, die nun auf Dauer in den Händen der Hohenzollern bleiben sollte. Die Quitzows sowie andere Herren und Ritter wiesen ihn ab, während Berlin-Cölln als erste Stadt huldigte, die mittelmärkischen Städte folgten. 

Ein Berliner Aufgebot half dem ersten Hohenzollern in der Mark, die einfallenden Pommernherzöge in der Schlacht am Kremmer Damm 1412 zurückzuschlagen. Berlin und andere märkische Städte stellten ihre Kirchenglocken zur Verfügung, die Geschütze zu gießen, mit denen der neue Vertreter der landesherrlichen Gewalt 1414 die Burgen der Quitzows brach. Einen ersten Konflikt mit märkischen Städten beschwor der Statthalter Kurfürst Friedrichs I., Markgraf Johann Alchemist, herauf, der eine Kraftprobe mit Frankfurt (Oder) 1428/1429 indes nicht bestand. Auf den landesherrlichen Angriff antworteten die großen mittelmärkischen Städte Brandenburg, Berlin-Cölln und Frankfurt (Oder) 1430 mit dem Anschluß an das Kampfbündnis der Hansestädte gegen die Fürstengewalt. 


Unterwerfungsurkunde 1442    

Mit der Spitze gegen den Landesherrn verbanden sie sich ihrerseits 1431 noch gesondert. Die patrizischen Räte von Berlin und Cölln stellten ihre alltäglichen Streitereien zurück und vollzogen 1432 die völlige politische Vereinigung der Doppelstadt. Ausgenommen blieben die Zünfte, die getrennt weiterbestehen sollten.

In Berlin brachen 1441 schwere Kämpfe aus. Die streitenden Parteien - die Viergewerke und die »ganze Gemeine« einerseits, der patrizische Rat andererseits - riefen den Kurfürsten als Schiedsrichter an. Jetzt sollten sich die Ereignisse von 1346 gewissermaßen wiederholen. Wie Ludwig der Ältere nutzte Friedrich II. Eisenzahn die Zunftkämpfe, sich Berlins als politischen Mittelpunkts der Mark und Versammlungsorts der Landstände zu bemächtigen. Er stellte sich ebenfalls auf die Seite der bürgerlichen Opposition und ging gegen das ihm unbotmäßig erscheinende Patriziat vor. Der Sturz der patrizischen Stadtherrschaft wurde im Februar 1442 besiegelt. Der Kurfürst entschied für die Beteiligung der Viergewerke und gemeinen Bürger an den Räten von Berlin und Cölln, löste die patrizische Union der Doppelstadt von 1432 sowie alle ihre Bündnisse auf. Die neuen Räte gelobten zusammen mit den Viergewerken und der gemeinen Bürgerschaft, keine neuen Bündnisse einzugehen. Sie anerkannten das Recht des Kurfürsten, die Ratswahl zu bestätigen, und schworen, ihm die Stadtschlüssel auf Verlangen jederzeit auszuliefern. Über die Frage des freien Zutritts und Aufenthalts des Kurfürsten und seiner Amtsleute in Berlin kam es bereits im Sommer zum Führungswechsel in den Spreestädten und zur Empörung gegen Friedrich. Dieser antwortete zunächst mit der Beschlagnahme des größten städtischen Güterkomplexes, des Tempelhofes mit den Dörfern Tempelhof, Rixdorf, Mariendorf und Marienfelde vor den Toren Berlins, den die Doppelstadt 1435 vom Johanniterorden gekauft hatte. Nach entsprechenden Rüstungen zog der Kurfürst im August 1442 mit Heeresmacht gegen Berlin. Ein Berliner Chronist des 16.Jahrhunderts berichtet, ein Bürgermeister habe ihm die Hand gereicht, der »unbestendige pöbel« ihm die Tore geöffnet. Friedrich entzog Berlin jetzt das 1391 erworbene Gericht, das heißt das Amt des Stadtrichters und die Gerichtsgefälle, sowie das Recht der Niederlage. Der für die Zukunft entscheidende Akt aber war, daß Cölln einen Bauplatz an der nördlichen Stadtmauer und bei der Langen Brücke für ein kurfürstliches Schloß abtreten mußte. Die Stadtmauer wurde an dieser Stelle abgerissen und der Schloßbau 1443 begonnen.


