14. Oktober 1806
Vorgeschichte

Nach dem Preußen durch den Frieden von Basel 1795 aus dem Koalitionskrieg gegen Frankreich ausgeschieden war, betrieb es eine Neutralitätspolitik und geriet dadurch in eine außenpolitische Isolation. Als napoleonische Truppen 1805 durch preußisches Gebiet marschieren, folgt eine Mobilmachung, tritt aber nicht der Koalition Österreich-Rußland bei und trägt somit seinen Teil an der Niederlage bei Austerlitz.

Im Spätsommer des Jahres 1806 wurde es immer wahrscheinlicher, daß es zwischen Frankreich und Preußen zum Krieg kommen wird. Dem preußischen Heer stand ein Waffengang mit einer Armee bevor, die seit einem Dutzend von Jahren Sieg auf Sieg an ihre Fahnen geheftet hatte und die von einem genialen Strategen geführt wurde.

Die meisten der preußischen Offiziere sahen dem bevorstehenden Kampf mit dreister Siegeszuversicht entgegen. In der preußischen Armee machte das Schlagwort die Runde, die Franzosen seien »noch immer die alten Roßbacher« — eine Anspielung auf den glänzenden Sieg, den Friedrich der Große einst, am 5. November 1757, über eine französische Armee errungen hat. Insbesondere die großsprecherischen jungen Offiziere der Garde-Kavallerieregimenter Gensdarmes und Garde du Corps wissen sich vor Begeisterung nicht zu fassen. Jetzt stürzen sie zur französischen Botschaft Unter den Linden und wetzen dort an den Treppenstufen ihre Degen.


 Königs-Regiment Nr. 18

Doch auch die älteren und erfahrenen Offiziere sind sich überwiegend ihrer Sache sicher. Viele von ihnen haben in den letzten Jahren französisches Militär gesehen. Und wer die Franzosen nicht selbst gesehen hat, der hat doch von ihnen gehört oder gelesen. Man weiß: die französischen Soldaten tragen das Haar nicht etwa ordnungsgemäß zum Zopf geflochten, sondern kommen mit wirrer Mähne daher. Die Uniformstücke hängen vielen von ihnen nachlässig am Leibe. Ihr Parademarsch nimmt sich neben dem dressurmäßigen Stechschritt der Potsdamer Wachtparade miserabel aus. Und die meisten der französischen Generale sind nicht einmal von Adel!

Äußerlich bot die preußische Armee auf ihren Paraden noch immer ein glanzvolles Bild, und ihre schweren Mängel blieben der Öffentlichkeit des In- und Auslandes verborgen. Einzelne sachkundige Beobachter innerhalb und außerhalb der Armee hatten sie aber genau erfaßt. Die Armee bestand zu einem reichlichen Drittel aus »ausländischen« Söldnern (die zumeist aus deutschen Territorien stammten), zu zwei Drittel aus kantonspflichtigen Inländern, worunter sich ein hoher Prozentsatz Polen befand. Dienstbetrieb, Strategie und Taktik waren ganz von dem Bestreben geprägt, die Soldaten an der Fahnenflucht zu hindern. Trotz aller Vorkehrungen desertierten jedoch allein von Oktober 1805 bis Februar 1806 9558 Soldaten. Nur mit Hilfe der Prügel- und anderer barbarischen Strafen konnte die Disziplin aufrechterhalten werden. Im Feld blieben die Bewegungen der Armee langsam und schwerfällig, da sie darauf angewiesen war, Verpflegung, Zelte usw. in einem riesigen Troß mitzuführen. Auch die Lineartaktik mußte notgedrungen für den weitaus größten Teil der Infanterie beibehalten werden. Ansätze zur Einführung zeitgemäßer Kampfformen gab es bei der leichten Infanterie — den 24 Füsilierbataillonen und insbesondere dem von Ludwig von Yorck befehligten Feldjägerregiment.

Bei der preußischen Infanterie gab es keine Einzelausbildung, sondern eine Art Massendressur. Mit großem Zeitaufwand —und viel Prügeln — wurden die Soldaten regelrecht dazu abgerichtet, taktmäßig wie Automaten zu laden und zu schießen und komplizierte taktische Bewegungen auszuführen. Das Jägerregiment — das von vielen Gamaschenknöpfen scheel angesehen wurde — fiel jedoch völlig aus dem Rahmen. Bei seiner Ausbildung wurde das Schwergewicht nicht auf das Exerzieren gelegt, sondern auf das Scheibenschießen, das sogenannte zerstreute Gefecht und die Geländeausnutzung.

Über das Offizierskorps der preußischen Armee von 1806 sagte der preußische General und Militärhistoriker Eduard von Höpfner später: »Die obere Leitung der Militärangelegenheiten war völlig ohne Geist. Die Führer waren des Krieges entwöhnt, in ihren Ansichten veraltet; die älteren Offiziere bis zu den Hauptleuten hinab mit wenigen Ausnahmen alt und gebrechlich.« Von den 281 Majoren der Infanterie waren 196 älter als 50 Jahre. Über das Vorwärtskommen entschieden in der Regel nicht Fähigkeiten und Verdienste, sondern das Dienstalter war ausschlaggebend. Der Anteil bürgerlicher Offiziere lag unter 10 Prozent. Die höchsten Kommandostellen blieben zumeist Prinzen und Fürsten vorbehalten.


Offizier, Unteroffizier, Soldat 
1. Garde-Bataillon          

Die Bewaffnung der Infanterie war sehr schlecht; wahrscheinlich die schlechteste in Europa. Die Gewehre waren lediglich zu einem dem Auge wohlgefälligen Tragen eingerichtet, ganz gerade und kurz geschaftet (sogenannte Kuhfüße), daher zum Zielen wenig geschickt. Man gab sich nebenbei aber auch alle Mühe, die Gewehre noch unbrauchbarer zu machen, als sie es bereits waren; alle Verbindungsteile wurden gelockert, um bei den Griffen einen hörbaren Schlag hervorzurufen ...« Die sprichwörtliche Knausrigkeit der preußischen Staatsorgane führte dazu, daß die Ausrüstung der Soldaten sich immer mehr verschlechterte. Die Infanteristen besaßen keine Mäntel, was sich dann in den kalten Oktobertagen des Jahres 1806 sehr nachteilig auswirken sollte.

Einsichtige Militärs wie Gebhard Leberecht von Blücher, Gerhard von Scharnhorst und Hermann von Boyen haften vor 1806 vorgeschlagen, die allgemeine Wehrpflicht einzuführen, die Prügelstrafe abzuschaffen und die starre Lineartaktik aufzulockern - alles vergebens. Die Siegeszuversicht, welche viele Militärs 1806 demonstrierten, resultierte auch daraus, daß sie sich noch nie mit Napoleon gemessen hatten. In den Jahren 1792 bis 1795, als Preußen sich mit Teilen seiner Armee an den Interventionskriegen gegen Frankreich beteiligte, machte das neue französische Militärwesen noch seine »Kinderkrankheiten« durch. Die preußischen Truppen ernteten damals keinen Lorbeer, wurden aber auch nie ernstlich geschlagen. Während der Schlacht von Valmy im Jahre 1792 verloren sie ganze 184 Mann, und die Kavallerie Blüchers operierte bis zuletzt sehr erfolgreich. Die Selbstsicherheit des preußischen Offizierskorps und das Renommee der Armee nach außen waren deshalb ungebrochen. Selbst Napoleon überschätzte bis 1806 die Kampfkraft der preußischen Armee stark. Insbesondere hielt er die preußische Kavallerie für sehr schlagkräftig. Er kannte sich in der Kriegsgeschichte aus und wußte, was die preußische Kavallerie in den Kriegen Friedrichs des Großen unter Generalen wie Friedrich Wilhelm von Seydlitz und Hans-Joachim von Ziethen geleistet hatte.


