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18. Juni 1675 |
Der Tag von Fehrbellin — 18. Juni 1675Noch am Abend des 17. Juni hatten sich beide Heere auf Kanonenschußweite gegenüber gestanden. Für den Morgen wurde die Eröffnung der Schlacht vor den Toren Nauens erwartet. Doch es sollte anders kommen. Bereits gegen 3.00 Uhr morgens, beim ersten Tagesgrauen, stellten die brandenburgischen Vorposten fest, daß der Feind verschwunden war. Sofort kam vom Kurfürsten der Befehl zum Aufbruch. Zum Führer der Vorhut wurde der General der Kavallerie, der Prinz von Hessen-Homburg ernannt. Als Besitzer von Neustadt a.d. Dosse kannte er das vor ihnen liegende Gelände ziemlich genau. Seine Truppe hatte eine Stärke von 1.500 Reitern, deren Mitglieder schwadronsweise den einzelnen Regimentern entnommen waren. Der Vormarsch geschah nun sehr zügig, um recht bald wieder mit den Schweden Fühlung aufnehmen zu können. Kaum hatte man den Pass von Nauen überschritten, traf man auf die 1.200 Mann unter Lüdecke. Dessen Reiter hatten bei andauerndem Regen den Übergang zur Umgehung der Schweden nur schwimmend, die Waffen über den Kopf haltend, vollziehen können, dabei aber soviel Zeit verloren, daß man infolge der Nacht nicht mehr in den Rücken des Feindes gelangte. Auch an diesem Morgen des 17. Juni regnete es heftig, dazu herrschte Nebel, der keinen größeren Überblick gestattete. Die Wege waren noch stärker aufgeweicht. Trotzdem ließ Hessen-Homburg so rasch als möglich weiterreiten. Der Kurfürst brach mit dem Gros seiner Armee gegen 5.30 Uhr auf. Noch war das Verhalten des Feindes nicht klar erkennbar. Er konnte von Nauen aus über Börnicke, Staffelde auf Kremmen oder über Paaren, Perwenitz, Eichstädt auf Oranienburg bzw. über Titzow, an Flatow vorbei über Linum, Hakenberg, Tarmow auf Fehrbellin zurückgehen. Favorisiert zu haben scheint der Kurfürst die Richtung auf Kremmen, weil er dort die im Vormarsch aus Berlin und Spandau befindlichen Truppen aufnehmen wollte, um dann den Schweden den Rückweg über Fehrbellin nach Norden zu verlegen.
Gegen 6.00 Uhr ließ der Prinz von Hessen-Homburg durch den Generaladjutanten v. Spiegel dem Kurfürsten melden, daß er den Feind zum Abbruch des Rückzuges gezwungen habe. Der Kurfürst "wolle mit dem Gros der Truppen schnell vorrücken und ihm erlauben, allein den Angriff zu beginnen. Graf Premnitz habe schon eine kleine den Feind flankierende Anhöhe auf seinen Befehl besetzt." Dies waren wahrscheinlich die sich zwischen Titzow und Flatow hinziehenden Sandberge. Trotz dieser Meldung über eine durchaus ungünstige Aufstellung der gegnerischen Truppen, wollte Friedrich Wilhelm einen Angriff noch nicht befehlen. Erst wollte er mit seinen Truppen noch näher heranrücken. Das dauerte aufgrund des schmalen Dammes von Nauen her länger als erwartet, zumal für die Artillerie. Inzwischen waren die Schweden aus ihrer ersten Stellung schon wieder weiter zurückgegangen, unaufhörlich von der Vorhut unter Hessen-Homburg bedrängt. Das vollzog sich praktisch in Etappen: Einmal Aufstellung in Schlachtordnung, damit Zeit für den Abzug der Bagage und Munitionswagen blieb, dann wieder Rückzug der Truppen. Schließlich war man an der Stelle angelangt, wo sich das Rhinluch dem Havelluch bis auf eine Entfernung von 1200 Schritt nähert. Hier war eine Flankierung oder Umgehung wegen der Unpassierbarkeit des Sumpfes zu beiden Seiten ausgeschlossen. Dazu existierte an dieser Stelle mit der Front nach Süden die sogenannte Landwehr, eine alte Befestigung, die aus einem hohen Wall und einem trockenen und 5 Fuß (etwa 1,90 Meter) tiefen, 12 Fuß (4,5 Meter) breiten Graben bestand, der nur an zwei Stellen von Reitern zu passieren war, also einen Kavallerieangriff unmöglich machte. Hier schienen die Schweden eine sichere Stellung gefunden zu haben, denn in diesem von unpassierbaren Brüchen umgebenen Gebiet konnten sie den erwarteten Anmarsch der Kräfte unter Feldmarschall Wrangel von Havelberg her in Ruhe abwarten, zumal der von ihnen besetzte Paß von Fehrbellin den Rückzugsweg deckte.
