Wir
Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen etc. etc.
Thun kund und fügen hiermit zu wissen:
Nach
eingetretenem Frieden hat Uns die Vorsorge für den gesunkenen Wohlstand
Unserer getreuen Unterthanen, dessen baldigste Wiederherstellung und
möglichste Erhöhung vor Allem beschäftigt. Wir haben hierbei erwogen,
daß es, bei der allgemeinen Noth, die Uns zu Gebot stehenden Mittel
übersteige, jedem Einzelnen Hülfe zu verschaffen, ohne den Zweck
erfüllen zu können, und daß es eben sowohl den unerlaßlichen
Forderungen der Gerechtigkeit, als den Grundsätzen einer wohlgeordneten
Staatswirthschaft gemäß sey, Alles zu entfernen, was den Einzelnen
bisher hinderte, den Wohlstand zu erlangen, den er nach dem Maaß seiner
Kräfte zu erreichen fähig war; Wir haben ferner erwogen, daß die
vorhandenen Beschränkungen theils in Besitz und Genuß des
Grund-Eigenthums, theils in den persönlichen Verhältnissen des
Land-Arbeiters Unserer wohlwollenden Absicht vorzüglich entgegen wirken,
und der Wiederherstellung der Kultur eine große Kraft seiner Thätigkeit
entziehen, jene, indem sie auf den Werth des Grund-Eigenthums und den
Kredit des Grundbesitzers einen höchst schädlichen Einfluß haben,
diese, indem sie den Werth der Arbeit verringern. Wir wollen daher beides
auf diejenigen Schranken zurückführen, welche das gemeinsame Wohl
nöthig macht, und verordnen daher Folgendes:
§ 1.
Jeder Einwohner Unsrer Staaten ist, ohne alle Einschränkung in Beziehung
auf den Staat, zum eigenthümlichen und Pfandbesitz unbeweglicher
Grundstücke aller Art berechtigt; der Edelmann also zum Besitz nicht blos
adelicher, sondern auch unadelicher, bürgerlicher und bäuerlicher Güter
aller Art, und der Bürger und Bauer zum Besitz nicht blos bürgerlicher,
bäuerlicher und anderer unadelicher, sondern auch adelicher Grundstücke,
ohne daß der eine oder der andere zu irgend einem Güter-Erwerb einer
besondern Erlaubniß bedarf, wenn gleich, nach wie vor, jede
Besitzveränderung den Behörden angezeigt werden muß. Alle Vorzüge,
welche bei Güter-Erbschaften der adeliche vor dem bürgerlichen Erben
hatte, und die bisher durch den persönlichen Stand des Besitzers
begründete Einschränkung und Suspension gewisser gutsherrlichen Rechte,
fallen gänzlich weg.
In Absicht der Erwerbsfähigkeit solcher Einwohner, welche den ganzen
Umfang ihrer Bürgerpflichten zu erfüllen, durch Religions-Begriffe
verhindert werden, hat es bei den besondern Gesetzen sein Verbleiben.
§ 2.
Jeder Edelmann ist, ohne allen Nachtheil seines Standes, befugt,
bürgerliche Gewerbe zu treiben; und jeder Bürger oder Bauer ist
berechtigt, aus dem Bauer- in den Bürger- und aus dem Bürger- in den
Bauerstand zu treten.
§ 3. Ein
gesetzliches Vorkaufs- und Näher-Recht soll fernerhin nur bei
Lehns-Ober-Eigenthümern, Erbzinsherrn, Erbverpächtern, Mit-Eigenthümern
und da eintreten, wo eine mit andern Grundstücken vermischte oder von ihr
umschlossene Besitzung veräußert wird.
§
4. Die Besitzer an sich veräußerlicher Städtischer und Ländlicher
Grundstücke und Güter aller Art, sind nach erfolgter Anzeige bei der
Landes-Polizei-Behörde, unter Vorbehalt der Rechte der Real-Gläubiger
und der Vorkaufs-Berechtigten (§
3.), zur Trennung der Radikalien [Stammgüter] und Pertinenzien [Zubehör],
so wie überhaupt zur theilweisen Veräußerung, also auch die Mit-Eigenthümer
zur Theilung derselben unter sich, berechtiget.
§ 5.