        
            Grundrissfragment der 1. Burg
             mit grünem Hut (schraffiert)

Die Berliner Bevölkerung empörte sich über den Eingriff des Kurfürsten. Sie stellte die innerstädtischen Auseinandersetzungen zurück und erhob sich bewaffnet im Berliner Unwillen von 1447/1448. Der Schloßbau und die Tätigkeit der fürstlichen Beamten und Diener wurden unterbunden, das Hohe Haus mit der Kanzlei gestürmt, lästige Urkunden vernichtet, die Union von 1432 wiederhergestellt. Beide Seiten rüsteten zum Kampf und suchten Bundesgenossen. Weder der mittelmärkische Städtebund noch die Hanse waren 1442 mit ihrer Kriegsmacht gegen die Verletzung der Berliner Autonomie eingeschritten. 

Sie erhoben auch jetzt nicht ihre Waffen, dem Berliner Unwillen zum Erfolg zu verhelfen, was den Berlinern allein nicht gelingen konnte. Der Widerstand Berlins wie der potentielle Rückhalt bei märkischen Städten und in der Hanse waren jedoch so stark, daß der Kurfürst den Berliner Unwillen nicht militärisch niederschlagen konnte. Er mußte mit der Doppelstadt einen von den Ständen im Mai 1448 vermittelten Vergleich schließen, der den Zustand von vor dem Aufstand wieder herstellte. Der Kurfürst mußte davon absehen, Berlin und Kölln eine weitere Beschränkung der mittelalterlichen Städtefreiheit aufzuerlegen, während sich die beiden Stadtgemeinden endgültig in die Verbindung mit einem Schloß, die Bestätigung der Ratswahl und Bestellung des Stadtrichters durch den Landesherrn wie den Verlust der Gerichtsgefälle und Einnahmen aus der Niederlage fügen mußten. Die völlige Trennung Berlins und Cöllns setzte Friedrich nicht durch. Vielmehr blieb der 1307 hergestellte Status einer Bundesstadt von Berlin und Cölln behauptet. Angehörige des Patriziats und Lehnbürger hat der Kurfürst im Herbst 1448 jedoch als Einzelpersonen mit Geldstrafen und dem Entzug ihrer Lehen verfolgt. Die Alleinherrschaft des Patriziats blieb gebrochen. Friedrich fürchtete einen »befründeten rat«, das heißt ein durch Verwandtschaft und gleiche soziale Stellung verbundenes, in sich geschlossenes städtisches Führungsgremium. So erschienen in der zweiten Hälfte des 15.Jahrhunderts ständig auch Handwerker als Ratsherren und Bürgermeister an der Spitze Berlins.

Berlin mußte sich mit nunmehr eingeschränkter Autonomie in den territorialen Fürstenstaat einordnen. Dieser Vorgang war schmerzlich und demütigend für die selbstherrliche Bürgerkommune in ihren Auseinandersetzungen mit den Feudalgewalten. Andererseits blieb Berlin Mitglied der Hanse und hielten die Berliner Kaufleute die Rolle Berlins als führende Handelsstadt der Mittelmark aufrecht. 

Von den Ergebnissen des Berliner Unwillens maßgeblich für die Entwicklung Berlins war nicht die Einschränkung der Autonomie. Die Unterordnung unter die Fürstengewalt erfuhren die märkischen Städte in der zweiten Hälfte des 15.Jahrhunderts allgemein. Entscheidend für Berlin war die Erhebung zur Residenzstadt. Mit ihr schlossen die Hohenzollern an die Mittelpunktrolle an, die Berlin als Versammlungsort der märkischen Stände, als Haupt des mittelmärkischen Städtebundes und als mächtige Handels- und Hansestadt seit dem Ende des 13. Jahrhunderts sukzessive gewonnen hatte.