 Haugwitz

Die Kriege Friedrichs II. hatten Preußen zu einem gefürchteten Staat gemacht. Seitdem meinte man in Europa, die preußische Armee liege ständig auf der Lauer, um im geeigneten Augenblick die Nachbarländer mit Krieg zu überziehen. Im Jahrzehnt vor 1806 betrieb Preußen jedoch entgegen solchen Erwartungen eine Neutralitätspolitik, die schwächlich und nicht selten doppelzüngig war. König Friedrich Wilhelm III. ließ sich auf dem Felde der Außenpolitik willig von den Außenministern Christian August Heinrich Kurt Graf von Haugwitz (1792 bis 1804) und Karl August von Hardenberg (1804 bis 1806) und seinen Kabinettsräten Johann Wilhelm Lombard sowie Karl Friedrich von Beyme leiten.

 Die regierenden Kreise Preußens waren im Jahre 1795 aus ganz pragmatischen Erwägungen heraus durch den Sonderfrieden von Basel aus jener antifranzösischen Front ausgeschert, welche England und die Mächte Kontinentaleuropas gebildet hatten. In erster Linie ging es Regierenden in Berlin um die Sicherung der riesigen polnischen Gebiete, welche sie in den Jahren 1793 und 1795 durch die zweite und dritte Teilung Polens erworben hatten. Das war ihnen wichtiger als der Krieg gegen das revolutionäre Frankreich. Für die hart bedrängte französische Republik aber brachte das Ausscheren der Militärmacht Preußen eine merkliche Entlastung.

Haugwitz und seine Gesinnungsgenossen wurden in Preußen allgemein als »französische Partei« oder als »Franzosenfreunde« bezeichnet. Ihre Devise war, Preußen solle sich aus den Kriegen, die zwischen Frankreich und den gegnerischen Koalitionen im Gange waren, heraushalten. Es solle sich von beiden Seiten umwerben lassen und dabei kräftig abkassieren. Karl Freiherr vom und zum Stein, ein geschworener Feind der Haugwitzschen Schaukelpolitik, faßte sein Urteil über den Außenminister in die zwei Worte »charakterlos und faul«. Und er bemerkte grimmig und ahnungsvoll »Wir werden keinen Vorteil ziehen aus der Perfidie unserer Grundsätze, denn die Charakterlosigkeit unseres Benehmens macht uns zum Gegenstand allgemeiner Verachtung und allgemeinen Abscheus.«

Mehr und mehr schlittert Preußen nun in eine ausweglose Situation hinein. Napoleon läßt nach seinem Triumph bei Austerlitz seine siegreiche Armee wohlweislich in Süddeutschland stehen. Immer ungenierter mischt er sich in innere Angelegenheiten in Preußens ein. Er gelangt zu der Auffassung, Außenminister Hardenberg sei sein geschworener Feind, und so erzwingt er am 24. April 1806 dessen Entlassung. Bonaparte hat die Berliner Regierenden allerdings rechtzeitig wissen lassen, wen er für besonders geeignet hält, neuer Außenminister zu werden: Haugwitz. Und natürlich wird Haugwitz Außenminister. Unaufhaltsam rückt der Zeitpunkt näher, zu dem Napoleon die Beziehungen zwischen Frankreich und dem isolierten Preußen neu gestalten wird: Preußen hat nur die Wahl zwischen Krieg und freiwilliger Unterwerfung. Innerhalb der preußischen Staats- und Militärführung kämpfen — wie schon im Herbst 1805 — zwei Strömungen um den beherrschenden Einfluß auf die Politik des Königs Friedrich Wilhelm III. Eine »Kriegspartei« von sehr heterogener Zusammensetzung — zu ihr gehören unter anderen General Rüchel, aber auch Stein, Blücher und Scharnhorst — fordert, der Expansionspolitik Napoleons bewaffneten Widerstand zu leisten. 

Zu dieser Strömung zählen auch Königin Luise, Prinz Louis Ferdinand sowie der Erbprinz Wilhelm Friedrich von Oranien. Der exzentrische Louis Ferdinand ist das »schwarze Schaf« des Hohenzollernhauses — tollkühner Soldat, Lebemann, begabter Komponist, Idol der tatendurstigen jungen Offiziere und Schreckgespenst der verkalkten Generalität. Die attraktive und aufgeschlossene Luise trägt die Forderungen der »Kriegspartei« an den kontaktscheuen und meist mürrischen Monarchen heran.

  
Louis Ferdinand

Mobilmachung

Vorerst behält jedoch noch die »französische Partei«, zu der beispielsweise auch der Generalfeldmarschall Karl Wilhelm Ferdinand Herzog von Braunschweig gehört, die Oberhand. Diese Gruppe will an der »Zusammenarbeit« mit Bonaparte festhalten. Da sich nach Austerlitz das Kräfteverhältnis zwischen Frankreich und Preußen kraß gewandelt hat, läuft »Zusammenarbeit« in der Tendenz auf eine freiwillige Unterwerfung Preußens hinaus. Anfang August 1806 wird in Berlin bekannt, daß Napoleon den Engländern in geheimen Friedensverhandlungen die Rückgabe Hannovers angeboten hat! Außenminister Haugwitz, der sich mittlerweile von Napoleon noch weitere Demütigungen hat gefallen lassen müssen, wird nun plötzlich energisch. Nach dem französische Truppen bei Ansbach preußisches Gebiet verletzt haben, ordnet der König Friedrich Wilhelm III. am 9. August die Mobilmachung des größten Teils der Armee an. Die Mobilmachung betrifft jedoch nur 147 000 Mann. In den Ostprovinzen werden 33000 Mann Kampftruppen nicht mobilisiert. König Friedrich Wilhelm III. und seine Ratgeber driften in einer denkbar ungünstigen außenpolitischen Situation auf einen Krieg mit Frankreich zu. Sie verfolgen keine handgreiflichen Kriegsziele. Wenn sie im August 1806 plötzlich auftrumpfen, dann entspringt das purer Kopflosigkeit, ist es panische Flucht nach vorn. Der König sowie Haugwitz und Lombard wollen den Krieg nicht. Sie hoffen vielmehr, Bonaparte werde die Mobilmachung als mutige Geste respektieren und friedlich einlenken.


 Grenzverletzung bei Ansbach

Napoleon weiß nicht so recht, was er von den Vorgängen in Berlin halten soll. Er nimmt, als er am 20. August von der preußischen Mobilmachung erfährt, das Ganze zunächst nicht allzu tragisch. Hellwach wird er aber, als sich Anfang September herausstellt, daß Zar Alexander den bereits ausgehandelten russisch-französischen Friedensvertrag nicht bestätigt hat. Napoleon vermutet sofort, daß Preußen und Rußland ein geheimes Bündnis geschlossen haben, und ordnet die Konzentrierung der in Süddeutschland stehenden Truppen (des I. und des III. bis VII. Korps) an.