So wirkte diese an für sich nicht besonders beunruhigende Nachricht jetzt fast demoralisierend. Die Rückzugsbewegung setzte sich fort, man gab die gut zu haltende Stellung auf und leistete nur noch hinhaltenden Widerstand. Generalleutnant Wrangel schickte ein Regiment Infanterie nach Fehrbellin mit dem Befehl, den durchstochenen Damm zuzuschütten und die verbrannten Brücken wiederherzustellen. Gleichzeitig sollten um Fehrbellin herum Schanzen angelegt werden. Die Ausführung dieser Anweisungen wurde aber vom Hauptheer nicht abgewartet. Anstatt die Landwehr bei Linum zu halten, bis der riesige Train von über 1500 Wagen den Weg bis Fehrbellin passiert hatte, begann der Rückzug vorschnell. Die alte Stellung blieb nur schwach besetzt. Zwar herrschte noch ein dichter Nebel, der keine Übersicht darüber gestattete, ob man das ganze brandenburgische Heer einschließlich Infanterie und Artillerie bzw. sogar schon mit den Kaiserlichen unter General Kopp vereint vor sich hatte, aber vernünftig erklärbar blieb dieser Stellungswechsel nicht. Die Schweden nahmen nun eine dritte Auffangstellung, cirka 2,5 Kilometer von Linum in Richtung auf Hakenberg ein. Unmittelbar darauf war Hessen-Homburg mit seinen Kürassieren der Durchbruch durch die viel zu schwach besetzte "Landwehr"-Stellung gelungen, obwohl er nicht das Heranrücken der erbetenen Dragoner und der Artillerie abgewartet hatte. Beim brandenburgischen Hauptheer fand inzwischen ein Kriegsrat statt, der den veränderten Bedingungen Rechnung tragen sollte. Aber hier erwies sich der Feldmarschall Derfflinger als Sturkopf, der an den alten Dispositionen festhalten wollte. "Derselbe war der Meinung, den Kremmischen Damm zu passiren und nach Nauen, Kotzeband und Oranienburg zu senden, um alle Brücken und Dämme zerstören und durchschneiden zu lassen. Alle Landleute und andere leute, welche man in der Eile mit ihren Waffen sammeln konnte, sollten vorgestellt werden, und nachdem wir den Kremmerdamm passirt hatten, sollte er auch zerstört werden, und wir uns nachher (von Ruppin aus) vor den von Fehrbellin legen, wo wir anzukommen glaubten, bevor der Feind ihn hergestellt hätte, denn die Brücke war durch die Unsrigen niedergebrannt, welches, wie wir uns einbildeten und was ganz vernünftig erschien, den Feind veranlaßt hätte, in zwei Tagen uns um sein Leben zu bitten." Zudem hoffte man sich beim Marsch auf Kremmen mit den von Berlin heranziehenden Reiterregimentern und den Garden zu Fuß verstärken zu können. Selbst ein Heranrücken der Infanterie von Magdeburg her erschien als möglich.