Das Schloß wurde 1451 fertig. Der langgestreckte Bau links der Spree ruhte auf einem Feldsteinfundament, hatte drei Geschosse aus roten Backsteinen und bezog den Eckturm der Köllner Stadtmauer, den »Grünen Hut«, mit ein. Friedrich II. hat wiederholt in ihm Hof gehalten. Ein Hofgericht wurde eingerichtet, die Schloßkapelle zum Domstift erhoben. Das Hohe Haus, benachbarte und andere Grundstücke wurden als Burglehen und Freihäuser an Räte und Amtleute vergeben. Doch stellte Berlin darum noch keine feste Residenz dar. Eine ständige Hofhaltung im Köllner Schloß erfolgte erst seit 1470 unter dem Statthalter des meist abwesenden Kurfürsten, dem Markgrafen Johann Cicero. Dessen Hofhaltung war nicht großartig, eher kümmerlich. So war der Hof als Verbraucher für das Berliner Wirtschaftsleben weiterhin wenig interessant. 


erster Dom      

Auch gab es für Berliner Bürger keine Hof- und Kanzleistellen. Die Hohenzollern waren ihrer fränkischen Burggrafschaft Nürnberg und der Reichspolitik stärker verbunden als der Mark Brandenburg; fränkische Räte, Kanzleibeamte und Ritter bildeten den Hof und das Gefolge. Allerdings gewann Berlin durch die Verbindung mit der Cöllner Hofhaltung eine außerordentliche Bedeutung als Hauptversammlungsort der allgemeinen märkischen Landtage, die in dieser Zeit häufig, manchmal mehrmals im Jahr in Berlin zusammentraten.

Berlin erlebte im 15. Jahrhundert eine rege Bautätigkeit, wofür der umfangreiche Produktionsausstoß der stadteigenen Ziegeleien und Kalkbrennereien zeugt, die vom Rat mittels Lohnarbeit betrieben wurden. Auch viele Handwerker waren wohlhabend genug, sich Steinhäuser mit Ziegeldächern bauen zu lassen. Die Lehmfachwerkhäuser begannen zurückzutreten. Seitens der Städte wurden die drei Pfarrkirchen nach 1380 unter Einbeziehung früherer Teile erneuert oder zu Ende gebaut und als spät-gotische Hallenkirchen vollendet. Das Franziskanerkloster erhielt einen Kapitelsaal. Die Pfarrkirchen wie die Rathäuser und Torbauten wiesen indes keine herausragende künstlerische Ausgestaltung auf.

Die Stadtschreiber fertigten die städtischen Urkunden aus und schrieben das Berliner wie das Cöllner Stadtbuch nieder. Eine bestimmte Schriftlichkeit in der Verwaltung bezeugen die laufenden Eintragungen im Berliner Stadtbuch, sodann seit der Jahrhundertmitte das erste Berliner Bürgerbuch und die Kämmereirechnungen. Schulen bestanden an den Pfarrkirchen. Der Rat führte die Aufsicht über die Schulordnung. Die Schulmeister, jedenfalls in Cölln, standen in Lohn und Dienst der Stadt. Höhere Bildung mußten Berliner außerhalb der Mark erwerben. Die erste Hochschule in Berlin richtete der Dominikanerorden ein, indem er das Generalstudium der sächsischen Dominikanerprovinz, die von Holland bis Böhmen reichte, 1477 von Erfurt und Magdeburg an die Spree verlegte.


