brandenburgisch - preußische
Armee

 

   
 

Das altpreußische Heer

Landsknechte und Söldner

Der 30jährige Krieg schreckte des »Reiches Streusandbüchse« in der Mitte Europas aus ihrem anspruchslosen Stilleben auf. Der armselige, schlecht regierte Hohenzollernstaat war eigentlich schon damals auf eine kraftvolle Machtentfaltung angewiesen; denn in der Reihenfolge der deutschen Fürstentümer umfaßte er das ausgedehnteste Territorium hinter dem Besitzstand des Hauses Habsburg. Er erstreckte sich als weit verstreutes Länderbündel vom Herzogtum Preußen im Osten bis hin zu den Gebieten von Kleve, Mark und Ravensberg im Westen. Während Brandenburg die meisten Heerführer im Dreißigjährigen Krieg wie Hans-Georg von Arnim, Bredow, Bülow,  Burgsdorff, Dohna, Ihlow und Sparr u.a. stellte, war es selbst nicht in der Lage, ein schlagkräftiges Heer aufzustellen.

Wie überall in vorabsolutistischer Zeit war auch unter der Regierung Georg Wilhelms (1619—1640) die staatliche Hoheit zwischen Landesherrn und Landständen geteilt, Finanz- und Verfassungsfrage bedingten einander, vom Steueraufkommen hing wiederum der kostspielige Truppenunterhalt ab und die hierzu erforderliche Verwaltung mußte erst noch etabliert werden. Als der Kriegsbrand nach Norddeutschland übergriff, begannen auch in Brandenburg die Söldnerwerbungen; doch bewilligten die Stände viel zu geringe Mittel. Wallensteins Regimenter durchzogen ungehindert das Land und schleppten das Hundertfache einer Summe mit fort, die zu eigener wirksamer Rüstung nötig gewesen wäre. Das war nur der Anfang einer Kette folgenschwerster Ereignisse: die viel zu zaghaft geschlossene Militär-Allianz mit dem Schwedenkönig Gustav-Adolf, nach dessen Tod der Frontwechsel auf die Seite des Kaisers und schließlich der kläglich gescheiterte Versuch, mit Hilfe von Subsidien eine alle Kräfte und Fähigkeiten übersteigende größere Armee zusammenzubringen. 


     Offizier

Die Schwäche des Kurfürsten, die Renitenz des Landadels, die Unordnung in den Finanzen, die Veruntreuung der Werbe- und Verpflegungsgelder durch Beamte und unredliche Offiziere; schließlich die Unmöglichkeit, massierte Truppen in schon seit Jahren verwüsteten, entvölkerten Gebieten zu ernähren, und die zuchtlosen Söldnerscharen selbst, von denen keiner mehr dem anderen etwas zum Stehlen übriglassen wollte, das alles hinterließ ein fürchterliches Chaos. Das gelang erst durch den Sieg im Kampf mit den Landständen um die dauernde Unterhaltung einer starken bewaffneten Macht.


Musketier      

Söldnerwerbung nur zu Defensivzwecken und erst bei dringendem Notstand war eine von vornherein zum Scheitern verurteilte Rüstungspolitik; das hatten die zurückliegenden Jahrzehnte bewiesen.

Die Anfänge des stehenden Heeres

In der Sitzung des Geheimen Rates von 5. Juni 1644 wurden die Grundlagen der brandenburgisch -preußischen Armee gelegt. Nunmehr setzte sich — trotz neuerlicher Truppenverminderung 1651 auf ca. 800 Mann — die Idee des »miles perpetuus, des Stehenden Heeres als eines unumgänglichen Machtinstruments durch und verschwand nicht mehr aus dem Denken der politischen Führer Brandenburgs. Das Wichtigste fehlte aber 1644: Geld und nochmals Geld. Burgsdorff führte in der Sitzung aus, wegen Pommern und der Kaiserlichen, die der Mark wie »einer fetten Henne« gedroht hätten, müsse man nun anfangen zu rüsten. Wäre erst Pommern verloren, würden die Schweden von dort aus weiter greifen: »Also seine Gedanken, Churfürstlicher Durchlaucht in Respect und Autorität durch Degen zu setzen. Dazu Geld vonnöten, ehe es nicht anzufangen.

Darumb besser, ein Viertel vom Lande zu versetzen, als in Furcht zu sein, das ganze Land zu verlieren. «Ohne Militärverfassung würde der Kurfürst um Land und Leute kommen, er müsse sich in Ansehen bringen, sich »considerabel« machen. Und Leuchtmar verwies auf die bereits entstandenen Heere anderer Mittelstaaten wie Hessen, Braunschweig und Bayern und ermunterte den Kurfürsten frei heraus zu mehr »Tapferkeit und Großmütigkeit«, dann würde Brandenburg auch mit mehr »Respect« behandelt werden. Die meisten Brandenburger im Geheimen Rat votierten eher vorsichtig wegen der vier Millionen Taler Landesschulden. Gleichviel, die Werbungen wurden aufgenommen nach dieser »Consultation von großer Importanz« (von Loeben). 

Dreitausend Mann wurden nach und nach bis 1646 am Niederrhein unter dem dortigen Kommandeur Johann von Norprath an Plätzen wie Duisburg, Dinslaken und Holt zusammengebracht. Beruhigende Versicherungen ergingen an die überraschten Nachbarmächte. Friedrich Wilhelm begann damit, daß er die unzuverlässigen Soldtruppen entließ und zunächst nur durch kleine neue Kader ersetzte. Die zu weiteren Feldzügen aufgefüllten Regimenter wurden hinterher niemals wieder ganz abgedankt.


Burgsdorff  

Ihre Grundprinzipien waren bereits vorgezeichnet: »Verbindung des Werbesystems mit der Dienstpflicht einheimischer Bauernsöhne, Rekrutierung der Offiziere aus dem eingesessenen Adel, der jetzt massenweise in fremden Heeren diente, Finanzierung des Heeres durch die kurfürstlichen Domäneneinkünfte, durch die Geldablösung adliger, obsolet gewordener Lehnspflichten und durch besondere Städtesteuern«.

Letztere hatte man während des Krieges unter dem Namen »Kontribution« entrichtet und mußte sie schließlich als dauernd fixierte Leistung anerkennen. Die sozialen Privilegien des Landadels im Rechts- und Wirtschaftsleben hingegen konnten nicht angegriffen werden, ja der Kurfürst sah sich veranlaßt, das militärische Machtinstrument durch weitgehende Zugeständnisse gleichsam abzukaufen. Der Rezeß des letzten allgemeinen Landtages von 1653 sicherte den Gutsherren neben der Steuerfreiheit nicht nur die herkömmliche Erbuntertänigkeit seiner Bauern endgültig zu, er bot ihnen auch die Möglichkeit zur Besitzerweiterung, wenn der freie Landmann seinen Grund und Boden nicht urkundlich belegen konnte. Die inneren Verfassungskämpfe gegen die zwar hartnäckige, doch zum äußersten Widerstand nicht entschlossene ständische Opposition mußte der Kurfürst im Zusammenhang mit der auswärtigen Selbstbehauptungspolitik austragen, gestützt auf das neu errichtete stehende Heer.

warschau.jpg (96972 Byte)
Schlacht bei Warschau

Im Schwedisch-Polnischen Krieg (1655—1660) erreichte es bereits eine Gesamtstärke von rund 25.000 Mann einschließlich Garnisontruppen und Artillerie. Vom Kurfürst persönlich angeführt, bestanden 8.500 Brandenburger an der Seite von 9.000 Schweden gegen 40.000 Polen in der dreitägigen Schlacht bei Warschau (28.—30. Juli 1656) die erste Waffenprobe. In den folgenden Friedensjahren brach Friedrich Wilhelm mit Gewalt die »libertäre« Macht der Stände, die sonst die Monarchie über den lockeren Bund von halbselbständigen Neben- und Provinzialregierungen nicht hätten hinausgelangen lassen.

Stehendes Heer und landständische Rechte liefen einander entgegen und waren doch eng aufeinander angewiesen; denn ohne Sicherheit und ohne den Schutz von Leben und Eigentum konnte sich keine Landeswohlfahrt entwickeln. Sie beruhte auf guten geworbenen Truppen und starken Festungen. Innere Festigung und wachsende Wehrkraft standen im Wechselverhältnis. Unter der gesamtstaatlichen, nur vom Landesherrn abhängigen Behördenorganisation entstand die zentralisierte Finanzverwaltung. Mit der neuen Einrichtung der Kriegskommissarien war die oberste Instanz für die Einheit von Militär- und Steuerwesen geschaffen. Anfangs waren die finanziellen Mittel zum Heeresunterhalt nur auf 6 Jahre bewilligt worden, wofür der Adel obendrein noch die fast uneingeschränkte Gewalt über seine Bauern abgetrotzt hatte. Gegen die vom Reichstagsbeschluß (17. 5. 1654) bestätigte Wehrpflicht der Untertanen zur Landesverteidigung konnte er nicht mehr protestieren.

Der landesherrliche Kommissar erinnert an die Ursprünge der modernen französischen Staatsverwaltung in der Heeresorganisation, der hier jedoch die viel strengere Lebensform der Zukunft schon ankündigt. Nach 1660 wurden verstärkt Soldaten als Kolonisten angesiedelt und zur Ergänzung der Regimenter bereitgehalten. Ein Verfahren, das zugleich der Invalidenversorgung diente, weshalb es die späteren Militärkönige fortsetzten.