 In der Nacht zum 26. September verläßt Napoleon Paris. Am 2. Oktober wird dem französischen Außenminister ein preußisches Ultimatum übergeben, das auf den 8. Oktober befristet ist und den Rückzug aller französischen Truppen auf das linke Rheinufer fordert. Just am 2. Oktober langt der Kaiser mit der Gardeinfanterie in Würzburg an und übernimmt wieder den Befehl über die »Große Armee«. Am 7. Oktober dringt er mit 160 000 Mann in drei Kolonnen — links das V. und das VII. Korps (Lannes und Augerau), in der Mitte das 1. und das III. (Bernadotte und Davout), rechts das IV. und das VI. (Soult und Ney) — in Thüringen ein und eröffnet den Krieg. Dort hat sich unterdessen sehr umständlich der Aufmarsch der preußischen Armee vollzogen. Etwa 20 000 Mann sächsischer Truppen sind zu ihr gestoßen. Von Anfang an kommt zu den vielerlei Mängeln und Gebrechen des preußischen Militärwesens — die in etwa auch auf das sächsische zutreffen — eine völlige Zerfahrenheit der obersten Führung hinzu. Oberbefehlshaber ist der 71 jährige Herzog von Braunschweig, der mehr unterwürfiger Höfling als Feldherr ist und beim Offizierskorps nur geringe Autorität besitzt. Carl von Clausewitz sagt später über ihn: »Rücksichten ohne Ende lähmten seinen Entschluß, Uneinigkeiten erschwerten ihn, und Ungehorsam machte, was noch davon übrig blieb, völlig unwirksam.« Die drei wichtigsten dem Herzog unterstellten Generale sind Friedrich Ludwig Fürst zu Hohenlohe-Ingelfingen, Friedrich Adolf Graf von Kalckreuth und Rüchel. Der umständliche Hohenlohe steht ganz unter dem Einfluß seines Stabschefs, des konfusen Projektemachers Christian Freiherr von Massenbach. Kalckreuth gilt allgemein als Zyniker und Ränkeschmied. Rüchel ist ein unbesonnener Draufgänger. Die Befehlsverhältnisse sind nicht eindeutig geklärt, und obendrein bestehen innerhalb der Generalität starke persönliche Spannungen.


Hohenlohe


Braunschweig


Rüchel

Die Tradition der preußischen Militärmonarchie zwingt König Friedrich Wilhelm III. dazu, mit der Armee ins Feld zu ziehen und sie formell zu führen. Dieser König ist nicht der Trottel als den ihn spätere Historiker mitunter darstellen werden. Aber er hat wenig Selbstvertrauen und er kann sich in Friedens- wie in Kriegszeiten einfach nicht entscheiden. Einer seiner Kabinettsräte hat versichert, des Königs liebste Zeit sei stets die Bedenkzeit gewesen. Friedrich Wilhelm pflegt, wo rasche und eindeutige Entscheidungen nötig sind, mit einem, großen Personenkreis Kriegsrat zu halten — nicht nur mit den höheren Befehlshabern und den Generalstabsoffizieren, sondern auch mit allerlei intriganten Salonmilitärs, die gar kein Kommando führen. Er hört sich die widersprechendsten Meinungen geduldig an und stimmt dann zumeist halbherzigen, vermittelnden Beschlüssen zu. Der fähigste Mann in diesem militärischen Debattierklub, der Generalstabchef (genauer: Generalquartiermeister) Oberst Scharnhorst, dringt nur selten mit seinen Vorschlägen durch. Welch merkwürdiges Treiben im preußischen Hauptquartier herrscht, wird sogar Napoleon bekannt, der dann schließlich am 12. Oktober an Lannes schreibt: »Alle aufgefangenen Briefe zeigen, daß der Feind den Kopf verloren hat. Sie beraten Tag und Nacht und wissen nicht, was sie tun sollen.« Am 8. September hat ein Kriegsrat die unglückselige Entscheidung getroffene die preußisch-sächsischen Truppen nicht etwa straff zusammenzuführen, sondern in drei selbständige Armeen aufzuteilen. Die 58.000 Mann starke Hauptarmee unter dem Herzog von Braunschweig soll bei Naumburg Position beziehen, eine weitere Armee unter Hohenlohe (46 500 Mann) bei Chemnitz und Zwickau. Ein selbständiges Korps unter Rüchel (22 000 Mann) soll in Richtung Würzburg-Frankfurt am Main vorgehen. 

Erste Gefechte

Am 25. September beschließt ein Kriegsrat dann, bei Kriegsbeginn mit dem gesamten Heer über den Thüringer Wald hinweg zur Offensive überzugehen. Geplant ist, am 12. Oktober die Linie Meinigen-Hildburghausen zu erreichen. Es wird aber bereits am 8. Oktober klar, daß die Franzosen östlich der Saale im Vormarsch sind. Daraufhin wird nun festgelegt, ihnen dort entgegenzutreten. Die Hauptarmee zweigt 12 500 Mann unter dem Herzog Carl August von Sachsen-Weimar ab, die als Vorhut nach Meiningen in Marsch gesetzt werden. Die Vorhut Hohenlohes, 9 000 Mann unter dem Prinzen Louis Ferdinand, wird am 10. Oktober bei Saalfeld in das erste größere Gefecht verwickelt. Louis Ferdinands Verband wird durch das überlegene Korps Lannes geschlagen und verliert 1 700 Mann samt 39 Geschützen. Der Prinz selbst findet in einem Reiterkampf den Tod. Nach der bösen Schlappe von Saalfeld beschließt man im preußischen Hauptquartier, daß die Hauptarmee sich auf Weimar zurückziehen und Hohenlohes Armee sich bei Jena konzentrieren soll. 

Marschälle von Frankreich


Augereau


Bernadotte


Davout


Lannes

Der Herzog von Sachsen-Weimar wird zurückgerufen. Die Führungen beider Seiten tappen noch im Dunkeln. Napoleon vermutet, daß die gegnerischen Truppen sich bei Gera versammeln und dirigiert seine Korps dorthin. Er eilt am 11. Oktober selbst nach Gera und erkennt, daß er sich geirrt hat. Da er das preußisch-sächsische Gros nun bei Erfurt vermutet, ordnet er am Morgen des 12. Oktober eine generelle Linksschwenkung seiner Armee an. Bernadotte erhält als Marschziel Dornburg zugewiesen, Davout Naumburg, Lannes Jena, Ney Mittel-Pöllnitz und Soult Gera. Mittlerweile steht Hohenlohe bei Jena, der Herzog von Braunschweig bei Weimar, Rüchel 10 Kilometer westlich von Weimar und der Herzog von Sachsen-Weimar noch immer südlich von Ilmenau. Der König und seine Generale sind nicht imstande, die notwendigen operativen Entscheidungen zu fällen. Sie wachen jedoch mit Argusaugen darüber,daß die bestehenden Vorschriften eingehalten werden. Als die Hauptarmee bei Weimar steht, beauftragt Scharnhorst einen Generalstabsoffizier, den Stabskapitän Hermann von Boyen, damit, einen Abschnitt der von Blankenhain nach Weimar führen den Straße freizuräumen. Das ist kein leichtes Stück Arbeit, denn an dieser Stelle sind etliche Pferdefuhrwerke zu einem heillosen Knäuel zusammengefahren. Die aufgeregten und verängstigten Fuhrknechte vergrößern noch das Durcheinander. Boyen schafft es aber schließlich um die Mittagsstunde des 12. Oktober teils mit gutem Zureden, teils mit Drohungen, daß die verkeilten Fuhrwerke auseinandergezerrt werden. Als für die wartenden Kolonnen endlich freie Bahn geschaffen ist, betrachtet der Offizier zufrieden sein Werk. Da trabt eine Kavalkade heran. Boyen erkennt den König und nimmt Haltung an. Dann folgt er den Davonreitenden mit dem Blick. Es dauert nicht lange, und einer der Reiter wendet das Pferd und hält direkt auf den Stabskapitän zu. Es ist der Adjutant Friedrich Wilhelms. Boyen wird klar, daß der König ihm einen Befehl übermitteln läßt und sieht den Adjutanten gespannt an. Worum mag es gehen? Ist eine neue Meldung über die Bewegungen des Feindes eingetroffen? Falsch gedacht! Der König läßt den Stabskapitän darauf hinweisen, daß sein Zopfband sich gelöst hat und befiehlt ihm, das unverzüglich in Ordnung zu bringen. Just am Abend dieses 12. Oktobers schlägt im preußischen Hauptquartier die Nachricht, daß die Franzosen Naumburg besetzt haben und somit im Begriff sind, die Verbindungslinie nach Berlin abzuschneiden, wie eine Bombe ein. Man beschließt nun, den Rückzug hin zur Elbe anzutreten. 

