18. Juni 1675        
 
Der Überfall von Rathenow am 15. Juni 1675

Am 13. Juni 1675, um 2 Uhr morgens, beendete der Kurfürst seine kurze Nachtruhe und folgte seiner Kavallerie. Diese brach gegen 2.30 Uhr aus ihrem Lager auf. Strömender Regen und ein enger Hohlweg behinderten eine rasches Vorwärtskommen. Nach etwa sechs Meilen stand man bei Parchen in der Nähe von Genthin. Zwei zufällig angetroffene Bürger aus Rathenow berichteten, daß seit dem 8. Juni der frühere schwedische Gesandte beim Kurfürsten, Oberst Wangelin, mit sechs Kompanien seines Dragonerregiments zur Verstärkung der Besatzung in Rathenow eingerückt war. Diese Verstärkung ließ vermuten, daß die Schweden bereits vom Anrücken des kurfürstlichen Heeren wußten. Zur Aufklärung der nunmehr veränderten Ausgangslage entsandte der Kurfürst kurz nach Mitternacht am 14. Juni drei größere Abteilungen auf Kundschaft.

Eine unter dem Obersten de la Roche mit hundert Reitern und 30 Dragonern in Richtung Brandenburg, die zweite unter Oberstleutnant Strauß mit nur 36 Mann gegen Plaue (dabei aber der Rittmeister v. Görne, dessen Vater Besitzer des Ortes war), die dritte unter seinem Generaladjutanten v. Kanowsky mit 50 Reitern und 20 Dragonern nach Rathenow. Bis 8.00 Uhr morgens war noch keine der ausgesandten Abteilungen zurück. Friedrich Wilhelm befürchtete schon ein Scheitern seines Planes und ließ seine Truppen eine halbe Meile bis Hohensieden zurückgehen, da hier besseres Gelände für einen eventuellen Kampf war. Während des Frühstücks führte man plötzlich den Landrat v. Briest aus Brähne herbei, der berichtete, daß er am Abend zuvor in Rathenow mit dem Obersten Wangelin gesprochen habe und dieser nichts vom Anrücken der Brandenburger wußte. 

Außerdem erzählte er, daß die sechs Kompanien des Dragonerregiments zusammen mit dem Train 650 Mann stark seien und ihr Kommandeur 200 Faß Bier und 46.000 Pfund Brot von der Stadt verlange, zudem die Schweden sich sehr undiszipliniert verhielten. In der Umgebung wären außerdem alle Pferde sowie viel Vieh zusammengetrieben worden. Außerdem ließ der schwedische Oberst verkünden, daß der Kurfürst tot sein und bereits "zwischen vier Brettern" läge. Auf diese Nachrichte hin ließ der Kurfürst sofort aufbrechen, ohne die Rückkehr seiner Patrouillen abzuwarten. Er beabsichtigte Rathenow im Handstreich zu nehmen. Nach anstrengendem Marsch bei wiederum strömendem Regen machte man oberhalb Rathenows, an der Straße nach Vieritz halt, um das Heranrücken der Geschütze und Munitionswagen abzuwarten. Inzwischen waren auch die nach Plaue entsandten Abteilungen des Oberstleutnants Strauß, die unterwegs 12 Schweden gefangen hatte, sowie acht getötet hatte, und die des Generaladjutanten Karnowsky, die Kähne und wegekundige Männer mitbrachte, eingetroffen.

Unter Auswertung aller Erkenntnisse wurde nunmehr klar, was die Schweden mit ihren Stellungen beabsichtigten: Feldmarschall Wrangel wollte von Havelberg aus die Elbe überschreiten und sich mit den hannoverschen Truppen vereinigen, um dann gemeinsam auf dem linken Elbeufer zu operieren; Generalleutnant Wrangel sollte unter der Voraussendung der Abteilung Oberst Wangelins über Pritzerbe und Rathenow auf dem kürzesten Weg nach Magdeburg vorstoßen und die Stadt einnehmen. Das alles bedeutete: Rathenow mußte unbedingt vor dem Eintreffen des schwedischen Hauptheeres eingenommen werden.

Gegen 23.00 Uhr trafen Fußvolk und Artillerie ein. Nach kurzer Rast brach man auf. Karnowsky und Oberstleutnant Kanne wurden mit 400 Musketieren losgeschickt, um auf den mitgebrachten Kähnen die Havel hinunterzufahren und die Stadt von der östlichen Seite, dem Weinberg gegenüber, anzugreifen. Die Dragoner sollten inzwischen über die Brücke zum Haveltor vorgehen. Generalmajor Götze erhielt den Befehl, mit 600 Musketieren unter Oberst Dönhoff über den das Wehr (Freiarche) gegen die Havel abschließenden Steindamm auf das Mühlentor vorzugehen.

Die Musketiere hatten nun ein Gelände zu passieren, bei dem sie teilweise bis über die Schenkel durchs Wasser waten mußten. Die Dragoner setzten sich auf Rathenow in Trab, gefolgt von weiteren Musketieren, die, da sie sich ja auf den Wagen hatten ausruhen können nun ebenfalls liefen.

Die damalige Stadt Rathenow lag rechts der Havel und war von einem zu Befestigungszwecken angelegten Graben umgeben, der sie zu einer Insel machte. Von den mittelalterlicher Befestigungen war nur noch die Ringmauer mit Zinnen vorhanden, die allerdings an etlichen Stellen beschädigt war, trotzdem gegen einer nicht auf Belagerung vorbereiteten Feind relativ guten Schutz bot. Die Tore waren befestigt und besaßen Zugbrücken. Den besten Schutz bot nach Westen hin die durch ein breites Lud (Sumpfgebiet) in getrennten Hauptarmen vor beifließende Havel. Von Genthin aus kommend, mußte man zuerst den westlichen Havelarm auf einer Zugbrücke überschreiten, dann gelangt man auf einem über die sumpfigen Wiesen führenden Steindamm zur zweiten Zugbrücke. Nunmehr war der zweite, östliche, Havelarm über eine weitere Zugbrücke zu überqueren, ehe man am Haveltor stand. Einige hundert Schritt südlicher existierte das Mühlentor, das aber lediglich wirtschaftlichen Zwecken diente, da keine Straße von außen dahin führte. 

Man gelangte vielmehr aus diesem Tor über eine kleine Brücke auf eine schmale und langgestreckte Insel, zu deren südlicher Spitze der "Mühlendamm" führte. Über ein Wehr — Freiarche genannt — konnten lediglich Fußgänger auf die Sumpfwiesen überwechseln. Im Süden der Stadt lag das Steintor, vor diesem wiederum eine Zugbrücke, die auf die Straßen nach Nauen und Brandenburg führte. Zwischen Mühlen- und Steintor gab es außerdem noch eine Pforte, die für den Zugang für die zwischen Stadtmauer und Havel liegenden Gärten diente. In Norden war schließlich noch ein Tor, von dem eine Straße nach Hohennauen führte.


Überfall auf Rathenow                                

Für einen erfolgreichen Angriff auf die Stadt war es notwendig, die Wache am westlichen Tor, dem Haveltor, bei der sogenannten hohen Zugbrücke, zu überwältigen. Diesen Auftrag erteilte der Kurfürst dem alten Feldmarschall Derfflinger. Die Brandenburger rückten gegen 2.00 Uhr auf die erste Havelbrücke vor. Derfflinger ritt dabei mit nur einigen Dragonern an der Spitze. An der Brücke vor der Sumpfwiese wurde er von der aus einem Unteroffizier und 6 Mann bestehenden Wache angesprochen. Auf die Frage nach "Was Volk?" antwortete Derfflinger, daß er ein schwedischer Leutnant vom Regiment Bülow von der Besatzung Brandenburgs sei und sich auf der Flucht vor den brandenburgischen Truppen befinde. Zwar wollte die Wache erst beim Obersten Wangelin nach einer Genehmigung für das Einrücken in die Stadt nachfragen lassen, aber die drängenden Worte Derfflingers — verbunden mit der Behauptung, er sei ein guter Freund des Obersten und er riskiere, gehängt zu werden — veranlaßten den Unteroffizier dazu, den Befehl für das Herablassen der Zugbrücke zu geben. Sofort galoppierten die Dragoner mit ihrem Feldmarschall an der Spitze auf die Wache zu und hieben etliche nieder, nur zwei oder drei der Posten gelang die Flucht in die Stadt, wo sie Alarm auslösten. Die Dragoner stießen rasch bis zur unmittelbar vor der Stadtmauer gelegenen zweiten Zugbrücke vor, die aufgezogen und deren Holz zum Teil abgedeckt war. Der Kurfürst rückte inzwischen mit seinen abgesessenen Dragonern auf der sumpfigen Wiese vor. Er ließ den General Götze mit 600 Musketieren auf dem Wehr — der Freiarche — zum Mühlendamm und dort gegen das Mühlentor vorrücken. Es kam nun zu einem lebhaften Schützengefecht, wobei die Schweden von den Mauern und Türmen herab im Vorteil waren. Unter den Brandenburgern gab es erste Verluste: Oberstleutnant v. Uckermann, Kommandeur der Derfflinger-Dragoner, ein Fähnrich und mehrere Gemeine fanden den Tod. Vorerst gab es kein Vorwärtskommen. Man wartete auf das Eingreifen dem mit den Kähnen herankommenden Gruppe unter Karnowsky. Dieser war mit den Kanneschen Musketieren zwar inzwischen an der Südseite der Stadt gelandet und hatte die ziemlich steil zur Havel abfallenden Gärten erstiegen, wurde aber durch lebhaftes Abwehrfeuer zum Rückzug gezwungen. Erst der zweite Angriff war erfolgreicher, man erreichte die kleine Pforte für das Betreten der Gärten, erbrach sie und drang in die Stadt ein. Gleichzeitig war es General v. Götze gelungen, das Mühlentor einzunehmen. Von zwei Seiten strömten nun die Brandenburger in die Stadt ein. 