Die brandenburgische Kriegsmacht trat aber zugleich mit einer strategisch-taktischen Planung und Vorbereitung hervor, wie sie für diesen Staat des steten materiellen Mangels typisch bleiben sollte. Dann aber rasch zustoßend, lief eine unerhörte Blitzaktion ab, die nach geglücktem Überfall auf Rathenow (25. Juni) im ersten selbständigen Sieg bei Fehrbellin (28. Juni) gipfelte und in der Verfolgung des geschlagenen Feindes bis zur Landesgrenze ihren Abschluß fand. 

Wäre die ruhmreiche Schlacht bloß nach dem numerischen Maßstab zu beurteilen - der Kurfürst mit 5.600 Reitern und Dragonern gegen 8.000 Schweden - so käme ihr lediglich der Rang eines Treffens zu. Doch das Erfolgsrezept schlechthin, die Art und Weise, wie es mit unerwarteter Schnellkraft angewendet wurde, rückte es vom Rand der Erscheinungen weg und gab ihm eine zentrale kriegsgeschichtliche Bedeutung. Später mußte der Große Kurfürst auch noch nach Ostpreußen eilen, wo die Schweden von Livland aus eingedrungen waren. 


Schlacht bei Fehrbellin      

Der unorthodox geführte Winterfeldzug (1678/79) nahm ein rasches Ende; mit den frappierenden Schlittenpartien über das Frische- und Kurische Haff und anschließendem Dragoner-Raid bis acht Meilen vor Riga. Dort entkam der Rest des Feindes, kaum mehr als 3.000 Mann, seinen Verfolgern.

Der Kurfürst war zur Unterhaltung seiner Truppen auf Subsidien angewiesen. Ludwig XIV garantierte dem Kurfürsten von Brandenburg seinen Besitzstand und zahlte ihm jährlich 100 000 Livres. Die dem Militär zugewendeten Zweidrittel der Einkünfte reichten allein nicht aus. In dem engen, unlösbaren Zusammenhang zwischen finanzieller Leistungsfähigkeit des Staates und dem Heeresaufbau zur Selbstbehauptung seiner Macht, stets ringsum bedroht, lag der Schlüssel zum Verständnis für die windige Außenpolitik des Kurfürsten.

Die Umwandlung der Söldnertruppen in den miles perpetuus hatte auch in Brandenburg eine längere Zeit gedauert. Das hing allein schon mit dem langsamen Entstehungsprozeß auf allen Gebieten der Heeresverwaltung zusammen, der vom innenpolitischen Kampf um den Zentralstaat abhängig war. Die ständischen Organe hatten versagt und das an ihre Stelle tretende fürstliche Beamtenpersonal mußte selbst erst in das System einheitlicher Regelung hineinwachsen. War die Einquartierung der Soldaten zur Winterzeit schon im 30jährigen Krieg zur Gewohnheit geworden, so stellte der Staat jetzt die noch schärfere Anforderung an den Bürger, sie auch im Frieden dauernd in ihren Häusern aufzunehmen. Nur in den Festungsorten Magdeburg und Kolberg lagen die Mannschaften in Baracken. An der Reihe neuer Verpflegungsordonnanzen und Marschtraktaten von 1654—1684 ist die Arbeit der wachsenden Militäradministration deutlich zu erkennen. Aber erst mit den steigenden Einnahmen aus der städtischen Verbrauchssteuer, der Akzise, und den hohen Subsidiengeldern konnte die meist zum üblen Raubsystem entartete Quartierverpflegung eingeschränkt und durch Barzahlung ersetzt werden.


  Brandb. Soldaten

Der gemeine Fußsoldat erhielt nach Abzug für Brot und Montierung einen Taler acht Groschen im Monat; das Quartier einschließlich Heizung, Licht sowie »Sauer und Süß« hatte der Wirt zu liefern. Das war ein recht karges Traktament, aber der Kommissar fragte bei der Musterung jeden einzelnen, ob er auch alles richtig bekommen hatte. Er sorgte ebenso dafür, daß auch die Soldatenfrauen mitberücksichtigt wurden. Die Verpflegungsordonnanz von 1684 zeigt die landesherrliche Fürsorge dem Soldaten wie dem Bürger gegenüber.

Sie stärkte die militärische Disziplin, und die Wirte wußten, daß sie Mehrforderungen nicht länger hinzunehmen brauchten.

Die Anfänge des Offizierkorps

Mit der Regeneration des großen Teils korrumpierten, vom Ehrenstandpunkt noch weit entfernten und bei den Bürgern verhaßten Offizierstandes kam der Kurfürst schwerer vorwärts. Da er anfangs Schuldner seiner Obristen war, konnte er ihre Autonomie auch nicht beschränken. Noch im Schwedisch-Polnischen Krieg mußten sie Vorschüsse zahlen. Unterschlagungen wurden allerdings nicht länger geduldet. Bei den Musterungen übten die Kommissare um so schärfere Kontrolle aus, als ihnen die Obrigkeit den nötigen Schutz gewährte. Später freigewordene Regimenter verlieh der Landesherr schließlich nach eigener Wahl, doch nicht ohne Kapitulationen mit den althergebrachten verbrieften Vorrechten, die sich nur schrittweise beschneiden ließen: so die freie Besetzung aller Offizierstellen und die autonome Gerichtsgewalt. Wie in allen anderen Armeen stand die Rangordnung nicht von vornherein fest, sondern bildete sich allmählich aus, analog der Beseitigung des Regimentsverbandes.

Erst Friedrich Wilhelms Nachfolger, Kurfürst Friedrich III., hat nach dem Regierungswechsel 1688 mit den erneuerten Kapitulationen das volle Ernennungsrecht in seine Hand nehmen können. Für die Beförderung innerhalb der Regimenter ist das Dienstalter schon länger maßgeblich gewesen, aber der arme Offizier kam niemals auf einen grünen Zweig, so lange ihm zur Übernahme und Bewirtschaftung einer Kompanie die Geldmittel fehlten. Überhaupt führte der Weg zum Offizier im allgemeinen durch die Truppe und aller Aufstieg war ein mühseliges Empordienen »von der Pike auf«

Den Anfangsschwierigkeiten beim Heeresaufbau entsprach ein erster Schritt zur schulmäßigen Erziehung des jungen Offiziernachwuchses an der 1653 für max. 30 Zöglinge eingerichteten Ritterakademie zu Kolberg. Bei der Wahl des Ortes in der erst kürzlich von den Schweden geräumten Provinz Hinterpommern schien ein eminent staatspolitischer Grund ausschlaggebend gewesen zu sein. Damit hat der Kurfürst den Versuch jener Kriegsschulgründung des Grafen Johann VII. von Nassau in Siegen aus dem Jahr 1617, der im 30jährigen Krieg schnell wieder versandete, als erster erneuert.


Exerzieren                 

 Ihm blieb insofern ein dauernder Erfolg beschieden, als die Anstalt ab 1701 zu Berlin in veränderter Organisation fortbestand. Da fremde Offiziere nur unter hohen Kosten zu bekommen waren, mußte der einheimische Adel das Hauptreservoir bilden, weswegen ihn mehrfache Verbote trafen, in ausländische Dienste zu treten. Das galt freilich nur bei hohem Bedarf; denn wer nach zwischenzeitlicher Armeereduktion auf Wartegeld gesetzt wurde, durfte mit Erlaubnis anderswo sein Fortkommen suchen. Außerdem bot die damalige Internationalität unter den Offizieren aller Staaten Europas jungen Edelleuten die ausgezeichnete Möglichkeit, Kriegserfahrungen, Fachkenntnisse und weltmännische Bildung außerhalb Brandenburgs zu erwerben, besonders durch einen allgemein als »hohe Schule« angesehenen Aufenthalt in Frankreich. Von dort erhielt die Armee einen wertvollen Zuwachs durch die hochwillkommene Aufnahme der hugenottischen Flüchtlinge.


   Refugiés

1686 gehörten zu den rund 1.000 brandenburgischen Offizieren 300 Franzosen. Insgesamt wurden aus den emigrierten Soldaten ein Regiment zu Pferd, drei Bataillone zu Fuß und zwei Kompanien Grands Mousquetaires, letztere nach dem Muster der Maison du Roi, formiert. Die mitgeflüchteten Kadetten, fast 200, fanden in eigenen, den hugenottischen Infanterieeinheiten angegliederten Kompanien ihren neuen Platz. Diese Einrichtung für den Offizierersatz hat in der vom Kriegsminister Louvois geschaffenen truppendienstlichen Form nur noch ein reichliches Jahrzehnt lang bestanden, doch der calvinistische Geist der Charakterbildung lebte im bald umgestalteten preußischen Kadettenkorps fort.

Beim Tode Friedrich Wilhelms (9. Mai 1688), zählte das stehende Heer Brandenburgs fast 31.000 Mann. Der Anteil der Landeskinder überwog bei weitem den der Ausländer. Als das Regiment der Kurfürstin 1681 gemustert wurde, standen unter den 1105 Gemeinen 83 Schweden, 36 Dänen, 47 Polen, 15 Böhmen und acht Ungarn; alle anderen kamen aus den heimatlichen Provinzen. Die Anfänge des zur Sicherung selbständiger staatlicher Existenz errichteten Machtinstrumentes bezeichnen noch deutlicher als in den anderen Monarchien die innenpolitische Umwandlung unter dem Regime eines Staatsschöpfers, der als Großer Kurfürst in die Geschichte eingegangen ist.

