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Erste Scharmützel
Die preußische Armee ist in der Nacht vom 3. auf den 4. Juni von Jauernick
über Stanowitz, ein Teil über die Stanowitzer Anhöhe und durch Gräben marschiert, wo sie sich über die Gräbener Felder an den
Fuchsbergen herumzog. Die Artillerie jedoch ist direkt durch die Stadt gegangen
und zwar zum Schweidnitzer Tor herein und das Jauertor hinaus und hat sich am
Breiten Berg herum gegen Pilgramshain und die Fuchsberge gezogen. Um den
Durchzug geräuschlos zu bewerkstelligen, sind die Räder der Geschütze mit
Stroh umwickelt worden.
Das Schlachtfeld
Gerade bevor die Preußen
kamen, besetzten die Sachsen eine der Anhöhen. Sie wurden von dort aber sogleich vertrieben. Kein
Verantwortlicher der Verbündeten schloß hieraus auf eine drohende Gefahr, wohl
deshalb, weil man Friedrichs Armee hierfür zu weit entfernt glaubte. Nach
Friedrichs Anweisungen sollte sich General Nassau mit seinen Truppen allmählich
an du Moulin heranziehen, der mit der Vorhut seit 8 Uhr abends unterwegs war.
Der Hauptteil der Armee zog in völliger Dunkelheit in zwei Kolonnen
treffenweise gegen Striegau über das Striegauer Wasser und hatte es so
einzurichten, daß um 2 Uhr sein Aufmarsch in zwei Linien abgeschlossen war.
Nachdem General du Moulin mit seinen sieben Grenadierbataillonen die Sachsen
von drei ersteigbaren Höhen verdrängt hatte, sah er von der Besetzung der
vierten, aus Richtung Striegau kaum ersteigbaren Höhe ab, auf der die Sachsen
also postiert blieben. Daraus ergab sich die kuriose Situation, daß beide
Seiten über Nacht unterm Gewehr blieben und den Morgen abwarten mußten.
General du Moulin, ein Vorwärtsdränger, mußte sich im Zaum halten, da er
sonst die Absichten Friedrichs verraten hätte. Überhaupt waren von den
Preußen nächtliche Schießereien und Scharmützel nicht vorgesehen, da man ja
die Ausgangsstellungen unbemerkt erreichen wollte. Aber die Sachsen schienen
überall zu sein.
Auch General Stille mit seinen Dragonern gerät noch in der Nacht an
sächsische Kavallerie, die er von einem Höhenzug vertreibt. An anderer Stelle
ergriffen die Sachsen die Initiative, indem sie sich mit vier
Grenadierbataillonen von Pilgramshain her auf einen Höhenzug schoben, um von
hier aus das von ihnen bei Striegau vermutete kleine preußische Korps am Morgen
zu überfallen.
Natürlich hatte sich Friedrich in seiner umsichtigen Art auch um seinen
linken Flügel gekümmert, der dem rechten der Verbündeten, aus Österreichern
bestehend, bei Hohenfriedberg gegenüber stand. Hier waren die
Bayreuth-Dragoner und Zieten-Husaren am sogenannten Nonnenbusch aufgestellt, so
daß Nadasdys Kundschafter nicht durchkommen konnten und die linke Flanke gegen
Überraschungen durch die Österreicher geschützt blieb. Am frühen Morgen war die preußische Armee vollständig
aufmarschiert.
Noch einmal ebenso kurz und knapp Friedrichs Schlachtplan:
Die Armee hat
treffenweise rechts abzumarschleren und das Striegauer Wasser zu überschreiten,
die Kavallerie sich auf Pilgramshain zu entwickeln und die Vorhut du Moulins
gegen dieses Dorf vorzugehen. Der rechte Infanterieflügel vollzieht seinen
Aufmarsch dem Sumpfgebiet der Gule gegenüber und, wie schon erwähnt, die
Kavallerie des linken Flügels hat den Aufmarsch des linken Infanterieflügels
zu decken. Der Angriff erfolgt echelon- und brigadeweise. Vorerst hatte die preußische Armee nur auf dem rechten Flügel
vorzugehen, bei den Sachsen also.
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Friedrichs Schlachtplan
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Die Preußen griffen an! Als dies geschah, ertönten von dem vorgeschobenen
Posten der Sachsen die ersten Kanonenschüsse; du Moulin war angetreten.
Im weiteren Vorrücken erkannte der General, daß er nun tatsächlich den
gesamten gegnerischen linken Flügel vor sich hatte. Inzwischen hatte auch du
Moulin Friedrich gemeldet, die Vorposten der Sachsen geworfen zu haben und daß
er zum eigentlichen Angriff übergehen würde.
Die Schlacht
Sonnenaufgang um 4.15 Uhr, ein langer Sommertag brach an. Gut eine Stunde lang war es schon
hell genug, sich in der Gegend zurechtzufinden. Nachdem Friedrich gegen 2 Uhr
seinen Generalen die Disposition zur Schlacht erteilt hatte, begaben diese sich
zu ihren Truppen und der Abmarsch begann. Friedrich setzte sich an die
Spitze der Armee, die in zwei Treffen rechts nach Gräben abging, wo die frisch
hergestellten Brücken über das Striegauer Wasser gute Übergangsmöglichkeiten
boten. Gerade war man dabei, als General du Moulin Friedrich meldete, er stoße
bereits auf den Feind. Das kam, wie schon bekannt, für Friedrich
überraschend, der glaubte, daß auch die Vorhut noch eine Weile bis zur ersten
Feindberührung marschieren müsse.
Zur Überraschung kam die Ungewißheit: Wie stark ist der Feind? Um kein
Risiko einzugehen, ließ du Moulin, der um seine eigene rechte Flanke
fürchtete, sofort rechts weiter ausholen, um den Feind, wenn er ihn nicht
überflügeln konnte, aus seinen Stellungen zu vertreiben. Der Vormarsch der
Vorhut ging ungebrochen weiter. Es muß noch vor 4 Uhr gewesen sein, als die
Sachsen erkannten, daß eine größere Sache im Gang war und sie das Feuer
eröffneten. Ihr Kanonenfeuer sollte nicht nur die Preußen behindern, sondern
auch die eigene Armee alarmieren.
Preußischer
Angriff |
Noch immer nicht davon überzeugt, die Preußen griffen mit aller Macht an,
veranlaßte Weißenfels wenigstens das Vorgehen der Kavallerie und die Bildung eines
zweiten Infanterietreffens. Ungeachtet des sächsischen Artilleriefeuers ging du
Moulins Vorhut planmäßig vor und Oberstleutnant Pahlen ging ebenso
befehlsmäßig zurück. Er verließ den Breitenberg, schloß sich den hinter ihm
stehenden Grenadierbataillonen an, um mit ihnen weiter bis nach Pilgramshain
zurückzugehen. Wie kraß die Gegensätze auf beiden Seiten waren, zeigen die
nächsten Vorgänge: Als die Sachsen sich zurückzogen, wurden sie für die
Preußen eine Zeitlang unsichtbar, da ein Tannengehölz zwischen zwei Hügeln
sie verdeckte.