     Dragoner

Die Hauptwache wurde nun von innen niedergemacht und das Haveltor geöffnet. Die Schweden leisteten hartnäckigen Widerstand. Mitten in diesem Gefecht hatten die Dragoner Derfflingers aus den Resten der abgebrochenen Brücken diejenige vor dem Haveltor wieder soweit hergestellt, daß nun die Dragoner und einige Reiterregimenter in die Stadt eindringen konnten. Hier hieben sie alles nieder, was ihnen vor die Klinge kam. Nach kurzem aber hartem Straßenkampf, wobei sich die Finnen im schwedischen Regiment sehr tapfer schlugen, konnte die Besatzung Rathenows von den Brandenburgern überwältigt werden. Oberst Wangelin selbst hatte sich verzweifelt um eine Stabilisierung der Verteidigungsmaßnahmen gekümmert, mußte jedoch vor den von allen Seiten vordringenden Brandenburgern kapitulieren.

Der kurze, aber erbitterte Kampf forderte unter den Schweden 390 Tote, 270 wurden gefangen. Die Frau des Obersten Wangelin konnte nur das Dazwischentreten des Kammerjunkers Buch vor einer Vergewaltigung gerettet werden. Die Brandenburger hatten an Toten und Verwundeten über 50 Mann zu beklagen. Neben Verpflegung und 500-600 Pferden, erbeutete man sechs Dragonerfahnen und ein Paar Pauken.

Der Kurfürst ließ nun seine Infanterie in die Stadt einrücken, während die Reiterei auf dem linken Havelufer ihr Lager bezog. Am anderen Morgen versammelten sich alle Truppen im Lager zu einem feierlichen Dankgottesdienst.

Mit der Einnahme von Rathenow war die Realisierung des ersten Teiles des Kriegsplanes von Friedrich Wilhelm geglückt. In derselben Nacht, als um Rathenow gekämpft wurde, hatte die Streifabteilung unter Oberst de la Roche in einer Vorstadt von Brandenburg die dortige Wache überfallen und 200 Artilleriepferde teils getötet, teils weggeführt. Der Kurfürst beabsichtigte nun, bevor er sich gegen die schwedischen Hauptkräfte bei Brandenburg wenden wollte, die Ankunft seiner Artillerie und Infanterie von Magdeburg her abzuwarten. Bereits am 15. Juni hatte er einen Eilboten an den kommandoführenden Offizier in Magdeburg, den Herzog von Holstein, gesandt, damit dieser unverzüglich die Truppen in Marsch setzte. Doch die nun schwedischerseits einsetzenden Aktivitäten, zwangen zu anderem Handeln.

Vormarsch der Brandenburger nach Nauen und Einnahme der Stadt

Die Schweden mußten nach dem Fall Rathenows ihre ursprüngliche Absicht, nämlich mit dem Gros ihrer Truppen gegen die Elbe vorzugehen, aufgeben. 

Da sie sich über Standort und Stärke der Truppen des Kurfürsten in völliger Unklarheit befanden, sahen sie einen raschen Rückzug in nördliche Richtung als einzige Lösung. Generalleutnant Wrangel, der in Brandenburg Geld und Artilleriepferde erpreßt, den Dom geplündert und drei mit Beute beladene Schiffe (die später dem brandenburgischen Rittmeister v. Görne in die Hände fielen) flußabwärts geschickt hatte, ließ seine Truppen aus dem Hauptquartier bei Pritzerbe nach Osten aufbrechen.

Auf dem Marsch erfuhr er vom Fall Rathenows, was ihn veranlaßte, seine Truppen über Nauen nach Fehrbellin zu führen, um von dort aus eine Vereinigung mit den Kräften seines Stiefbruders, des Feldmarschalls Wrangel, in der Prignitz zu versuchen. Am 15. Juni noch wurde Barnewitz erreicht, am 16. die Gegend von Gohlitz, wo man sich nur noch etwa 10 Kilometer vor Nauen befand. Seine Vorhut besetzte eine günstige Stellung an der Klinkmühle, die durch eine Redoute (Schanze) zusätzlich gesichert wurde. Am 17. Juni erfolgte dann der Einmarsch in Nauen.

Diese schwedischen Aktionen blieben aber nicht unbemerkt. Schon am 16. Juni meldete Oberstleutnant Strauß dem Kurfürsten in Rathenow, daß die Schweden am Tag zuvor Brandenburg und ihr Lager bei Pritzerbe in Richtung Nauen verlassen hatten. Diese Nachricht wurde durch einen Bauern bestätigt, der die Schweden am 16. früh bei Barnewitz gesehen hatte. Damit waren nun allerdings die Pläne des Kurfürsten durchkreuzt. Die Ankunft der Infanterie am Magdeburg konnte nicht mehr abgewartet werden, wollte man eine Vereinigung der Schweder in der Prignitz verhindern. Kurfürst Friedrich Wilhelm faßte den kühnen Entschluß, den Gegner allein mit seiner Reiterei anzugreifen, bevor dieser die Pässe des Havelländischen Luchs überschreiten konnte. Die schon früher von ihn geäußerten Überlegungen, den Feind unter Ausnutzung der Geländeverhältnisse in dem von zahlreichen Gewässern und Sumpfgebieten bedeckten Raum zum Kampf zu stellen und zu vernichten, dabei seine Kenntnis dieses Gebietes auszunutzen, wurde nun realisiert.

Die territoriale Beschaffenheit des Kampfgebietes

Ursprünglich war die Talniederung zwischen der unteren und oberen Havel von Oranienburg bis Havelberg ein großes, im Süden vom Fläming, im Norden vom Land Ruppin begrenztes Seebecken gewesen. Daraus ragten das Havelland und die Zauche nur als größere und kleinere Inseln hervor. Allmählich füllte sich dieses Becken durch den mit den Zuflüssen herangeführten festen Stoffen auf. Die so entstandenen über den Wasserspiegel sich erhebenden Gebiete existierten nun als Sumpf oder Bruch. Die Flüsse mußten sich besondere Wege bahnen. 

Der von Norden einmündende Rhin teilte sich in einen östlichen und einen westlichen Hauptarm. Der eine lief zur Oberhavel in Richtung auf Oranienburg, wo er Seitenarme als Malsow und Muhre bildete, dann zog er sich eine Strecke parallel der Havel südwärts, um dann über Kotzeband und Schönwalde nach Westen, dann nach Norden an Nauen vorbeizufließen und sich im Bruchgelände zwischen den Ländchen Glien und Friesack zu verlieren, wodurch das Gebiet den größten Teil des Jahres unter Wasser stand. Der sich nach Westen ziehende Rhinarm führte, nachdem er die Temnitz und die Dosse aufgenommen hatte, ursprünglich hart am Südrand des Landes Ruppin entlang. Eine um 1300 vorgenommene Entwässerung schuf dann ein neues Bett am Nordrand des Ländchens Bellin.

Zur Zeit des Kurfürsten Friedrich Wilhelm war es für Heere nur auf drei Dämmen möglich, dieses Gebiet zu passieren: bei Oranienburg, bei Kremmen und bei Fehrbellin. Den Damm bei Fehrbellin hatte der Kurfürst Johann Sigismund anlegen lassen und damit die bis dahin genutzte Fähre ersetzt. Fast unpassierbar war die Strecke über Friesack, zumindest für größere Gruppen. Nur über wenige Schleichpfade war hier für einzelne Personen ein Durchkommen mit Hilfe ortskundiger Führer möglich.