    Stadtbuch Berlin

1486 wurde die Mark Brandenburg von den fränkischen Fürstentümern geschieden. Die Kurfürsten konzentrierten sich von nun an auf die Herausbildung ihrer Landeshoheit in der Mark. Jetzt, am Ende des 15. Jahrhunderts, setzte die grundsätzliche Umgestaltung Berlins zur Fürstenresidenz und zum Verwaltungszentrum des brandenburgischen Territorialstaates ein. Das neue Verhältnis von Bürgerschaft und Hof, Fürsten und Stadt repräsentierten noch vor 1500 neben unbekannteren Berlinern Thomas Blankenfelde, Kaufmann großen Stils und Hoflieferant, Hans Schulte, ebenfalls Hoflieferant, Valentin Wins, Patriziersohn, kurfürstlicher Ratsschreiber und Rentmeister.

Berlin als Residenzstadt

Das Stadtbild wurde nun zunehmend durch die Bautätigkeit der Kurfürsten geprägt. Der ursprüngliche Schlossbau wurde im 16. Jahrhundert durch An- und Umbauten verändert und durch einen Lustgarten, ein Ballhaus und andere Bauwerke ergänzt. Die Residenzstadt zog eine große Zahl von Zuwanderern an: Zu den Franken, die den neuen Landesherren aus ihrem Herkunftsgebiet gefolgt waren und zunächst am Hof die Regierungs- und Verwaltungsämter besetzten, gesellten sich bald Architekten, Musiker und Juristen, Humanisten, Astrologen und Alchimisten, Finanziers und Spekulanten, Unternehmer und Kaufleute. Auch auf das kulturelle Leben - 1541 fand in Berlin die erste Aufführung eines Theaterstücks statt, 1571 wurde eine Druckerei gegründet -‚ auf Kleidungsgewohnheiten, Festkultur sowie auf die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt konnte die Anwesenheit des Hofes und die Anziehungskraft, die von ihm ausging, nicht ohne Auswirkungen bleiben.

Die Berliner, die um die Mitte des 15. Jahrhunderts noch um ihre Autonomie gekämpft hatten, fanden sich recht bald mit der neuen Situation ab. Eine Tradition bürgerlicher Freiheit und Selbstverwaltung konnte hier nicht entstehen. Die Angehörigen des städtischen Patriziats fanden jedoch schnell ein neues Betätigungsfeld, indem sie Amtsfunktionen am Hof und für die kurfürstliche Landesherrschaft übernahmen. Auf diese Weise trugen sie dazu bei, Berlin zu dem zu machen, was es für die folgenden Jahrhunderte bleiben sollte: eine Hauptstadt.

Als Zuwanderer erscheinen im späten Mittelalter auch die Juden (1317ff., Jüdenhof, Jüdenstraße), die trotz einzelner Verfolgungen (1348/49, 1446) ansässig blieben, bis sie 1510 in der Folge des brutalen Berliner Hostienschändungsprozesses (Verbrennung von 88 märk. Juden vor der Stadt) aus Berlin und der Mark vertrieben wurden. Eine weitere Vertreibung fand 1511-43 nach dem Tode Kf. Joachims II. statt.

Die Einführung der Reformation, durch Kf. Joachim I. verzögert, wurde 1539 in Berlin und Spandau begonnen. In die Zeit Joachims II. fallen der Bau des aufwendigen Renaissance-Stadtschlosses, des Jagdschlosses Grunewald, der ersten Schleuse im cöllnischen Stadtgraben (um 1550) und der Festung Spandau. Die hohe Verschuldung des Landesherrn bei dessen Tode (1571) führte zu einer Finanzkatastrophe, die die Berliner Handelshäuser stark in Mitleidenschaft zog und die durch die anschließende europäische Wirtschaftskrise noch verschärft wurde. Auch die Pest traf die Doppelstadt, deren Einwohnerzahl kaum 8.000 überstiegen haben dürfte, wiederholt (1576: 4.000, 1598: 8.000 Tote). 