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Aber ganz richtig vermuteten die Preußen, daß der ganze linke
Flügel der Sachsen ihnen gegenüberstehen müsse und sie gingen entschlossen
weiter vor.Was bot sich ihren Augen? Die sächsischen Truppen kamen in
höchster Eile und großer Auflösung aus dem Lager gerannt, um sich in
Schlachtordnung zu stellen. Während ihre Vorhuttruppen bereits nach Pilgramshain zurückfluteten! Die Sachsen ohne informierte Führung, die
Preußen offenbar mit guter Übersicht und straff geführt. Sie zögerten keinen
Augenblick, ihre Geschütze auf der sogenannten höchsten Höhe zu postieren und
eine Kanonade auf das sächsische Durcheinander zu eröffnen. Es galt
anzugreifen, ehe der Feind sich formieren konnte.
Im Laufe dieser Vorhutkämpfe, die die Schlacht eröffneten, zeigte sich
General du Moulin als idealer Befehlshaber, der, da Friedrich ihn nicht immer
erreichen konnte, selbständig im Rahmen des gültigen Schlachtplanes handelte.
Wie sich später herausstellte, hat er beinahe »getrennt gefochten«. Hierbei
mußte er immer weiter nach rechts ausholen, um den Feind zu überflügeln. Da
er gut mit Artillerie bestückt war, gelang es ihm, feindliche Aufstellungen mit
präzisem Feuer zu stören, besonders, als er es in ihre Kavallerie richten
ließ.
Zu dem Feuer, das du Moulin auf die sächsisch-österreichische Kavallerie
richten ließ, die der Herzog von Weißenfels persönlich südlich Pilgramshain
aufstellte, gesellte sich jetzt Friedrichs Kanonade aus sechs 24-Pfündern, die
er auf dem Fuchsberg bei Gräben hatte auffahren lassen. Dennoch entwickelte
sich zwischen 5.30 Uhr und 6.30 Uhr südöstlich von Pilgramshain ein
klassischer Reiterkampf, der von Friedrich eigentlich nicht geplant war. Aber
der sächsische Gegner stellte sich viel eher und tapferer als erwartet.
Mit 26 Kürassierschwadronen bildete Graf Rothenburg das erste preußische
Treffen, das mit seinem linken Flügel die Österreicher zurückwarf, während
auf dem rechten Flügel den Preußen dieses Mißgeschick durch die Sachsen
widerfuhr; von echter preußischer Überlegenheit konnte keine Rede sein. Doch
die Husaren du Moulins bereinigten die Lage. Dort, wo einzelne sächsische
Schwadronen durchgebrochen waren, gerieten sie an die Dragoner des Generals
Stille und vor allem in das Feuer der Grenadiere du Moulins und des in
Aufstellung begriffenen rechten Infanterieflügels der Preußen. Der Herzog von Weißenfels mochte sich nicht geschlagen geben und führte
seine Reiterei zu neuem Angriff vor.
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Preußischer
Kavallerieangriff
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In dem Handgemenge behielten die Preußen
schließlich die Oberhand, und die verbündete Reiterei löste sich auf und wich
an Pilgramshain vorbei und durch den Ort auf Eisdorf zu. Hier machte der
preußische General von der Goltz den sächsischen General von Schlichting zum
Gefangenen. Dramatische Szenen spielten sich in Pilgramshain ab, wo durch eine
Stockung der Gegner kaum flüchten konnte und von preußischen Husaren
zusammengehauen wurde. Die preußische Reserve drängte ohne Zögern nach und
trieb den linken Kavallerieflügel der Verbündeten vom Schlachtfeld. Hier war
zum Auftakt ein glänzender Erfolg erzielt worden. Während der Kämpfe schienen
die Sachsen stellenweise in große Unordnung geraten zu sein, da den Vorgehenden
bereits die ersten Flüchtlinge entgegenkamen und Freund und Feind
offensichtlich nicht mehr zu unterscheiden waren. Unordnung bei den Preußen war
dank ihrer Disziplin rasch beseitigt.
Der Reiterkampf war noch im Gang, da vollzogen die sechs Bataillone des
preußischen rechten Flügels ihren Aufmarsch, um die Sachsen aus ihren Stellungen im Gebiet der Gule zu werfen. Dort standen sie in einem hinten
offenen Viereck, gut gedeckt von Dämmen, Gräben, Gehölzen und Wegen, und es
war ein Wagnis, sie ohne Artillerievorbereitung anzugreifen. Auch sorgte
Friedrich ohne Unterlaß dafür, daß der Anschluß an den äußersten rechten
Flügel du Moulins nicht verlorenging und daß im Bemühen um Überflügelung
des Gegners nicht nachgelassen wurde. Aber es war schon jetzt zu erkennen, daß
eine »echte« schiefe Schlachtordnung nicht zustandekommen würde.
Unter Führung von Prinz August
Wilhelm, dreier Prinzen des Hauses Anhalt, des Prinzen von Bevern und des alten
Truchseß rückten 21 Bataillone unter fliegenden Fahnen und dem Schlagen des
Grenadiermarsches vor. Die Verteidiger standen mit 16 Bataillonen im ersten und
14 im zweiten Treffen zum Empfang bereit. Schwere preußische Batterien auf dem
Fuchsberg bereiteten den Angriff vor, aber sie konnten nicht verhindern, daß
die Preußen mit verheerendem Kartätschenfeuer bedacht wurden. Auf 200 Schritt
begann beiderseits das Gewehrfeuer.
Vormarsch
der preußischen Infanterie |
Da hat immer der Verteidiger, hier die
Sachsen, die besseren Möglichkeiten, da er ruhiger und im Liegen und Knien
schießen kann. Doch dann antworteten die preußischen Flügel mit wohlgezieltem
Pelotonfeuer, während sie ohne Zögern vorrückten. Gemäß den Instruktionen
drang das Regiment Anhalt, vom Erbprinzen Leopold persönlich geführt, mit
geschultertem Gewehr, ohne selbst zu schießen gegen die Sachsen vor. Diese
standen in ungünstiger Position, da der stetige kräftige Ostwind Pulverdampf
und Staub ins Gesicht blies und ihnen die Sicht nahm. Schließlich mußten sie
ihre Stellungen mitsamt ihrer Artillerie aufgeben und aufs zweite Treffen
zurückgehen.
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Dieses zweite Treffen hatte auf dem Damm, der den Weg von Pilgramshain nach
Günthersdorf bildet, Aufstellung genommen, um den nächsten Angriff der
Preußen abzuwehren. Zuerst zogen die preußischen Mannschaften ihre Geschütze
vor und eröffneten das Feuer, dann traten die erneut geordneten Bataillone an,
diesmal unterstützt durch einen Angriff der sechs Bataillone des Grafen
Truchseß gegen die rechte Flanke des sächsischen zweiten Treffens.