Kurzfristiger Niedergang

In der Regierungszeit des Nachfolgers (1688—1713) hat Brandenburg-Preußen inmitten gewaltiger militärischer Kämpfe und politischer Neubildungen in Europa seinen Besitzstand zwar nur ganz gering vermehren können, aber seine Stellung in der Rangfolge des Reiches zwischen den wetteifernden nord- und mitteldeutschen Territorialstaaten Hannover und Sachsen durch den Erwerb der Königskrone zu stärken vermocht. Der Preis für diese Standeserhöhung war die Teilnahme am Spanischen Erbfolgekrieg, wiederum mit neuen schweren Opfern belastet. Der 1697 beendete Krieg der ersten großen Koalition gegen Frankreich hatte den Kurstaat finanziell schon erheblich geschwächt und zur Reduktion der Armee auf 20.000 Mann gezwungen.

Da Friedrich I. als milder König herrschen wollte, ließ er die vom Vorgänger begonnenen segensreichen, obrigkeitlichen Reformen unterbrechen und den unheilvollen ständischen Regierungskurs wieder aufnehmen. Die unkontrollierte Verwaltung geriet schnell in einen Zustand der Desorganisation, der Disziplinlosigkeit und der Korruption. Mit noch weniger Skrupel als zuvor betrieben die Minister in Berlin vor leeren Kassen den Truppenhandel. Er diente ihnen als Handhabe zusätzlicher Gewinne für die prunkvolle Hofhaltung.In solcher Lage ist es von allergrößter Bedeutung gewesen, daß sich bereits im Kopf des jungen Kronprinzen Friedrich Wilhelm die grundlegende Idee des späteren Staatsumbaues fest ausbildete. Der 1688 geborene Thronfolger erschien seiner Umgebung als ein ungemein schwieriger Charakter.


Werbung        

Wenn er für den ihm vorbestimmten Beruf praktisch lernen und arbeiten konnte, befand er sich in seinem Element; ein puritanisch-bürgerlicher Unternehmertyp in Fürstengestalt, der alles genau auf Profit durchrechnete und geniale administrative Fähigkeiten entwickelte. Vor allem aber besaß Friedrich Wilhelm eine grenzenlose Vorliebe für die Welt des Militärs, die jedoch den diametral entgegengesetzt auf weltmännische Erziehung Wert legenden König ganz unnötig fürchten ließ, daß eben dieses Soldatische im Wesensgrund des Sohnes auch das Kriegerische sei. Mit seiner zutiefst religiös verankerten Pflichtgesinnung schien er prädestiniert, das für Preußen grundlegende Problem der Erhebung zu einer starken Macht in Europa zu lösen. In der Errichtung eines entsprechend großen Heeres aus eigenen Mitteln ohne fremde Subsidien und zwar so, daß der dazu erforderliche enorme Militär-Etat »nicht auf fiskalischer Ausbeutung des Landes«, sondern ganz im Gegenteil »auf bewußter Pflege seiner menschlichen und ökonomischen Kräfte« beruhte - darin lag der Kern dieses Problems.

Die Militärangelegenheiten waren das einzige Betätigungsfeld, auf dem der Kronprinz seine speziellen Fähigkeiten als Organisator frei und selbständig entfalten durfte. Um so zielstrebiger sah er das persönliche Wirken als eine in die Zukunft gerichtete Aufgabe an. In den Jahren fortwährender Staatskrise sollte das bis auf 40.000 Mann angewachsene preußische Heer entgegen jeder ernsthaft erwogenen Absicht zu einschneidender Reduktion unbedingt erhalten werden. Unvermindert intakt und noch verbessert wollte es der Kronprinz über die Zeit des Wartens bis zum Thronwechsel hinwegbringen. Mit ganzer Hingabe arbeitete er an seiner Entwicklung. Sie bezog sich auf ein Reformprogramm, dessen Teile innerlich eng miteinander zusammenhingen.

 

 
Der Drillmeister der Armee

Gründliche Vorarbeit hatte schon Fürst Leopold von Anhalt-Dessau (1676—1747) geleistet, der für das aufstrebende Haus Hohenzollern eine ähnliche militärische Rolle spielte wie Prinz Eugen für das Haus Habsburg. Er war jedoch nicht als mitreißender Reiterführer zum Idol seiner Soldaten geworden, sondern fühlte sich aus eigenem Antrieb geradezu leidenschaftlich dem Fußvolk verbunden, als ob er allen Prinzen Europas zeigen wollte, daß jede kavalleristische Lust nur eine überholte Ambition mittelalterlichen Kriegertums sei. Die Infanterie bildete den Kernbestand der neuen Heere im Zeitalter der Lineartaktik. Sie repräsentierte gleichsam den Sieg des Pulvers über den blanken Degen, auch wenn es vielen denkenden Militärs längst nicht so erschien. Alle taktischen Überlegungen des Fürsten Leopold gipfelten in der Idee absoluter Feuerüberlegenheit. 


Anhalt-Dessau

Auf dem Wege bester Ausnützung der im neuen Steinschloßgewehr liegenden technischen Möglichkeiten, durch höchste Präzision und Schnelligkeit des Ladevorganges mußte sie erreicht werden. Zugleich erkannte der Dessauer im streng geregelten Exerzierschritt nach Takt und Tempo das wirksamste Hilfsmittel, Feuer und Bewegung miteinander zu verbinden, daß die gesamte schmale Infanterielinie denkbar stärkste Festigkeit erlangte. Eine psychologisch bedingte Form des Waffendrills, die damals noch unmittelbaren Gefechtswert besaß.

Die enge Freundschaft zwischen dem Kronprinzen und dem Fürsten Leopold, die beide durch das gemeinsame oranische Ahnenerbe auch blutsmäßig verbunden waren, entstand schon im Jahr 1705, als Friedrich Wilhelm seine autoritäre Stellung in der Armee zu begründen begann. Als er 1709 die Feldtruppen auf dem Kriegsschauplatz in Brabant zum zweiten Male besuchte, hat er die Infanterieregimenter zum Erstaunen der zuschauenden alliierten Generale nach der Dessauischen Methode vorexerzieren lassen. Bereits zu jenem Zeitpunkt ist der entscheidende »Durchbruch des preußischen Drills« erfolgt, der die Infanterie im Wettstreit mit den anderen Armeen einen großen Vorsprung gewinnen ließ.

Es war aber nicht nur die typische Exerzierschule, die vor dem gesteckten Ziel in Erscheinung trat. Umfassender wirkte die nun begonnene militärische Kleinarbeit auf allen Gebieten des Heereslebens unter dem Gesichtspunkt der Vereinheitlichung. Wenn sie sich im gesamten europäischen Militärwesen damals noch nicht in voller Breite entfalten konnte, weil die Selbstherrlichkeit der Regimentsinhaber, auch die allgemeine Laxheit der Dienstauffassung im adligen Offizierkorps außerhalb der Schlacht dagegenstanden, so verlangte der Kronprinz unerbittlich Disziplin und Unterordnung. Jedes Schalten und Walten nach Willkür, jedes Kommandieren nach eigenem Gutdünken mußte ein Ende haben. Alles wurde jetzt bis ins kleinste von oben vorgeschrieben: die Bekleidung, die Ausrüstung, überhaupt der gesamte Ausbildungs- und Feldbetrieb, das Meldewesen, die Lagerordnung bis zum Aufstellen der Latrinen und die Waffenpflege. 

Für die Einhaltung der gegebenen Ordres wurde der Offizier verantwortlich gemacht. Durch solche einheitliche Reformarbeit im Detail wollte Friedrich Wilhelm die ihm an die Hand gegebenen Truppen zu einem absolut willfährigen, gleichförmig funktionierenden Instrument für den zukünftigen König formen, und er hatte damit Erfolg. Alles zusammengenommen diente dem hohen militärischen Zweck, Disziplin und taktische Fähigkeiten des preußischen Heeres so zu steigern, daß es überlegene Schlagkraft erlangte. Numerische Unterlegenheit war generell durch Qualität auszugleichen.


Regiment Gendarmes        

Bevor der »Potsdamer Soldatenkönig in spe« seine Lehrzeit beendete, kam noch eine bitterste Prüfung auf ihn zu: in den turbulenten Monaten des Jahres 1711, als er an Stelle des nach Holland gereisten Vaters daheim die Statthalterschaft führen mußte und der Nordische Krieg von der Oder her bis Vorpommern drang. Der Zar benutzte preußisches Territorium als Nachschubkorridor für seine Armee in Vorpommern ohne jede vorherige Anfrage um Erlaubnis. Der Kronprinz empfand es als allertiefste Schmach, daß der desolate innere und äußere Staatszustand aller Welt vor Augen trat. Später wird er bei jeder Gelegenheit mit Stolz auf seine prächtigen Regimenter hinweisen und dabei den Ausspruch tun: »Nun brauche ich mich nicht mehr schikanieren zu lassen. Niemand wagt es, mir auf die Füße zu treten«. Die zuletzt gemachte außenpolitische Erfahrung verschärfte noch das ohnehin wache Bewußtsein schlimmer Jugenderlebnisse unter dem doppelten Druck des Spanischen Erbfolge- und des Nordischen Krieges, und sie konnte ihn in seinem Willen zur Wehrhaftmachung Preußens nur bestärken.

Die Konsolidierung der Armee unter dem Soldatenkönig

Friedrich Wilhelm I. trat am Tage seiner Thronbesteigung (23. Februar 1713) ein trauriges Erbe an, nur vergleichbar der Hinterlassenschaft einer bankrotten Firma. Im Hinblick auf die äußere Sicherheit konnte kein Staat seinem denkbar ungünstigsten Grenzverlauf zufolge für einen Angreifer bequemer liegen; denn jede Stadt einschließlich der Residenz war in einem Tagesmarsch zu erreichen. Ein solches Gebilde, das durch seine geopolitische Lage nach zwei Seiten hin ins konkurrierende Staatensystem Europas verwickelt blieb, mußte eine übermäßig starke Armee besitzen, wenn es sich behaupten und nicht wieder in die Bedeutungslosigkeit zurücksinken wollte. 