Die gewünschten Dragoner wurden nun rasch in Marsch gesetzt. Dann folgte sofort die Hauptmacht. Ein schnelles und geschlossenes Vordringen war allerdings aufgrund der engen Wald- und Bruchwege nicht möglich. Die Kolonnen zogen sich auseinander, so daß man immer wieder Halt machen mußte, um ein Aufschließen zu ermöglichen. Durch den erneuten Stellungswechsel der Schweden wurde der Anmarschweg noch länger. Das schwedische Heer bei Fehrbellin bestand aus acht Regimentern zu Fuß. Statt der üblichen Mannschaftsstärke von 1200 Mann hatten sie aber nur noch etwa 900 Mann. So standen hier 7000 Mann in sechs Brigaden (nach heutigen Maßstäben: Bataillonen) unterteilt und 4200 Mann Kavallerie, dazu kamen 38 Geschütze. Die acht Regimenter zu Fuß führten die Namen v. Dalwig, Feldherr Wrangel, Prinz von Gotha, Helmfeld, Wulff, Horn und die Garde. Vom achten Regiment, das nach Fehrbellin kommandiert war, ist der Name nicht bekannt. Die Reiterei bestand aus den Regimentern Graf Wittenberg, Wachtmeister, Bünau, Bülow, Liewen, Buchwald, Giesen und Blandin (Planting). Die Brandenburger zählten 5000 Kürassiere, darunter die Regimenter Trabantengarde, Leibregiment, Anhalt, Kurprinz, Hessen-Homburg, Derfflinger, Görtzke, Lüdecke, Oberst Prinz, Mörner sowie einzelne Schwadronen von Croy und Bruckdorff. Außer der Trabantengarde von 300 Mann waren die übrigen Regimenter im Durchschnitt 500 bis 680 Mann stark. Dazu kamen noch 600 Dragoner, fast alle vom Regiment Derfflinger, nur wenige vom Regiment Bomsdorff. Die Artillerie bestand aus 9 dreipfündigen Regimentsstücken, 2 Zwölfpfündern und 2 Haubitzen. Die aus Rathenow unter dem Befehl Oberstleutnant Kannes stehenden Musketiere hatten dem äußerst raschen Vormarsch der Reiter nicht folgen können und befanden sich noch einen Tagesmarsch zurück.
Einen solchen Abschnitt hatte der schwedische General nun für die Aufstellung seines Heeres ausgewählt. Vor seiner Schlachtlinie befand sich ein etwa 1200 Schritt breiter freier Raum, der an der rechten Flanke von einem Gehölz, den Dechtower Fichten — etwa in der Mitte zwischen Linum und Hakenberg — und an der linken Flanke durch einen vorspringenden Zipfel des Luchs geschützt war. In der Verlängerung des rechten Flügels lagen einige Sandhügel die der schwedische Wrangel Befehlshaber unbesetzt ließ. Diese dritte Aufstellung der Schweden erfolgte in den üblichen Treffen, dabei wurden die acht Regimenter Infanterie in sechs Brigaden zusammengefaßt. Die Infanterie nahm in zwei Treffen aufgestellt die Mitte, die Kavallerie hinter den beiden Flügeln ihre Stellung ein. Die Geschütze waren in den Zwischenräumen der Infanterie des ersten Treffens aufgestellt worden. Die Brandenburger konnten schon aufgrund ihrer rein kavalleristischen Zusammensetzung nicht an eine klassische Schlachtaufstellung denken, dazu befanden sich die Heeresteile ja teilweise noch auf dem Anmarsch. Derfflinger erkannte aber sofort, daß die unbesetzten Sandhügel bei den Dechtower Fichten die rechte Flanke der Schweden verwundbar machten. Also beschäftigte ein Teil der Vorhut die Schweden in ihrem Zentrum, während die Geschütze der Brandenburger, gedeckt durch Grumbkow- und Derfflinger-Dragoner, eine Eskadron der Leibtrabanten und drei Eskadrons vom Regiment Anhalt, durch die Dechtower Fichten (auch als Eichen bezeichnet) vorrückten und die Sandhügel besetzten. Die Aufstellung der Geschütze erfolgte so, daß die ganze schwedische Schlachtlinie damit beschossen werden konnte. Die vom Rittmeister v. Kottwitz geführten Dragoner saßen ab und wurden in Gruppen zu 50 und 100 Mann auf den von Gesträuch bewachsenen Hügeln zur Bedeckung verteilt.