Für Generalleutnant Wrangel verblieben von Pritzerbe nur zwei Rückzugswege: Der kürzere führte über Barnewitz und Pessin nach dem Land Friesack, von dort über Neustadt an der Dosse, war aber durch Bedrohung seitens der Reiterei des Kurfürsten und aufgrund der schlechten Wegeverhältnisse wenig geeignet. Der andere Weg ging über Nauen, von wo ein Ausweichen über Fehrbellin nach Neu-Ruppin oder über Kremmen nach Gransee oder über Oranienburg nach Prenzlau möglich war. Da aber sowohl Oranienburg als auch Kremmen den Schweden als höchstwahrscheinlich besetzt erschienen, so blieb nur dem Rückzug über Nauen nach Fehrbellin übrig.

Duell vor Nauen

Der schwedische General Wrangel schien den Paß bei Fehrbellin frühzeitig durch eine vorausgeschickte Abteilung von 160 Reitern besetzt haben zu lassen, ähnliches galt für die gesamte Rückzugslinie. Das erklärt auch, warum aus dem nur 25 Kilometer entfernten Spandau keine Sperrung des Passes von Nauen erfolgte. Dem Kurfürst ließ aber sofort drei Streifabteilungen bilden: die erste unter Oberstleutnant Hennigs gegen Fehrbellin, die zweite unter dem Kammerjunker und Generaladjutanten v. Kunowski gegen Kremmen, die dritte unter dem Rittmeister v. Zabelitz gegen Oranienburg. Sie hatten den Auftrag mit Hilfe von kundigen Forstleuten auf unbekannten Wegen durch Moor und Wald früher als die Schweden an den Ausgängen des havelländischen Luchs anzukommen, dort die Brücken zu zerstören und die Wege ungangbar zu machen. Dazu sollten diese Übergänge durch das bewaffnete Landaufgebot, Heidereiter und Förster, verteidigt werden.


   Soldaten

Einzelheiten sind nur über den Zug der Abteilung unter Oberstleutnant Hennigs bekannt. Dieser zog mit 100 Kürassieren und 20 Dragonern, geführt vom Förster Christoph Garzwiller, über die Rhinfurt bei Landin, von dort durch Friesacker Gebiet über Vietznitz durch den aufgeschwemmten Landstrich des Zotzen über Brunne nach Fehrbellin. Dort überfiel er die aus 160 schwedischen Kürassieren bestehende Besatzung der den Damm deckenden Schanze so plötzlich, daß er etwa 50 von ihnen zusammen mit ihrem Oberstleutnant Kanne töten konnte. Ein Rittmeister v. Linden, ein Leutnant und acht Gemeine wurden gefangen, der Rest entkam zusammen mit dem kommandierenden Oberstleutnant Tropp, allerdings ohne Pferde. Die beiden den Damm verbindenden Rhinbrücken wurden durch Feuer zerstört und der Damm durchstochen.

Da kein Befehl erteilt war, diesen Paß bzw. die Schanze wegen ihrer Bedeutung für den möglichen Rückzug der Schweden unbedingt zu halten, suchte die Abteilung wieder Anschluß zum Hauptheer. Bereits am Nachmittag des 17. Juni meldete Hennigs sich unweit von Nauen beim Kurfürsten zurück. Die Meldungen der drei Streifabteilungen hatten beim Kurfürsten seine Absicht verstärkt, den Schweden eine Vernichtungsschlacht zu liefern. 

In Rathenow ließ der Kurfürst eine Besatzung von 500 Musketieren unter dem Grafen Dönhoff zurück, die gleichzeitig für die Gefangenen zu sorgen hatte. Er selbst ritt mit einem kleinen Bedeckung nach Bamme voraus. Hier wartete er auf das Nachrücken seiner Hauptkräfte und der wieder auf Wagen gesetzten Musketiere, nun nur noch 500 Mann. Nach deren Eintreffen brach man trotz strömenden Regens und der völlig aufgeweichten Wege sofort auf. Bei Barnewitz stieß man gegen 21.00 Uhr auf das Lager der Nachhut der Schweden. Da die Dunkelheit schon weit fortgeschritten war, konnte mit der Reiterei nicht mehr angegriffen werden. Um für den Kampf am zeitigen Morgen vorbereitet zu sein, blieben die Pferde gesattelt. Der Kurfürst verbrachte die Nacht in seiner Kalesche. Am Morgen mußte man aber feststellen, daß die Schweden im Schutze der Nacht verschwunden waren. Rasch wurde der Aufbruch befohlen. Generalmajor Lüdecke übernahm mit 1.000 Reitern des rechten Flügels die Vorhut. Unterwegs stieß man überall auf die Zeichen eines überstürzten Rückzuges: tote Pferde, Brustpanzer, Waffen, umgestürzte Wagen. Offensichtlich befand sich der Feind schon auf einer ziemlich kopflosen Flucht. Die Furcht vor dem kurfürstlichen Heer resultierte vor allem aus der völligen Unkenntnis über die Stärke und Stellung der Brandenburger und dem teilweise völlig weglos erscheinenden Terrain. Dazu kam, daß der Generalleutnant Wrangel im Gegensatz zu seinem Stiefbruder der Situation ziemlich hilflos gegenüberstand und auch mit seinen Offizieren teilweise Meinungsverschiedenheiten hatte. Immerhin ließ er seine Nachhut jedesmal vorzeitig die für eine Verteidigung günstigsten Punkte räumen, anstatt hier die nachrückenden Brandenburger aufzuhalten, damit sein aus 3.000 Wagen bestehender Train genügend Zeit für einen geordneten Rückzug fand.

Die brandenburgische Vorhut ritt teilweise im Galopp bis zur sogenannten Klinkmühle bei Nauen, voran die 1.000 Reiter unter Lüdecke, dahinter 200 Reiter unter Oberstleutnant Sydow, dann folgte der Kurfürst. Die Klinkmühle lag an einem durch Fließe verbundenen Seenzunge, die bei Brandenburg in die Havel mündet. Die Niederung zwischen den Seen bei Behnitz und Riewendt war nur auf dem von der Klinkmühle nach Gohlitz führenden Damm zu überschreiten. Die Schweden errichteten an diesem sehr günstigen Punkt ein Schanze, die sie mit einigen Geschützen bestückten. 

karte5.jpg (44034 Byte)

Aber als sie die doch ziemlich große Reitermasse der brandenburgischen Vorhut sahen, verzichteten sie auf Widerstand. Die Mühle wurde in Brand gesetzt, die Brücke zerstört, die Geschütze in den See geworfen und der Rückzug überstürzt fortgesetzt. Die Reiter Generalmajor Lüdeckes folgten dem Feind sofort. Unterwegs wurden zahlreiche Versprengte niedergemacht. An der Stadtgrenze von Nauen war erst einmal ein Halt.

Die Schweden hatten sich mit dem größten Teil ihres Heeres hinter der Stadt über einen über das sogenannte Mühlenwasser (Muhre) führenden Damm zurückgezogen. Ein Teil ihrer Truppen hatte die Stadt besetzt, die Tore verschlossen und auf die anrückenden Brandenburger ein lebhaftes Feuer aus Musketen und Geschützen eröffnet. Lüdecke bat den Kurfürsten durch einen Boten um die Entsendung von Dragonern. Dies erfolgte auch sofort, zusätzlich wurden Geschütze nach vorn gezogen. Bevor jedoch Dragoner und Geschütze vor den Mauern von Nauen eintrafen, hatte Oberstleutnant Sydow mit seinen nur 200 Reitern die 1.000 Kürassiere umfassende Nachhut des Feindes geworfen. Das machte auf die schwedische Besatzung Nauens — ein Bataillon Musketiere — einen solchen Eindruck, daß man überstürzt den Ort aufgab. Die nachdrängenden Brandenburger konnten dabei noch etliche Schweden töten. Den Paß aber. der außer der abgebochenen Brücke aus einem schmalen Steindamm bestand, der lediglich drei Reitern nebeneinander ein Passieren ermöglichte, konnte die Vorhut nicht nehmen, zumal rechts und links ein Morast war, der selbst für Fußgänger unpassierbar war.

Am Ende dieses Dammes hatten die Schweden erneut eine Schanze aufgeworfen und sie mit Geschützen besetzt. Diesmal zwang das Geschützfeuer die brandenburgischen Reiter unter Verlusten zum Rückzug. Hinter der Schanze hatte sich zudem das schwedische Heer in voller Schlachtordnung aufgestellt. Immerhin gelang es einer Abteilung unter Feldmarschall Derfflinger, die abgebrochene Brücke trotz feindlichem Beschuß wiederherzustellen und durch drei Geschütze die schwedischen Kanonen an der Schanze zu zerstören. Aber die Stellung des Feindes war nach wie vor so günstig, daß ein direkter Angriff zu risikoreich war. zumal die eigenen Truppen durch die Eilmärsche ziemlich erschöpft waren. 