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Das Ziel ist, die drei Großverbände mit der anrückenden Reserve unter dem Herzog Eugen von Würtemberg zu vereinen und dann Napoleon südlich von Leipzig eine Schlacht zu liefern. Dabei soll Hohenlohe den Abzug der Hauptarmee decken. Hohenlohe und Rüchel erhalten den Befehl, mit ihrem Abmarsch solange zu warten, bis der Verband des Herzogs von Sachsen-Weimar eingetroffen ist. Es wird Hohenlohe strikt untersagt, sich auf ein größeres Gefecht mit den Franzosen einzulassen.

Am Vormittag des 13. Oktober dirigiert Napoleon nun die Korps von Bernadotte und Davout in Richtung Apolda, alle anderen in Richtung Jena. Im Verlaufe des Tages durchqueren französische Truppen in endlosem Zuge die kleine Universitätsstadt.

Die französischen Truppen werden nach dem Requisitionssystem versorgt. Dabei wird die Bevölkerung im Feindesland gezwungen, unentgeltlich Lebens- und Futtermittel zu liefern. Das hat es ermöglicht, die Beweglichkeit der Truppen bedeutend zu erhöhen. Bei der preußischen Armee hat man das Requisitionssystem natürlich nicht eingeführt, weil ja dabei die Soldaten massenweise desertieren würden. So muß die Militärverwaltung Lebensmittel und andere Versorgungsgüter in Magazinen einlagern und von dort durch Transportkolonnen zu den Truppen schaffen lassen. Im Oktober 1806 klappt in dem allgemeinen Durcheinander bei den Preußen der Nachschub zeitweise nicht.

Tausende preußischer und sächsischer Soldaten erhalten tagelang keine Verpflegung. Trotz aller scharfen Beaufsichtigung beginnen etliche der hungernden und verzweifelten Soldaten damit, in den Dörfern Lebensmittel zu stehlen und zu rauben. Ihren Offizieren fällt nichts anderes ein, als die barbarischen Strafen weiter zu verschärfen.Es kann nur mit der größten Strenge den Unordnungen Einhalt getan werden, und es regnet Prügel, im wahren Sinne des Wortes. Man übertreibt sogar die Strenge und dehnt den Schutz des Eigentums der Bewohner so weit aus, daß man den hungrigen Soldaten nicht einmal erlaubt, sich von den abgeernteten Feldern Kartoffeln aus der Erde zu suchen. Wegen des Versuchs dazu wurden manche halbtot geschlagen.


sächs. Infanterie

Schlacht bei Jena

Jena, im mittleren Saaletal gelegen, ist ringsum von Bergen umgeben. Einige der Berghänge sind kahl, die meisten aber sind mit dichtem Wald bedeckt. Westlich der Stadt zieht sich eine Hochebene hin, deren östlichen Teil der Landgrafenberg bildet.

Vom höchsten Punkt des Landgrafenberges, dem »Windknollen«, aus erblickt Napoleon am 13. Oktober 1806 im Westen die Zeltreihen von Hohenlohes Lager. Er ist davon überzeugt, das gesamte preußisch-sächsische Heer vor sich zu haben. Von den Franzosen sind bisher nur das V. Korps und die Gardeinfanterie, zusammen 25 000 Mann, eingetroffen. Napoleon muß also annehmen, daß das Kräfteverhältnis augenblicklich 4:1 oder gar 5:1 zu seinen Ungunsten steht.

Dennoch läßt er am Abend und in der Nacht alle verfügbaren Truppen auf dem Landgrafenberg Stellung beziehen. Das zeugt einerseits vom Wagemut Napoleons — und andererseits davon, was er mittlerweile von den Qualitäten der gegnerischen Führung hält. Bonapartes Schlachtplan ist rasch gefaßt: Das Korps Lannes‘ soll den Kampf einleiten und ihn zunächst so lange hinhaltend führen, bis die anderen Korps eingreifen können. 


Kanonentransport auf den Steiger

Die Korps von Soult und Augerau sowie die Vorhut Neys treffen dann noch in der Nacht bei Jena ein. Augerau und Ney erhalten den Befehl, durch das westlich von Jena gelegene Mühltal auf das Plateau vorzudringen. Soult soll nördlich von Jena durch das Rautal vorstoßen. Hohenlohe weiß zwar, daß französische Truppen den Landgrafenherg besetzt halten, denn sie haben am Nachmittag ein sächsisches Bataillon von dort vertrieben. Aber er versäumt es, einen Gegenangriff zu unternehmen. Ja, er informiert sich nicht einmal darüber, was denn auf dem Landgrafenherg eigentlich vor sich geht!

Der Grund: Hohenlohe und die anderen Befehlshaber sind davon überzeugt, daß der Zugang zum Landgrafenberg — der sogenannte Apoldaer Steiger — für Artillerie unpassierbar und deshalb von dort her nicht mit einem Angriff starker gegnerischer Kräfte zu rechnen sei. Tatsächlich schaffen die Franzosen aber in der Nacht die Kanonen des Lannesschen Korps den Landgrafenberg hinauf. Als es dabei eine Stauung gibt, eilt Bonaparte herbei und leitet nun, eine Fackel in der Hand, selber die mühselige Arbeit. Er geht dann in der Nacht noch zweimal die Postenlinie ah und legt sich schließlich an der Südseite des »Windknollen«, inmitten der Gardeinfanteristen, zum Schlafen nieder.

Wie ist nun bei Jena das zahlenmäßige Kräfteverhältnis beschaffen? Die Armee Hohenlohes zählt rund 38 000, das Korps Rüchels rund 15 000 Mann, Demgegenüber verfügt Napoleon am Morgen des 14. Oktober über 56 600 Mann. Bis 11.00 Uhr treffen weitere 22 300 Mann (VI. Korps), bis Mittag noch einmal 18000 Mann (IV. Korps) ein. Von diesen 96000 Mann werden allerdings nur 54 000 unmittelbar eingesetzt. »Schlacht bei Jena« — das ist im Grunde nur eine zusammenfassende Bezeichnung für vier verschiedene Gefechte, die westlich und nördlich dieser Stadt bei Lützeroda/Closewitz, Rödigen/Lehesten, Vierzehnheiligen und schließlich Kapellendorf geführt werden. Gegen 6.00 Uhr läßt Napoleon durch die 20 000 Soldaten Lannes‘ den Kampf eröffnen. Über dem Gefechtsfeld liegt dichter Nebel. Die 8 000 Mann des Generals Boguslav Friedrich Emanuel Graf von Tauentzien haben gerade eine 3 000 Meter lange Schlachtlinie gebildet. Deren Zentrum befindet sich zwischen den Dörfern Lützeroda und Closewitz, beide etwa 3 Kilometer nordwestlich von Jena gelegen. Es entwickelt sich ein stehendes Feuergefecht. 

Die Gegner sehen einander nicht, und so halten die Franzosen Tauentziens Verband für viel stärker, als er tatsächlich ist. Gegen 8.00 Uhr lockert sich der Nebel auf, und die Franzosen drängen nun Tauentziens Truppen zum nahegelegenen Dornberg zurück. Hier entbrennt gegen 8.30 Uhr erneut ein stehendes Gefecht, in dem das Feuer der Franzosen verheerend wirkt. Nach 9.00 Uhr zieht Tauentzien sich dann, einem Befehl Hohenlohes folgend, nach Nordwesten auf das 4 Kilometer entfernt liegende Dorf Kleinromstedt zurück.