Renaissancebau             

Gleichwohl gab es weiterhin Zuzug von Kaufleuten und Handwerkern aus Sachsen und vom Niederrhein; die Goldschmiedeinnung umfaßte allein an die 80 Meister (1600) bei rd. 50 Gewerbezweigen zu A. 17. Jh. Der Leibarzt, Alchimist, Goldschmied, Drucker und Verleger, der Schweizer Leonhard Thurneißer beschäftigte in seinen Berliner Werkstätten (1571—84) fast 200 Leute. Aufruhr und Widerstand der lutherisch gesinnten Bürgerschaft ergab sich, als Kf. Johann Sigismund Ende 1613 mit Räten und Dienern im cöllnischen Dom das reformierte Bekenntnis annahm und damit der Hauptstadt den unbehinderten Zugang zu den modernen geistigen Strömungen Westeuropas, zumal der Niederlande eröffnete.

Der Dreißigjährige Krieg hat Berlin nicht so verheerend wie Brandenburg oder Magdeburg getroffen. Wallenstein (1628/30) und Kg. Gustav Adolf (1681) mußten eingelassen werden, Pest (1630/81: rd. 8.000 Tote) und die Notjahre 1638—41 mit der Abbrennung der Vorstädte drückten die Einwohnerzahl zeitweise auf die Hälfte herab; um 1648 hat die Residenz jedoch wieder rd. 6.000 Bewohner gehabt. 

 

 
 
Ausbau und Erweiterung der Residenzstadt

Der in Berlin geborene Kf. Friedrich Wilhelm (1640—1688), seit Fehrbellin der Große Kurfürst genannt, hat Berlin aus der landesstaatlichen Abgeschiedenheit gerissen und die Voraussetzungen für die mit dem Glanz des Königtums verbundene Barockresidenz der folgenden Jahrhunderte geschaffen. 

Berlin war am Ende des großen Krieges noch nicht der Mittelpunkt eines zentralisierten Staatswesens. Kurfürst Friedrich Wilhelm ging daran, die voneinander isolierten rheinischen, brandenburgischen und preußischen Landesteile zu zentralisieren und dabei die politische Macht der Stände zu brechen, um nach westeuropäischem Muster einen absolutistischen Staat mit starker monarchischer Spitze zu schaffen.

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    Memhardt-Plan

Berlin, das mit dem Aufbau des Absolutismus von der bloßen Residenz recht eigentlich zur Hauptstadt wurde, profitierte indessen von der Stärkung und Zentralisation des Staates. Die neuen Einrichtungen hatten jedoch auch hier widersprüchliche Wirkungen. Früher als in den anderen Städten führte der Kurfürst in Berlin die Akzise ein, die neue Verbrauchssteuer, die ihn von der Steuerbewilligung der Stände befreite. 

Der Rat selbst bat erstmals 1643 und dann 1658 sowie 1662 den Kurfürsten um die Genehmigung dieser indirekten Besteuerung, da er anders die Kontributionen, die der Landesherr trotz Kriegs- und Notzeiten forderte, von der erschöpften Bürgerschaft nicht mehr eintreiben konnte. Unruhen unter den Handwerkern und Tagelöhnern erzwangen jedoch dreimal die Einstellung der Akzise. Der Massenkonsum und die Gewerbe waren unverhältnismäßig hoch besteuert worden. Schließlich erreichten die Proteste eine Befreiung der Gesellen von der Nahrungssteuer und die Heranziehung der Hof- und Staatsbediensteten. Ab 1667 wurde die Akzise in Berlin ständig erhoben, in den anderen brandenburgischen Städten war ihre Einführung erst 1683 abgeschlossen.