      Anmarsch zur Schlacht

Es erging der Befehl, sich in die Stadt Nauen bzw. hinter die Stadt zurückzuziehen und dort ein Lager aufzuschlagen. Man hatte zwar inzwischen den Schweden rund 2000 Stück Vieh — Kühe, Ochsen und Pferde — abgenommen, litt aber unter Brotmangel. So erging eine Ordre zum Brotnachschub nach Berlin.Inzwischen erhielt der Kurfürst die Nachricht, daß Feldmarschall Wrangel sich von Havelberg nach Ruppin in Marsch gesetzt habe. Diese Meldung erwies sich zwar später als falsch, wurde aber für die momentanen Befehle des Kurfürsten ausschlaggebend. 

Die Gefahr einer eventuellen Vereinigung der beiden schwedischen Heere erkennend, entschloß sich Friedrich Wilhelm dazu, die Schweden vor ihm trotz seiner zahlenmäßigen Unterlegenheit anzugreifen, ehe die nördliche Gruppierung der Schweden heran war. Dazu wollte er die Schweden von zwei Seiten angreifen. Den Generalmajor Lüdecke befahl er, eine Stunde östlich von Nauen einen Punkt zu erreichen, wo "anstatt des Sumpfes Wasser war", daß er mit seinen 1.200 Reitern durchschwimmen konnte, um so in den Rücken der Schweden zu gelangen.

Inzwischen lagerten beide Heere, das brandenburgische westlich von Nauen, das schwedische nordöstlich davon in Richtung auf Börnicke. Aus diesem Lager heraus erteilte dem Kurfürst nun den Befehl zur Besetzung des Passes von Fehrbellin. Eine Maßnahme, die nun allerdings zu spät erfolgte. Kurz zuvor war die Abteilung des Oberstleutnant Hennigs im Lager eingetroffen, die ja am Fehrbelliner Paß unter Verlust von nur zehn eigenen Reitern die dortige schwedische Gruppierung zersprengt und vertrieben hatte.

Die Tage vom 15. bis zum 17. Juni 1675 hatten für die brandenburgische Armee eine Reihe von Erfolgen gebracht, die so nicht zu erwarten gewesen waren. Immerhin hatte man mit einer fast nur aus Reitern bestehenden halb so starken Truppe ein ausgeruhtes und aus allen Waffengattungen bestehendes Heer aus einer guten Verteidigungsposition vertrieben und es zu einer immer schneller und chaotischer werdenden Fluchtbewegung veranlaßt. Die Schweden hatten in diesen drei Tagen 600 Mann an Toten und 600 Mann an Gefangenen eingebüßt. Großen Einfluß auf die Kampfmoral seiner Truppen hatten die Appelle und Befehle des Kurfürsten, den Schweden gegenüber blutige Rache für ihren Einfall in die Mark Brandenburg und die an der Bevölkerung verübten Greuel zu üben. So war die Stimmung bei den Soldaten trotz Proviantmangels, endlosen Regens und total aufgeweichter Wege immer noch gut, wollte man unbedingt am Gegner bleiben, um ihn entscheidend zu schlagen.


Schlacht              

 

 
Der Tag von Fehrbellin — 18. Juni 1675

Noch am Abend des 17. Juni hatten sich beide Heere auf Kanonenschußweite gegenüber gestanden. Für den Morgen wurde die Eröffnung der Schlacht vor den Toren Nauens erwartet. Doch es sollte anders kommen. Bereits gegen 3.00 Uhr morgens, beim ersten Tagesgrauen, stellten die brandenburgischen Vorposten fest, daß der Feind verschwunden war. Sofort kam vom Kurfürsten der Befehl zum Aufbruch.

Zum Führer der Vorhut wurde der General der Kavallerie, der Prinz von Hessen-Homburg ernannt. Als Besitzer von Neustadt a.d. Dosse kannte er das vor ihnen liegende Gelände ziemlich genau. Seine Truppe hatte eine Stärke von 1.500 Reitern, deren Mitglieder schwadronsweise den einzelnen Regimentern entnommen waren. Der Vormarsch geschah nun sehr zügig, um recht bald wieder mit den Schweden Fühlung aufnehmen zu können. Kaum hatte man den Pass von Nauen überschritten, traf man auf die 1.200 Mann unter Lüdecke. Dessen Reiter hatten bei andauerndem Regen den Übergang zur Umgehung der Schweden nur schwimmend, die Waffen über den Kopf haltend, vollziehen können, dabei aber soviel Zeit verloren, daß man infolge der Nacht nicht mehr in den Rücken des Feindes gelangte.

Auch an diesem Morgen des 17. Juni regnete es heftig, dazu herrschte Nebel, der keinen größeren Überblick gestattete. Die Wege waren noch stärker aufgeweicht. Trotzdem ließ Hessen-Homburg so rasch als möglich weiterreiten. Der Kurfürst brach mit dem Gros seiner Armee gegen 5.30 Uhr auf.

Noch war das Verhalten des Feindes nicht klar erkennbar. Er konnte von Nauen aus über Börnicke, Staffelde auf Kremmen oder über Paaren, Perwenitz, Eichstädt auf Oranienburg bzw. über Titzow, an Flatow vorbei über Linum, Hakenberg, Tarmow auf Fehrbellin zurückgehen. Favorisiert zu haben scheint der Kurfürst die Richtung auf Kremmen, weil er dort die im Vormarsch aus Berlin und Spandau befindlichen Truppen aufnehmen wollte, um dann den Schweden den Rückweg über Fehrbellin nach Norden zu verlegen.

karte6.jpg (23206 Byte)

Die Vorhut der Brandenburger fand nun bei ihrem Vorgehen zahlreiche Spuren eines überhasteten Rückzuges. Schnell stellte sich heraus, daß die Schweden in Richtung auf Titzow zurückgingen. Man fand zahlreiche zerbrochene Wagen, Kürasse, Helme, Waffen, gefallene Pferde, was bei dem sehr engen, zwischen Busch, Morast und verwachsenen Holz sich hindurchwindenden Weg und der Geschwindigkeit des Marsches kein Wunder war.

Gegen 6.00 Uhr ließ der Prinz von Hessen-Homburg durch den Generaladjutanten v. Spiegel dem Kurfürsten melden, daß er den Feind zum Abbruch des Rückzuges gezwungen habe. Der Kurfürst "wolle mit dem Gros der Truppen schnell vorrücken und ihm erlauben, allein den Angriff zu beginnen. Graf Premnitz habe schon eine kleine den Feind flankierende Anhöhe auf seinen Befehl besetzt." Dies waren wahrscheinlich die sich zwischen Titzow und Flatow hinziehenden Sandberge.

Trotz dieser Meldung über eine durchaus ungünstige Aufstellung der gegnerischen Truppen, wollte Friedrich Wilhelm einen Angriff noch nicht befehlen. Erst wollte er mit seinen Truppen noch näher heranrücken. Das dauerte aufgrund des schmalen Dammes von Nauen her länger als erwartet, zumal für die Artillerie.

Inzwischen waren die Schweden aus ihrer ersten Stellung schon wieder weiter zurückgegangen, unaufhörlich von der Vorhut unter Hessen-Homburg bedrängt. Das vollzog sich praktisch in Etappen: Einmal Aufstellung in Schlachtordnung, damit Zeit für den Abzug der Bagage und Munitionswagen blieb, dann wieder Rückzug der Truppen. Schließlich war man an der Stelle angelangt, wo sich das Rhinluch dem Havelluch bis auf eine Entfernung von 1200 Schritt nähert. Hier war eine Flankierung oder Umgehung wegen der Unpassierbarkeit des Sumpfes zu beiden Seiten ausgeschlossen. Dazu existierte an dieser Stelle mit der Front nach Süden die sogenannte Landwehr, eine alte Befestigung, die aus einem hohen Wall und einem trockenen und 5 Fuß (etwa 1,90 Meter) tiefen, 12 Fuß (4,5 Meter) breiten Graben bestand, der nur an zwei Stellen von Reitern zu passieren war, also einen Kavallerieangriff unmöglich machte. Hier schienen die Schweden eine sichere Stellung gefunden zu haben, denn in diesem von unpassierbaren Brüchen umgebenen Gebiet konnten sie den erwarteten Anmarsch der Kräfte unter Feldmarschall Wrangel von Havelberg her in Ruhe abwarten, zumal der von ihnen besetzte Paß von Fehrbellin den Rückzugsweg deckte.

