18. Juni 1675        
Vorgeschichte

Kurbrandenburg entwickelte sich im Verlaufe des 17. Jahrhunderts zu einem Staat - ursprünglich auf die eigentliche Kurmark beschränkt - von europäischen Dimensionen. Das Territorium erstreckte sich von der Memel bis zum Rhein. Es bestand aus dem Herzogtum Preußen, der Kurmark, Hinterpommern, dem Erzstift Magdeburg, den Bistümern Halberstadt und Minden, den Grafschaften Mark und Ravensberg und dem Herzogtum Kleve. Von 1598 bis 1648 wuchs es von 40.000 auf 110.000 Quadratkilometer. Neben Osterreich war es somit der bedeutendste deutsche Staat. 

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Brandenburg 1640-1688

Seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges durch den Westfälischen Frieden 1648 waren alle Teilgebiete Brandenburgs miteinander vereinigt. Der Landesherr Kurfürst Friedrich Wilhelm war von Beginn seiner Regierung 1640 an bestrebt, seine Landesteile gegenüber den durch den Westfälischen Frieden bevorteilten europäischen Mächten Frankreich und Schweden zu sichern und auszubauen.

1672 überfiel der machthungrige französische König Ludwig XIV. mit seinen Truppen die Republik Holland. 100.000 Mann unter den damals berühmten Feldherren Condé und Turenne überrannten in kurzer Zeit fast das ganze Land. Dazu unterstützen Frankreich eine Reihe deutscher Fürsten, die durch einen Vertrag über die Teilung der spanischen Monarchie, deren Königshaus vor dem Aussterben stand, geködert waren: der Kurfürst von Köln, der Bischof von Münster und der Herzog von Braunschweig-Lüneburg-Hannover.

In dieser für Europa und Deutschland kritischen Situation beschloß Friedrich Wilhelm zugunsten der holländischen Generalstaaten einzugreifen. Gegen die Meinung seiner Räte schloß er einen Allianzvertrag, in dem er sich verpflichtete, mit 20.000 Mann zu Hilfe zu eilen. Er hoffte mit seinen Aktivitäten Kaiser und Reich zum Kampf gegen Frankreich vorwärtszureißen. Aber die militärischen Erfolge der Franzosen verhinderten eine Realisierung dieser Hoffnung und eine Vereinigung der brandenburgischen Truppen mit denen Hollands. So mußte der Kurfürst, ohne daß seine Truppen gekämpft hatten, eine Niederlage einstecken. Im Vertrag zu Vossem vom Juni 1673 gelang es aber Friedrich Wilhelm die Klausel unterzubringen, daß er sich freie Hand für den Fall vorbehielt, daß das Deutsche Reich in einen Krieg gegen Frankreich hineingezogen würde. Die Unterstützung Hollands mußte der Kurfürst allerdings aufgeben. Dafür erhielt er seine inzwischen von den Franzosen besetzten Festungen am Rhein zurück.

Trotz dieser militärischen Demütigung war es ein Teilerfolg. Denn mit der Bindung eines Teiles der französischen Truppen hatte er den Holländern das Sammeln neuer Kräfte und die schließliche Abwehr der französischen Invasoren ermöglicht. 


König Ludwig XIV.

Frankreich blieb aber der Hauptgegner im politisch-diplomatischen Kalkül des Kurfürsten. Holland schloß ein Bündnis mit Osterreich und Spanien. Im Mai 1674 erfolgte dann noch die Kriegserklärung des Deutschen Reiches an Frankreich wegen der ständigen Verletzung seines Territoriums. Der Kurfürst von Brandenburg nutzte nun die Bestimmungen des Vossemer Vertrages und stellte sich auf die Seite des Reiches. Am 21. Juni schloß er zu Cölln an der Spree eine Allianz mit Kaiser Leopold I., König Karl II. von Spanien und der Republik Holland mit dem Ziel der Niederkämpfung Frankreichs und seiner Verbündeten ab.


Kaiser Leopold I.  

Anfang August 1674 brach der Kurfürst mit 20.000 Mann von Berlin auf, um sich mit den österreichischen Truppen, die am Oberrhein den Franzosen gegenüberstanden, zu vereinigen. Er traf dort ein, als der österreichische Feldherr General Bournonville übereilt die Franzosen unter Marschall Turenne bei Ensißheim im Oberelsaß angegriffen und eine Niederlage erlitten hatte. Die österreichischen Truppen mußten sich auf Straßburg zurückziehen, wo sie sich mit den Brandenburgern Anfang Oktober vereinigten. Der Kurfürst war natürlich tief verstimmt. In dieser Situation trafen ihn zwei weitere Schläge: Am 27. November verstarb sein ältester Sohn, Kurprinz Karl Emil, an einem Fieber im Feldlager, kurz zuvor erst zum Generalmajor befördert und Hoffnung des Vaters. Ende Dezember 1674 dann die Hiobsbotschaft: Die Schweden waren in die Uckermark eingefallen.