Immer wieder versuchte Friedrich das Erfolgsrezept des Flankenangriffs, um
gegnerische Aufstellungen zum Einsturz zu bringen. Für Graf Truchseß war es
die letzte Schlacht, eine Kanonenkugel riß ihn vom Pferd. Die preußischen
Bataillone jedoch marschierten durch die Gule vor, durch Teiche und Gräben,
über den Damm hinweg und drückten die Verbündeten schließlich auf Häslicht
zurück. Schon stand preußische Kavallerie bereit, sie nun auch auf der linken
flanke zu bedrohen. Es klappte eigentlich alles nach Wunsch für die Preußen,
doch nach dem Gewinn des schwierigen Geländes der Gule ließ Prinz Leopold
anhalten, damit seine Soldaten sich erholen konnten.
Gegen 6.30 Uhr, es war inzwischen taghell, zeichnete sich der Untergang
der Sachsen und damit des gesamten feindlichen linken Flügels ab. Einzelne
Einheiten hatten in der Nacht kaum geruht, sie waren übermüdet und sahen sich
jetzt von den Österreichern im Stich gelassen und von allen Seiten angegangen.
Natürlich war auch General du Moulin nicht untätig geblieben und war,
verstärkt durch vier Bataillone des zweiten Treffens, den Sachsen mitten in
ihren Rückzug nach Pilgramshain, Häslicht und Eisdorf geraten. Achtzehn
sächsische Grenadierkompanien wurden auseinandergesprengt, bevor sie ein
schützendes Dorf erreichen konnten, sie verloren elf Offiziere und 800 Mann.
Oberst von Schönberg, ein Mann der ersten Minuten der Schlacht, wurde mit
seinen Kompanien vom preußischen Dragonerregiment Nassau gestellt und zur
Kapitulation aufgefordert; da er ablehnte, kam es zum Handgemenge, wobei er
fiel, mit ihm 400 seiner Männer.
Der Herzog von Weißenfels hat das Unglück für seine Sachsen früh genug
kommen sehen, denn seine schwere Artillerie war bereits bis ins Gebirge, das die
allgemeine Fluchtrichtung bildete, zurückgenommen worden. Einige aus der Gule
entkommene sächsische Bataillone nahmen auf den Höhen südlich Häslicht
Aufstellung, um den Rückzug zu decken. Nur ihnen war zu danken, daß die
Preußen nicht weiter auf die aufgelösten Kompanien einhauen konnten, die
nichts anderes im Sinn hatten als fort von hier und sogar ihre Regimentsartillerie den Preußen als Beute ließen.
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Um 7 Uhr war der gesamte
linke Hügel der Verbündeten geschlagen und weit genug vom Schlachtfeld
abgedrängt - aber noch hatte die Masse der österreichischen Armee keine
Gelegenheit bekommen, in die Schlacht einzugreifen.
Gegen die Österreicher
Der erste Teil der Schlacht war für Friedrich gewonnen, aber der
Gesamtsieg
längst noch nicht. Er konnte zufrieden sein, denn seine Soldaten und Führer
hatten ihr Bestes gegeben. Wie konnte die Zerschlagung des feindlichen linken
Hügels so schnell und gründlich gelingen? Wie so oft war die jeweilige
Führung verantwortlich: Während die zuerst Angegriffenen viel zu spät
bemerkten, was sich anbahnte und ihr Hauptanführer, der Herzog von Weißenfels
nämlich, mehr oder weniger konfus führte, wenigstens nur reagierte, agierte
Friedrich und hatte die Lage jederzeit im Griff. Er scheute sich nicht, seine
Adjutanten hin und her zu jagen und selbst der Truppe zu folgen, möglichst auf
einen der zahlreichen Aussichtspunkte. Und was beinahe wichtiger war: Nicht nur
der »königliche« Führer war seinen Gegenspielern »Prinz« und »Herzog«
überlegen - sondern vor allem seine Unterführer, die Generale und Kommandeure
der Regimenter und Bataillone. Hinzu kam ein geradezu genialer Einsatz der Mittel.
Über das Ende dieses Teils der Schlacht schrieb Friedrich in seiner
»Geschichte meiner Zeit«:
».. .Als diese (die Sachsen) ihre verzwejfelte Lage erkannten, warteten sie
den Angnff nicht ab, sondern ergriffen schimpflich die Flucht. So wurden sie
völlig geschlagen, noch ehe der linke preußische Flügel ganz aufmarschiert
war. Es verging noch eine gute Viertelstunde, bevor der linke Flügel mit den
Österreichern handgemein wurde... «
Für die Preußen gab es jetzt nur eine Devise: die errungenen Erfolge in
einen Sieg verwandeln. Wie kam es, daß die Österreicher ihren Verbündeten, den Sachsen, nicht zu Hilfe gekommen
waren?
Um 6.30 Uhr, als die Sachsen in voller Flucht über das Gebirge waren,
»woher sie gekommen«, begann der Aufmarsch des preußischen linken Flügels,
machten sich aber auch die Österreicher gefechtsbereit. Hatten sie zu lange
geschlafen? Einer ganz offenbar, vielleicht waren die Betten in Schloß
Rohnstock zu weich gewesen: Prinz Karl von Lothringen. Natürlich waren die
Österreicher durch das Kanonenfeuer bei Striegau aufgescheucht worden, aber
Karl hielt tatsächlich diese Aktivitäten für den Angriff der Sachsen auf
Striegau, der ja geplant war! Und wer stand nach seiner Ansicht bei Striegau?
Die schwache Abteilung des General du Moulin! Erst um 7 Uhr tauchte Prinz Karl
bei seinen Truppen auf. Immerhin: in seiner Abwesenheit hatte Feldzeugmeister
Thüngen die Infanterie bis Günthersdorf und Thomaswaldau vorgehen lassen; im
übrigen gab es bei den Österreichern noch immer keine klaren Dispositionen
für den Fall einer Schlacht.
Als Karl von Lothringen schließlich die Nachricht erhielt, die Sachsen seien
geschlagen und befänden sich auf der Flucht ins Gebirge, stand seine Armee in
folgender Aufstellung, bereit, den baldigen preußischen Angriff
zurückzuweisen:
Linker Flügel bei Günthersdorf, rechter bei Halbendorf, Mitte bei
Thomaswaldau. In der gewohnten österreichischen Manier war dies eine gute
Verteidigungsstellung, mit kleinen Gehölzen und Waldstücken, Gräben und
dammartigen Wegen. Das Gelände bot außerdem den Vorteil, aus einer
erfolgreichen Verteidigung zum verfolgenden Angriff übergehen zu können. Aber
ein Detail zeigte, wer hier heute die überlegenen Truppen auf dem Feld hatte:
Als die österreichische Kavallerie die im Anmarsch begriffene preußische
attackieren sollte, führte sie diesen Befehl nicht aus, weil sie einen Bach
nicht überqueren konnte. Nur wenig später überquerten die Preußen denselben
Bach ohne Schwierigkeiten. |
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Friedrich beobachtete unterdessen vom Windmühlenberg aus das Verhalten der
Österreicher. Hier erhielt er auch die Meldung, daß der Angriff seines rechten
Flügels durch die Niederung der Gule im großen und ganzen gelang, so daß er
neu disponieren konnte. Es kam nun darauf an, auch der österreichischen
Stellung die Flanke abzugewinnen. Mit Genugtuung stellte Friedrich fest, daß
die Österreicher sich begnügten, seinen Aufmarsch durch Kanonenfeuer zu
stören, anstatt mit ihrer Kavallerie in die preußische hineinzufahren. Eine
solche Aktion hätte die Lage durchaus zu ihren Gunsten ändern können.