Hessen-Homburg stand nun dem Feind in seiner gut gesicherten Stellung gegenüber. Er schickte an den Kurfürsten eine weitere Meldung mit der erneuten Bitte um Unterstützung, "besonders an Artillerie und Dragonern". Zum gleichen Zeitpunkt erhielten die Schweden aber offensichtlich die Nachricht, daß ihre Besatzung am Paß von Fehrbellin nicht mehr existierte. Das schien sie vollends zu verunsichern. Schon vorher waren die ständig von allen Seiten durch kleine brandenburgische Reitertrupps angegriffenen bzw. beunruhigten Schweden sehr nervös geworden.

schlacht2.jpg (49574 Byte)

So wirkte diese an für sich nicht besonders beunruhigende Nachricht jetzt fast demoralisierend. Die Rückzugsbewegung setzte sich fort, man gab die gut zu haltende Stellung auf und leistete nur noch hinhaltenden Widerstand. Generalleutnant Wrangel schickte ein Regiment Infanterie nach Fehrbellin mit dem Befehl, den durchstochenen Damm zuzuschütten und die verbrannten Brücken wiederherzustellen. Gleichzeitig sollten um Fehrbellin herum Schanzen angelegt werden.

Die Ausführung dieser Anweisungen wurde aber vom Hauptheer nicht abgewartet. Anstatt die Landwehr bei Linum zu halten, bis der riesige Train von über 1500 Wagen den Weg bis Fehrbellin passiert hatte, begann der Rückzug vorschnell. Die alte Stellung blieb nur schwach besetzt. Zwar herrschte noch ein dichter Nebel, der keine Übersicht darüber gestattete, ob man das ganze brandenburgische Heer einschließlich Infanterie und Artillerie bzw. sogar schon mit den Kaiserlichen unter General Kopp vereint vor sich hatte, aber vernünftig erklärbar blieb dieser Stellungswechsel nicht. Die Schweden nahmen nun eine dritte Auffangstellung, cirka 2,5 Kilometer von Linum in Richtung auf Hakenberg ein. Unmittelbar darauf war Hessen-Homburg mit seinen Kürassieren der Durchbruch durch die viel zu schwach besetzte "Landwehr"-Stellung gelungen, obwohl er nicht das Heranrücken der erbetenen Dragoner und der Artillerie abgewartet hatte.

Beim brandenburgischen Hauptheer fand inzwischen ein Kriegsrat statt, der den veränderten Bedingungen Rechnung tragen sollte. Aber hier erwies sich der Feldmarschall Derfflinger als Sturkopf, der an den alten Dispositionen festhalten wollte. "Derselbe war der Meinung, den Kremmischen Damm zu passiren und nach Nauen, Kotzeband und Oranienburg zu senden, um alle Brücken und Dämme zerstören und durchschneiden zu lassen. Alle Landleute und andere leute, welche man in der Eile mit ihren Waffen sammeln konnte, sollten vorgestellt werden, und nachdem wir den Kremmerdamm passirt hatten, sollte er auch zerstört werden, und wir uns nachher (von Ruppin aus) vor den von Fehrbellin legen, wo wir anzukommen glaubten, bevor der Feind ihn hergestellt hätte, denn die Brücke war durch die Unsrigen niedergebrannt, welches, wie wir uns einbildeten und was ganz vernünftig erschien, den Feind veranlaßt hätte, in zwei Tagen uns um sein Leben zu bitten." Zudem hoffte man sich beim Marsch auf Kremmen mit den von Berlin heranziehenden Reiterregimentern und den Garden zu Fuß verstärken zu können. Selbst ein Heranrücken der Infanterie von Magdeburg her erschien als möglich. 


       Reiterangriff

Diese Überlegungen standen ganz unter dem Eindruck, den bisher als unbesiegbar geltenden Schweden mit möglichst zahlreichen Truppen gegenübertreten zu können, die Möglichkeit einer Niederlage damit zu verringern. Die nun aber von Hessen-Homburg sowie seinem Unterführer, dem Grafen von Promnitz, eintreffenden Meldungen über den überstürzten weiteren Rückzug der Schweden und von der Einnahme der Linumer Landwehr veranlaßten den Kurfürsten zur Änderung der Pläne. Er erteilte den Befehl zum sofortigen Angriff: "Da man so nahe beim Feinde sei, müsse derselbe Fell oder Federn lassen". Darauf antwortete Feldmarschall Derfflinger: " Wohlan, Monseigneur ich glaubte als General verbunden zu sein, meine Meinung zu sagen, wie ich es für am vorteilhaftesten und sichersten hielte; aber wenn es Eurer Hoheit gefällt, die andere meinung zu wählen, so hält mich dies nicht ab, dem Feind allen Schaden zu tun, wenn dies auch mit mehr Gefahr und größerem Wagnis verbunden ist."

Die gewünschten Dragoner wurden nun rasch in Marsch gesetzt. Dann folgte sofort die Hauptmacht. Ein schnelles und geschlossenes Vordringen war allerdings aufgrund der engen Wald- und Bruchwege nicht möglich. Die Kolonnen zogen sich auseinander, so daß man immer wieder Halt machen mußte, um ein Aufschließen zu ermöglichen. Durch den erneuten Stellungswechsel der Schweden wurde der Anmarschweg noch länger.

Das schwedische Heer bei Fehrbellin bestand aus acht Regimentern zu Fuß. Statt der üblichen Mannschaftsstärke von 1200 Mann hatten sie aber nur noch etwa 900 Mann. So standen hier 7000 Mann in sechs Brigaden (nach heutigen Maßstäben: Bataillonen) unterteilt und 4200 Mann Kavallerie, dazu kamen 38 Geschütze. Die acht Regimenter zu Fuß führten die Namen v. Dalwig, Feldherr Wrangel, Prinz von Gotha, Helmfeld, Wulff, Horn und die Garde. Vom achten Regiment, das nach Fehrbellin kommandiert war, ist der Name nicht bekannt. Die Reiterei bestand aus den Regimentern Graf Wittenberg, Wachtmeister, Bünau, Bülow, Liewen, Buchwald, Giesen und Blandin (Planting).

Die Brandenburger zählten 5000 Kürassiere, darunter die Regimenter Trabantengarde, Leibregiment, Anhalt, Kurprinz, Hessen-Homburg, Derfflinger, Görtzke, Lüdecke, Oberst Prinz, Mörner sowie einzelne Schwadronen von Croy und Bruckdorff. Außer der Trabantengarde von 300 Mann waren die übrigen Regimenter im Durchschnitt 500 bis 680 Mann stark. Dazu kamen noch 600 Dragoner, fast alle vom Regiment Derfflinger, nur wenige vom Regiment Bomsdorff. Die Artillerie bestand aus 9 dreipfündigen Regimentsstücken, 2 Zwölfpfündern und 2 Haubitzen. Die aus Rathenow unter dem Befehl Oberstleutnant Kannes stehenden Musketiere hatten dem äußerst raschen Vormarsch der Reiter nicht folgen können und befanden sich noch einen Tagesmarsch zurück.

Nunmehr stand der Beginn einer größeren Kampfhandlung unmittelbar bevor. Das Terrain, auf dem diese stattfand — früher das Land Bellin genannt —‚ hatte bei Fehrbellin ungefähr eine Breite von 7000, bei Tarmow von 7500 und bei der Linumer Landwehr von 1200 Schritt, also eine birnenförmige Gestalt. Das hügelige Gelände stieg allmählich an von den tiefer liegenden Orten der Nordseite, Linum, Hakenberg, Tarmow bis zu den drei parallel verlaufenden —bei der Linumer Landwehr dann nur noch zwei — Hügelreihen, die sich teilweise bis zu 80 Meter über den Wasserspiegel der umliegenden Gewässer erhoben. Große Teile waren mit Kiefern, teilweise auch von Eichen, sowie dichtem Unterholz bedeckt. Dazwischen befanden sich versumpfte Reste früherer Gewässer, dazwischen wieder einzelne Hügel, die praktisch zwischen den längeren Hügelreihen standen. Diese Abschnitte eigneten sich besonders gut für Verteidigungsstellungen in südlicher Richtung. 


Kurfürst in der Schlacht          

Einen solchen Abschnitt hatte der schwedische General nun für die Aufstellung seines Heeres ausgewählt. Vor seiner Schlachtlinie befand sich ein etwa 1200 Schritt breiter freier Raum, der an der rechten Flanke von einem Gehölz, den Dechtower Fichten — etwa in der Mitte zwischen Linum und Hakenberg — und an der linken Flanke durch einen vorspringenden Zipfel des Luchs geschützt war. In der Verlängerung des rechten Flügels lagen einige Sandhügel die der schwedische Wrangel Befehlshaber unbesetzt ließ. Diese dritte Aufstellung der Schweden erfolgte in den üblichen Treffen, dabei wurden die acht Regimenter Infanterie in sechs Brigaden zusammengefaßt. Die Infanterie nahm in zwei Treffen aufgestellt die Mitte, die Kavallerie hinter den beiden Flügeln ihre Stellung ein. Die Geschütze waren in den Zwischenräumen der Infanterie des ersten Treffens aufgestellt worden.