Frankreich hatte aufgrund des Vertrages vom April 1672, der Schweden dazu verpflichtete, 16.000 Mann gegen jeden deutschen Fürsten zu stellen, der der Republik Holland Hilfe leistet, den Einfall in die Uckermark erzwungen. Die schwedische Seite betonte, daß sie ihr Vorgehen als keinen Friedensbruch, eine sogenannte Ruptur ansähen, sondern daß das Einrücken in brandenburgisches Gebiet nur eine Erweiterung ihres Gebietes für die Winterquartiere wäre, da die Truppen im eigenen Land nicht mehr ernährt werden könnten. 

Gleichzeitig versicherte man, daß die Truppen das Land sofort wieder verlassen würden, wenn der Kurfürst die Allianz mit Holland gegen Frankreich aufgeben würde. Unter diesen Gegebenheiten verhielten sich die Schweden anfangs relativ diszipliniert gegenüber der brandenburgischen Bevölkerung. Dazu trug bei, daß der schwedische Oberbefehlshaber, der Reichsfeldmarschall Graf Karl Gustav Wrangel, ein schon im Dreißgjährigen Krieg berühmter Feldherr, im schwedisch-polnischen Krieg an der Seite des Kurfürsten in der Schlacht bei Warschau (Juli 1656) gekämpft hatte. Doch als ersichtlich wurde, daß Friedrich Wilhelm an ein Aufgeben des Bündnisses mit Holland nicht dachte und der von Gicht geplagte schwedische Oberbefehlshaber die Zügel nicht mehr fest in der Hand führte, kam es immer mehr zu Ausschreitungen gegenüber den brandenburgischen Untertanen.


Karl Gustav Wrangel    

Die Drangsalierung der Bevölkerung erstreckte sich über immer größere Gebiete der Kurmark. Vor allem die unter dem Befehl des Stiefbruders des Feldherrn, Generalleutnant Woldemar Wrangel, stehende Kavallerie, verübte zahlreiche Greuel. Der Schutz der Kurmark lag in den Händen des Schwagers Friedrich Wilhelms, des Fürsten Johann-Georg von Anhalt Dessau, der als Statthalter eingesetzt war. Trotz der bescheidenen Mittel, die ihm zur Verfügung standen, organisierte er den Widerstand in der Mark, vereinigte er alle Stände dazu. Am bekanntesten wurde der Widerstand der Bauern, die auf ihren Fahnen die Inschrift angebracht hatten: "Wir Bauern von geringem Gut dienen unserem gnädigen Kurfürsten und Herrn mit unserem Blut".

Die Ereignisse Ende 1674/Anfang 1675

1674 war der gemeinsame Feldzug der kaiserlichen Truppen unter dem österreichischen Feldherrn Bournonville sowie der Brandenburgs unter dem Kurfürsten aufgrund der zögerlichen Haltung der Kaiserlichen weitestgehend scheitert. Dem französischen Feldherrn Turenne gelang es vielmehr, am 29. Dezember bei Mühlhausen das kaiserliche Heer zu schlagen, so die deutschen Truppen am 9. Januar 1675 Straßburg über den Rhein zurückziehen mußten.

Die brandenburgischen Truppen zogen sich in die Gegend um Schweinfurth zurück — wo sich Hauptquartier befand — in Franken zurück, um hier ihre Winterquartiere zu nehmen. Hier erfuhr der Kurfürst, daß die mit den Franzosen verbündeten Schweden in Kurbrandenburg eingefallen waren, sogar sein Berlin schien bedroht. Ein plötzlicher Abmarsch vom westlichen Kriegsschauplatz aber war nicht möglich und hätte die Verbündeten hart getroffen. Zu allererst brauchte er mehr Soldaten, dazu möglichst noch Verbündete, um den seit dem Dreißigjährigen Krieg als nun beste Soldaten Europas geltenden Schweden erfolgversprechend gegenübertreten zu können.

Die Schweden in der Mark Brandenburg

Am 15. Dezember 1674 rückten schwedische Truppen ohne weitere Kriegserklärung in die brandenburgische Uckermark ein. Schon vorher waren Abteilungen in Hinterpommern und in die Neumark eingefallen. 