Friedrich ließ die Regimenter Truchseß und Markgraf Karl Günthersdorf
gegenüber einschwenken und vorerst anhalten, weitere Einheiten des ersten
Treffens sollten die Front nach links verlängern.
Friedrichs Adjutanten »flogen« hin und her, selbst der französische
Gesandte Valory, nach damaligem Brauch auf dem Schlachtfeld anwesend, wurde zu
Botendiensten herangezogen. Sogar rennend, nicht marschierend, kam die Brigade Braunschweig
heran, um in die Linie einzuschwenken. So stand gegen 7 Uhr die preußische
Front gegen Günthersdorf und Thomaswaldau und konnte, auf 600 Schritt,
ihrerseits mit der Kanonade beginnen. Doch der linke preußische Flügel stand
noch nicht, denn wegen einer unter der Last der Truppen eingebrochenen Brücke
in Teichau konnten nicht alle Kavallerieschwadronen rechtzeitig eintreffen. Aber
abwarten wollte Friedrich nicht mehr, der Feind würde sich mit jeder weiteren
Minute nur verstärken oder gar zur Attacke übergehen. So kam es, daß sich
General von Kyau unverhofft einer Übermacht gegenüber sah, als er um 7.30 Uhr
den Reiterkampf mit den Österreichern eröffnete. Das Gelände zwischen
Halbendorf und Thomaswaldau war unübersichtlich, von Gräben durchzogen und
sumpfig, eigentlich für Kavallerieattacken nach preußischer Art nicht
geeignet, aber dieser Umstand bewirkte auch, daß die Österreicher ihre
größere Zahl nicht zur Geltung bringen konnten. Ohne auf diese Übermacht zu
achten, ritten die Preußen los, erzielten Anfangserfolge, erlebten dann aber
einiges von dem, das sie vorher selbst praktiziert hatten: Die österreichischen
Grenadiere, die als Besatzung in Thomaswaldau lagen, bekamen Gelegenheit, die
Preußen in der Flanke zu beschießen, und als Teile des zweiten
österreichischen Treffens unter General Baron Berlichingen ihnen in die linke
Flanke kam, schien ihr Schicksal besiegelt.
Da Zieten der Übergang der Kavallerie über das Striegauer Wasser zu lange
dauerte und er des Wartens überdrüssig war, ließ er eine Furt zwischen
Teichau und Gräben erkunden und ging dort hinüber. Somit hatte er das Glück,
zur richtigen Zeit am richtigen Ort aufzutauchen und mit seinen zehn Schwadronen
dem gefährlichen Berlichingen in die Flanke zu stoßen. General von Nassau
folgte ihm mit 25 Schwadronen, und diese Reitermassen entschieden den Sieg der
preußischen Kavallerie auf dem linken Flügel.
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Dieser Kampf bestand aus
zahlreichen einzelnen Gefechten und Zusammenstößen von Regimentern und
Schwadronen, da das Gelände, wie beschrieben, die Entwicklung zu weiträumigen
Unternehmungen und ausgreifenden Attacken nicht zuließ. Hier mußten sich also,
wenn einer der Gegner nicht zu übermächtig war, bessere Ausbildung und
konsequentere Führung auszahlen - dieses geschah. Verzweifelt warfen die
Österreicher bereits hier ihre Reserve ins Feld, die unter dem Kommando des
Grafen Franz St. Ignon stand, die
österreichischen Generale scheuten sich nicht, persönlich mit vorzugehen,
selbst Prinz Karl von Lothringen geriet ins Schlachtgetümmel und wurde nur
durch den Mut des Schwadronsführers Graf Barziza vor der Gefangennahme
gerettet, vergeblich. |
Die Preußen schienen vom Rausch gepackt und hieben alles zusammen.
Inzwischen hatten sie auch Thomaswaldau eingenommen und konnten von dort die
österreichischen Reiter unter Flankenfeuer nehmen. Alles, auch ihren Feldherrn
mit sich reißend, flüchteten sie nach Hohenfriedberg hinein. Baron
Berlichingen wurde gefangengenommen, ebenfalls St. Ignon, der schwerverwundet
vom Pferd gestürzt war. 45 preußische Schwadronen besiegten 66
österreichische; der vom Wetter her strahlende Junitag war bei wenigen Minuten
nach 8 Uhr angelangt.
Bei der Eroberung von Thomaswaldau und Günthersdorf kam es zu
außerordentlich heftigen Kämpfen mit der österreichischen Infanterie, die den
Tag durchaus noch nicht verloren geben wollte. Mit geschultertem Gewehr den Feind angehen und erst auf kurze Distanz
schießen - das war gewiß wirkungsvoll, kostete die Preußen aber
überdurchschnittlich hohe Verluste. Der Kampf mit der österreichischen Hauptmacht war durch die Eroberung von
Günthersdorf nicht beendet.
Noch standen sich preußische und österreichische
Regimenter gegenüber, allmählich ermattend zwar, aber noch pausenlos
schießend, und keiner wollte weichen. Es zeigten sich jetzt deutliche Lücken
zwischen den preußischen Regimentern, die durch falsches Einschwenken und
Mißverständnisse in der Übermittlung der Befehle Friedrichs entstanden waren.
Von einem totalen Sieg konnte noch immer nicht die Rede sein. Aber im Gegensatz
zu seinen beiden Kontrahenten Prinz Karl und dem Herzog von Weißenfels, die
kaum noch Einfluß auf das Geschehen nehmen konnten, hatte Friedrich den vollen
Überblick und nach wie vor alle Fäden in der Hand. Er ließ Regimenter ab- und
vorrücken, sandte Befehle zu Umfassungen und Umgehungen und beobachtete auch
das selbständige Handeln seiner örtlichen Befehlshaber; machten sie Fehler,
ließ er sofort korrigieren. Einer seiner Befehle wurde mißverständlich
ausgelegt - schnurstracks eilte er persönlich herbei, um zu berichtigen. Diesen
seinen Feldherrnqualitäten stand auf gegnerischer Seite nichts gegenüber.