Wrangel befahl deshalb einen Angriff auf diese Stellung durch das Leibinfanterieregiment des Generalmajors Dalwig unter dem wegen seiner Tapferkeit berühmten Führer, dem Oberstleutnant v. Maltzahn, sowie die Kavallerie des rechten Flügels. Bei Beginn dieses schwedischen Vorstoßes eilte einer der Reiteroffiziere bei den Geschützstellungen zum Feldmarschall Derfflinger und bat um dringende Unterstützung, da sonst Geschütze und Reiterei verloren wären. Er erhielt die trockene Antwort. "Der Herr mache sich darum keine Sorge und möge nur seine Schuldigkeit tun." Inzwischen war die Situation bei den Geschützen tatsächlich sehr kritisch geworden. Die Dragoner konnten zwar bisher die Angriffe der Schweden abwehren, doch diese gingen nun mit gefällter Pike vor, während ihre Kavallerie auf die in der Reserve stehenden vier Eskadronen Leibtrabanten bzw. Regiment Anhalt großen Druck ausübte, die diese zum fast fluchtartigen Rückzug veranlaßten. Diese Fluchtbewegung wurde kurz darauf von dem im gleichen Augenblick auf dem Schlachtfeld eintreffenden Kurfürsten gestoppt, der die Reiter zur Besinnung rief und sie wieder an den Feind führte. Derfflinger hatte nun auf Ersuchen des Kammerjunkers v. Buch diesem die Erlaubnis erteilt, sich die ersten besten Eskadronen, die er fand, zu nehmen, um den bedrängten Geschützen zu Hilfe zu eilen. Buch traf auf drei Eskadronen vom Regiment Görtzke, wenig später auf den Prinzen von Homburg, der nun die Führung übernahm. Diese Reitergruppierung brach nun aus dem Gehölz hervor und fiel den schwedischen Reitern in die Flanke, so daß diese sofort zurückgingen. Im Moment schienen die Geschütze gerettet, trotzdem ihre Bedeckung, die Dragoner, die mit ihren Karabinern gegenüber den Musketen der Schweden (die eine größere Schußweite hatten) im Nachteil waren, schon bedeutende Verluste erlitten hatten. Wrangel erneuerte aber seinen Angriff sofort. Da seine linke Flanke nicht mehr durch die Angriffe der Reiterei der brandenburgischen Vorhut bedrängt war, zog er von dort Kräfte ab. Der Kurfürst, der seine Regimenter, wie sie ankamen, ins Schlachtgetümmel schickte, ließ den jetzt eintreffenden Rest seiner Geschütze in der Verlängerung der bisherigen Geschützlinie aufstellen.
Die Stelle des gefallenen Obersten Mörner übernahm sofort Oberstleutnant Hennigs, der die einzelnen Eskadronen der Brandenburger immer wieder ordnete und vor allem gegen das hier anreitende ostgothische Regiment der Schweden führte, die große Verluste erlitten. Der allgemeine Kampf wurde nun immer verbissener und unübersichtlicher. So berichtete der Prinz von Homburg, daß er "brav gehetzet worden und zuweilen laufen mußte, zuweilen laufen machte". Immer stärker machte sich in diesem Kampf die hohe Motivation der Brandenburger bemerkbar, die hier für die Sicherheit ihres Landes kämpften und Rache für den Überfall durch die Schweden nehmen wollten. Dem Gegner wurde schnell klar, daß man hier nicht mehr für die Erhaltung alten Kriegsruhmes kämpfte, sondern vielmehr um den Erhalt des Lebens, denn es wurde kaum Pardon gegeben. Zum Glück waren sie den Brandenburgern während der längsten Zeit der Schlacht an Zahl überlegen. Kurfürst Friedrich Wilhelm war nach seinem Eintreffen auf dem Schlachtfeld praktisch an allen Stellen des Geschehens zu finden, bereit, da persönlich einzugreifen, wo es kritisch wurde. So fing er die führerlos zurückgehenden Eskadronen der Leibtrabanten und des Regiments Anhalt mit den Worten auf: " Getrost, tapfre Soldaten, ich, euer Fürst und nun euer Kapitän, will siegen oder zugleich mit euch ritterlich sterben." Der Kurfürst trug trotz der ständigen Lebensgefahr im Schlachtengetümmel nur einen leichten Brustpanzer, darüber war ein Umhang, der Kopf war von einer gefütterten acht Pfund schweren eisernen Sturmhaube geschützt, die von einem einfachen Filzhut überdeckt war. Als Waffe trug er ein drei Fuß langes Schwert mit spanischer Klinge und einem von zwei Bügeln gesicherten Gefäß. Es wird berichtet, daß er während der Kämpfe einmal schon von schwedischen Reitern umringt war, als ihn neun brandenburgische Reiter wieder befreiten (hierbei soll es sich um Dragoner vom Regiment Bomsdorff gehandelt haben, die dafür vom Kurfürsten "jeder eine Handvoll Dukaten" erhielten).