Der schwedische Feldmarschall Karl Gustav Wrangel zog mit den in Vorpommern bei Pasewalk gesammelten Truppen in die Uckermark und schlug sein Hauptquartier in Prenzlau auf. Dort stieß eine andere — in Bremen ausgerüstete — schwedische Abteilung unter General Dalwig zu ihm. Nunmehr verfügte Wrangel über Truppen in Stärke von 13.700 Mann sowie über 30 Geschütze.

Die offenen Gebiete der Neumark, rechts der Oder und Hinterpommems aber ließen sich bis auf die wenigen befestigten Orte, die über Garnisontruppen verfügten, nicht halten. Die Mittel-mark war selbst nach dem Verlust der Uckermark — deren Behauptung in diesem Gebiet aufgrund der Bedrohung ihrer Rückzugslinien nach Stettin durch die 180 Mann unter Oberst Götz in Löcknitz stets gefährdet war — mit verhältnismäßig wenigen Truppen zu halten. Nach Norden hin bot das zwischen dem oberen und unteren Havellauf sich von Westen nach Osten ziehende Havel- und Rhinluch, daß nur auf langen, schmalen, leicht zu verteidigenden Pässen bei Oranienburg (Bötzow), Kremmen, Fehrbellin und Friesack zu passieren war, ausreichenden Schutz. Weiter nach Osten lagen Brüche, die sich den Finowkanal entlang bis Oderberg hinziehen und ebenfalls guten Schutz boten. Im Osten schließlich war das Land durch die Oder gedeckt, dazu kam die sich vom Oberlauf der Havel und vom Unterlauf der Spree gebildete Linie zwischen Köpenick und Oranienburg, die wegen der sumpfigen Ufer leicht zu verteidigen war. An diese Linie, südöstlich von Köpenick über Berlin, Spandau, Oranienburg, Kremmen, Fehrbellin, Havelberg führend und dann von der Elbe gedeckt, schloß sich die Verteidigung an. 

Dabei befanden sich in den Orten Driesen 200, in Küstnin 800, in Frankfurt a.O. 152, in Oderberg 90, in Löcknitz 180, in Peitz 156 Mann starke Garnisonen. Spandaus Festungsbesatzung wurde von 250 auf 800 Mann gebracht und verfügte an Geschützen über 4 Vierzigpfünder, 2 halbe Vierundzwanzigpfünder, 1 Achtpfünder, 1 Sechspfünder, 4 Fünfpfünder, 2 Dreipfünder, 1 Zweipfünder mit drei Mündungen sowie an Mörsern jeweils 1 Dreihundertpfünder, 2 Zweihundertpfünder, 1 Sechzehnpfünder, 1 Sechspfünder, 1 Fünfpfünder, 1 Dreipfünder, 1 Zweipfünder und einen alten Zehnpfünder. In Berlin wurde die wehrfähige Mannschaft auf 5.000 Mann erhöht. Das waren 1.200 Mann Leibgarde zu Fuß, das Reiterregiment Frankenberg aus Kleve und das vom Kurfürsten aus Franken entsandte Regiment Leibdragoner unter Grumbkow sowie einige Kompanien, die sich aus Bürgern rekrutierten. 


Leibdragoner

Die aus dem halberstädtischen Gebiet geschickte Reiterei war mit der Sicherung der Versorgung Spandaus und Berlins aus dem Hauptanbaugebiet für Getreide, dem Havelland, beauftragt.

Brandenburg contra Schweden

Ganz im Gegensatz zu den vom Kurfürsten systematisch und über sechs Monate betriebenen Verteidigungsmaßnahmen standen die Aktionen der Schweden. Diese versäumten, die Zeit bis zum Eintreffen des Kurfürsten für eine wirkliche Besetzung der Mark Brandenburg zu nutzen, offenbar, weil man hinter den von Frankreich sozusagen erzwungenen Maßnahmen nicht voll stand. Das läßt sich auch aus den Worten des Feldmarschalls Wrangel schließen, der dem Abgesandten des brandenburgischen Statthalters, Dubislav v. Hagen, erklärte, daß "sobald der Kurfürst den Fuß gegen Frankreich zurücksetze" kein Mann der schwedischen Armee mehr in dessen Ländern bleiben werde, die Besatzungslasten sollten dann ersetzt werden. Jetzt beschränkten sich die Schweden darauf, die öffentlichen Gelder wegzunehmen, von den Einwohnern die Kriegssteuer zu erheben, Vieh und Getreide zur Anlage von Magazinen zu requirieren und durch Werbungen das Heer auf 20.000 Mann zu bringen.