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Friedrich führt seine Grenadiere in die
Schlacht
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Im Lauf der
harten Kämpfe um Günthersdorf und Thomaswaldau, die Hauptstützpunkte der
Österreicher, aus denen man sie hinauswerfen mußte, erhielt ein
Dragonerregiment eine ähnliche Chance. Es setzte sich während des Vormarsches
in die Lücke zwischen dem Regiment Anhalt-Zerbst und der Brigade Braunschweig. Der
Kommandeur dieses Dragonerregiments, Oberst Otto Martin von Schwerin, war wie
Zieten ein echter Reiterführer, bisher zur Untätigkeit verdammt und brannte
nun darauf, entscheidend eingreifen zu können. Bei ihm fand sich
Generalleutnant von Geßler ein.
Die 16 preußischen Bataillone rückten indessen unerschrocken gegen die
österreichische Linie von Thomaswaldau und Günthersdorf vor. Dort standen
Maria Theresias beste Soldaten, erprobt in vielen Schlachten, diszipliniert,
mutig, den Preußen in gar keiner Weise unterlegen; sie haben den heutigen Tag
noch nicht verloren gegeben. So empfingen sie die preußische Infanterie, - hier
ebenfalls die Besten, zum Beispiel die Garde -‚ mit verheerendem Feuer, so
daß deren Verluste in bisher unbekannte Höhen stiegen: ein Regiment verlor die
Hälfte, ein anderes ein Drittel seines Bestandes, und die Österreicher hätten
wohl standgehalten, wenn sie nicht immer wieder in den Flanken gefaßt worden
wären.
Schlußangriff
der preußischen Infanterie |
Auch sie litten natürlich unter dem Gewehr- und Artilleriefeuer der
Preußen, einer ihrer besten Führer, Baron Thüngen, fiel tot vom Pferd, Ludwig
Ernst von Braunschweig, ein Bruder Ferdinands, werden drei Pferde erschossen,
und einer der größten Gegner Friedrichs in späterer Zeit, Leopold Graf Daun,
wird verwundet; er hätte, wie es später hieß, »seine Bataillone persönlich
vorgeführt«. An Mut ließen es die österreichischen Führer freilich nicht
fehlen.
Doch die österreichische Mitte sah sich allmählich allein gelassen und den
Preußen, vor allem von den Flanken her, ausgeliefert. Wo waren ihre
Kavalleristen rechts, die Sachsen links geblieben? |
Die beiden Stützpunkte ihrer
Linie, Thomaswaldau und Günthersdorf, waren gefallen. Und das, obwohl die entscheidende Attacke, die eine der berühmtesten der
Kavalleriegeschichte werden sollte, noch gar nicht angelaufen war:
Der Ritt der Bayreuth-Dragoner
Namhafte österreichische Regimenter, so die Regimenter Baden-Baden,
Grünne,
Hessen und Marschall standen noch, aber ihre Katastrophe bahnte sich an, als das
Regiment Thüngen aufgab und sich zur Flucht wandte. Denn die Preußen drangen
unaufhaltsam heran, zwar ermüdet und gelichtet, aber trotzdem furchterweckend;
wie lange würden sie noch durchhalten können? Wie eine Befreiung ertönten von
links, von der Brigade Braunschweig her, Kavalleriesignale. Das Generalstabswerk
beschrieb den Angriff folgendermaßen:
»Vor der Front des Regiments reiten allen sichtbar Geßler und Schwerin, die
Majors von Jürgas und von Chazot vor ihren Schwadronen. Das 1.500 Pferde starke
Regiment marschiert auf und braust mit seinen zehn Schwadronen in entwickelter
Linie heran. Sein rechter Flügei wirft sich auf das Regiment Grünne, der linke
auf Hessen, die Mitte bricht in die Lücke ein, welche die Flucht des Regiments
Thüngen zwischen den eben erwähnten Regimentern gelassen hat, und reitet, bis
zu dem zweiten feindlichen Treffen hindurch jagend, hier die Regimenter Leopold
Daun und Kolowrat nieder. Der allgemeine Schrecken pflanzt sich nach links auf
Marschall und Baden fort, es ist kein Halten mehr bei der österreichischen
Infanterie.«
Es war jetzt etwa 9 Uhr. Die preußischen Infanteriebataillone, die
angehalten hatten, sahen, als Staub und Pulverdampf sich gelegt hatten, ihre
Feinde nicht mehr vor sich, denn die Kavallerie hatte sie buchstäblich vom
Schlachtfeld gefegt und war nun umbarmherzig dabei, sie zu verfolgen und
möglichst weit und auseinander zu treiben.
Die Attacke der Bayreuth-Dragoner |
Eine Masse von 1.500 Pferden,
geritten von säbelschwingenden Männern, stürmt mit vollem Galopp in eine
riesige Gruppe von Infanteristen, die bisher aus nächster Nähe abgegebenes
Gewehrfeuer ausgehalten haben. Nun werden sie von Hufen niedergetrampelt und von
oben her mit tödlichen Hieben bedacht. Da kann's kein Halten mehr geben. Aber
eine Flucht ist beinahe noch tödlicher, denn nun kommt der Feind von hinten,
überreitet in vollem Galopp und hat noch bessere Möglichkeiten für Kopf- und
Nackenschläge. Für ihn selbst besteht kaum noch Lebensgefahr, denn ein
flüchtender Infanterist wehrt sich selten. Die Verlustzahlen beweisen dies:
Alle 20 österreichische Bataillone, die hier standen, erlagen dem Angriff eines
einzigen preußischen Kavallerieregiments, das 2.500 Gefangene machte, 66 Fahnen
erbeutete und selbst nur 94 Mann verlor. Der Name »Dragonerregiment Bayreuth«
ging mit diesem Ritt in die Geschichte ein. In einer beispiellosen Flucht fluteten die
Österreicher gegen Hohenfriedberg zurück, wo sie von dort stationierten Truppen und der Abteilung
Nadasdys aufgefangen wurden.
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Dieser hatte das Fiasko wohl kommen sehen und sich
von Hohenfriedberg gegen das Schlachtfeld vorgezogen, ohne aber noch eingreifen
zu können. Der »vorausgeeilte« Prinz Karl von Lothringen hatte in aller Eile
Geschütze aufstellen lassen, die nun von den Höhen aus die verfolgenden
Preußen bedrohten.
Eine Betrachtung ist bisher unberücksichtigt
geblieben: Hat der Angriff der Bayreuther Dragoner den endgültigen Sieg
gebracht? Man muß wohl antworten: Er hat ihn beschleunigt, vielleicht
wäre Friedrich sonst erst gegen 10 Uhr mit seinen Gegnern fertiggeworden.