Die acht Fähnlein des Regiments sowie ein dreipfündige Kanone fielen in die Hände der Brandenburger. Der rechte Flügel der Schweden war nun praktisch geschlagen. Ein Achtel der hier stehenden Infanterie war vernichtet, die Kavallerie stark dezimiert und in völliger Unordnung, momentan nicht einsetzbar. Ausgegangen war dieser Mißerfolg von der Nichtbesetzung der Sandhügel an den Dechtower Fichten und dem vorschnellen Angriff schwedischer Truppen, so daß die weit überlegene Artillerie gar nicht zum Einsatz gelangen konnte. Generalleutnant Wrangel war nun gezwungen den Rückzug auf Fehrbellin fortzusetzen, obwohl der dortige Paß noch nicht wiederhergestellt war. Vielleicht bestärkten ihn darin auch aufkommende Gerüchte über das Heranrücken des kaiserlichen Hilfskorps unter General Kopp, wobei es sich aber nur um die aus Berlin heranmarschierenden brandenburgischen Truppen handeln konnte. Gegen 10.00 Uhr traten die Schweden in zwei Kolonnen den Rückmarsch auf Fehrbellin an. Da der Kurfürst den Gegner nicht entkommen lassen wollte, ordnete er zunächst seine Reiterei. Die Abteilung unter dem Prinzen von Hessen-Homburg wurde durch ihn um sechs bis acht Eskadrons verstärkt. Nun setzten sich die Brandenburger in ebenfalls zwei Kolonnen in Bewegung. Sie hielten sich dabei parallel zur linken Flanke der Schweden, sie ständig mit Artillerie beschießend, um eine Gelegenheit zu finden, noch einmal mit geballter Kraft auf diese loszugehen. Die schwedischen Artilleristen erwiderten das Feuer lebhaft. Eine der Kugeln flog dabei über den Hals des Schimmels den der Kurfürst ritt, und traf den links von ihm reitenden Stallmeister Emanuel v. Froben, dem sie das rechte Bein oberhalb des Knies abriß. Eine Stunde später verstarb er an dieser Wunde. Ein Angriff auf die Schweden war aber auf dieser Seite nicht möglich, da hier noch sechs intakte Infanterieregimenter marschierten, denen man auf dem abschüssigen Terrain nicht beikommen konnte. Aber der Kurfürst wollte den schwedischen Rückzug nicht ohne weiteren Angriffsversuch sich weiter vollziehen lassen. Er gab dem Prinzen von Homburg deshalb den Befehl, die feindliche Reiterei des linken Flügels, die den Rückzug der Infanterie deckte, anzugreifen.