Die Brandenburger konnten schon aufgrund ihrer rein kavalleristischen Zusammensetzung nicht an eine klassische Schlachtaufstellung denken, dazu befanden sich die Heeresteile ja teilweise noch auf dem Anmarsch. Derfflinger erkannte aber sofort, daß die unbesetzten Sandhügel bei den Dechtower Fichten die rechte Flanke der Schweden verwundbar machten. Also beschäftigte ein Teil der Vorhut die Schweden in ihrem Zentrum, während die Geschütze der Brandenburger, gedeckt durch Grumbkow- und Derfflinger-Dragoner, eine Eskadron der Leibtrabanten und drei Eskadrons vom Regiment Anhalt, durch die Dechtower Fichten (auch als Eichen bezeichnet) vorrückten und die Sandhügel besetzten. Die Aufstellung der Geschütze erfolgte so, daß die ganze schwedische Schlachtlinie damit beschossen werden konnte. Die vom Rittmeister v. Kottwitz geführten Dragoner saßen ab und wurden in Gruppen zu 50 und 100 Mann auf den von Gesträuch bewachsenen Hügeln zur Bedeckung verteilt. 


          Kurfürst in der Schlacht

Die anderen vier Eskadrons standen im Schutz des dahinter liegenden Waldes in Reserve. Der Prinz von Hessen-Homburg kämpfte unterdessen mit seinen Kräften vor allem dem linken Flügel der Schweden gegenüber, wobei deren Truppen schon halb in seinem Rücken standen. Noch befand sich das Gros des brandenburgischen Heeres aber auf dem Anmarsch. So wurde die Situation an dieser Flanke für die Brandenburger kritisch. In dieser Situation erteilte Feldmarschall Derfflinger gegen 8.00 Uhr den Befehl zum Feuern. Das Geschützfeuer erzielte sofort Wirkung und zwang Generalleutnant Wrangel, auf diesem Flügel aktiv zu werden. Inzwischen hatte auch der Regen nachgelassen und der Nebel verzog sich, so daß die Geschützstellung der Brandenburger und die von dort drohende Gefahr den Schweden deutlich wurde.

 Wrangel befahl deshalb einen Angriff auf diese Stellung durch das Leibinfanterieregiment des Generalmajors Dalwig unter dem wegen seiner Tapferkeit berühmten Führer, dem Oberstleutnant v. Maltzahn, sowie die Kavallerie des rechten Flügels.

Bei Beginn dieses schwedischen Vorstoßes eilte einer der Reiteroffiziere bei den Geschützstellungen zum Feldmarschall Derfflinger und bat um dringende Unterstützung, da sonst Geschütze und Reiterei verloren wären. Er erhielt die trockene Antwort. "Der Herr mache sich darum keine Sorge und möge nur seine Schuldigkeit tun." Inzwischen war die Situation bei den Geschützen tatsächlich sehr kritisch geworden. Die Dragoner konnten zwar bisher die Angriffe der Schweden abwehren, doch diese gingen nun mit gefällter Pike vor, während ihre Kavallerie auf die in der Reserve stehenden vier Eskadronen Leibtrabanten bzw. Regiment Anhalt großen Druck ausübte, die diese zum fast fluchtartigen Rückzug veranlaßten. Diese Fluchtbewegung wurde kurz darauf von dem im gleichen Augenblick auf dem Schlachtfeld eintreffenden Kurfürsten gestoppt, der die Reiter zur Besinnung rief und sie wieder an den Feind führte. Derfflinger hatte nun auf Ersuchen des Kammerjunkers v. Buch diesem die Erlaubnis erteilt, sich die ersten besten Eskadronen, die er fand, zu nehmen, um den bedrängten Geschützen zu Hilfe zu eilen. Buch traf auf drei Eskadronen vom Regiment Görtzke, wenig später auf den Prinzen von Homburg, der nun die Führung übernahm. Diese Reitergruppierung brach nun aus dem Gehölz hervor und fiel den schwedischen Reitern in die Flanke, so daß diese sofort zurückgingen.

Im Moment schienen die Geschütze gerettet, trotzdem ihre Bedeckung, die Dragoner, die mit ihren Karabinern gegenüber den Musketen der Schweden (die eine größere Schußweite hatten) im Nachteil waren, schon bedeutende Verluste erlitten hatten. Wrangel erneuerte aber seinen Angriff sofort. Da seine linke Flanke nicht mehr durch die Angriffe der Reiterei der brandenburgischen Vorhut bedrängt war, zog er von dort Kräfte ab. Der Kurfürst, der seine Regimenter, wie sie ankamen, ins Schlachtgetümmel schickte, ließ den jetzt eintreffenden Rest seiner Geschütze in der Verlängerung der bisherigen Geschützlinie aufstellen.

Nun griffen aber die Schweden erneut mit Wucht an. In dem erbittert geführten Kampf wurden sowohl Karabiner als auch Pallasch (langer Degen der Kürassiere) gebraucht. Selbst die hohen militärischen Führer beider Seiten waren im Getümmel zu finden. So befand sich auch der 69jährige Feldmarschall Derfflinger im Reiterkampf und konnte nur durch den Einsatz des Prinzen von Homburg und des Obersten Mörner aus einer gefährlichen Situation herausgehauen werden. Oberst Mörner erhielt dabei einen tödlichen Hieb vom schwedischen Obersten Adam Wachtmeister, der wenig später von brandenburgischen Reitern getötet wurde. 


Reitergefecht                      

Die Stelle des gefallenen Obersten Mörner übernahm sofort Oberstleutnant Hennigs, der die einzelnen Eskadronen der Brandenburger immer wieder ordnete und vor allem gegen das hier anreitende ostgothische Regiment der Schweden führte, die große Verluste erlitten.

Der allgemeine Kampf wurde nun immer verbissener und unübersichtlicher. So berichtete der Prinz von Homburg, daß er "brav gehetzet worden und zuweilen laufen mußte, zuweilen laufen machte". Immer stärker machte sich in diesem Kampf die hohe Motivation der Brandenburger bemerkbar, die hier für die Sicherheit ihres Landes kämpften und Rache für den Überfall durch die Schweden nehmen wollten. Dem Gegner wurde schnell klar, daß man hier nicht mehr für die Erhaltung alten Kriegsruhmes kämpfte, sondern vielmehr um den Erhalt des Lebens, denn es wurde kaum Pardon gegeben. Zum Glück waren sie den Brandenburgern während der längsten Zeit der Schlacht an Zahl überlegen.

Kurfürst Friedrich Wilhelm war nach seinem Eintreffen auf dem Schlachtfeld praktisch an allen Stellen des Geschehens zu finden, bereit, da persönlich einzugreifen, wo es kritisch wurde. So fing er die führerlos zurückgehenden Eskadronen der Leibtrabanten und des Regiments Anhalt mit den Worten auf: " Getrost, tapfre Soldaten, ich, euer Fürst und nun euer Kapitän, will siegen oder zugleich mit euch ritterlich sterben." Der Kurfürst trug trotz der ständigen Lebensgefahr im Schlachtengetümmel nur einen leichten Brustpanzer, darüber war ein Umhang, der Kopf war von einer gefütterten acht Pfund schweren eisernen Sturmhaube geschützt, die von einem einfachen Filzhut überdeckt war. Als Waffe trug er ein drei Fuß langes Schwert mit spanischer Klinge und einem von zwei Bügeln gesicherten Gefäß. Es wird berichtet, daß er während der Kämpfe einmal schon von schwedischen Reitern umringt war, als ihn neun brandenburgische Reiter wieder befreiten (hierbei soll es sich um Dragoner vom Regiment Bomsdorff gehandelt haben, die dafür vom Kurfürsten "jeder eine Handvoll Dukaten" erhielten).


      Wandteppich der Schlacht

Nach zähem hin- und herwogenden Kampf gewannen die Brandenburger allmählich die Oberhand, zumal nun sämtliche Reiter im Gefecht waren. Die unterlegene schwedische Reiterei war zum fluchtartigen Zurückgehen gezwungen. Nun aber geriet das durch den Angriff auf die brandenburgische Geschützstellung bei den Sandhügeln an den Dechtower Fichten am weitesten vorgeprellte Regiment zu Fuß v. Dalwig in eine isolierte Lage. Es wurde nun vollkommen umzingelt. Mit gesenkten Piken erwarteten die Schweden den Angriff, der auch erfolgte. Schließlich gelang den brandenburgischen Reitern der Einbruch in die schwedische Phalanx, fast das gesamte Regiment wurde niedergemacht, lediglich 20 Mann gelang die Flucht, etwa 60 bis 70 Mann wurden zu Gefangenen gemacht. Der kommandierende Offizier, Oberstleunant v. Maltzahn, fand an der Spitze seiner acht Kompanien den Tod. 