    Wache am Jägertor, Potsdam

So begann schon mit dem ersten Tag der 27jährigen Herrschaft Friedrich Wilhelms I. eine »der größten Veränderungen des staatlichen Lebens, die sich auf deutschem Boden vollzogen haben«. Preußen wurde etwas ganz Neues nach seiner Wesensart, es organisierte sich zum reinen Militärstaat. Seine Errichtung ging von der Armee selbst aus. Sie besaß der König als einziges tragfähiges Bauelement. In diesem Zusammenhang war es eine merkwürdige Fügung des Schicksals, daß der Thronwechsel mit dem Ende des Spanischen Erbfolgekrieges zusammenfiel. Andernfalls wäre eine erhebliche Truppenreduktion die Folge gewesen, weil nun keine Subsidien mehr zuflossen. Der neue König behielt nicht nur seine Heeresmacht in der Stärke von 40.000 Mann bei, er vermehrte sie sogleich um sieben weitere Regimenter.

Tatsächlich standen ihm die nötigen Geldmittel hierfür zur Verfügung: dadurch, daß er das ganze Prunkgebäude des Vorgängers mit einem Federstrich zum Einsturz brachte. Die Ersparnisse aus der rigoros gekürzten Hofhaltung waren beträchtlich, vom abgedankten, zum Teil in die Soldatenmontur gesteckten Personal über die herabgesetzten Gehälter, den nicht mehr benötigten, allzu üppigen Bedarf an Pferdefutter, die vermieteten Lustschlösser bis zum abgeschafften Weinkeller. Der reichlich angesammelte Silber-, Gold- und Juwelenhort, die großen Summen der Privatschatulle wurden zum Staatsschatz umgewandelt. Alle künftigen finanziellen Überschüsse kamen hinzu, so daß der wachsende Reichtum zwar ohne Glanz und ohne jeden repräsentativen Sinn im Kellergewölbe lag, aber dort um so wirksamer Preußens Unabhängigkeit und Stärke garantierte. Indem der König seinen Privatbesitz verstaatlichte, enteignete er sich selbst. Kein Sozialist des 19. Jahrhunderts hätte ihn in dieser Entschlossenheit überbieten können.

Die Finanzierung der Armee

Der Tresor sorgte für stets flüssige Geldreserven. Seit 1713 wurde der Haushalt aufgrund einmalig solider Finanzverwaltung, die alle Ausgaben nach den Einnahmen bestimmte, grundsätzlich ohne Schulden geführt. Die altpreußische Militärmonarchie »hat niemals den Staatskredit in Anspruch genommen, d. h. die Zukunft zugunsten der Gegenwart belastet«. Wohl lag der Steuerdruck schwer auf der Bevölkerung, aber wenigstens drehte sich nun die Schraube nicht mehr weiter, weil der König die steigenden Heeresbedürfnisse mit der wachsenden Ertragsleistung aus der Arbeit von Stadt und Land im Einklang hielt und die Untertanen nach Maßgabe ihres Fleißes mitprofitieren ließ.

Die große Sorge des ewigen Plusmachers in Potsdam blieb die ganze Regierungszeit über, daß die innere Stabilität von außen her ins Wanken gebracht werden könnte. Wenn nämlich die Armee den Befehl erhielt, ins Feld zu ziehen, mußte sich auch die Substanz des Tresors rasch verbrauchen. Neben seiner tiefen religiösen Überzeugung von der Verwerflichkeit des Angriffskrieges machte ihn diese Sorge zu einem »der friedfertigsten Fürsten«. Von der Gesamtsumme der Einnahmen und Ausgaben des preußischen Staatshaushaltes - beim Tode Friedrich Wilhelms I. rund sieben Millionen Taler - wurden fünf Millionen für die Armee verbraucht, aus dem Rest die Kosten für die überaus spärliche Hofhaltung und die Verwaltung bestritten, dazu aber noch Ersparnisse zurückgelegt, die 1740 acht Millionen Taler betrugen. Der auffallend hohe Wehretat bedarf zum Verständnis einer Relativierung; denn der damalige Staatshaushalt läßt sich mit dem des 19. und 20. Jahrhunderts nicht vergleichen. 

Er umfaßte nur einen Teilbereich, primär die Aufwendungen für die Sicherheit des Landes. Das gesamte Sozialwesen, Kultur und Wissenschaft oblagen der Kirche und wohltätigen Stiftungen mit eigenem Vermögen. Ähnliches gilt für die untere Verwaltung und die niedere Gerichtsbarkeit. Somit entsprechen die Zweidrittel des Finanzaufkommens für die Armee ungefähr der auch heute üblichen Größenordnung. Außerdem lagen im Wehretat des 18. Jahrhunderts selbst andere Verhältnisse vor. Während die kaum veraltende Bewaffnung. einmal angeschafft, keinen weiteren Kostenfaktor bedeutete, fielen die Bekleidung und Verpflegung der Truppen finanziell um so schwerer ins Gewicht. Schon aus diesem Grund erklärt der Zusammenhang mit der Staatsreform des Soldatenkönigs Preußens überdimensionale Heeresstärke nicht allein etatistisch, sondern auch wirtschaftlich.

Der Schwerpunkt der Landesökonomie wurde vom Luxus der Hofhaltung mit seinen sich davon nährenden Produktionszweigen und dem einzigen billigen Exportartikel der Schafwolle auf die Rüstung verlagert. Wie anderswo auch bewegte sich die Wirtschaftspolitik systematisch in den Bahnen des zeitgemäßen Merkantilismus. Ein wesentlicher Unterschied bestand jedoch darin, daß die Armee durch ihre wachsenden Massenbedürfnisse als wichtigster Arbeitgeber auftrat. Ihre Verbrauchsgüter waren auf die Rohstoffbasis des armen Landes abgestimmt, das nur Korn und Wolle als simple Grundprodukte hergab. Demgemäß förderten diese Erzeugnisse in erster Linie die Landwirtschaft und jene Handwerks- bzw. Manufakturbetriebe, die sie verarbeiteten: Korn zu Brot, Gerste zu Bier, Wolle zu Tuch und Tuch wiederum zu Uniformen. 


     Leinweber

Das genau festgelegte Fertigungsprinzip der Militärmonturen zeigte bereits Merkmale künftiger Bekleidungsindustrie, obwohl es im 18. Jahrhundert noch die Schneidermeister mit ihren Gesellen praktizierten. Die herabgesetzte Stoffmenge verbilligte die Herstellung. Sie war aber noch nicht wie nach dem Siebenjährigen Krieg durch notgedrungene Sparsamkeit verursacht, sondern diente dem praktischen Zweck besserer Tragbarkeit im Truppendienst und ist wohl auch von der Abneigung des Königs gegen die französische Mode her zu deuten. 

Eine andere Erklärung hätte wenig Sinn, weil man in Preußen den Überschuß an produzierter Wolle ab 1724 jedes Jahr zur Neumontierung der Armee verwendete; wiederum einmalig in Europa. Die alte, noch wenig abgenützte Uniform durfte der Soldat verkaufen oder von Familienangehörigen auftragen lassen. Auf diese Weise wurde der blaue Militärrock in den Kernprovinzen zur Volkstracht unter den ärmeren Schichten der Bevölkerung. Das Berliner Lagerhaus entwickelte sich zur Manufaktur für Qualitätstuche, die später den Export nach Rußland betrieb. Hierbei hatte bereits der erhöhte, vom Tresor ausgegangene und scharfe Verwaltungskontrollen passierende Geldumlauf seine nützlichen Dienste geleistet. Die Gründung der Spandauer Gewehrfabrik im Jahr 1722 bewirkte schließlich auch die Unabhängigkeit vom ausländischen Waffenimport. Die dazu erlassene Resolution des Königs bildete »für lange Zeit die Grundlage für das Verhältnis zwischen Unternehmer und Staat«. Was sie an Bestimmungen im einzelnen enthält, verrät ebenso seinen rechenhaften Geschäftssinn wie seinen eigentümlichen Wohlfahrtsdrang: Unentgeltliche Lieferung von Gebäuden und Großgerät, von Pulver zum Beschuß und Bauholz für Instandsetzungen; Überlassung des staatlichen Monopols, auch zum zollfreien Export; Bezug ausländischer Rohmaterialien zwecks Verarbeitung bester Werkstoffe; Versteuerung dieser Materialien, aber die angefertigten Gewehre abgabefrei; Barbezahlung bei Lieferung von 300 Stück zum Preis von sechs Talern 12 Groschen pro Infanterieflinte mit Bajonett; volle Umzugsentschädigung für die angeworbenen fremden Meister und Gesellen einschließlich ihrer Familien und freie Religionsausübung; besondere Vergünstigungen für die Arbeiter »immediate unter dem Königlichen Hofgerichte«, gestatteter Branntweinausschank im Gegensatz zu den Soldaten der Garnison, Schutz vor gewaltsamer Werbung und unentgeltliches Bürger- und Meisterrecht bei Seßhaftmachung; Ausbildung geeigneter Lehrlinge aus Waisenhäusern in Potsdam und Berlin.