Das Steueraufkommen Berlins steigerte sich mit der Akzise beträchtlich. Wie ist es zu erklären, daß diese Einrichtung dennoch von Bürgermeister und Rat und von den Kaufleuten geradezu als segensreich gepriesen wurde? Der Bürgermeister Zerlang steckte 1671 in den Turmknauf der renovierten Marienkirche einen Zettel, der die Akzise als Grund für die Wiederbebauung der wüsten Hausstellen hervorhob. Und die Berliner Groß-, Wein- und Wollhändler verwiesen 1677 zufrieden auf den wieder florierenden Handel, der sogar Kaufleute aus der Lausitz, aus Sachsen und Böhmen anziehe. Dies lag an der starken Bevorzugung des Handels bei der neuen Steuererhebung. Als kombinierte Konsumtions- und Nahrungssteuer lag das Schwergewicht auf dem Lebensmittelverbrauch und auf Handwerks- und Tagelohnarbeit. Der durchgehende Handel wurde gar nicht und der Großhandel gering belastet.

Die zweite neue und für den absolutistischen Staat grundlegende Einrichtung war die Errichtung des stehenden Heeres. Damit verbunden war die Umwandlung Berlins in eine Garnisonstadt. Der Übergang vom Söldnerheer zum stehenden Heer erfolgte im Ergebnis der Teilnahme Brandenburg-Preußens am Schwedisch-Polnischen Krieg (1655—1660) und am Französisch-Niederländischen Krieg (1672—1678), in deren Verlauf der Kurfürst mehrfach die Seiten wechselte, von seinen weitgesteckten außenpolitischen Zielen aber nur eines erreichte: die Abschüttelung der polnischen Lehnshoheit über Preußen. Der innenpolitische Effekt war bedeutender. Nach dem Westfälischen Frieden blieb in der Residenz nur die kurfürstliche Trabanten-Leibgarde stationiert, die 1653 360 Mann stark war. Die Berliner Bürgerbücher dieser Jahre bezeugen die Rückkehr vieler Soldaten und Offiziere aus brandenburgischem und fremdem Sold ins zivile Leben. Nach Berlin legte er nun rund 1.500 Offiziere und Gemeine des Leibregiments zu Fuß und der berittenen Trabanten. In Berlin war eine Garnison von etwa 2.000 Mann stationiert. Befehlshaber der Garnison war der Gouverneur, dem der Kurfürst zur Sicherung von Einquartierung und Versorgung der Truppe städtische Polizeibefugnisse übertrug und so den Kompetenzbereich des Rates einschränkte. Die Soldaten und Offiziere waren großenteils verheiratet und lagen mit Weib und Kind in Bürgerquartieren. Hof- und Staatsbedienstete waren auch von dieser Last befreit. 

Handwerkern, Gastwirten und Kleinhändlern brachte zwar die Garnison manche Belebung ihres Absatzes, sie hatten jedoch auch vielfältige Mißhelligkeiten zu erdulden. Durchschnittlich hatte jedes Bürgerhaus ein bis zwei Soldaten Unterkunft zu geben, da aber die Vermögenderen die Pflicht in Geld ablösten, hat der Handwerker oder Ackerbürger sicher in der Regel zwei bis vier Soldaten beherbergt. 

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Festungsplan          

Die Quartierwirte mußten Lagerstatt, Feuer und Licht und das »Sauer und Süß« (Salz, Pfeffer, Essig) liefern. Blieb die Löhnung aus, was in Kriegszeiten nicht selten war, mußte der Soldat auch noch mit Essen versorgt werden.

Gleichzeitig mit der Umwandlung in eine Garnisonstadt wurde Berlin zur Festung ausgebaut. 1658 hatten die Bauten auf der Berliner Seite unter der Leitung des Schweizers Johann Gregor Memhardt begonnen, der in den Niederlanden die Festungsbaukunst gelernt hatte. Bis 1683 war auch die Cöllner Seite, wo der morastige Boden die Arbeiten erschwerte, von Mauerwerk umgeben.

Beim Festungsbau kam es zu Unruhen, wie der Geschichtsschreiber Adolf Streckfuß berichtet. Die Bürger waren über die entschädigungslose Enteignung von Gärten und Grundstücken vor den Toren ebenso empört wie über die Schanzarbeiten, die sie neben den Soldaten und den Bauern der umliegenden Ämter leisten mußten.