Den allgemein in guter Ordnung sich vollziehenden Rückzug aber konnte man nicht verhindern. Gegen Mittag erreichten die schwedischen Truppen Fehrbellin. Das vorausgeschickte Regiment zu Fuß hatte inzwischen mit Hilfe aufgeworfener Schanzen den Ort zur Verteidigung hergerichtet. Die Zugänge waren außerdem durch Verhaue gesichert, die Bagage stand dahinter. Der Kurfürst ließ zwar noch die gegnerischen Stellungen erkunden, doch ein Angriff wurde nicht in Erwägung gezogen. Eine im Kriegsrat vorgebrachte Forderung nach einer Beschießung von Fehrbellin lehnte er mit den Worten ab. "Ich bin nicht gekommen, mein Land zu verbrennen, sondern zu retten; es würde solches meine armen Untertanen antreffen; Gott wird doch helfen." Friedrich Wilhelm ließ nun seine völlig erschöpften Truppen bis Tarmow zurückgehen und dort ein Lager aufschlagen. Inzwischen trafen die 500 Musketiere unter Oberst Kanne, von Berlin das Reiterregiment v. Frankenberg mit 600 Mann und aus Spandau 1800 Mann Infanterie unter General v. Sommerfeld ein. Die Frankenbergschen Reiter lösten sofort die bisherigen Sicherungstruppen ab. Am späten Nachmittag besuchte der Kurfürst alle Lagerplätze seiner Truppen und fuhr anschließend mit seiner Kalesche nach Linum, wo er sein Nachtquartier nahm. Am nächsten Tag sollte entschieden werden, ob man die Schweden erneut angriff oder den Weg über Kremmen nahm, um sie weiter nördlich nach Passieren des Passes von Fehrbellin zum Kampf zu stellen.
Von der kleinen Anhöhe beim Amtshaus aus sah er, daß etwa 300 schwedische Soldaten fieberhaft an der Reparatur der Brücke arbeiteten. Er befahl nun dem Kammerjunker v. Buch zusammen mit 50 Reitern sich hinter einer Lehmmauer zu postieren und die dort arbeitenden Schweden zu beschießen. Ein Teil dieser Soldaten aber erwiderte das Feuer so lebhaft, daß die meisten brandenburgischen Reiter es vorzogen, sich zu verdrücken, zumal sie auch mehr an der Plünderung der Wagen interessiert waren. Feldmarschall Derfflinger hatte dieses Geschehen beobachtet und war schon weggeritten, um mit Dragonern vom Regiment Grumbkow zurückzukehren, die die verlassene Stellung einnahmen und durch ihr Feuer den Feind zum Rückzug zwangen. Die Dragoner drängten nun nach und es begann noch einmal ein verbissener Nahkampf. Dabei wurde der Major v. Schlabrendorf im Getümmel offensichtlich von eigenen Kugeln getötet. Die Schweden waren bemüht, vor allem ihre noch auf der Fehrbelliner Seite stehenden fünf Geschütze sowie Munitions- und Pulverwagen zu retten oder in die Luft zu sprengen. Beides konnten die Brandenburger aber verhindern, selbst als die Schweden die in unmittelbarer Nähe der Brücke liegenden Häuser in Brand steckten. Der letzte Widerstand des Gegners erlosch. Die Reste der Schweden zogen sich vom Geschützfeuer der Brandenburger begleitet auf dem engen Damm nach der Brücke zurück. Damit war der Kampf vor und in Fehrbellin am 19. Juni beendet.