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Unterdessen beginnt im Norden ein weiteres Gefecht. Der knapp 5 000 Mann starke preußisch- sächsische Verband des Generals Friedrich Jacob von Holtzendorff ist in der Nacht über zwölf Dörfer um Rödingen und Lehesten (beide etwa 5 Kilometer nördlich von Jena) verteilt gewesen. Als Holtzendorff im Süden den einsetzenden Kanonendonner um 6.00 Uhr hört, läßt er seine Truppen sammeln. Ein Befehl Hohenlohes, Tautenzien zu Hilfe zu kommen, erreicht ihn nicht. Gegen 9.30 Uhr hat Holtzendorff endlich seine Truppen beisammen und greift die knapp 8 000 Mann starke Division St. Hilaire vom Korps Soults an, die durch das Rautal vorgerückt ist. Holtzendorffs 4 Infanteriebataillone entfalten sich in Linie und gehen gegen die Franzosen vor, die ein Wäldchen, das Lohholz, besetzt halten. Nach schweren Verlusten, ohne selbst etwas ausgerichtet zu haben, ziehen sie sich auf Holtzendorffs Befehl geordnet zurück. Jetzt trifft Soults Kavallerie (9 Eskadronen mit 1 400 Mann) ein und greift einen Teil von Holtzendorffs Kavallerie an, die überstürzt das Gefechtsfeld verläßt. Holtzendorff zieht sich nun nach Nordwesten auf das Dorf Stobra zurück und läßt seine Truppen eineinhalb Stunden lang rasten. Dann läßt er seinen Verband weitermarschieren - aber nicht etwa zu Hohenlohe hin, der mittlerweile im Kampf steht, sondern vom Gefechtsfeld weg, nach Apolda! Insbesondere Holtzendorffs starke Kavallerie - er hat insgesamt 21 Eskadronen - könnte in dem Hauptgefecht bei Vierzehnheiligen erheblich ins Gewicht fallen. Soult hingegen verliert keine Zeit und wendet sich sogleich gegen Hohenlohe.


Angriff bei Vierzehnheiligen

Hohenlohe hat in Kapellendorf übernachtet, das von Lützeroda fünfeinhalb Kilometer entfernt ist. Wenn er jetzt um 600 Uhr sofort seine Truppen alarmiert und dann Tauentzien mit seiner gesamten Armee zu Hilfe kommt, dann gerät Lannes‘ Korps in eine sehr schwierige Situation. Aber Hohenlohe nimmt den Kanondendonner nicht besonders wichtig, da er die Hauptkräfte der Franzosen bei Naumburg vermutet. In aller Seelenruhe diktiert er einen Bericht über die Ereignisse des Vortages. Er hält es nicht einmal für nötig, seinen Unterbefehlshabern Anweisungen zu geben. Gegen 7.00 Uhr brechen Hohenlohe und sein Stab endlich auf. Der preußische General Julius August von Grawert und der sächsische General Hans Gottlob von Zezschwitz, deren Divisionen östlich und südöstlich von Kapellendorf lagern, ordnen schließlich auf eigene Faust an, die Zelte abzubrechen.

Zezschwitz läßt die von ihm befehligte Division Niesemeuschel auf der »Schnecke«, einem eineinhalb Kilometer südwestlich von Lützeroda gelegenen Höhenzug, Stellung beziehen. Als Hohenlohe bei Grawert eintrifft, macht er diesem heftige Vorhaltungen wegen seines eigenmächtigen Handelns. Erst nach einigem Hin und Her stimmt er dem Vorhaben Grawerts zu, gegen die Franzosen, die langsam von Osten her näherrücken, Position zu beziehen. Er selbst entschließt sich, entgegen seinen Instruktionen, den Franzosen eine Schlacht zu liefern, und bittet Rüchel, ihm zu Hilfe zu kommen. Fortan hält er sich bei Grawert auf und beschränkt sich im Grunde während des ganzen folgenden Kampfes darauf, dessen Division zu kommandieren. Gegen 9.00 Uhr haben sich die Hauptkräfte Hohenlohes mit Front gegen das Dorf Vierzehnheiligen (4 Kilometer östlich von Kapellendorf, knapp eineinhalb Kilometer nordwestlich von Lützeroda) formiert. Das Kräfteverhältnis ist für ihn zunächst noch passabel. Hohenlohe hat 20 Bataillone Infanterie (darunter 9 sächsische) und 39 Eskadronen Kavallerie (darunter 20 sächsische). Napoleon hat bisher nur die 19 abgekämpften Bataillone Lannes‘ und 6 Bataillone Neys, die 5 000 Mann Gardeinfanterie und 15 Eskadronen Kavallerie zur Verfügung.

Der Nebel senkt sich, und die Sonne bricht durch. Die 10 preußischen Bataillone Grawerts bilden das erste Treffen und gehen gegen 9.30 Uhr - wie auf dem Exerzierplatz schnurgerade ausgerichtet - mit klingendem Spiel gegen Vierzehnheiligen vor. Die Bajonette und Degen, Trommeln und Trompeten gleißen im Sonnenlicht. In der Stunde seines Untergangs entfaltet das altpreußische Heer noch einmal all seinen kriegerischen Prunk.

Die französische Infanterie weicht aus. Hohenlohe hält 500 Meter vor Vierzehnheiligen die Infanterielinie an. Die französischen Tirailleure, die sich in dem Dorf befinden, werden durch Schützen und Füsiliere vertrieben. Das Dorf wird aber bald von starken französischen Infanteriekräften zurückerobert. Hohenlohe läßt nun seine Infanterielinie dicht an Vierzehnheiligen heranrücken und das Dorf mit Salven beschießen! 

Die preußische Artillerie setzt die Gehöfte mit Brandgeschossen in Flammen. Die Franzosen finden aber hinter Gartenmauern und Zäunen, Hecken und Bäumen Deckung und sind nur schwer zu treffen, während die Bataillone Grawerts wie riesige Zielscheiben dastehen. Auch im Sinne der alten friderizianischen Taktik kann es hier nur eins geben: das Dorf durch einen Bajonettangriff zu nehmen.Hohenlohe berät des langen und breiten mit seinem Gefolge. Einige der Offiziere drängen ihn, endlich anzugreifen. Da übertönt gegen 10.30 Uhr von Süden her heftiger Hufschlag den Gefechtslärm. 


Reitergefecht                        

Am Rande des lsserstedter Forstes donnern 6 Eskadronen französischer Reiter heran. Rote und grüne Dolmane flattern, und tausend geschwungene Krummsäbel funkeln. General Henri Gratien Bertrand, ein Adjutant Napoleons, hat das 9. Husaren-Regiment und das 21. Regiment Jäger zu Pferde vorgeführt, um die gegnerische Infanterielinie von Süden her aufzurollen. Doch diesmal sind die Preußen und Sachsen auf der Hut. Hell ertönt das Angriffssignal der Kavalleria. Ehe die Franzosen sich dessen versehen, preschen 4 Eskadronen — weiß uniformierte preußische Kürassiere vom Regiment Henckel und hellrot uniformierte sächsische Chevaulegers (Dragoner) vom Regiment Polenz — gegen deren linke Flanke vor. Der französische Kavalleriepulk wird völlig über den Haufen gerannt und bis zum Dornberg verfolgt. Ein großer Teil der Franzosen wird niedergemacht. 8 Offiziere und 50 Mann geraten in Gefangenschaft. Dieses Bravourstück ist freilich auch das einzige, das Hohenlohes starke Kavallerie zustande bringt. Als die Kürassiere und Chevaulegers von ihrer Verfolgungsjagd zurückkommen, sprengt gerade ein junger Offizier in hellblauem Rock mit weißen Aufschlägen und weißem Kragen auf Hohenlohe zu. Es ist der Leutnant von Förster von den Prittwitz-Dragonent Er salutiert und übergibt Hohenlohe eine Botschaft des Generals Rüchel. Der Fürst öffnet das Schreiben rasch und liest: »Ich komme den Augenblick mit dem größeren Teil zu Ew. Durchlaucht auf der Straße von hier nach KapellendorL und Sie schicken mir die Befehle entgegen, cito [schnell], wohin Sie Not leiden, cito.Ich helfe gern und aus Kräften als Freund. N. 5. [Nachschrift] Schleunige Nachricht in bloßen Befehlen. Rüchel.«