Mit der Straffung des Staates hielt eine erste Zentralbehörde im Berliner Schloß Einzug: das Generalkriegskommissariat, das die Verwaltung der Kontribution und der Akziseeinnahmen übernahm, die Versorgung der Armee überwachte und damit immer größere Teile des Wirtschaftslebens unter seine Regie bekam. Die Zahl der Beamten und Hofbediensteten wuchs, und das halbverfallene, im Dreißigjährigen Krieg oft unbewohnte Schloß wurde deshalb einer umfassenden Rekonstruktion unter Memhardts Leitung unterzogen. Holländische Bauleute und Künstler waren dabei in großer Zahl tätig. Ein Lustgarten nach holländischem Geschmack entstand. Die ganze Lebensweise des Hofes war bis hin zu den Möbeln und der Trinkschokolade von holländischem Einfluß geprägt.

Der Wiederaufbau der Stadt und die Erholung der Einwohnerschaft gingen langsam voran und waren von Rückschlägen begleitet. In den Nachkriegsjahren bis 1655 waren allein in Berlin 35 Neubürger jährlich aufgenommen worden, die Zahl der Eheschließungen und Geburten erreichte einen Höhepunkt. Während des anschließenden Schwedisch-Polnischen Krieges und noch sichtbarer während des Französisch-Niederländischen Krieges sanken die Bürgeraufnahmen ebenso wie die Heiraten auf ein Minimum und die Sterblichkeit erreichte mit mehr als 60 Prozent die katastrophale Höhe schlimmer Jahre des Dreißigjährigen Krieges.


                 Stadtansicht 1652 (Merian)

Und doch wuchs in diesen Jahrzehnten die Einwohnerzahl von Berlin und Cölln auf rund 16.500 Einwohner und übertraf damit den Vorkriegsstand beträchtlich. Dies war vor allem durch die Ansiedlung von Hofhandwerkern, Beamten und Bediensteten in der Umgebung des Schlosses möglich. Außerhalb des städtischen Rechtsbereiches entstanden regelrechte Neustädte.

Auf dem nun Friedrichswerder genannten Bezirk vergab der Kurfürst Grundstücke gegen Erbzins zu bedeutenden Vergünstigungen: Die Bewohner waren von Kontribution und Einquartierung befreit und erhielten zugleich alle bürgerlichen Rechte. 1662 erhielt der Friedrichswerder ein eigenes Stadtprivileg. Erster Bürgermeister war der Hofbaumeister Johann Gregor Memhardt. Seit 1673 entstand ebenfalls auf kurfürstlichem Grund und Boden nördlich der zum Tiergarten führenden Lindenallee die Dorotheenstadt, die 1674 Stadtrecht bekam. Beide Neustädte wurden in die Festungswerke einbezogen. Um 1680 zählten sie schon etwa 300 Häuser und rund ein Fünftel aller Einwohner der Residenz.

Diese ersten Berliner Manufakturen gediehen nicht in der traditionellen Berliner Gewerbelandschaft, die ganz von den Zünften geprägt wurde. Wenn das Gewerbe der Residenz in diesen Jahrzehnten sich eher mühselig fortschleppte, so lag das jedoch nicht vordergründig an der Zunftorganisation.  Das Berliner Handwerk fand nicht wie der Handel einen Ausgleich in Hoflieferungen, denn der Hof schätzte seine Erzeugnisse gering und bezog fast alle Gegenstände des täglichen Bedarfs aus Hamburg und Amsterdam. Das Gewerbe erholte sich auch deshalb langsamer und mühseliger als der Handel von den Kriegsfolgen, weil es der Akzise stärker unterworfen war. Ein deutliches Zeichen dieser Situation ist es, daß in den drei Jahrzehnten nach dem Dreißigjährigen Krieg keine einzige neue Zunft in Berlin und Cölln entstand. Die letzte Neugründung war mitten im großen Krieg erfolgt, als 1635 der Kurfürst die Seifensieder-Innung privilegierte.