Ende Januar 1675 sammelte General Wrangel dann seine Truppen bei Prenzlau. Am 4. Februar überschritten die Hauptkräfte die Oder und besetzten Stargard, Landsberg, Neustettin, Kossen und Züllichau. Dann wurden Werbeplätze eingerichtet und Verschanzungen angelegt, wahrscheinlich um auf ein Vordringen kaiserlicher Truppen aus dem schlesischen Raum vorbereitet zu sein. An ein Erscheinen des Kurfürsten in der Mark dachte er offenbar nicht. Anfangs hielten die schwedischen Truppen in Pommern und Brandenburg auch weitestgehend Disziplin, worauf besonders die Offiziere achteten. 


         Schwedeneinfall

In einigen Fällen kam es zwischen schwedischen Offizieren und brandenburgischen Einwohnern auch zu freundschaftlichen Beziehungen. Hervorzuheben ist hier der Oberst Wangelin, der das finnische Dragonerregiment befehligte und in Drossen stand. Aber nachdem im Frühjahr immer deutlicher wurde, daß der Kurfürst gar nicht daran dachte, aufgrund der Besetzung seiner Länder gegen Frankreich nachzugeben, erfolgte vom schwedischen Hof aus die Order, stärkere Repressionen gegen Land und Leute Brandenburgs auszuüben. Der Umschwung in der Besatzungspolitik erfolgte rasch und brutal.

Anfang Mai zog dies Truppenmacht von etwa 20.000 Mann mit nur mehr 64 Geschützen über Stettin nach der Uckermark. Zu ersten Kampfhandlungen kam bei dem durch den Randowsumpf gedeckte festen Schloß von Löcknitz. Oberst Götz, der hier 180 Mann befehligte, hatte das Ubergabeangebot der Schweden abgelehnt. Diese beschossen daraufhin das Schloß zwei Tage lang, bis die Geschütze der Belagerten schwiegen. Oberst Götz kapitulierte nun gegen freien Abzug nach Oderberg. Diese Kapitulation hatte aber noch ein Nachspiel: Der Kurfürst ließ den Oberst vor ein Kriegsgericht stellen und 1676 in Berlin erschießen.

Nach der Einnahme von Löcknitz stießen die Schweden schnell nach Süden vor, nahmen die kleineren Städte Neustadt, Wriezen, Bernau und versuchten, das Rhinluch zu überqueren, das praktisch einen Riegel zwischen Ober- und Unterlauf der Havel darstellte. Da dies allein über die wenigen Pässe möglich war, waren diese durch Verhaue ungangbar gemacht und von Bauern, Landjägern und Heidereitern besetzt. Zu ihrer Unterstützung schickte der Statthalter von Berlin aus den Generalmajor v. Sommerfeld mit Fußvolk, Kavallerie, Dragonern und sechs Geschützen. Bei Oranienburg, Kremmen und Fehrbellin sollte damit ein geordneter Widerstand geleistet werden.

Drei feindliche Kolonnen rückten nun gegen die Rhinlinie vor: Unter General Stahl gegen Oranienburg, unter General Dalwig gegen Kremmen und unter General Groothausen - die stärkste mit 2000 Musketieren und etlichen Geschützen — gegen Fehrbellin. Vorher allerdings hatte die Truppe von Groothausen gegen die Bürger des kleinen Städtchens Ruppin erst einmal ziemlichen Widerstand zu brechen. Danach kam es dann zu mehrtägigen Kämpfen um die Schanze von Fehrbellin, die wahrscheinlich zu einem festen Werk ausgebaut gewesen war. Diese Schanze beherrschte den durch das Luch führenden über 8200 Fuß langen Damm. Die Truppen des brandenburgischen Generals v. Sommerfeld leisteten solchen zähen Widerstand, daß die Schweden hier den Kampf abbrachen und sich nach Oranienburg wandten, um dort einen Übergang zu suchen. Das gelang auch mit Hilfe verräterischer Bauern, die eine Havelfurt bei der Oranienburger Mühle verrieten und damit 2000 schwedischen Reitern das Vordringen nach Süden ermöglichten. 

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Gleichzeitig hatten die hier postierten Landjäger ihre Stellungen verlassen, als sie eine zum Entsatz heranrückende Abteilung des Generals v. Sommerfeld für Feinde hielten. Dadurch mußten nun die umgangenen Stellungen von Oranienburg und Kremmen aufgegeben werden. Selbst die Fehrbelliner Schanze war nun nicht mehr zu halten. General v. Sommerfeld mußte sich mit seinen Kräften nun in den Schutz der Kanonen von Spandau zurückziehen. Wenig später erschienen die Schweden vor Spandau und begannen sofort mit dem Sturm auf die Festung. Die vom Gouverneur, Generalmajor v. Götze und dem Kommandanten, Oberst du Plessis, verteidigte Festung wider stand jedoch. 