Denn Tatsache ist, daß von den preußischen Bataillonen 37 (manche geben
27 an) noch gar nicht im Feuer gewesen wären, so daß Friedrich Reserven
genug besaß, die er der bereits wankenden Österreichischen Linie
entgegenwerfen konnte. |
Nach der
Schlacht
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Die Verfolgung der Gegner
Eine sofortige Verfolgung fand nicht statt,da auch sie
preußischen Truppen durch die fünfstündige Schlacht, wenigstens der größte
Teil von ihnen, vollkommen ausgelaugt und wohl kaum imstande, die Sachsen und
Österreicher, die noch über Truppenteile verfügten, die kaum am Kampf
teilgenommen hatten, nachhaltig nach Böhmen hinein zu verfolgen; dann wären es
nämlich die Preußen gewesen, die gegen verschanzte Gebirgsstellungen hätten
anrennen müssen.
Natürlich bemühte sich Friedrich noch am selben Tag, dem
abziehenden Feind nachzusetzen. Aber auf den Höhen von Hohenfriedeberg und
Kauder stand österreichische Kavallerie des rechten Hügels, vereinigt mit
Resten der Regimenter Durlach und Wallis, die mehrere Geschütze aufgefahren
hatten, und außerdem war, General Nadasdy mit seinen leichten Truppen
hinzugestoßen. Das Regiment Bayreuth, noch richtig in Schwung, vertrieb zwar
die Österreicher aus Hausdorf, fand es dann aber doch zu riskant, in den
Feuerbereich der aufmarschierten Abwehrfront zu geraten. Nachdem die preußische
Infanterie eine Verschnaufpause eingelegt hatte, formierte sie sich in der
ganzen Linie neu und ging mit klingendem Spiel gegen die Höhenzüge vor.
Friedrich beabsichtigte also durchaus, den Tag zu nutzen und den Feind
weiterzutreiben. Doch als die Preußen die österreichische Aufstellung sahen,
machten sie Halt, stellten ihre Kanonen auf und beschossen sie. Die
Österreicher antworteten und erreichten ihr Ziel: ihren geschlagenen Truppen
einen geordneten Rückzug zu ermöglichen. Diese gegenseitige Kanonade zog sich
bis Mittag hin. Ab 1 Uhr versammelte sich das österreichische Heer in
Reichenau, wo auch Prinz Karl eintraf und allmählich seine später
eintrudelnden Verbündeten, die Sachsen, wiedersehen durfte. Sie hatten länger
gebraucht, da sie sich vorher in Bolkenhain, von General du Moulin verfolgt, zu
sammeln suchten. Zuletzt stießen die Reste ihres Grenadierkorps, von den
Preußen fast aufgerieben, noch zum Heer, das die Nacht unweit jenes Lagers
verbrachte, von dem aus es am 3. Juni siegesgewiß in die Ebene marschiert war.
Von hier aus sandte Prinz Karl den ersten Bericht an seinen Bruder in Wien:
»... heute morgen haben die Preußen uns attackiert, so daß
wir einen Teil unserer Fahnen und Kanonen und viele Leute und besonders Generale
verloren haben. Wir haben den Rückzug in die beste Position der Welt hinter
uns... Auf die erste Salve ist eine Menge Leute umgekehrt, es gab keine
Möglichkeit, sie zurückzubringen. Einige Regimenter, die standgehalten haben,
brachten Opfer; na ja, Gott hat es gewollt. Wir haben uns am Fuß des Gebirges
neu aufgestellt, aber die Preußen verfolgten uns bis in unsere Nähe; der
Herzog und ich haben uns hier nach Reichenau zurückgezogen, von dort schreibe
ich Ihnen... Die Preußen sind am Fuß des Gebirges halten geblieben. ...Wir
haben Regimenter, die nur noch aus 120 Mann und einem oder zwei Offizieren
bestehen... Ich glaube, daß die Sachsen ihre ganze Vorhut verloren haben. Diese
bestand aus 18 Kompanien Grenadiere...«
Parade
der Kavallerie |
Am 5. Juni freilich begann so etwas wie eine Verfolgung
der Gegner. Der größte Teil der Armee blieb im Lager, aber der wackere du
Moulin wurde mit einer Avantgarde von 14 Bataillonen, 15 Schwadronen
Dragoner und 48 Schwadronen Husaren in Marsch gesetzt. Das war eine
beachtliche Streitmacht, die durchaus einen sich stellenden Gegner zu
schlagen vermochte. Sie wurde bis Bolkenhain vorgeschickt. Vorsichtshalber
ließ Friedrich General Münchow mit 2 Bataillonen und 10 Schwadronen die
Wege zwischen Breslau und Schweidnitz frei halten und die Feldbäckerei nach
Braunau bringen. Am 6. Juni rückte Friedrich in das von du Moulin
verlassene Lager ein, schob sich also langsam vor. Du Moulin stand
unterdessen zwischen Landshut und Reich-Hennersdorf, ließ die beiden Orte
mit Grenadieren besetzen und ruhte am 7., bis die Armee nachrückte. Diese
bezog Lager zwischen Landshut und Kloster Grüssau, am 8. ging die
Avantgarde zwischen Friedland und Neudorf in Stellung - man sieht, um eine
richtige Verfolgung handelte es sich nicht. |
Aus Besorgnis, von den Preußen doch noch angefallen zu
werden, begannen die verbündeten Truppen sich frühmorgens am 5. Juni in Marsch
zu setzen, nach wie vor unter dem Befehl der beiden geschlagenen
Oberbefehlshaber. Es galt, Böhmen zu erreichen und die Magazine zu decken, von
deren Existenz damals die einzelnen Feldzüge abhängig waren. Die
Deckungsaufgaben versahen die Korps unter Wallis und Nadasdy, die wiederum von
preußischen Vortruppen verfolgt wurden. Als Prinz Karl die Nachricht erhielt,
der Feind verfolge, ließ er die ganze Armee am 6., in zwei Kolonnen
marschierend, nach Schömberg aufbrechen, gedeckt durch eine starke Nachhut aus
Reserve, Husaren und Grenadieren. Um der nur langsam rückenden Armee und vor
allem der zu rettenden Bagage einen Vorsprung zu verschaffen, stellte sich die
Nachhut bei Landshut den preußischen Husaren zu einem Scharmützel, wobei diese
die sächsischen Ulanen von einer Anhöhe vertrieben, von der sie den weiteren
Abmarsch der Feinde zu beobachten gedachten.
Zu einem richtigen Gefecht kam es, als der gerissene Nadasdy
allzu eifrigen preußischen Husaren einen Hinterhalt legte und 200 von ihnen
gefangen nahm. Das brachte den unermüdlichen du Moulin derart in Rage, daß er
seine Husaren und zwei Dragonerregimenter sofort den Gegner verfolgen und
einholen ließ. In dem folgenden Gefecht bei Reich-Hennersdorf wurde Nadasdy
geschlagen, mußte die 200 Gefangenen herausgeben und verlor selbst 100, die
Überlebenden wurden bis Liebau versprengt. Diese kleine Niederlage veranlaßte
Prinz Karl, seine Armee in Schömberg nur zwei Stunden ruhen zu lassen, dann
ging's weiter bis Johnsdorf und am 7. für einen Rasttag ins Lager von
Ratiborzitz. In Trautenau befand sich das große Magazin. Noch am Schlachttag
hatte Prinz Karl dorthin Bedeckung gesandt, der es gelang, die Vorräte bis zum
9. Juni in Sicherheit zu bringen. Das nächste große Magazin war in
Königgrätz.