Die Armee als Wirtschaftsfaktor

Auch der Konsum in den Garnisonen hatte als Schwungrad die Wirtschaft mitzubetreiben. Lagen schon seit 1684 die Infanterieregimenter in den Städten, so verlegte der König ab 1718 noch die Kavallerie dorthin, nicht allein zur Entlastung des Landvolkes. Wie wichtig er den Zusammenhang von Steuerertrag und Verzehr der Soldaten nahm, belegen seine Worte: »Wann die Armee marschiert, verliert die Akzise Zweidrittel«. Dann war nämlich der wirtschaftliche Kreislauf gestört, und zu allem Unglück mußte die Armee vom Kriegsschatz erhalten werden. Ein typisches Zeugnis anderer Art ist Friedrich Wilhelms erstes Reglement für die Infanterie von 1714. Es bezog schon die Truppenwirtschaft mit ein, faßte die Beschaffung wie den Verbrauch der Ausrüstung in genaue Vorschriften und engte damit auch den Machtbereich der Regiments-Chefs weiter ein. 

Daraus entstanden zehn Jahre später die Ökonomie-Reglements für jedes einzelne Infanterie- und Kavallerieregiment. Das System des Soldatenkönigs ist ein frühes Beispiel gelenkter Planwirtschaft, die im Unterschied zu den späteren Modellen tatsächlich funktionierte. Das Rezept bestand in der Solidität bürgerlicher Haushaltsführung, verbunden mit einer sehr pragmatischen Staatsphilosophie: Alle Hände müssen sich immer rascher und rationeller regen; die hohen Einkünfte für den Unterhalt des großen Heeres können nur von Leuten aufgebracht werden, die entsprechend verdienen, um die Steuern zu bezahlen. Der unermüdlich zu fördernde Wohlstand läßt sich in Preußen aber nur durch eine unerhörte Intensivierung und Disziplinierung der Arbeit heben.


Im Quartier     

Das kontinuierlich wachsende Sozialprodukt ist am Steueraufkommen abzulesen, das von 2,4 Millionen Talern im Jahr 1713 auf 3,6 Millionen 1740 anstieg. Diese Zunahme von 50 Prozent, die um etwa 500.000 auf 2.240.000 Menschen vermehrte Einwohnerschaft freilich eingerechnet, darf als ein Beweis materieller Verbesserung auch in der Lebensführung des einzelnen gelten. Die Steuersätze blieben fixiert, die Brotpreise durch vorsorgliche Getreidemagazinierung ziemlich stabil und die Mieten der armen Leute niedrig durch den unerbittlichen Bauzwang des Königs gegen die Reichen, der »so manches rasch erworbene Vermögen wieder auf ein angemessenes Maß« beschränkte.

Heeresvergrößerung

Die Vergrößerung des Heeres erfolgte schrittweise, immer von planmäßiger Pflege der Steuerträger begleitet. 1719 zählte es bereits 54.000, 1729 reichlich 70.000, 1739 über 80.000 Mann. Preußen steckte als Zwerg in der Rüstung eines Riesen. In der Rangfolge der europäischen Staaten an 13. Stelle stehend, besaß es die drittstärkste Militärmacht. Was zur Ebenbürtigkeit mit den Großmachtheeren noch fehlte, wurde durch die Qualität der Ausbildung wettgemacht. Nach diesem Prinzip hatten schon die Oranier ihr Heer für den niederländischen Befreiungskampf geschaffen. Als Lehr- und Mustertruppe diente das berüchtigte Königs-Regiment der Langen Kerls in Potsdam, wo die Offiziere der Armee alle reglementarischen Neuerungen in der Schule der Taktik wie des gesamten Dienstbetriebes gleichsam an der Quelle der militärischen Weisheit studieren mußten. Die Körpergröße der Grenadiere stand im Zeichen taktischer Höchstleistung, weil von der Länge des Gewehrlaufes die Schußweite abhing und das rasche Laden entsprechende Armspannweite erforderte. Es machte einen erheblichen Unterschied aus, wenn die linear avancierenden Bataillone das Feuer schon auf 200 statt auf 150 m Distanz eröffneten und ihre Salven bis zu drei Mal in der Minute in die dichten Glieder des Gegners schlugen. 


"Langer Kerl"

Der König hat diesen Zusammenhang in der Vorbereitung auf den Infanteriekampf absichtsvoll und sorgsam als Geheimnis gehütet, weshalb man seine Jagd nach den Riesen Europas überall selbst in der Fachwelt für eine krankhafte Wahnvorstellung hielt. Eine Marotte war es lediglich, daß er für die »verwöhnte Prätorianergarde« so verschwenderisch viel Geld ausgab - auch um sie bei guter Laune zu halten. Mit der Idee des Qualitätsheeres war der Begriff des miles perpetuus unlösbar verknüpft. Die frühen Versuche mit dem Landesdefensionswerk und die Milizeinrichtungen unter dem ersten König hatten sich auch in Brandenburg-Preußen nicht bewährt. Hinsichtlich militärischer Tüchtigkeit und Würde seiner Truppen wie des darauf beruhenden Machtprestiges wollte der Soldatenkönig im Grunde genommen nur Landeskinder in den Regimentern haben. 

Nach herkömmlicher Staatsanschauung, die das Aufgebotsrecht des Landesherrn unangetastet gelassen hatte, erinnerte das Edikt vom 9. Mai 1714 die Untertanen mit Nachdruck daran, daß die »junge Mannschaft, sowohl von Städten als plattem Lande, nach ihrer natürlichen Geburt und höchsten Gottes ewiger Ordnung und Befehl mit Guth und Blut zu dienen schuldig und verpflichtet« sei. Die Tauglichkeit bestimmte allerdings die Meßlatte. Leute »ohne Wachstum«, d. h. unter dem Mindestmaß von fünf Fuß sechs Zoll (1,72 m) sollten nach Möglichkeit nicht genommen werden. Nicht nur wegen der langläufigen Gewehre, auch sonst waren die physischen Belastungen des Infanteristen sehr hoch; denn er hatte über 40 Pfund an Ausrüstung und Gepäck mitzuschleppen".

Die Rekrutierungen

Die Aufrüstungsrekrutierung ist nicht nach sorgsam vorgefaßtem Plan begonnen worden. Sie brach wie ein wildes Unwetter über das Land herein. Obwohl der König in seinen Edikten nur von »Werbung« sprach - hinter diesem Wort verbarg sich der tiefere Sinn einer »Seelengewinnung« für das gewaltige Aufbauwerk -‚ wurde der benötigte Mannschaftsersatz durch rigorosen Zwang einfach ausgehoben, entweder durch die Kreis- und städtischen Behörden oder durch die Truppe selbst. Die unvermeidliche Folge mußte sofort einreißende Desertion sein, die verschärfte Ordres zu ihrer Verhütung nach sich zog. Sie betrafen fast die gleichen Polizeimaßnahmen wie in Frankreich im Zusammenhang von »recrutement forcé« zwecks Ersatz hoher Kriegsverluste und Fahnenflucht. Auch manche aus dem Spanischen Erbfolgekrieg zurückgekehrte Veteranen rissen aus, da ihnen der König die Einhaltung ihrer Kapitulationen verweigerte und dazu noch der friedensmäßige Exerzierdrill seine abschreckende Wirkung tat. Friedrich Wilhelm I. bestand auf einer Dienstzeit bis zur Invalidität bzw. auf einer Entlassung, die er selbst nach Gesichtspunkten seiner Militärpolitik gewähren wollte.

Wie schon zur Regierungszeit des ersten Königs lieferten die Ämter und Gemeinden zwar einen Teil der Rekruten, aber mit Masse wohl doch von »schlechter Qualität«. Deshalb nahmen die Kompanie-Chefs, unter dem Druck von allerhöchster Stelle stehend, ihre Einheiten mit ausgesuchtem Personal zu komplettieren, die Zwangswerbung selbst in die Hand. Kurz und bündig nahmen sie jeden gut gewachsenen Burschen von der Straße weg, ohne nach Herkunft und Beruf zu fragen. 


Rekrutentransport                 

Die wohl brutalsten Methoden wendeten Werbekommandos des Regimentes der 2000 »langen Kerle« an, die sie in aller Welt zusammensuchten und dabei peinliche politische Affären mit ausländischen Regierungen heraufbeschworen. Neben der Desertion löste das rücksichtslose Verhalten des Militärs in den preußischen Provinzen auch noch eine alarmierende Landflucht aus; scharenweise, wo die Grenze am nächsten lag. Dort fürchtete man schon, daß die Äcker unbebaut bleiben würden, weshalb sich Gutsherren und Bauern an einigen Orten gewaltsam zur Wehr setzten. Das war nun das Allerschlimmste, was dem um sein Lebenswerk besorgten König passieren konnte. Die Rekrutenwerbung sollte ja der friedlichen Konsolidierung des Landes dienen. Es mußte ein Gleichgewicht zwischen den Erfordernissen der zivilen Arbeit und des Wehrdienstes hergestellt werden.