Die acht Fähnlein des Regiments sowie ein dreipfündige Kanone fielen in die Hände der Brandenburger. Der rechte Flügel der Schweden war nun praktisch geschlagen. Ein Achtel der hier stehenden Infanterie war vernichtet, die Kavallerie stark dezimiert und in völliger Unordnung, momentan nicht einsetzbar. Ausgegangen war dieser Mißerfolg von der Nichtbesetzung der Sandhügel an den Dechtower Fichten und dem vorschnellen Angriff schwedischer Truppen, so daß die weit überlegene Artillerie gar nicht zum Einsatz gelangen konnte. Generalleutnant Wrangel war nun gezwungen den Rückzug auf Fehrbellin fortzusetzen, obwohl der dortige Paß noch nicht wiederhergestellt war. Vielleicht bestärkten ihn darin auch aufkommende Gerüchte über das Heranrücken des kaiserlichen Hilfskorps unter General Kopp, wobei es sich aber nur um die aus Berlin heranmarschierenden brandenburgischen Truppen handeln konnte.

Gegen 10.00 Uhr traten die Schweden in zwei Kolonnen den Rückmarsch auf Fehrbellin an. Da der Kurfürst den Gegner nicht entkommen lassen wollte, ordnete er zunächst seine Reiterei. Die Abteilung unter dem Prinzen von Hessen-Homburg wurde durch ihn um sechs bis acht Eskadrons verstärkt. Nun setzten sich die Brandenburger in ebenfalls zwei Kolonnen in Bewegung. Sie hielten sich dabei parallel zur linken Flanke der Schweden, sie ständig mit Artillerie beschießend, um eine Gelegenheit zu finden, noch einmal mit geballter Kraft auf diese loszugehen. Die schwedischen Artilleristen erwiderten das Feuer lebhaft. Eine der Kugeln flog dabei über den Hals des Schimmels den der Kurfürst ritt, und traf den links von ihm reitenden Stallmeister Emanuel v. Froben, dem sie das rechte Bein oberhalb des Knies abriß. Eine Stunde später verstarb er an dieser Wunde.

Ein Angriff auf die Schweden war aber auf dieser Seite nicht möglich, da hier noch sechs intakte Infanterieregimenter marschierten, denen man auf dem abschüssigen Terrain nicht beikommen konnte. Aber der Kurfürst wollte den schwedischen Rückzug nicht ohne weiteren Angriffsversuch sich weiter vollziehen lassen. Er gab dem Prinzen von Homburg deshalb den Befehl, die feindliche Reiterei des linken Flügels, die den Rückzug der Infanterie deckte, anzugreifen. 

Doch die durch den sechstägigen Marsch und die bisherige Schlacht erschöpften Reiter und Pferde waren zu keinen großen Leistungen mehr fähig Die Attacke wurde nur halbherzig vorgetragen und von den Schweden sofort abgewehrt, dabei wurden von den Reitern sogar die eigenen Offiziere im Stich gelassen. Der Kurfürst war darüber sehr empört und schrieb am 19. Juni dazu an den Fürsten von Anhalt-Dessau. "Etliche Regimenter haben nicht das Ihrige getan." Letztlich blieb Friedrich Wilhelm nichts anderes übrig, als den Feind bei seinem weiteren Rückzug an der rechten Flanke zu begleiten und durch ständiges Geschützfeuer zu beunruhigen. Kleinere Angriffe dienten dazu, von der Hauptmasse der Schweden Gruppen abzusplittern, diese dann zu vernichten oder in den Sumpf abzudrängen. 


           Schlachtengemälde

Den allgemein in guter Ordnung sich vollziehenden Rückzug aber konnte man nicht verhindern. Gegen Mittag erreichten die schwedischen Truppen Fehrbellin. Das vorausgeschickte Regiment zu Fuß hatte inzwischen mit Hilfe aufgeworfener Schanzen den Ort zur Verteidigung hergerichtet. Die Zugänge waren außerdem durch Verhaue gesichert, die Bagage stand dahinter. Der Kurfürst ließ zwar noch die gegnerischen Stellungen erkunden, doch ein Angriff wurde nicht in Erwägung gezogen. Eine im Kriegsrat vorgebrachte Forderung nach einer Beschießung von Fehrbellin lehnte er mit den Worten ab. "Ich bin nicht gekommen, mein Land zu verbrennen, sondern zu retten; es würde solches meine armen Untertanen antreffen; Gott wird doch helfen."

Friedrich Wilhelm ließ nun seine völlig erschöpften Truppen bis Tarmow zurückgehen und dort ein Lager aufschlagen. Inzwischen trafen die 500 Musketiere unter Oberst Kanne, von Berlin das Reiterregiment v. Frankenberg mit 600 Mann und aus Spandau 1800 Mann Infanterie unter General v. Sommerfeld ein. Die Frankenbergschen Reiter lösten sofort die bisherigen Sicherungstruppen ab. Am späten Nachmittag besuchte der Kurfürst alle Lagerplätze seiner Truppen und fuhr anschließend mit seiner Kalesche nach Linum, wo er sein Nachtquartier nahm. Am nächsten Tag sollte entschieden werden, ob man die Schweden erneut angriff oder den Weg über Kremmen nahm, um sie weiter nördlich nach Passieren des Passes von Fehrbellin zum Kampf zu stellen.


          Siegessäule

Am frühen Morgen unternahm der Kurfürst persönlich einen Erkundungsritt. Rasch wurde deutlich, daß die Schweden sich schon im vollen Rückzug über die notdürftig wiederhergestellte Brücke am Paß von Fehrbellin befanden. Die Masse der Truppen hatte sie schon überschritten. Ganz im Gegensatz zum bisherigen Rückzug befanden sich fast alle Gepäck- und Munitionswagen noch im Ort, da der Generalleutnant Wrangel offensichtlich zuerst seine Soldaten und die Artillerie in Sicherheit bringen wollte. Die Verschanzungen waren von zwei Bataillonen des Regiments Gotha besetzt. Friedrich Wilhelm schickte eine Abteilung zur Erkundung vor, um zu sehen, ob in der Ortschaft noch Schweden waren. Da der befehligende Offizier seine Aufgabe nur zögerlich ausführte, übernahm der Kammerjunker v. Buch diese Aufgabe und konnte in Fehrbellin feststellen, daß die reparierte Brücke erneut zusammengebrochen war, sich im Ort außer den zahllosen Wagen auch noch schwedische Geschütze befanden. Auf seine Meldung hin galoppierte Feldmarschall Derfflinger mit 1150 Reitern in den Ort und ritt alles nieder, was sich in den Weg stellte, bis man aufgrund der ineinandergefahrenen Wagen kein Durchkommen mehr fand. 

Von der kleinen Anhöhe beim Amtshaus aus sah er, daß etwa 300 schwedische Soldaten fieberhaft an der Reparatur der Brücke arbeiteten. Er befahl nun dem Kammerjunker v. Buch zusammen mit 50 Reitern sich hinter einer Lehmmauer zu postieren und die dort arbeitenden Schweden zu beschießen. Ein Teil dieser Soldaten aber erwiderte das Feuer so lebhaft, daß die meisten brandenburgischen Reiter es vorzogen, sich zu verdrücken, zumal sie auch mehr an der Plünderung der Wagen interessiert waren. Feldmarschall Derfflinger hatte dieses Geschehen beobachtet und war schon weggeritten, um mit Dragonern vom Regiment Grumbkow zurückzukehren, die die verlassene Stellung einnahmen und durch ihr Feuer den Feind zum Rückzug zwangen. Die Dragoner drängten nun nach und es begann noch einmal ein verbissener Nahkampf. Dabei wurde der Major v. Schlabrendorf im Getümmel offensichtlich von eigenen Kugeln getötet. Die Schweden waren bemüht, vor allem ihre noch auf der Fehrbelliner Seite stehenden fünf Geschütze sowie Munitions- und Pulverwagen zu retten oder in die Luft zu sprengen. Beides konnten die Brandenburger aber verhindern, selbst als die Schweden die in unmittelbarer Nähe der Brücke liegenden Häuser in Brand steckten. Der letzte Widerstand des Gegners erlosch. Die Reste der Schweden zogen sich vom Geschützfeuer der Brandenburger begleitet auf dem engen Damm nach der Brücke zurück. Damit war der Kampf vor und in Fehrbellin am 19. Juni beendet.