Die schwedischen Truppen besetzten nun das ganze Havelland. Für den Rückzug wichtige Orte wie Nauen erhielten eine größere Besatzung Das Hauptquartier wurde zuerst in Brandenburg eingerichtet Die Stadt hatte täglich 100.000 Pfund Brot und 400 Tonnen (Fässer) Bier zu liefern. Nachdem nach einem Gefecht mit Teilen der brandenburgischen Besatzung von Havelberg, bei der diese Stadt in schwedische Hände fiel, wurde das neue Hauptquartier am 8. Juni 1675 nach Rheinsberg verlegt. Am 12. Juni marschierte Feldmarschall Wrangel dann mit einem Regiment Infanterie und 1.500 Reitern nach Havelberg. Der Stiefbruder des Feldmarschalls, Generalleutnant Wrangel, lag mit der Hauptmacht, ca. 12.000 Mann in Brandenburg. Die Verbindung zwischen beiden Städten hielten anfangs 100 Dragoner, dann das Regiment des Obersten Wangelin in Rathenow.

Gegen einen von Westen anrückenden Feind war die Stellung der Schweden ziemlich gesichert, da zwischen Havelberg und Köpenick sämtliche Flußübergänge abgebrochen worden waren. Das sehr weit am äußersten Flügel eingerichtete Hauptquartier mit seinen relativ geringen Kräften war dagegen sehr gefährdet. Aber wahrscheinlich wollte man durch diese Drohgebärde die mit dem brandenburgischen Kurfürsten befreundeten Herzöge von Braunschweig-Lüneburg und Celle sowie den Bischof von Münster einschüchtern. Auf der anderen Seite sollte wohl dem heimlich mit Frankreich verbündeten Herzog von Hannover Mut gemacht werden, sich nun offen für Ludwig XIV. zu erklären und dem von Franken nach der Elbe ziehenden brandenburgischen Heer in die Flanke zu fallen. Den von den Bauern der Altmark bei Magdeburg zäh verteidigten Elbübergang ließen die Schweden nun allerdings auf Anweisung ihre Feldmarschalls in Ruhe.

Große Teile Brandenburgs befanden sich im Frühsommer 1675 nun in den Händen der Schweden. Der Kurfürst stand mit seiner Armee noch weit im Süden in Franken. Die Gefahr, daß mit Bayern und Sachsen weitere Kräfte auf die Seite Ludwigs XIV. übergingen und damit der Kurfürst ganz von seinem Stammland abgeschnitten würde, wuchs. Trotz aller bedrückenden Nachrichten, die Friedrich Wilhelm aus der Mark Brandenburg erhielt, behielt er einen klaren Kopf und entschloß sich nicht zu einer vorschnellen militärischen Aktion zur Rettung seines Landes. Er wußte genau, daß er mit einer größeren Heeresmacht auf die Subsidiengelder seiner Bundesgenossen angewiesen war und zudem nicht riskieren konnte, bei einem etwaigen Mißerfolg noch mehr Gegner gegen sich zu haben.


brand. Offizier

In Friedenszeiten reichten die ständig unter Waffen gehaltenen Truppen des Kurfürsten bestenfalls zur Besetzung der Festungen und festen Plätze sowie zur Sicherung der Grenzen, zumal bei dem zerrissenen Staatsgebiet Brandenburgs. Im Kriegsfall wurde die Armee erst von erfahrenen und bewährten Offizieren durch Geworbene auf die erforderliche Stärke gebracht. Dazu bekamen die Offiziere schon in Friedenszeiten einen ziemlich hohen Sold, damit sie nicht die Seiten wechselten. Für die Werbung im Kriegsfall erhielten sie vom Kurfürsten dann die Werbegelder, um möglichst rasch brauchbare Truppen aufzustellen. Da Brandenburg über keine Mittel für größere Truppenkontingente verfügte, mußte man von den Bundesgenossen Gelder — "Subsidien" — zu erhalten versuchen. Dafür wiederum mußte man bestimmte Zugeständnisse in politischer und militärischer Hinsicht machen.

Nunmehr richtete der Kurfürst seine Aufmerksamkeit auf die Verhandlungen mit den Niederlanden. Der Prinz-Statthalter von Oranien, ein Neffe des Kurfürsten, hatte bereits ein Hilfsangebot von 8000 Mann Truppen unterbreitet. Diese sollten gemeinsam mit einem brandenburgischen Kontingent unter General Spaen, das von Kleve aus operierte, bremisches — also schwedisches — Gebiet bedrohen. Gleichzeitig sollte dadurch Hannover am Eingreifen zugunsten Frankreichs gehindert werden.