Eine ganze Reihe von Verordnungen, die sich aber widersprachen, brachte zunächst nichts zuwege. Offene Gewalt durften die Werber nicht mehr anwenden, doch List war ihnen erlaubt. Dann wieder hatten die Regimenter mit den Behörden gemeinsam für die unumgängliche Rekrutierung zu sorgen, worauf bald die Ermahnung an die Zivilinstanzen folgte, keine übertriebene Klage zu führen. Später kam der Befehl, ohne zuvor erhaltene königliche Erlaubnis keinen Zwang anzuwenden, und schließlich sollten nur noch Freiwillige angenommen werden. Wirkliche Entlastung für die Landeskultur brachten dagegen bestimmte Werbeverbote, die ganze soziale Gruppen der Bevölkerung betrafen: schon 1714 alle mit Haus und Hof angesessenen Bürger, Bauern und Kossäten, von 1717 bis 1726 die Wollarbeiter, die Kolonisten, »Manufacturiers« nebst Lehrburschen, die Handwerker verschiedener Mangelberufe, zuletzt auch die Bürgersöhne, deren Eltern ein Vermögen ab 10 000 Taler besaßen und die Söhne der Seelsorger, sofern sie Theologie studierten.

urlaub.jpg (55966 Byte)
    Urlaubsschein

Eine erhebliche Härtemilderung für die einheimischen Soldaten selbst bedeutete das bereits 1714 eingeführte Beurlaubungssystem, wonach die ungefähr 18 Monate lang ausgebildete Mannschaft nach der jährlichen Exerzierzeit wieder nach Hause geschickt wurde, um dort zu aller Nutzen produktive Arbeit zu leisten. Nicht minder wichtig war der finanziell-etatistische Aspekt. Der dadurch eingesparte Sold konnte jetzt zur Fremdwerbung verwendet werden, und mit dem ansteigenden Ausländerquantum wuchs auch die Zahl der Beurlaubten wie die Zeit der Beurlaubung. 1726 fiel die Beschränkung auf drei Monate fort; ab 1732 sollte jedes Regiment nur noch die Exerzierzeit über vollen Diensttuerstand, die übrigen neun, später zehn Monate jedoch »voll seine Verurlaubten haben«. Die geworbenen Ausländer, deren Anteil 1740 ein Drittel der Heeresstärke betrug, versahen als Wach- und Ausbildungskader durchgehend den Dienst in der Garnison.

Dazu gehörten auch die einheimischen Freiwilligen und die ohnehin im Regiment aufwachsenden Soldatensöhne. Bei der Kavallerie, die sich wie in allen Heeren vorwiegend aus Freiwilligen rekrutierte, erreichte die Zahl der Urlauber höchstens 22 Prozent.

Enrollierung und Kantonssystem

Inzwischen hatten einzelne auf Vollzähligkeit bedachte Kompanie-Chefs begonnen, schon im Vorgriff zusätzliche Leute auszubilden und als Reserve bereitzuhalten, um bei der nächsten überaus gefürchteten Königs-Revue sofort den Ersatz für die Desertions- und Krankheitsausfälle verfügbar zu haben. Friedrich Wilhelm I. sanktionierte diese Methode und befahl, daß jede Kompanie fünf »Überkomplette« besitzen sollte. Das verschärfte wiederum die Zwangsrekrutierung nach gewohnter Manier, wobei noch die Regimenter miteinander in Streit gerieten, einzelne Kapitäne obendrein ein übles Menschenhandelsgeschäft zu betreiben suchten und neue Massenflucht die Folge war. Nach Jahren der Willkür kam aber die seit 1717 auch nicht mehr kriegsbedingte Heeresergänzung allmählich in geordnete Bahnen. Da an der grundsätzlichen Wehrpflicht des Untertanen kein Zweifel bestand, ließen die Kompanie-Chefs in der Garnison und deren Umgebung alle Knaben registrieren, um sie dem Regiment »obligat« zu machen, wie es damals offiziell hieß. Jeder bekam die rote Halsbinde, später den Hutpuschel in der Regimentsfarbe, der ihn als künftigen Soldaten kennzeichnete. Nach der Konfirmation als eidesfähig erklärt, wurde die Jungmannschaft »enrolliert«, d. h. in die Stammlisten eingetragen, wie sie für die Miliz des ersten Königs schon bestanden hatte. Wenn dann der Kapitän Ersatz benötigte, zog er so viele Enrollierte ein, wie er brauchte, selbstverständlich nach Maßgabe des Wachstums. War die Grundausbildung vorüber, kehrte der Soldat mit dem Urlaubspaß versehen in den Heimatort zurück. Mit den Kabinetts-Ordres von 1733 - für die westlichen Streugebiete 1735 - fand das Gesamtverfahren seinen gesetzlichen Abschluß. Nach genau erfaßter Anzahl aller »Feuerstellen« war jedem Regiment ein »Enrollierungskanton« zugewiesen, dieser wieder unterteilt in Kompaniebezirke, um davon »die besten Leute zu nehmen.. . sich complet zu halten und Zuwachs zu haben«. 

Es konnte nun nicht mehr passieren, daß sich die Kompanien einander ins Gehege kamen. Die Artillerie, die nur aus zuverlässigen protestantischen Inländern bestehen sollte, erhielt ihre Kantone in den Städten. Alle Regimenter mußten im Mobilmachungsfall auch die Pack- und Wagenknechte aus kleinen Leuten ihrer Bezirke zusammenbringen, die Kavallerie, die Knechte für den Artillerietrain und das Proviantfuhrwesen. Die Zivilbehörden wirkten weder bei der Enrollierung noch bei der Aushebung mit. Nach der jährlichen Besichtigung durch den Regimentskommandeur mußten die für zu klein befundenen und die älteren Enrollierten ausrangiert werden. Ständig mahnte der allerhöchste Wille, das »Maß der Regimenter« laufend zu verbessern. Die wieder Heimgeschickten blieben aber Soldaten des Königs. Als Reservisten bildeten sie den beträchtlich wachsenden Bestand an »Überkompletten« in ihren Kantonen und wurden bald zu gelegentlichen kurzfristigen Übungen bei den neuen Landbataillonen mit herangezogen.

edikt.jpg (25532 Byte)

Die Kantonverfassung Friedrich Wilhelms I. war in staatspolitischer wie sozialer Hinsicht von einzigartig festigender Kraft. Der Enrollierte besaß auf Lebenszeit den Status eines Soldaten in des »Königs Rock«. Damit waren die Bauernsöhne der Erbuntertänigkeit weitgehend entzogen, auch wenn sie als Beurlaubte für den größten Teil des Jahres wieder ins häusliche Dasein zurücktraten. Sie unterstanden jetzt ihrem Regimentsgericht, nicht mehr der Patrimonialgerichtsbarkeit des Gutsherren, der als Kläger, Richter und Vollstrecker dem Hörigen das Leben beliebig hatte erschweren können. Für alle Personalangelegenheiten war der Kompanie-Chef zuständig, der auch die Heiratserlaubnis erteilte. Aus gutem Grund mußten die Beurlaubten daheim auch bei der Arbeit stets ein militärisches Kleidungsstück tragen, vermutlich die Stiefeletten. Damit waren sie äußerlich gekennzeichnet, und weder der Leutevogt noch der Gutsherr selbst hätte sie mit dem Prügelstock traktieren dürfen. Dazu besaß allein der militärische Vorgesetzte in vorgeschriebenen Grenzen die Erlaubnis. Wenn der Enrollierte sonntags zum Kirchgang in voller tadellos sauberer Uniform mit dem Seitengewehr zu erscheinen hatte, ebenfalls zum Besuch einer Stadt, in der Truppe garnisonierte, so beugte das nicht allein der »Wiederverbauerung« vor, sondern sollte den königlichen Soldaten angesichts der zivilen Umwelt auch in seinem Stolz bestärken.

Sicherlich wird die ganze Landbevölkerung das Ende der wilden Werbe- und Enrollierungszeit als große Erleichterung empfunden haben. Jeder männliche Untertan wußte nun schon von früher Jugend an, ob, wann und wie lange er dienen mußte, welchen Nachteil es mit sich brachte, sehr bald aber auch den gewichtigen Vorteil der Befreiung aus drückenden Verhältnissen. Die Wehrpflichtigen aus der größten sozialen Gruppe der »kleinen Leute« traten erstmals in eine unmittelbare Beziehung zu König und Staat. Darüber hinaus erfuhren sie eine feste innere Bindung an ihr Heimatregiment. 


        Parade

Bauern ganzer Dörfer standen in der gleichen Formation einer Kompanie. Durch das Kantonsystem ist der miles perpetuus Preußens in eine milizartige Truppe umgewandelt worden. Im Unterschied zur früheren Landmiliz, die als ständisches Aufgebot existierte, galten jedoch durchweg und fundamental die strengen soldatischen Dienstgesetze des stehenden Heeres. Eben deshalb hat der Soldatenkönig sogar schon den Gebrauch des Wortes Miliz unter Androhung einer Geldstrafe von 100 Talern verboten.

Um jeden Preis wollte er die Oualitätsarmee haben. Das stehende Heer des altpreußischen Militärstaates auf der Grundlage seiner Regimentskantone bedeutete keine allgemeine Wehrpflicht nach dem Prinzip staatsbürgerlicher Gleichheit. Dennoch kann man sein Ersatzwesen, das durch schon erhebliches Ausschöpfen der im Lande liegenden Wehrkraft alle Regimenter regelmäßig regenerierte und sozusagen unsterblich machte, als einen ersten weiten Schritt zum späteren neupreußischen Volksheer bezeichnen.

Es ist dem Soldatenkönig gelungen, eine ursprünglich reine Zwangsinstitution zur elitären bewaffneten Macht des Potsdamer Staates umzuformen. Das gesetzte Ziel hatte er nicht allein durch verschärfte Disziplin und gründliche Ausbildung erreicht. Von Natur aus charakterisiert es diesen Staat, daß die Armee eine beherrschende Sonderstellung einnahm — politisch, sozial und moralisch. Vom ersten Tag seiner Regierung an war Friedrich Wilhelm I. darauf bedacht, dem in allen Ländern tief verachteten Soldatenstand einen ihm angemessenen Respekt in der bürgerlichen Gesellschaft buchstäblich zu ertrotzen. Der Soldat sollte seinen Dienst als ehrenvolle Berufsaufgabe verrichten, als Schutzwehr dessen, was im Lande wuchs und sich stärkte. Der Soldat sollte stolz darauf sein, einer Armee anzugehören, an deren Spitze der Monarch selber stand, den gleichen Dienst als Kommandeur seines Leibregimentes tat wie sie und hierzu das persönliche Vorbild gab.