Hohenlohe entschließt sich nun, das Eintreffen von Rüchels Verband - das ja offensichtlich unmittelbar bevorsteht - abzuwarten und dann gemeinsam anzugreifen. An Rüchel schreibt er: »Bis jetzt geht es gut, ich schlage den Feind an allen Orten, die Kavallerie hat Kanonen genommen. Was Ew. Exellenz gegen Vierzehnheiligen vorbringen können, wird mir sehr angenehm sein. Sie sind ein braver Mann und rechtschaffener Freund.« Beim Satz »die Kavallerie hat Kanonen genommen« ist der Fürst mit der Wahrheit etwas großzügig verfahren. In Wirklichkeit hat man lediglich den Franzosen einige preußische Geschütze wieder abgejagt, welche diese zuvor erobert hatten. 


  franz. Artillerist

Die preußisch-sächsische Schlachtlinie steht unbeweglich etwa eineinhalb Stunden lang vor dem Dorf Vierzehnheiligen im Feuer der französischen Infanterie und Artillerie. Um gegnerische Überflügelungsversuche abzuwehren, wird die Linie mehr und mehr nach Nordosten und Süden verlängert und um Vierzehnheiligen herumgebogen. Sie reicht schließlich von der Krippendorfer Windmühle im Nordosten bis zum Dorf Isserstedt im Süden. Die Infanterie Hohenlohes drängt zwar nördlich und südlich von Vierzehnheiligen den Gegner zurück. Napoleon scheint die Lage aber nicht als bedrohlich anzusehen, denn auch jetzt setzt er seine Gardeinfanterie nicht ein. Da bei den Franzosen laufend Verstärkungen eintreffen, verschiebt sich das Kräfteverhältnis immer mehr.

Als die Mittagsstunde herannaht, besitzt Napoleon bereits eine erdrückende zahlenmäßige Überlegenheit. Holtzendorff ist schon abgezogen. Die 7 000 Sachsen auf der »Schnecke« samt den kleinen preußischen Detachement Boguslawski beteiligen sich praktisch nicht am Kampf. Da insbesondere die Truppen Tauentziens und Grawerts bereits schwere Verluste erlitten haben, verfügt Hohenlohe zu diesem Zeitpunkt nur noch über rund 20 000 Mann. Zwischen 11.30 Uhr und 12.00 Uhr geht Bonaparte zum Angriff über. Soult geht zwischen Krippendorf und Vierzehnheiligen vor, Lannes bei Vierzehnheiligen, Ney zwischen Vierzehnheihgen und lsserstedt, die Division Desjardins vom Korps Augeraus über Isserstedt. Die dünne preußisch-sächsische Infanterielinie, die so lange in dem furchtbaren Feuer ausgeharrt hat, reißt beim Angriff der französischen Infanteriekolonnen. Hohenlohe muß den allgemeinen Rückzug anordnen. Als die Kavallerie Joachim Murats attackiert, wird der Rückzug zur regelrechten Flucht. in dem allgemeinen Durcheinander bildet das sächsische Bataillon »Aus dem Winkel« ein Karree (Viereck) und geht in guter Ordnung zurück. Die drohende Katastrophe wird durch das Erscheinen von Rüchels Korps noch einmal abgewendet. Hat Hohenlohe seine Truppen schon sehr ungeschickt geführt, so übertrifft Rüchel ihn noch bei weitem. Rüchels Verband lagert am Morgen des 14. Oktober am Webicht, einem Wäldchen nordöstlich von Weimar. Die Entfernung zwischen seinem Lager und Kapellendorf beträgt etwa 7 Kilometer. Rüchel hört natürlich den Kanonendonner, der von Osten her herüberdringt. Gegen 9.00 Uhr überbringt ihm Leutnant von Förster Hohenlohes Bitte, ihn zu unterstützen. Es wird später nie geklärt werden, weshalb Rüchel stundenlang trödelt und erst gegen 13.00 Uhr westlich von Kapellendorf eintrifft. Schriftliche Beweise werden sich dann nicht finden, aber einige Zeitgenossen und einige Historiker werden es für möglich halten, daß General Rüchel absichtlich erst so spät kommt. Rüchel kann Hohenlohe nicht ausstehen. Will er jetzt womöglich abwarten, bis Hohenlohe sozusagen das Wasser bis zum Halse steht - um dann im letzten Augenblick die Schlacht zu wenden und den Siegeslorbeer allein einzuheimsen?

Rüchel kommt mit 12 000 Mann, die übrigen 3 000 hat er als Sicherung am Webicht zurückgelassen. Kapellendorf liegt inmitten eines Tals, das vom Werlitzgraben durchschnitten wird und nach Osten und Westen ansteigt. Als Rüchel am westlichen Höhenrand anlangt, sieht er die fliehenden Truppen Hohenlohes und die nachdrängenden Franzosen. Rüchel bildet nicht etwa am westlichen Höhenrand eine Auffangstellung, sondern marschiert mit seinen Truppen den Hang hinunter und zwängt sich durch Kapellendorf hindurch, dessen Straßen von Fuhrwerken und fliehenden Soldaten verstopft sind. Dann läßt er seine Infanterie Linie bilden und den steilen östlichen Hang empor vorrücken.


franz. Trommler      

Auf dem Kamm dieses Hangs stehen starke französische Artillerie und Infanterie bereit, die ein regelrechtes Scheibenschießen veranstalten. Allein das Berliner Regiment von Winning verliert binnen kurzer Zeit 17 Offiziere und 764 Mann. Nach einer halben Stunde fluten die Überreste von Rüchels Truppen wieder den Hang hinunter. Später will natürlich keiner der Sündenbock sein. Rüchel wird erklären: er habe Hohenlohes Stabschef Massenbach ausdrücklich gefragt, wie er vorgehen solle,  der habe ihm gesagt: »Jetzt durch Kapellendorf«. Dieser wird das abstreiten. Daß Hohenlohe das Vorgehen Rüchels billigte, wird aber eindeutig geklärt.

Erst nachdem General Rüchel so jämmerlich geschlagen worden ist, tritt die sächsische Division Niesemeuschel in Richtung auf das Dorf Kötschau den Rückzug an. (Hohenlohes hatte allen Ernstes vergessen, daß diese Division noch immer auf der »Schnecke« stand, und General Zezschwitz wollte ohne ausdrücklichen Befehl nicht abrücken.) Die Sachsen geraten bald in fürchterliches Artilleriefeuer und werden vor Kötschau von allen Seiten von starker Kavallerie angegriffen. Zezschwitz kann mit zwei Eskadronen Karabiniers den Ring der Franzosen durchbrechen. Seine Infanterie aber muß sich, nachdem sie den Franzosen zunächst tapfer Widerstand geleistet hat, ergeben. 


       Tod Braunschweigs

Die Bilanz des blutigen Tages: etwa 10 001 sächsische Soldaten sind gefallen oder verwundet worden, weitere 10 000 in Gefangenschaft geraten. Bei den Franzosen hat die Division Suchet vom Korps Lannes 75 Offiziere und  2570 Mann, also 23 Prozent, verloren. Der Gesamtverkust der Franzosen beträgt etwa 7500 Tote und Verwundete Rüchel wird erklären: er habe Hohenlohes Stabschef Massenbach ausdrücklich gefragt, wie er vorgehen solle, und der habe ihm gesagt: »Jetzt durch Kapellendorf.« Massenbach wird das abstreiten. Daß Hohenlohe das Vorgehen Rüchels billigte, wird aber eindeutig geklärt.