Im Gegensatz zum Kaiser hatten sich die Stände der Provinz Holland sofort mit dem Kurfürsten von Brandenburg solidarisiert, den schwedischen Einfall in die Mark als feindseligen Akt charakterisiert. Für sie war damit der im Bündnisvertrag vorgesehene Fall eingetreten, den Kurfürsten gegen seine Feinde zu unterstützen. Man ging sogar noch weiter, als man den Kaiser aufforderte, den Schweden den Reichskrieg zu erklären. Dazu wollte man noch Dänemark als Subsidienzahler gewinnen, der russische Zar sollte zudem ins schwedisch beherrschte Livland einfallen.


  Dragoneroffizier

Kurfürst Friedrich Wilhelm hatte unterdessen den Entschluß gefaßt die Schweden nicht nur aus Brandenburg, sondern aus ganz Deutschland zu vertreiben, sich also vor allem des noch schwedischen Pommerns zu versichern. "Die Schweden", so schrieb er am 10. Februar, "haben mir nichts mehr übrig gelassen, als das Leben. Ich werde nun, so lange ich lebe, mich an ihnen so zu rächen suchen, bis ich ihre Nachbarschaft los werde. Der Höchste wird mir geben, daß ich an dem Untergang meiner Feinde meine Lust sehe!" Zu den schlechten Vorbedingungen für die Eröffnung des Feldzuges kam noch, daß Magdeburg — trotz einer brandenburgischen Besatzung offiziell (bis 1680) noch im Besitz des Prinzen von Sachsen war und die Gefahr bestand, daß Stadt und Festung den Schweden in die Hände gespielt würden. 

Der Kurfürst war praktisch zum Erfolg verdammt: Denn bei einem Mißerfolg würden weder die Niederlande, noch Dänemark oder der Kaiser Schweden den Krieg erklären. Außerdem würden dann alle geheimen Bundesgenossen Schwedens und die zahlreichen kleinen Neider eines Wachstums Brandenburg aktiv werden. — Friedrich Wilhelm blieb also nur der Ausweg zu eigenem Handeln.

 

 

Der Vormarsch von Rhein zur Havel

Als sich Friedrich Wilhelm auf dem Weg zu seinen Truppen nach Franken befand, sandte er seinen Generaladjutanten v. Küssow mit dem Befehl voraus, sofort alles für einen sofortigen Aufbruch der Truppen in Richtung Elbe vorzubereiten. Seinem Statthalter in Berlin schickte er die Nachricht, er hoffe in vierzehn Tagen bei Magdeburg zu stehen. Dieser solle zudem die Schweden beobachten lassen und ihm ständig darüber Meldung machen. Falls aber die schwedische Hauptmacht unter Wrangel seinem Heer entgegenrücke, so sollte er zusammen mit den kaiserlichen Truppen (die allerdings noch in Schlesien standen) als Entlastung gegen Pommern operieren.

Der Vormarsch seines rund 15.000 Mann umfassenden Heeres begann am 26. Mai 1675 in drei Kolonnen. Zuvor waren schon die im Ansbachischen und Nürnbergischen einquartierten Regimenter in Bewegung gesetzt worden. Die Hauptkräfte unter dem Kurfürsten zogen über Lauringen, Römhild, Schleusingen, Ilmenau, Arnstadt. Die linke Flügelkolonne unter dem Prinzen von Hessen-Homburg, die Reiterei, zog durch das Werratal über Meiningen und Eisenach, um anschließend das damals so benannte "Thüringer Waldgebirge" zu umgehen und dann durch das Eichsfeld über Mühlhausen zu marschieren und sich dann mit der Kolonne des Kurfürsten zu vereinigen.

Während des Marsches erhielt Friedrich Wilhelm die ihn stark beunruhigende Nachricht vom Fall des befestigten Löcknitz. Dazu kamen Gerüchte, daß die Schweden viel weiter südlich als vermutet, nämlich nicht unterhalb Havelbergs, sondern bei Magdeburg die Elbe überschreiten würden, zudem beabsichtigten, diese Stadt durch einen Handstreich zu nehmen. Dann sich sogar mit den 13.000 Mann des Herzogs von Hannover vereinigen würden. Letztlich blieb nur die Möglichkeit, so rasch als möglich weiter zu marschieren. Am 6. Juni traf vom Prinzen von Homburg die beruhigende Meldung ein, daß er ungehindert das Eichsfeld passiert habe und seine Reiter nur noch fünf Meilen entfernt ständen. Aber auch aus der Mark trafen erneut schlechte Nachrichten ein. 