Während der König den staatlichen Umgestaltungsprozeß mit rigorosen Sparmaßnahmen einleitete und die Gehälter samt üppigen Zulagen von Offizieren und Beamten kürzte, erhöhte er das Monatstraktament des gemeinen Mannes um 12 Groschen auf drei Taler. Das 1722 gegründete Potsdamer Militär-Waisenhaus gehört zu den größten sozialen Taten des Jahrhunderts, wobei der Nützlichkeitsgedanke einer geradezu idealen Pflanzstätte für das Unteroffizierkorps die Staatskonzeption nur unterstrich. Das gleiche galt für das Invalidenwesen, das weniger durch eine Geld- als eine forcierte Zivilversorgung den tüchtigen Soldaten im unteren Bereich der Administration mit Aufstiegsmöglichkeiten in den mittleren zweckdienliche Arbeit bot. Das Kantonsystem diente auch dem Bauernschutz und lief auf eine soziale Aufwertung des vierten Standes hinaus.


Waisenhaus  

Daß die preußischen Soldaten am häufigsten und brutalsten mit dem allgegenwärtigen Stock geprügelt worden sein sollen, ist nicht wahr. Zunächst galt die strenge Vorschrift, jedem Rekruten gelinde und mit Geduld zu begegnen, »damit er nicht gleich im Anfang verdrießlich und furchtsam gemacht werde, sondern Lust und Liebe zum Dienst bekommen möge... «. Obenauf lag die Allerhöchste Ordre, wonach »ein Regiment zwar in Subordination, Disziplin und Ordnung sein muß, die Leute aber nicht bestialisch traktieret werden sollen«. Der Soldat sei ein Mensch mit allen Fehlern, er habe aber auch Ehre im Leibe.

Hurtig und scharf ging es beim Chargieren, dem eigentlichen Gefechtsexerzieren zu. »Nun vertrat der Stock das Prinzip staatlich geforderter Höchstleistung«. Dann kontrollierten Offiziere mit der Uhr in der Hand die Salvenfolge, die Unteroffiziere achteten auf jeden Fehler und weckten den Schläfrigen »mit dem bey sich habenden Weckern wieder auf.« In der Ausbildung waren Stockhiebe nur gegen störrische Leute in engen Grenzen zugelassen, und wer einen Mann blutig schlug, wurde bestraft.

Zu den drakonischen Körperstrafen hingegen zählte der Spießrutenlauf, der in den neuen Kriegsartikeln von 1713 mehrmals angedroht stand. Er scheint an die Stelle anderweitiger körperlicher Züchtigungen getreten zu sein, in Fällen extrem möglichen Durchlaufes — bis zu 30mal - gar der Todesstrafe. In der Hauptsache betraf solche grausame Härte die vorsätzlich und mutwillig handelnden Renitenten, die kriminell Veranlagten und Asozialen. 


     Gassenlaufen

Durch sie ist die dunkle Seite des Heereslebens publik geworden, weil die Bürger in den Garnisonstädten stets Zeuge ihrer Bändigung waren und auch darüber schrieben. Die berittenen Truppen standen durch ihren Freiwilligenzulauf und durch nicht so enge Dienstverhältnisse bei der Bevölkerung in einem besseren sozialen Ansehen. Wie es »unsichere Kantonisten« gab, die ganzjährig bei der Truppe blieben, so in weit größerer Anzahl ordentliche Burschen unter den auswärts Angeworbenen.

 Es bestand ein Interesse, daß sie heirateten und somit seßhaft wurden, falls die beweibten Soldaten das für zulässig erachtete Drittel pro Kompanie nicht überschritten. Weiten konnten die Soldaten einem Beruf nachgehen. Zu diesem Zweck legte man diejenigen »mit Profession« gleich zu den Handwerksmeistern ins Quartier; die Ungelernten sollten bei den Tuchmachern als Wollspinner oder als Handlanger im Baugewerbe beschäftigt werden. Gerade aus dieser Einrichtung der Stadtbeurlaubten ist zu ersehen, inwieweit der preußische Militärdienst im Frieden gegenüber aller Strenge auch eine ziemlich leichte Seite hatte. Im übrigen mußten die unverheirateten Soldaten kameradschaftsweise miteinander ihren Haushalt führen. Der Lebensmitteleinkauf und die Zubereitung der Mahlzeiten geschah ohne ärgerliche Bevormundung durch die Unteroffiziere.

Die große Aufgabe, den Ausgleich zwischen der Landeskultur und den Bedürfnissen des Heeres auch innerlich zu fördern, hatten vor allem die Pfarrer zu erfüllen, die als regelrechte Propagandisten des Königs über die Güte des Soldatenstandes zu predigen begannen und schließlich noch die Vorschriften der Kantonverfassung von den Kanzeln verkünden mußten. Als Landesvater und Oberster Bischof, der unablässig für den Gottesfrieden aller Bekenntnisse wirkte, hat sich der Monarch zu denjenigen Männern am stärksten hingezogen gefühlt, die ihm das Land verbessern halfen und seinen Menschen den Weg zum tätigen Christentum wiesen. Dem entsprach die Seelsorge der Feldprediger in den Regimentern. Ihr erzieherischer Einfluß auf Geist und Haltung der Armee war beachtlich, segensreich auch im Hinblick auf die Soldatenfamilien, insbesondere den Unterricht der Kinder.

Integration der Soldaten als Klammer des preußischen Staates

Zusammenfassend ist zu sagen: Der Potsdamer Soldatenkönig hat als erster Hohenzollernherrscher die während des vergangenen Krieges verstärkt angeworbenen Truppen im Frieden nicht nur beibehalten, sondern noch beträchtlich vermehrt. Dieses enorme Resultat erzielte er durch einen revolutionären Staatsumbau, dem das Heer als massive Sicherung wie als Basis starker innerer Kraftentfaltung diente. Es bildete den Hauptantrieb des ökonomischen Wachstums hinsichtlich Massenkonsum und des Einsatzes seiner Soldaten samt ihrer Familien im Arbeitsprozeß. Damit hingen Enrollierung der Wehrpflichtigen, festgesetztes Maximum der Beurlaubten und die Anordnung von Exemtionen eng zusammen, was wiederum den Rückgriff auf die Auslandswerbung ermöglichte. Die Erschaffung und Erhaltung eines numerisch das normale Maß weit übersteigenden Qualitätsheeres aus eigenen Mitteln war der eigentliche Staatszweck. Die innere Festigung des gesamten Wehrsystems spiegelt sich ebenso wie die materielle in der Statistik wider: Die Desertionszahlen lagen im Jahr 1714 am höchsten, bei der Infanterie insgesamt 3540 Mann (bei der Kavallerie nur 70); im Jahr 1740 liefen nur noch 174 Mann davon (bei der Kavallerie 54).

Wenn sich die Sonderstellung der preußischen Armee aus der geopolitischen Lage des Landes, der historischen Situation und der originellen Schöpferkraft des Staatsgründers ergab, so gipfelte sie im Einklang mit der Rehabilitierung des Soldatenstandes im hohen Sozialprestige des adligen Offizierkorps. Indem der König das frondierende, die partikularistischen Kräfte stützende und treibende Junkertum allmählich zu loyaler Staatsdienerschaft erzog und zum vornehmsten ersten Stand erhob, vollbrachte er seine größte Leistung. Ohne sie hätte die unumgängliche Verschmelzung der bunt zusammengesetzten Territorien zum Staatsganzen, verkörpert in der Armee als Rückhalt und verbindende Klammer der Einheit, kaum gelingen können.


Offiziere                 

War die ideell begründete Absicht, eine Armee aus Landeskindern zu schaffen, technisch nicht durchführbar, so besetzte der Landadel generell die ums Doppelte vermehrten Offizierstellen auf dem Wege des Ersatzes durch den jungen Nachwuchs. Die fragwürdigen Glücksritter und Abenteurer fremder Herkunft wurden entfernt, Bürgerliche mit Feldbewährung grundsätzlich nobilitiert, wenn sie zur Rangklasse der Stabsoffiziere gehörten. Ihre Integrierung kennzeichnete ebenso den neuen Typus des spezifisch preußischen Schwertadels wie die der hohen Herren fürstlichen Geblütes, die keinerlei Vorzüge genossen und ohne Unterschied des jeweils durch Anciennität und Leistung erreichten Dienstgrades die soziale Gleichheit innerhalb des privilegierten Berufsstandes bewiesen. Alle Angehörigen des Offizierkorps vom Fähnrich bis zum Regiments-Chef trugen demzufolge die gleiche Uniform ohne jede Rangabzeichen. Andererseits waren die aus der früheren Gemeinschaft der Befehlshaber sozial zurückgetretenen Unteroffiziere um so deutlicher geschieden. Zusammen mit den gemeinen Soldaten bildeten sie die Mannschaft, was mit ihrer Verpflichtung auf die Kriegsartikel, die auf den Offizier nicht zutraf, scharf zum Ausdruck kam.