Schlacht bei Auerstedt

Am 14. Oktober setzt sich um 6.00 Uhr morgens - genau zu dem Zeitpunkt, wo bei Lützeroda und Ciosewitz die Jenaer Schlacht beginnt - die preußische Hauptarmee 15 Kilometer weiter nördlich davon umständlich in Marsch. Diese Armee hat die Nacht über bei dem Dorf Auerstedt gelagert. Ihre Marschrichtung ist Nordost, ihr Ziel heißt Freyburg. Die Hauptarmee soll dort die Unstrut überschreiten und nördlich von Freyburg Stellung beziehen. An der Spitze der Armee trabt das 2. Bataillon des Regiments Königin-Dragoner mit der reitenden Batterie Graumann. Die Dragoner stoßen bei den Dörfern Poppel und Taugwitz auf schwache französische Kavallerie und treiben sie zurück. Bei der Verfolgung geraten sie bei dem Dorf Hassenhausen unversehens in das Feuer französischer Artillerie und Infanterie. Die Preußen müssen zurück, wobei sie 8 Geschütze einbüßen. Die Franzosen bei Hassenhausen sind die Vorhut des III. Korps, das von Marschall Louis Nicolas Davout befehligt wird. Davout hat den Befehl Napoleons, nach Apolda zu marschieren, um 3.00 Uhr morgens erhalten und rückt nun von Naumburg her in südwestlicher Richtung vor. Beide Armeen bewegen sich somit, ohne voneinander zu wissen, genau aufeinander zu. Es herrscht dichter Nebel. Obendrein sind beide Armeen weit auseinandergezogen, und ihre Verbände treffen erst nach und nach auf dem Gefechtsfeld ein. So haben Preußen und Franzosen überhaupt keine Vorstellung, wie stark der Gegner ist. Der Herzog von Braunschweig und seine Stabsoffiziere wissen nicht, daß sich ihnen eine einzigartige Siegeschance bietet - und Davout weiß nicht, daß seine Lage äußerst bedrohlich ist.

 

Die preußische Hauptarmee umfaßt 5 Divisionen und eine sogenannte leichte Brigade, die vor allem aus Füsilieren und Husaren besteht. Zusammen sind das 49 800 Mann. Demgegenüber zählt Davouts Korps (3 Divisionen und eine Kavalleriebrigade) ganze 27300 Mann. Die Überlegenheit der preußischen Kavallerie und Artillerie ist geradezu erdrückend: 80 Eskadronen (8 800 Reiter) und 230 Geschütze der Preußen stehen gegen 9 Eskadronen (1 300 Reiter) und 44 Kanonen der Franzosen.

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Gegen 7.30 Uhr erreicht Davout mit der Division Gudin Hassenhausen. Er stellt das 85. Infanterieregiment südlich des Dorfes auf, die drei anderen Regimenter nördlich davon. Erst gegen 9.00 Uhr treffen die Division Friant und die Kavalleriebrigade ein. Blücher greift die Franzosen mehrmals mit einigen Eskadronen an, doch alle Attacken werden abgewiesen. Unterdessen rücken Infanterie und Artillerie der Preußen im Schneckentempo heran. Alle Truppen müssen durch Auerstedt hindurch, dessen Straßen durch Troßwagen und Packpferde verstopft sind. Über eine Brücke, die am südlichen Dorfrand über den Emsbach führt, werden sämtliche Kolonnen geleitet, obgleich es nur 50 Meter weiter eine seichte Furt gibt. Gegen 9.00 Uhr endlich greift als erste die Division Schmettau nördlich der nach Kösen führenden Chaussee die Franzosen an. Unterdessen reitet der Herzog von Braunschweig mit Scharnhorst, Boyen und weiteren Offizieren nach vorn, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Er erfaßt sogleich, daß man Davouts Position am besten von Süden her bedrohen kann. Der Herzog zeigt auf die Hügel, die sich südlich von Hassenhausen hinziehen, und sagt: »Das ist der Schlüssel zum Siege. Wenn wir diese Höhen mit Infanterie und Geschütz besetzen, so ist der Sieg unser.« Dann gibt er Scharnhorst den Befehl, zur Division Schmettau zu reiten und dort nach dem Rechten zu sehen. Er faßt den Generalstabschef, mit dem er in den letzten Tagen auf sehr gespanntem Fuße gestanden hat, scharf ins Auge und sagt: »Ich mache Sie für alles, was dort geschieht, verantwortlich.« Boyen erhält den Auftrag, den Vormarsch der Division Wartensleben, die südlich der Chaussee angreifen soll, zu beschleunigen. Davout trifft umsichtig seine Gegenmaßnahmen. Er läßt das 21. Infanterieregiment in Hassenhausen in Stellung gehen und verstärkt seinen schwachen linken Flügel durch das 12. Regiment.

 

Dragoner-Rgt Irving

Das 85. Regiment wird unterdessen überraschend vom preußischen Dragonerregiment Irwing angegriffen. Nur ein Teil der Soldaten kann noch schnell ein Karree bilden. Die anderen werden teils niedergestochen, teils werfen sie die Gewehre hin und flüchten ins Dorf hinein. Bald darauf wird der Herzog von Braunschweig durch einen Kopfschuß tödlich verletzt. Der König müßte jetzt sofort eine Entscheidung fällen: entweder selbst das Kommando zu übernehmen oder einen neuen Oberbefehlshaber zu ernennen. Er tut jedoch keines von beiden, und so hört bei den Preußen jegliche einheitliche Kampfführung auf. Nicht nur jeder Divisionskommandeur, sondern auch jeder Flügeladjutant oder Generalstabsoffizier ordnet nun eigenmächtig an, was er aus seiner begrenzten Sicht für richtig hält.

Besonders schwerwiegend ist, daß sich niemand zuständig fühlt, die Kavallerie zusammenzufassen und geschlossen einzusetzen. Generalstabchef Scharnhorst wird nicht einmal darüber informiert, daß der Oberbefehlshaber ausgefallen ist. Als der Divisionskommandeur Karl Friedrich Wilhelm Graf von Schmettau tödlich verwundet wird, nimmt Scharnhorst de facto dessen Platz ein und konzentriert sich fortan ausschließlich auf das Geschehen am linken Flügel der Preußen. Trotz dieses Befehlschaos steht die Schlacht noch einige Zeit lang günstig für die Preußen. Die Infanterie der Divisionen Schmettau und Wartensleben rückt zügig vor. Zwar unterbleibt genau wie vor Vierzehnheiligen das Naheliegende, Hassenhausen durch einen Bajonettangriff zu nehmen. Auch richten die Preußen mit ihren ungezielten Salven gegen die Tirailleure, die sich in Hassenhausen eingenistet haben, nur wenig aus. Aber die Masse der französischen Infanterie, die nördlich und südlich der Ortschaft in Linie und Kolonne kämpft, bietet große Ziele. Im Schnellfeuer der Preußen stürzen die französischen Soldaten reihenweise zu Boden. Davout sprengt im Galopp von Regiment zu Regiment, trifft überall schnell sachgerechte Entscheidungen und spornt seine Soldaten an, eisern auszuharren. Seine goldstrotzende Uniform ist im Pulverdampf schwarz geworden. Der Marschall wird von mehreren Kugeln gestreift, bleibt aber wie durch ein Wunder unverletzt. Die Verluste der Preußen sind noch größer als die der Franzosen. Trotzdem drängen ihre beiden Divisionen die Truppen Davouts nördlich und vor allem südlich von Hassenhausen immer weiter zurück. Jeden Augenblick kann sich die Zange schließen. Schon müssen die Franzosen Hassenhausen räumen. 