Eine für Brandenburg und seine Armee bedeutende Schlacht war mit einem überzeugenden Sieg abgeschlossen worden. Den Grundstein für diesen Erfolg hatten die Brandenburger schon mit der tagelangen Verfolgung des Gegners durch unwegsames Gelände, bei strömendem Regen und ständigen kleinen Angriffen auf das schwedische Heer gelegt, so daß der Gegner schon vor der eigentlichen Schlacht zermürbt war. Am 18. Juni war man dann selbst kaum noch in der Lage einen längeren und größeren Kampf durchzustehen. Den Erfolg hatte man in der für die damalige Zeit völlig ungewöhnlichen Weise eines reinen Reitergefechts, nur unterstützt von wenigen Geschützen, errungen. Dazu hatte der Kurfürst sich von der allgemein üblichen festen Schlachtordnung getrennt und sozusagen aus der Bewegung heraus den Feind angegriffen, dabei die nach und nach auf dem Schlachtfeld eintreffenden Teile seines Heeres in den Angriff eingegliedert und dann den zurückweichenden Gegner sofort ständig aus der Flanke heraus bedroht. Auch der Einsatz der Artillerie war für die damalige Zeit ungewöhnlich. 


Denkmal in Rathenow     

Üblich war, daß die Artillerie ihre einmal für die Schlacht eingenommene Stellung nicht verließ. Bei Fehrbellin aber war sie beweglich eingesetzt worden: zuerst auf den Sandhügeln bei den Dechtower Fichten, wo sie in die schwedische Frontlinie feuerte, dann aus verschiedenen Stellungen während des schwedischen Rückzugs auf Fehrbellin.

Eine Besonderheit am 19. Juni war, daß der Kurfürst trotz der inzwischen eingetroffenen Infanterie (1800 Mann) lieber die Dragoner für den Kampf um Fehrbellin und die Besetzung des Ortes einsetzte. Offenbar eine Folge davon, daß diese als Lieblingswaffe des Feldmarschalls Derfflinger galten; auch der Kurfürst liebte diese vielseitig verwendbaren leichten Reiter. Sie ersetzten damals sowohl bei der Reiterei als auch bei der Infanterie die leichten Truppen. Die Infanterie war einfach noch zu schwerfällig, denn die Pikeniere waren durch ihre Rüstung belastet, die Musketiere durch das Mitführen der Schweinsfeder, einem Spieß gegen den Kavallerieangriff, sowie die Gabeln zum Auflegen der Muskete.

Am 20. Juni nahmen die Brandenburger über die wiederhergestellte Brücke von Fehrbellin die Verfolgung der Schweden auf. Schon zuvor waren kleinere Abteilungen vorausgeritten. Der Kurfürst selbst hatte nun neben den Kürassieren und Dragonern noch etwa 3.000 Musketiere bei sich. Bei Wittstock erreichte man die Nachhut der Schweden, die gerade wieder die Stadt verließ. Feldmarschall Derfflinger geriet, als er mit nur 150 Mann diesen den Rückzug verlegen wollte, beinahe in einem Hinterhalt, wurde sogar von schwedischen Reitern bis nach Wittstock verfolgt, nachdem zuvor schon Offiziers- und Mannschaftsverluste zu beklagen waren. Generalmajor v. Götze war verwundet in einen Sumpf geraten und wurde von den Schweden gefangenengenommen. Vom Kurfürst nun vorgeschickte Derfflinger-Dragoner vertrieben die Schweden wieder aus Wittstock.


  Altes Denkmal

Damit war das letzte Nachspiel der Schlacht von Fehrbellin zu Ende. Mittlerweile hatten die Reiter des Kurfürsten seit neun Tagen nicht abgesattelt, die Leistungsfähigkeit der Truppen war total auf gebraucht, die Pferde und Menschen brauchten einfach eine Ruhepause. Der Kurfürst ließ deshalb rasten und wartete bei Perleberg noch auf das Heranrücken seiner Infanterie, eher er mit seiner gesamten Streitmacht in Mecklenburg einrückte. Bis diese Vereinigung seiner Heeresteile vollzogen war, ging der Kurfürst noch kurzzeitig nach Berlin, wohin auch die Leichen der Gefallenen gebracht worden waren. Hier fand auch noch einmal ein großes und feierliches kirchliches Dankfest statt. Die schwedische Armee verlor bei ihrem weiteren Rückzug immer mehr an Stärke. Viele der Geworbenen wandten sich unter dem Eindruck der Niederlage nach Hamburg, um dort unter glücklicheren Fahnen und neuem Handgeld Dienst zu tun. Bereits am 22. Juni passierte Generalleutnant Wrangel die mecklenburgische Grenze. In Demmin trafen dann von der ursprünglichen Armee von 12.000 nur noch 4000 Mann ein.

Die Schweden hatten in der Schlacht bei Fehrbellin und bei der späteren Verfolgung rund 2400 Tote zu beklagen, darunter sehr viele Offiziere, 300-400 waren in Gefangenschaft geraten. Über die Zahl der Verwundeten ist nichts näheres bekannt. Etliche der tüchtigsten Offiziere waren gefallen: Oberst Adam Wachtmeister, Oberstleutnant Malzahn, fünf andere Stabsoffiziere, sechs Capitains der Reiterei, eine Anzahl Leutnants und Kornetts, sämtliche Offiziere des Regiments Dalwig.

Die brandenburgischen Verluste an Toten und Verwundeten beliefen sich auf etwas über 500 Mann. Gefallen waren Generalwachtmeister v. Mörner, der Major v.d. Marwitz, die Rittmeister v. Asseburg, Beyer, Burgsdorff und Schönermark, einige Leutnante und 218 Mannschaften. Verwundet waren die Oberstleunante Strauß, Köller, Sydow, Hennigs, Capitain Buch. Hennigs war vom Kurfürsten noch auf dem Schlachtfeld unter dem Namen v. Treffenfeld in den Adelsstand erhoben worden.

Brandenburg — Preußens Aufstieg zur Großmacht

Die Reiterschlacht von Fehrbellin war die erste Waffentat, die die Brandenburger aus eigener Kraft vollführten. Das Vertrauen zwischen den Truppen und ihren Führern festigte sich und insgesamt wurde das brandenburgische Staatsbewußtsein in allen Teilen des weit zerstreuten Landes gestärkt. Letztlich wurde bei Fehrbellin der Grundstein für die spätere preußische Königskrone gelegt.

In Europa beeilte sich nach diesem Sieg sozusagen jeder Potentat dem Sieg von Fehrbellin Rechnung zu tragen. Die bisher als potentielle Feinde Gewehr bei Fuß stehenden Hannoveraner und Bayern nahmen nun Abstand vom Bündnis mit den Schweden. Kursachsen und der Bischof von Münster wechselten sogar die Fronten. Auf einmal wurden die bisher Zögernden zu eifrigen Verfechtern der kurbrandenburgische Sache. Sechs Monate lang hatte Kaiser Leopold I. "nicht gewußt", ob durch Wrangels Einmarsch in die Mark Brandenburg der Friede gebrochen war. 

Auf die Nachricht vom Sieg des Kurfürsten stellten die kaiserlichen Räte plötzlich fest, daß Schweden als Aggressor gebrandmarkt werden und man Brandenburg die Reichshilfe gewähren müsse, die allerdings fast ausschließlich in theoretischen Bekundungen bestand. Die durch den Sieg des brandenburgischen Heeres bei Fehrbellin bewiesene Besiegbarkeit des schwedischen Heeres führt sogar dazu, daß Englands König sich von Frankreich lossagte und persönlich nicht genug Details über den Kampf erfahren konnte. Zwar brachte der Sieg von Fehrbellin dem Kurfürsten nicht den erhofften ganz großen militärischen und materiellen Erfolg — er wollte ja die schwedischen Truppen möglichst alle vernichten bzw. gefangennehmen —‚ aber die Ergebnisse für die Entwicklung Brandenburgs waren enorm. Die damals noch als beste Streitmacht in Europa geltende schwedische Armee war in einem nur zehn Tage dauernden Feldzug aus dem brandenburgischen Land gedrängt — man kann schon sagen, gejagt — worden. Auf dem Schlachtfeld besiegt von einem nur etwa halb so starken, lediglich aus Reitern und Artillerie (auch hier viel schwächer als der Gegner) bestehenden Heer.


Der große Kurfürst      

Der Sieg von Fehrbellin sprach sich wie in Lauffeuer in Deutschland und Europa herum. Fast überall rief diese Leistung Bewunderung hervor, das Ansehen des Kurfürsten stieg derart, daß er schon damals als der "Große Kurfürst" gefeiert wurde.

 

 
 
      

Die Texte, Karten und Bilder stammen größtenteils aus dem vorzüglichen Buch von:

Frank Bauer, Fehrbellin 1675
Brandenburg-Preußens Aufbruch zur Großmacht
Kurt Vowinckel-Verlag  KG