Einzug in Magdeburg              

Der einigermaßen gesundheitlich wiederhergestellte Oberkommandierende der Schweden, Feldmarschall Wrangel, hatte sein Hauptquartier nach Havelberg verlegt und ließ Boote und Kähne für eine Flußüberquerung sammeln. Die einzelnen Widerstandsaktionen von Bauern, Heidereitern und Jägern in der Mittelmark hatten den Schweden nicht viel schaden können. Ganz anders in der Altmark. Hier stand gesamte Mannschaft des Landes unter ihrem Landrat Achaz v. Schulenburg zur Verteidigung von Heim und Herd bereit.

Diese "Bürgerkompanien" zogen zur Elbe machten die Furten unpassierbar. Eine Truppe stellte sogar die alte Schanze von Werben wieder her. Unterstützt wurden diese Landesverteidiger mit 100 Mann unter Oberstleutnant Nickel von der Havelberger Besatzung und zwei Kompanien vom Regiment Mikrander Magdeburg. Da man ein kaiserliches Korps von 8.000 Mann als auf dem Weg zu ihnen wähnte, wollten sie sich sogar der ganzen schwedischen Armee in den Weg stellen. Das war wohl etwas sehr kühn gedacht.

Inzwischen erfuhr der Kurfürst vom brandenburgischen Gesandten in Wien, daß das kaiserliche Hilfskorps gar nicht nach Magdeburg, sondern nach Berlin marschieren würde. Daraufhin ließ er sofort 1200 Musketiere auswählen, die auf Wagen gesetzt wurden — dazu noch etliche Kähne — und gemeinsam mit der ganzen Reiterei vorauseilen sollten. Er selbst traf mit seinen Kräften am 11. Juni in Magdeburg ein.


       Leibgarde

Wie es sich herausstellte, war es höchste Zeit: Aus abgefangenen Briefen ergab sich, daß die Vereinigung der schwedischen und hannoverischen Truppen unmittelbar bevorstand, ein Angriff auf Magdeburg am sogenannten Gottesacker vorbereitet war, in der Stadt selbst Verbindungen zum Feind existierten. Wenige Tage später wäre Magdeburg wohl gefallen gewesen. So aber brachte der für die damalige Zeit unerhört schnelle Anmarsch der brandenburgischen Truppen die strategischen Pläne der Gegner zurr Scheitern. In 14 Tagen hatten die Truppen des Kurfürsten bei teilweise starkem Regenwetter und zum Teil über unwegsame Gebirge eine Strecke von etwa 40 Meilen - 300 Kilometer - zurückgelegt. In Magdeburg wurde nun ein Kriegsrat abgehalten. Die Situation stellte sich so dar: Der Feind hatte die Havellinie besetzt, alle Brücken von Havelberg bis Berlin abgebrochen oder verbrannt. Er stand mit zwei großen Heeresteilen in Brandenburg und Havelberg, mit kleineren Abteilungen in Potsdam und Rathenow.

 Als Deckung hatte er vor sich den meist von sumpfigen Ufern eingefaßten und wegen seiner Tiefe ohne Brücken nicht zu passierenden Fluß. Insgesamt hielten die Schweden eine Stellung, die ohne größere Infanteriekontingente nicht zu nehmen war. Aber die brandenburgische Infanterie hing noch zwei volle Marschtage zurück. Zwar gab es die Möglichkeit, sich zuerst nach Berlin zu wenden, um die hier vorhandenen rund 5.000 Infanteristen aufzunehmen, eventuell sogar die kaiserlichen Truppen unter General Kopp zu treffen, aber zugleich setzte man sich beim Marsch auf Berlin einem Flankenangriff durch die bei Brandenburg stehenden schwedischen Hauptkräfte aus.

Zudem wäre dann von Berlin aus aufgrund der geografischen Bedingungen des Havellandes auch erst ein mühsames Freikämpfen der wenigen Pässe notwendig. Der dabei entstehende Zeitverzug würde es den Schweden ermöglichen, ihr strategisches Konzept eines schnellen Vorstoßes über die Elbe und die Vereinigung mit den Hannoveranern umzusetzen. Aber gerade das wollte der Kurfürst mit seinem schnellen Marsch nach Brandenburg ja verhindern.

Ein langes Zögern lag auch nicht in der Natur des Kurfürsten. Außerdem erwiesen die von Einwohnern und eingebrachten schwedischen Gefangenen erhaltenen Nachrichten darauf hin, daß das schwedische Hauptquartier weder von der Ankunft Friedrich Wilhelms in Magdeburg, noch von der Anwesenheit seines Heeres etwas wußten. 