Durch Überläufer erfuhr Friedrich von den Plänen seiner
Gegner, und es reizte ihn natürlich, zur Sicherung der Grenzen Schlesiens den
Österreichern die Magazine wegzunehmen oder diese auflösen zu lassen. Seine
Armee rückte am 9. in ein Lager zwischen Friedland und Halbstadt, wo sie bis
zum 13. verblieb. Er beschäftigte sich auch mit dem Gedanken, in Mähren
einzufallen, fühlte sich aber gewarnt durch die Vorgänge des vergangenen
Jahres. Im großen und ganzen war er nicht scharf auf eine neue Schlacht, hoffte
insgeheim auf Frieden und wollte sich auf keinen Fall ins Feindesland locken
lassen. Aber das Königgrätzer Magazin! Immer wenn Friedrich vorrückte und
neue Lager bezog, so am 13. zwischen Groß-Labney und Bodisch, am 14. über die
Metau, sorgte er für vollkommene Sicherheit und Anlehnung der Flügel an
Ortschaften, General du Moulin immer voran - ihm sollte es nicht passieren,
überrascht zu werden.
Aber schon am 8. hatten sich beide Hauptarmeen, durchs
Gebirge getrennt, 45 Kilometer voneinander entfernt, so daß die
Absetzbewegungen des Prinzen Karl als gelungen angesehen werden mußten. Doch
Friedrich täuschte sich in diesem Mann, ihn in seiner vorschnellen Art als
unfähigen Feldherrn abzutun. Denn Karl sehnte nichts anderes herbei als eine
zweite Schlacht in diesem Sommer, wollte aber die von Wien versprochene
Verstärkung abwarten und die Schlacht in jedem Fall im eigenen Land schlagen:
Friedrichs Versorgungsschwierigkeiten waren zu offensichtlich; wenn er nachkam,
wurden die Wege für ihn immer länger und besser angreifbar, während die
Österreicher sich aus dem eigenen Land versorgen konnten.
Am 15. Juni bezogen die Österreicher und Sachsen, nachdem
sie sich an der Elbe vereinigten, ein Lager zwischen Semowitz und Königgrätz
Lager.
Verluste
Preußische Verluste |
|
|
Tote |
Verwundete und Vermißte |
|
Infanterie Offiziere |
24 |
80 |
|
Infanterie Mannschaft |
635 |
2.878 |
|
Kavallerie Offiziere |
6 |
67 |
|
Kavallerie Mannschaft |
234 |
810 |
|
Preußen gesamt |
899 |
3.835 |
|
Österreichische Verluste |
Sächsische Verluste |
|
Tote
|
Verwundete
|
Gefangene u. Vermißte |
Tote
|
Verwundete
|
Gefangene u. Vermißte |
|
|
|
|
|
|
|
Infanterie |
1.398 |
2.236 |
5.290 |
1.453 |
2.068 |
1.300 |
Kavallerie |
391 |
582 |
357 |
570 |
873 |
206 |
|
|
|
|
|
|
|
gesamt |
1.789 |
2.818 |
5.647 |
2.023 |
2.941 |
1.506 |
|
|
|
|
|
|
|
Gesamtverluste 4.711 9.594 7.153
Die Verluste in Prozenten betrugen bei den Preußen 8,6%, bei den
Österreichern 19% und bei den Sachsen 25%. Auf
dem Schlachtfeld von Hohenfriedberg wurden 4.018 Soldaten beerdigt, allein auf
der Feldmark von Günthersdorf 2.053, was die Härte der Kämpfe hier beweist.
Unter den genannten Beerdigungen waren 421 Verwundete, die in Striegau
nachträglich an ihren Wunden sterben mußten.
Aus der »Beerdigungstabelle«, die aus den Aufzeichnungen des Prinzen
Ferdinand von Braunschweig stammt, kann indirekt auf die Härte der Kämpfe
geschlossen werden, die bei den Ortschaften stattfanden. Es wurden an Freund und
Feind auf den Gemarkungen folgender Städte und Dörfer beerdigt:
Pilgramshain |
350 |
Hohenfriedeberg |
2 |
Weiden-Petersdorf |
6 |
Häslicht |
26 |
Schweinitz |
52 |
Kauder |
24 |
Eisdorf |
373 |
Simsdorf |
2 |
Hohen-Petersdorf |
23 |
Günthersdorf |
2.053 |
Hausdorf |
74 |
Lauterbach |
1 |
Thomaswaldau |
396 |
Rohnstock |
14 |
Nieder-Baumgarten |
1 |
Halbendorf |
92 |
Dätzdorf |
1 |
Wolmsdorf |
13 |
Ullersdorf |
84 |
Ober-Bolke |
10 |
in Striegau gestorben |
421 |
|
|
zusammen |
4.018 |
Soldaten |
|
Folgen der Schlacht
Von diesem großen Sieg über die verbündeten Österreicher
und Sachsen hatte sich Friedrich viel versprochen, sowohl militärisch als auch
politisch; in beiden Ansichten wurde er enttäuscht. Hatten die Führer der
verbündeten Armee den Fehler gemacht, ihn und die Fähigkeiten der preußischen
Armee zu unterschätzen, so erging es Friedrich nicht anders in seiner
Beurteilung der militärischen und politischen Gesamtlage.
Die verlorene Schlacht konnte die Wiener Regierung nicht in
dem Vorhaben erschüttern, Schlesien zurückzugewinnen. Außer der Befreiung
Schlesiens hatte Friedrich nichts erreicht, das war zwar viel und so rasch gar
nicht erhofft, aber nicht genug. Kaum auszudenken, was bei einer Niederlage
geschehen wäre. Preußen wäre vermutlich zur Markgrafschaft Brandenburg
degradiert worden. Und genau hier, offenbart sich der Unterschied zwischen dem
Preußen Friedrichs und dem Staat Maria Theresias: Dieser wäre auch nach einem
Dutzend verlorener Schlachten nicht von der Landkarte verschwunden.
Es kam für Maria Theresia darauf an, das Bündnis mit
Sachsen nicht auseinanderbrechen zu lassen, obwohl sich bereits drohend
abzeichnete, daß Friedrich Sachsen für den »Treuebruch« zu »strafen«
gedachte. Maria Theresia schickte ihren Obersthofmarschall Khevenhüller nach
Dresden, um die Kriegsziele zu besprechen: Wiedereroberung Schlesiens und
Demütigung Preußens!
In Rundschreiben an die verbündeten Regierungen legte
sie ihre Absicht dar, nicht klein beizugeben und Verstärkungen nach
Böhmen gehen zu lassen, zum Beispiel aus Italien. Friedrich erfuhr
natürlich von all diesen Maßnahmen, die ihn sehr verbitterten. Es fiel
ihm schwer zu begreifen, daß man ihn zu isolieren gedachte.