Üblich war, daß die Artillerie ihre einmal für die Schlacht eingenommene Stellung nicht verließ. Bei Fehrbellin aber war sie beweglich eingesetzt worden: zuerst auf den Sandhügeln bei den Dechtower Fichten, wo sie in die schwedische Frontlinie feuerte, dann aus verschiedenen Stellungen während des schwedischen Rückzugs auf Fehrbellin. Eine Besonderheit am 19. Juni war, daß der Kurfürst trotz der inzwischen eingetroffenen Infanterie (1800 Mann) lieber die Dragoner für den Kampf um Fehrbellin und die Besetzung des Ortes einsetzte. Offenbar eine Folge davon, daß diese als Lieblingswaffe des Feldmarschalls Derfflinger galten; auch der Kurfürst liebte diese vielseitig verwendbaren leichten Reiter. Sie ersetzten damals sowohl bei der Reiterei als auch bei der Infanterie die leichten Truppen. Die Infanterie war einfach noch zu schwerfällig, denn die Pikeniere waren durch ihre Rüstung belastet, die Musketiere durch das Mitführen der Schweinsfeder, einem Spieß gegen den Kavallerieangriff, sowie die Gabeln zum Auflegen der Muskete. Am 20. Juni nahmen die Brandenburger über die wiederhergestellte Brücke von Fehrbellin die Verfolgung der Schweden auf. Schon zuvor waren kleinere Abteilungen vorausgeritten. Der Kurfürst selbst hatte nun neben den Kürassieren und Dragonern noch etwa 3.000 Musketiere bei sich. Bei Wittstock erreichte man die Nachhut der Schweden, die gerade wieder die Stadt verließ. Feldmarschall Derfflinger geriet, als er mit nur 150 Mann diesen den Rückzug verlegen wollte, beinahe in einem Hinterhalt, wurde sogar von schwedischen Reitern bis nach Wittstock verfolgt, nachdem zuvor schon Offiziers- und Mannschaftsverluste zu beklagen waren. Generalmajor v. Götze war verwundet in einen Sumpf geraten und wurde von den Schweden gefangenengenommen. Vom Kurfürst nun vorgeschickte Derfflinger-Dragoner vertrieben die Schweden wieder aus Wittstock.
Die Schweden hatten in der Schlacht bei Fehrbellin und bei der späteren Verfolgung rund 2400 Tote zu beklagen, darunter sehr viele Offiziere, 300-400 waren in Gefangenschaft geraten. Über die Zahl der Verwundeten ist nichts näheres bekannt. Etliche der tüchtigsten Offiziere waren gefallen: Oberst Adam Wachtmeister, Oberstleutnant Malzahn, fünf andere Stabsoffiziere, sechs Capitains der Reiterei, eine Anzahl Leutnants und Kornetts, sämtliche Offiziere des Regiments Dalwig. Die brandenburgischen Verluste an Toten und Verwundeten beliefen sich auf etwas über 500 Mann. Gefallen waren Generalwachtmeister v. Mörner, der Major v.d. Marwitz, die Rittmeister v. Asseburg, Beyer, Burgsdorff und Schönermark, einige Leutnante und 218 Mannschaften. Verwundet waren die Oberstleunante Strauß, Köller, Sydow, Hennigs, Capitain Buch. Hennigs war vom Kurfürsten noch auf dem Schlachtfeld unter dem Namen v. Treffenfeld in den Adelsstand erhoben worden. Brandenburg — Preußens Aufstieg zur GroßmachtDie Reiterschlacht von Fehrbellin war die erste Waffentat, die die Brandenburger aus eigener Kraft vollführten. Das Vertrauen zwischen den Truppen und ihren Führern festigte sich und insgesamt wurde das brandenburgische Staatsbewußtsein in allen Teilen des weit zerstreuten Landes gestärkt. Letztlich wurde bei Fehrbellin der Grundstein für die spätere preußische Königskrone gelegt. In Europa beeilte sich nach diesem Sieg sozusagen jeder Potentat dem Sieg von Fehrbellin Rechnung zu tragen. Die bisher als potentielle Feinde Gewehr bei Fuß stehenden Hannoveraner und Bayern nahmen nun Abstand vom Bündnis mit den Schweden. Kursachsen und der Bischof von Münster wechselten sogar die Fronten. Auf einmal wurden die bisher Zögernden zu eifrigen Verfechtern der kurbrandenburgische Sache. Sechs Monate lang hatte Kaiser Leopold I. "nicht gewußt", ob durch Wrangels Einmarsch in die Mark Brandenburg der Friede gebrochen war.
Der Sieg von Fehrbellin sprach sich wie in Lauffeuer in Deutschland und Europa herum. Fast überall rief diese Leistung Bewunderung hervor, das Ansehen des Kurfürsten stieg derart, daß er schon damals als der "Große Kurfürst" gefeiert wurde.
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