Die Unterwerfung des Adels

Das adlige Privileg der Grundsteuerfreiheit blieb unangetastet; auch waren die Edelleute von der Wehrpflicht befreit und somit den höheren Beamten bürgerlicher Herkunft, den Eximierten und Kapitalisten rechtlich gleichgestellt. Beides gründete sich auf die Allodifikation der Lehen, wodurch der König ab 1717 gegen eine jährlich zu zahlende Geldabgabe das im Mittelalter entstandene Obereigentum des Lehnsherren am feudalen Grundbesitz und die davon abhängige Verpflichtung zur Heerfolge, die praktisch ohnehin keine Rolle mehr spielte, aufhob. »Er hat dabei aber gleichzeitig das alte Dienstverhältnis zwischen Edelmann und Landesherrn und die vasallitisehe Disziplin ungeheuer verschärft«. Von nun an verlangte Friedrich Wilhelm 1. den Militärdienst nicht mehr als Gegenleistung für die Verleihung von Rittergütern, sondern »als allgemeine staatliche Untertanenpflicht«. Er verbot dem Adel, im Ausland sein Fortkommen zu suchen und ließ die Befolgung durch behördlich angelegte Vasallentabellen scharf überwachen. Jetzt sollte die oberste Standespflicht gelten, dem König von Preußen als Offizier zu dienen.

drill.jpg (70763 Byte)
        Exerzieren

Das betraf alle jüngeren Söhne, die anfangs gezwungen wurden, schon im Knabenalter von 13 bis 14 Jahren als »Junker« in die Armee einzutreten. Das in Berlin zusammengefaßte und neu gegründete Kadettenkorps bildete ein Reservat bevorzugter Art; denn es ermöglichte armen, kinderreichen Familien die geeignete Erziehung der unversorgten Nachkommenschaft auf Kosten der Krone. Selbst gegen diese Wohltat sträubte man sich in den auf unumschränkte edelmännische Freiheit bedachten Elternhäusern, so daß Unteroffizier-Kommandos die Einlieferung mit Nachdruck besorgten. 

Die zwangsweise Verbindung von Adel und Offizierkorps beendete den 100jährigen Kampf der feudalen ständischen Opposition mit dem vollständigen Sieg des in Preußen am unerbittlichsten durchgeführten Staatsabsolutismus.

Die äußere Unterwerfung zwang aber noch viel weitergehend ins Joch soldatischer Pflichterfüllung hinein, das man in anderen Armeen nicht kannte. Schon in den letzten Jahren der Kronprinzenzeit war der Weg durch die »Geburt des preußischen Drills« vorgezeichnet. Der König erwartete von jedem Offizier, daß er den vergleichsweise unkavaliersmäßigen Friedensdienst bis ins kleinste Detail gehorsam mit der nötigen Genauigkeit und Pünktlichkeit versah. Jeder einzelne hatte seine volle Mitverantwortung für die Ausbildung und Ausrüstung der Mannschaft im Sinne des Qualitätsbegriffes als gemeinsame, eminent staatspolitische Berufsaufgabe zu erfüllen. Wer bei der stets gefürchteten Königs-Revue dem scharfen Auge des »roi Sergeant« durch mangelnde Reglementstreue auffiel, durfte mit keiner Beförderung rechnen. Auch sein außerdienstliches Verhalten stand in der »Conduitenliste«. Dafür gab es bis zum Stabskapitän nur ein karges Jahrestraktament, das zwischen 140 und 220 Talern lag, abzüglich 45 Talern für die Uniform. Was mit dem Vorrecht des Offizierpatentes einherging, war alles andere als ein sorgenfreies, bequemes Dasein. 

Schon aus diesem Grund konnte kein Bürgersohn wohlhabender Eltern den Wunsch verspüren, mit dem Junker von der Pike auf dienend in Konkurrenz zu treten. Aus der Not des Landes mußte eine Tugend werden; der Offizier sollte in der Hauptsache die Ehre als Gewinn betrachten und dem Beispiel des Militärkönigs folgend mit gleicher Hingabe dem Staate dienen. Erst nach langen Jahren bot der Erwerb einer Kompanie-Chefstelle den wirklichen Kapitänen (Hauptleuten) ein Jahreseinkommen von etwa 800 Talern, weil sie einen Teil der auch für die Beurlaubten voll ausbezahlten Soldbeträge als Zulage zum Grundgehalt (nicht ganz 47 Taler pro Monat) vereinnahmen konnten. Auch in Preußen diente das System der Kompaniewirtschaft als Anreiz, doch setzte es die solide Eigenschaft eines »guten Wirthes« voraus. 


Offizier  

Der Haushalt durfte keinesfalls zum Nachteil der Leute geführt werden und die schadhaft gewordene Ausrüstung war sofort zu ersetzen bzw. zu ergänzen. Mancher Auserwählte ohne Vermögen übernahm die Kompanie schon mit Schulden, da er dem Vorgänger die Gewehrgelder (600 Taler) zu bezahlen hatte. Die Gehälter der Obristen und Generale standen an der Spitze der allgemeinen Einkommenspyramide mit 1100 bis 2500 Talern im Jahr.

Der politische Sinn jener Militarisierung des Landadels trat in aller Deutlichkeit zutage, als sich das Kantonsystem entwickelte. Seine sozialen Auswirkungen bestanden im festen Zusammenschluß von Bauerninfanterie und ihrer Führerschaft zum Kernbestand des Heeres. Wurden den Grundherren autokratische Rechte entzogen —von der Dorfbevölkerung bald als Schutz vor bisherigen drückenden Verhältnissen empfunden —‚ so wuchsen deren Brüder und Vettern als Offiziere des Königs in die landsmannschaftliche Bindung mit den Soldaten des Heimatregimentes hinein. In erster Linie königlicher Verfügungsgewalt unterworfen, bekamen sie auch kaum eine Kompanie, die im engen heimatlichen Bezirk lag, um jeder, das Kantonwesen mißbrauchende Interessengemeinschaft von Land- und Militäradel vorzubeugen. Die bekannte Behauptung, »Der Kompanie-Chef im Regiment war Gutsherr zuhaus«, läßt sich durch die Statistik leicht widerlegen.

Das zum Schwertadel umgewandelte, an strengen Friedensdienst gewöhnte und auf das puritanisch-asketische Lebensideal Friedrich Wilhelms I. ausgerichtete Offizierkorps hat sich vortrefflich bewährt. Wie generell im Militärwesen hing von seinem Geist und seiner Berufstüchtigkeit die Schlagkraft der Armee im höchsten Grade ab, und da sich Preußens Machtanspruch in der europäischen Politik fast nur darauf stützen konnte, resultierte daraus auch seine überragende Bedeutung für den Staat. 


 Uniformen des Regt. Bredow

Unter der Erziehermacht eines Königs, der seit 1725 beständig die Uniform trug, setzte das Offizierkorps seinen Stolz darein, als erster und vornehmster Stand das sicherste Fundament der Armee, d. h. ihre straffe monarchische Disziplin, zu festigen und zu erhalten. Sein Standesbewußtsein war gleichbedeutend mit der typenbildenden Haltung des Preußentums. Sie hat am reinsten den Militäradel ausgezeichnet, aber auch die Beamtenschaft geformt und die ganze Staatsnation zunehmend durchdrungen.

Sieht man abschließend die im Zuge der geschichtlichen Notwendigkeit liegende Entwicklung Brandenburg-Preußens vom Großen Kurfürsten bis zum Lebenswerk des Potsdamer Soldatenkönigs unter dem Gesichtspunkt der innen- und außenpolitischen, der ethischen und religiösen Grundlagen wie der wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen, so vermag alles zusammengenommen dem nach einer Erklärung Suchenden die Einsicht zu vermitteln, daß die Genesis des altpreußischen Militärstaates zugleich dessen Apologie ist. Seine tiefste Problematik ergibt sich aus dem Vergleich mit der schwedischen Großmachtstellung im 17. Jahrhundert. Auch sie war nur extrem militärisch zu behaupten, doch allein durch fortlaufende Kriege bis zum bitteren Ende, um die aus eigenstaatlicher Finanz- und Wirtschaftskraft nicht zu unterhaltende Armee auf Kosten auswärtsliegender Hilfsquellen leben zu lassen. Demgegenüber bestand Preußens erstarkende Macht vorwiegend im inneren Wachstum; das territoriale war nur gering, abgesehen vom Erreichen der Odermündung mit Stettin als Resultat des Nordischen Krieges.

Obwohl der König in dem religiösen Bestreben, die Gebrechen des Landes zu heilen, seinen Wohlfahrtseifer bis in die entferntesten Winkel buchstäblich hineintrieb, ordnete er das gesamte zivile Leben dem militärischen unter. Diese Vorherrschaft drückte am schwersten in den Garnisonstädten, wo der Truppenkommandeur dauernd das Sagen hatte. Weil die Soldaten bevorzugt, die Ausländer seßhaft gemacht werden sollten, bestimmte er die Lebensmittelpreise, die Arbeitsbeschaffung für die Stadtbeurlaubten, sicherte ihren Familienangehörigen das Vorrecht aufs Spinnen bzw. Stricken der Wolle zu und zeigte allgemein wenig Verständnis für die Quartierlast der Bürger. Die Militärverwaltung war auf die Kommandobehörden übertragen und somit auch die vom Großen Kurfürsten im Kommissariat geschaffene Verbindung von Kriegs- und Zivilstaat wieder beseitigt. Die eigenständige Militärgerichtsbarkeit, der auch die Soldatenfamilien und das von der Militärkasse besoldete Dienstpersonal unterstanden, griff notgedrungen in die bürgerliche Jurisdiktion ein. Da auf den höheren Beamtenstellen viele ehemalige Offiziere saßen und auf den subalternen noch mehr ausgediente Unteroffiziere und Soldaten, so durchdrang der militärische Kommandoton das ganze Staatsgehäuse. Gegen die Befehle der Obrigkeit gab es keinen Widerspruch, wie dann auch das Befehlen und Gehorchen den preußischen Lebensstil nachhaltig mitgeprägt hat. Dennoch überwogen im Hinblick auf Preußens inneres Wachstum die positiven Züge eines wirklichen Fortschrittes.