Die Bilanz der Schlacht von Hohenfriedberg war:
Militärisch wenig gewonnen, außer guter Beute an Kanonen, Fahnen und
Pauken; politisch nur soviel, daß Preußen ein Faktor geblieben war, mit
dem zu rechnen sein würde. |
Dragoner mit erbeuteten
Fahnen
|
Aber der fast völlige Mangel eines politischen Erfolges
wurde reichlich aufgewogen durch den nicht zu unterschätzenden großen
moralischen Erfolg, den die Schlacht bei Feind und Freund, bei den Gegnern und
den Preußen selbst davontrug. Sie lehrte die Gegner, die sich allzusehr durch
den kläglichen Ausgang des Winterfeldzuges hatten verleiten lassen,
geringschätzig auf Preußen herabzusehen, daß seine Kraft nur vorübergehend
gelähmt worden war, daß es die Überlegenheit im Felde trotz allen schweren
Mißgeschicks nicht verloren hatte, daß es ein Staat geblieben war, den man
fürchten mußte. Und wenn Maria Theresia in ihrem Entschluß, Schlesien
wiederzugewinnen, unerschütterlich blieb, so waren ihre Feldherren jetzt doch
von größter Vorsicht erfüllt. Das aus der tiefen Beschämung über die
Niederlage hervorgehende Verlangen des Prinzen Karl, Vergeltung zu üben,
verflog sehr schnell, und zum Angriff bei Soor, der nächsten Schlacht, ging man
auch nur über, weil man Friedrich in erheblicher Minderzahl wußte und deshalb,
zumal wenn man ihn überfiel, auf jeden Fall abtun zu können hoffte. Den
Preußen aber wurde durch diesen glänzenden Sieg ins Gedächtnis
zurückgerufen, daß ihr Heer im Felde unüberwindlich war, daß sie in ihm
einen Schutz hatten, auf den sie in ihrer allseitigen Gefährdung fest vertrauen
konnten. Vor allem aber zeigte er ihnen die unerreichbare Genialität ihres
Königs, der ein ganzes Gewebe von feindlichen Absichten mit einem kräftigen
Schlag zerrissen hatte, in unanfechtbarer Klarheit.
Während seine Feinde über die Niederlage grübelten, hatte
Friedrich genügend Zeit, privaten und künstlerischen Neigungen nachzugehen und
sich persönlich um das Schlagen der Medaille zur gewonnenen Schlacht zu
kümmern... Daß er um diese Zeit den berühmten »Hohenfriedberger Marsch«
komponiert hat, dürfte allerdings eine Legende sein; aber immerhin: er war
musikalisch, komponierte auch recht ansehnlich und könnte den Anstoß und das
musikalische Motiv gegeben haben.
Auszeichnungen, Ehrungen, Beförderungen
Mit dem sogenannten Parolebefehl ließ Friedrich sich
allerdings Zeit, er stammt aus dem Lager von Chlum in Böhmen und wurde am 20.
Juli des Jahres ausgegeben:
»Ihro Majestät können nicht unterlassen, Dero gesammte
Offiziers Ihre Zufriedenheit über die von ihnen bei Hohenfriedeberg auf das
neue wieder gegebene Proben von deren besondere Courage, Geschicklichkeit und
gutem Betragen zu geben. Das Lob, welches sich alle hohe und niedrige Offiziers
erworben haben, wird von dem Feinde selbst zugestanden und in keinen Zeiten
ausgelöscht werden. Da aber Ihro Majestät bekannt ist, daß die Lust zur
wahren Ehre der vornehmste Affekt Ihrer Offiziers ist; so sind Sie der Meinung,
daß Sie ihnen in keinem Stück Ihre Zufriedenheit mehr an den Tag legen
können, als durch eine extraordinaire Promotion; ob sie zwar nicht alle
Offiziers mittrifft, welche verdient hätten, Teil daran zu nehmen; so
versprechen Ihro Majestät ingleichen den andern, auf eine andere Weise Zeichen
Ihrer höchsten Zufriedenheit zu geben, und rekommandiren anbei allen und jeden
Offiziers den Ruhm der Preußischen Nation und Waffen, den wir durch so viel
Blut erworben haben beständig zu Herzen zu nehmen, und forthin gegen den
Hochmut unrechtmäßiger Feinde auf solche Art zu behaupten, daß sie bei aller
Gelegenheit gewahr werden, daß sie mit denselben Preußen zu tun haben werden,
welche sich bei Hohenfriedeberg einen unsterblichen Ruhm erworben.«
Es wurden befördert:
General der Infanterie von Dossow zum Generalfeldmarschall;
die Generalleutnante Graf Dohna und Fürst Dietrich von Anhalt-Dessau zu
Generalen der Infanterie; die Generalmajore Prinz Moritz von Anhalt-Dessau, von
Münchow, von Bonin, von Möllendorff, von Rochow und von Roel zu
Generalleutnanten; die Obersten Graf Dohna, von Kalnein, von Borck, von Lestwitz,
Prinz Heinrich von Preußen, von Bieberstein, von Ruetz, von Katzler und von
Schwerin zu Generalmajoren.
Außerdem gab es natürlich zahlreiche Beförderungen in den
unteren Offiziersrängen.
Major von Chasot bekam die Auszeichnung, seinem König
»unter Pauken- und Trompetenschall« im Hauptquartier zu Rohnstock die
erbeuteten Trophäen vorzuführen. Eine Ordensflut ergoß sich über die nach
Friedrichs Meinung Besten: Generalleutnant du Moulin und Graf Posadowsky
erhielten den Schwarzen Adlerorden, der begehrte »Pour le mérite« ging an
alle Kapitäne und Stabsoffiziere beim 2. und 3. Bataillon Garde, des
Grenadierbataillons Einsiedel und der Regimenter Hacke und Bevern.
Generalleutnant von Geßler wurde in den Grafenstand erhoben und durfte sein
Wappen mit dem preußischen Adler zieren, ebenso Chasot. Die meisten Ehrungen
kassierte natürlich das Dragonerregiment Bayreuth:
»Königlicher Gnadenbrief und Diplom für das bei der
glorieusen Bataille bei Friedberg in Schlesien sich hervorgetane
Dragonerregiment von Bayreuth.«
Es erhielt fortan die Erlaubnis,
»...um das Andenken dieser glorieusen Aktion noch
ansehnlicher zu machen, die eroberten Trophees, an Fahnen und Kanons in ihrem
Regiments-Siegel zu führen«;
».. .vor allen anderen Dragoner-Regimentern der Armee jetzo
und zu ewigen Zeiten.. .jederzeit im Zug und Marsch den Grenadier-Marsch, mit
ihren Pauken aber auch den Marsch der Kürassier-Reuter zu schlagen«.
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