 

Auf preußischer Seite ist die Division Oranien, auf französischer Seite die Division Morand im Anmarsch. Wer wird zuerst kommen und den Ausschlag geben? Gegen 10.30 Uhr erreicht die Division Morand das Gefechtsfeld. Als erste Einheit stürzt im Laufschritt das 13. Leichte Infanterieregiment heran. Die französischen Soldaten greifen todesmutig die Division Wartensleben an. Binnen kurzem wird jeder zweite Soldat dieses Regiments getötet oder verwundet. Doch die vier Regimenter, welche dem 13. Regiment folgen, zertrümmern die ausgebrannten Divisionen Schmettau und Wartensleben völlig und treiben deren Überreste vor sich her. 

Die anrückende Division Oranien kann die Franzosen noch etwa eine Stunde lang aufhalten, dann muß auch sie zurückgehen. Doch noch stehen auf preußischer Seite zwei Divisionen und eine Brigade frischer Truppen bereit! Würde deren Befehlshaber Kalckreuth sie jetzt geschlossen in den Kampf führen nichts könnte Davouts abgekämpfte und dezimierte Regimenter retten! Doch die preußischen Truppen werden völlig verzettelt eingesetzt, und am Nachmittag ordnet König Friedrich Wilhelm III. schließlich den Rückzug an. Carl von Clausewitz wird das später in seinem klassischen Werk »Vom Kriege« auf die Formel bringen: »Man versäumte, die 18 000 Mann Reserve des Generals Kalckreuth zu gebrauchen, um die Schlacht zu wenden, die unter diesen Umständen unmöglich zu verlieren war.« Anders als bei Jena verlassen die Preußen bei Auerstedt geordnet das Schlachtfeld. 10 000 preußische Soldaten sind gefallen oder verwundet worden, 3 000 in Gefangenschaft geraten. Davouts Korps hat für seinen glänzenden Sieg einen hohen Blutzoll entrichten müssen: 298 Offiziere und 6 796 Soldaten sind tot oder verwundet. Das sind 25,5 Prozent der eingesetzten Kräfte (bei der Division Gudin sind es sogar 41 Prozent). Davouts Soldaten haben unter so ungünstigen Bedingungen kämpfen müssen, weil der Befehlshaber des 1. Korps, Jean-Baptiste Jules Bernadotte, sie schnöde im Stich gelassen hat. Bernadotte ist wie Davout am Morgen des 14. Oktober von Naumhurg aus aufgebrochen. Gegen 10.00 Uhr erreichte er mit seinen Truppen Dornburg. Hier hörte er von Norden und Südwesten her das Donnergrollen der Kanonen, kam aber weder dem schwachen Korps Davouts noch der starken Armee Napoleons zu Hilfe. Vielmehr marschierte er ohne Feindberührung gemächlich nach Apolda. Gegen 16.30 Uhr steht Bernadotte nun bei Apolda auf einem Hügel und betrachtet in aller Seelenruhe, wie die Kolonnen der Preußen abrücken. Er denkt gar nicht daran, sie anzugreifen - möglicherweise deshalb, weil er den Ruhm Davouts nicht noch weiter mehren will! Da prescht Davouts Adjutant heran und fordert ihn im Auftrag seines Marschalls auf, die geschlagenen Preußen energisch zu verfolgen.

 

  Flucht nach Erfurt

Doch Bernadotte fertigt den Offizier wie einen dummen Jungen ab und sagt ganz von oben herab: »Kehren Sie zu ihrem Marschall zurück! Sagen Sie ihm, daß ich da sei und er ohne Befürchtungen sein möge! Reiten Sie!« Jeder andere Marschall an Bernadottes Stelle würde sich vor dem Kriegsgericht wiederfinden und müßte um seinen Kopf fürchten. Dergleichen Sorgen freilich hat Bernadotte nicht. Er hat sich zwar in den letzten Jahren keine großen militärischen Verdienste erworben. Dafür aber hat er etwas viel Besseres aufzuweisen: seine Frau Désirée Désirée Clary ist einst die Braut Napoleons gewesen, und obendrein ist ihre Schwester mit Joseph, dem ältesten Bruder des Kaisers, verheiratet.

Bernadotte gehört somit zur weitläufigen Verwandschaft Bonapartes. Die Maßstäbe, welche für gewöhnliche Marschälle gelten, berühren ihn deshalb nicht. Doch auch mit dem Chef des Bonaparteschen Familienverbandes soll Davout noch Ärger bekommen. Am Abend des 14. Oktober - während seine Soldaten bei Auerstedt ein Feldlager aufschlagen und Wachtfeuer anzünden - bezwingt der Marschall seine bleierne Müdigkeit und arbeitet noch einen exakten Bericht über die Kampfhandlungen dieses denkwürdigen Tages aus. Am nächsten Morgen übergibt der Adjutant Davouts dessen Rapport dem Kaiser. Napoleon beginnt zu lesen, und seine Stirn umwölkt sich rasch. Je weiter er liest, desto weniger gefällt ihm der Bericht. Plötzlich überkommt den Imperator ein Wutanfall, und er brüllt den erschrockenen Adjutanten an: »Ihr Marschall sieht wohl doppelt?« Bonaparte kennt Davout bereits sehr lange. Vor der Revolution haben sie gemeinsam die Kriegsschule von Brienne besucht. Napoleon weiß ganz genau, daß Davout nicht nur einer seiner besten Heerführer, sondern auch ein äußerst korrekter Offizier ist. Wenn Davouts Angaben stimmen - und Bonaparte hat keinen Grund, das zu bezweifeln —‚ dann hat der Marschall am Vortage seinen Kaiser übertrumpft und eine weitaus größere militärische Leistung vollbracht. Napoleon hat eine Armee besiegt, die nur halb so stark wie seine eigene war. Davout hingegen eine doppelt überlegene. So reich Napoleon an überragenden Fähigkeiten und imponierenden Eigenschaften ist, so ist er doch auch ausgesprochen eitel und kann einen reichlich kleinkarierten Neid entwickeln. Er sieht es gar nicht gern, wenn andere Feldherren allzuviel Siegeslorbeer ernten. Der Kaiser beschließt, die Frage, wer denn am 14. Oktober der Größte gewesen ist, für die Zeitgenossen und die Nachwelt in seinem Sinne zu klären. 

 

Er sorgt dafür, daß der Rapport Davouts im Militärarchiv verschwindet - wo er dann erst nach Jahrzehnten wieder ausgegraben wird -‚ und läßt einen offiziellen Bericht veröffentlichen, in dem auf 213 Zeilen die Schlacht bei Jena geschildert wird. Es versteht sich, daß dabei die Leistungen Bonapartes mächtig herausgestrichen werden. Von einer Schlacht hei Auerstedt ist in diesem Bulletin überhaupt nicht die Rede. Es ist dort lediglich zu lesen, daß Davout im Rahmen der Schlacht »bei Jena« den »rechten Flügel« der französischen Armee kommandiert habe.


Siegesparade Napoleons        

Die Darstellung des Kampfes, den dieser angebliche »rechte Flügel« der Armee bei Auerstedt führte, umfaßt im offiziellen Bericht 8 Zeilen. Freilich ist Napoleon bei aller Ruhmsucht viel zu klug, als daß er gerade einen seiner fähigsten Heerführer auf Dauer verärgern würde. So darf Marschall Davout am 25. Oktober 1806 mit seinem Korps, das in den Schlachten von Austerlitz und Auerstedt so ruhmvoll gekämpft hat, als erster in die Hauptstadt Preußens einmarschieren. Napoleon ernennt Davout dann 1808 zum »Herzog von Auerstedt« und schließlich im Jahre 1809 zum »Fürsten von Eckmühl«.