Hier hatten offensichtlich die beim Abmarsch aus Schweinfurt verbreiteten Nachrichten, daß er schwer erkrankt sei — eine bei seinen häufigen Gichtanfällen durchaus plausible Erklärung — bei den Schweden schon zur Verbreitung der Meldung von seinem Tod geführt. In diesem Glauben hatten sie auch ihre Quartiere so weit verstreut über das Land verteilt, weil sie meinten, rechtzeitig genug vom Anmarsch der Brandenburger zu erfahren, daß sie diesen noch jenseits der Elbe entgegentreten könnten.


Kanonenbespannung             

Der Kriegrat zu Magdeburg hatte nunmehr über den Angriffspunkt zu entscheiden. Hier boten sich drei Orte an: Brandenburg, Rathenow und Havelberg. Die Stadt Brandenburg war jedoch von 12.000 Mann schwedischer Truppen besetzt und von einer Reihe von Sümpfen und Flußarmen umgeben, die dem Verteidiger zusätzlich Schutz boten. Zudem kam ein Angriff auf diese überlegenen Kräfte des Gegners nicht in Betracht. Ein Sieg bei Havelberg brächte die Möglichkeit, die schwedischen Hauptkräfte bei Brandenburg von ihren Rückzugslinien abzuschneiden und in für sie ungünstigem Terrain zur Schlacht zu stellen. Die Schwierigkeiten bei der Umsetzung dieses Planes bestanden jedoch darin, daß Havelberg eine schwedische Besatzung von 1.500 Reitern sowie dem vollständigen Infanterieregiment Noth hatte. Zudem gestatteten die auf dem dominierenden rechten Havelufer beim Dom konzentrierten Artilleriestellungen dem Feind eine sehr günstige Bekämpfung der von Sundau her über den schmalen und von Brücken und Durchlässen unterbrochenen Damm anrückenden Brandenburger.

Nach reiflichen Überlegungen blieb nun nur der Angriff auf Rathenow, da dort ja nur eine feindliche Besatzung von 100 Mann liegen sollte. Hatte man die Stadt erobert, konnte man die beiden feindlichen Gruppierungen in Brandenburg bzw. Havelberg an einer Vereinigung hindern. Dann bot sich auch die Möglichkeit, durch Verlegung der Rückzugsstraßen der Schweden über Nauen, Fehrbellin, Kremmen und Oranienburg den Gegner in dem inselartig zwischen dem Havel- und Rhinluche liegenden Gebiet zur Schlacht zu stellen und eventuell vollständig zu vernichten. Die Realisierung dieses Planes hing von einer schnellen und präzisen Ausführung ab.

Zur Überwindung der zahlreichen Wasserhindernisse wurden nun 146 Kähne auf Wagen verladen. Da die Artillerie zusammen mit der Infanterie noch nicht in Magdeburg eingetroffen war, wurden zehn leichte Regimentsstücke, die auf Veranlassung des Kurfürsten aus Berlin herangeschafft worden waren, zusammen mit zwei Haubitzen und zwei Zwölfpfündern bereitgestellt.


Derfflinger

Hessen-Homburg

Görtzke

Hennigs

Am Abend des 12. Juni, gegen 18.00 Uhr, brachen die durch eine vierundzwanzigstündige Rast erholten Reiter der kurfürstlichen Armee auf, überquerten die Elbe und schlugen auf dem rechten Elbeufer ihr Nachtquartier auf. Die brandenburgische Armee bestand aus 5.000 Kürassieren — vermutlich die Regimenter Leibtrabanten, Leibregiment, Kurprinz, Hessen-Homburg, Anhalt, Derfflinger, Görzke, Brucksdorff, Oberst Prinz, Prinz Homburg, Lüdeke und Mörner —‚ 800 Dragonern von den Regimentern Derfflinger und Bomsdorff sowie 1.000 Musketieren, welche "je zwölf auf einen der schon mit einem Ponton beladenen Wagen gesetzt, mit ihren Schweinsfedern (Piken), den von Elefanten getragenen Türmen des Altertums glichen" (so eine zeitgenössische Beschreibung), und zudem auseinandergenommene Spanische Reiter mitführten. Die Munitionswagen sowie die vierzehn Geschütze hatten jeweils eine doppelte Bespannung.

Geführt wurde das brandenburgische Heer —außer vom Kurfürsten — vom damals 69jährigen Feldmarschall Derfflinger, dem 41jährigen General der Kavallerie Friedrich Landgraf zu Hessen-Homburg, dem 63jährigen Generalleutnant v. Görtzke und dem bereits 71jährigen Reiterführer Generalmajor Lüdeke, bei der Infanterie kommandierten die beiden Generalmajore v. Götze und v. Pöllnitz.