Kultur und Wissenschaft entfalteten sich in der Beziehung zum Hof. Die bedeutenderen Persönlichkeiten dienten dem Kurfürsten als Hofprediger, Hofbibliothekar oder Hofmedikus. Sie waren in der Mehrzahl Zugereiste vom Niederrhein oder aus einem anderen kalvinistischen Territorium. Obwohl diese Gelehrten in der Regel Studienreisen nach den Niederlanden und nach England gemacht hatten und mit bürgerlichen Ideen und Einrichtungen wohl vertraut waren, stellten sie ihre Kenntnisse vorbehaltlos in den Dienst des brandenburgisch-preußischen Staates. Unter diesen Männern ragen nur einige heraus. 

Zu nennen ist Tiburtius Rango, der nach Studien in Holland über eine Greifswalder Professur nach Berlin kam und von 1663 bis 1668 Rektor am Grauen Kloster war. An Gelehrsamkeit stand ihm der reformierte Hofprediger Heinrich Schmettau kaum nach, der seine schlesische Heimat aus religiösen Gründen verlassen und in Frankfurt (Oder), Heidelberg, Basel und an holländischen Universitäten studiert hatte. Segensreich für die Berliner Bevölkerung war die Tätigkeit der Hofmedici Johann Sigismund Elsholtz und Christian Mentzel. Beide wirkten entscheidend an der Abfassung des Brandenburgischen Medizinaledikts von 1685 mit, das die Preise von Arzneien und Arztbesuchen regelte und die Tätigkeit der Medici und der Chirurgen gegen den weiten Wirkungskreis von Scharfrichtern, Schäfern und Schmieden, markt-fahrenden Bruch- und Steinschneidern, Starstechern und Zahnbrechern abgrenzte.


Schloß mit Stechbahn                   

Vorerst nur den privilegierten Beamten und Gelehrten in kurfürstlichen Diensten zugänglich war die 1661 gegründete Kurfürstliche Bibliothek, die Keimzelle der heutigen Staatsbibliothek. Sie war zu dieser Zeit wie alle kurfürstlichen Behörden und Einrichtungen im Schloß untergebracht. Das Amt des Hofbibliothekars war regelmäßig verbunden mit einer Lehrtätigkeit an einem der drei Gymnasien. Neben das Berlinische Gymnasium zum Grauen Kloster und das Köllnische Gymnasium trat als dritte höhere Bildungsstätte das während des Dreißigjährigen Krieges vor Schweden und Sachsen nach Berlin geflüchtete Joachimsthaler Gymnasium. Der Kurfürst vereinte es mit der reformierten Domschule und beließ es zur Ausbildung seines reformierten Beamtennachwuchses ständig in Berlin. Zugleich legte der Kurfürst den Söhnen des märkischen Adels und jenen Bürgerlichen, die eine Beamtenlaufbahn anstrebten, den Besuch der reformierten Landesuniversität Frankfurt (Oder) ans Herz. Hohe Staats- und Kirchenämter besetzte er vorzugsweise mit reformierten Fremden. Diese Fremdlinge haben er Religion des Hofes und der Beamten. Religiöse Verschiedenheiten bargen zugleich soziale Gegensätze. Der Kurfürst betrieb eine gewaltsame Angleichung zwischen Lutheranern und Reformierten, die insbesondere in Berlin in den sechziger Jahren des 17.Jahrhunderts zu offenen Konflikten führte. Mehrere Prediger Berliner Kirchen verweigerten dieser Kirchenpolitik den Gehorsam und wurden abgesetzt, unter ihnen der Prediger an der Nikolaikirche Paul Gerhardt. Hinter dem widerspenstigen Prediger sammelten sich sowohl die ständische Adelsopposition als auch die Berliner Zünfte, die mit der Steuer- und Kriegspolitik unzufrieden waren. Die Berliner ertrotzten 1666 die Wiedereinsetzung Paul Gerhardts, der aber letztendlich in das damals sächsische Lübben ging.