Jeder Grund-Eigenthümer, auch der Lehns- und der Fideikommiß-Besitzer,
ist ohne alle Einschränkung, jedoch mit Vorwissen der
Landes-Polizei-Behürde, befugt, nicht blos einzelne Bauerhöfe, Krüge,
Mühlen und andere Pertinenzien, sondern auch das Vorwerks-Land, ganz oder
zum Theil, und in beliebigen Theilen zu vererbpachten, ohne daß dem
Lehns-Ober-Eigenthümer, den Fideikommiß- und Lehnsfolgern und den
ingrossirten Gläubigern aus irgend einem Grunde ein Widerspruch gestattet
wird, wenn nur das Erbstands- oder Einkaufs-Geld zur Tilgung des zuerst
ingrossirten Kapitals, oder, bei Lehnen und Fideikommissen, in etwaniger
Ermangelung ingrossirter Schulden, zu Lehn oder Fideikommiß verwendet,
und, in Rücksicht auf die nicht abgelösten Real-Rechte der
Hypotheken-Gläubiger, von der Landschaftlichen Kredit-Direktion der
Provinz, oder von der Landes-Polizei-Behörde attestirt wird, daß die
Erbverpachtung ihnen unschädlich sey.
§ 6.
Wenn ein Gutsbesitzer meint, die auf einem Gute vorhandenen einzelnen
Bauerhüfe oder ländlichen Besitzungen, welche nicht erblich, Erbpacht-
oder Erbzinsweise ausgethan sind, nicht wieder herstellen oder erhalten zu
können, so ist er verpflichtet, sich deshalb bei der Kammer der Provinz
zu melden, mit deren Zustimmung die Zusammenziehung, sowohl mehrerer Höfe
in Eine bäuerliche Besitzung, als mit Vorwerks-Grundstücken gestattet
werden soll, sobald auf dem Gute keine Erbunterthänigkeit mehr statt
findet. Die einzelnen Kammern werden hierüber mit besonderer Instruktion
versehen werden.
§
7. Werden die Bauerhöfe aber erblich, Erbpacht- oder Erbzinsweise
besessen, so muß, bevor von deren Einziehung oder einer Veränderung in
Absicht der dazu gehörigen Grundstücke die Rede seyn kann, zuerst das
Recht des bisherigen Besitzers, sey es durch Veräußerung desselben an
die Gutsherrschaft, oder auf einem andern
gesetzlichen Wege, erloschen seyn. In diesem Fall treten auch in Absicht
solcher Güter die Bestimmungen des § 6.
ein.
§ 8.
Jeder Lehns- und Fideikommiß-Besitzer ist befugt, die zum Retablissement
der Kriegsschäden erforderlichen Summen auf die Substanz der Güter
selbst, und nicht blos auf die Revenüen [Einkünfte] derselben,
hypothekarisch aufzunehmen, wenn nur die Verwendung des Geldes von dem
Landrath des Kreises oder der Departements-Landschafts-Direktion attestirt
wird. Nach Ablauf dreier Jahre, seit der kontrahirten Schuld, ist der
Besitzer und sein Nachfolger schuldig, von dem Kapital selbst, jährlich
wenigstens den funfzehnten Theil abzutragen.
§ 9.
Jede, keinem Ober-Eigenthümer unterworfene LehnsVerbindung, jede
Familien- und jede Fideikommiß-Stiftung, kann durch einen
Familien-Schluß beliebig abgeändert, oder gänzlich aufgehoben werden,
wie solches in Absicht der Ostpreußischen (mit Ausschluß der
Ermeländischen) Lehne, bereits im Ostpreußischen Provinzialrecht, Zusatz
56. verordnet ist.
§
10. Nach dem Datum dieser Verordnung entsteht fernerhin kein
Unterthänigkeits-Verhältniß, weder durch Geburt, noch
durch Heirath, noch durch Uebernehmung einer unterthänigen Stelle, noch
durch Vertrag.
§ 11.
Mit der Publikation der gegenwärtigen Verordnung hört das bisherige
Unterthänigkeits-Verhältniß derjenigen Unterthanen und ihrer Weiber und
Kinder, welche ihre Bauergüter erblich oder eigenthümlich, oder
Erbzinsweise, oder Erbpächtlich besitzen, wechselseitig gänzlich auf.
§ 12.
Mit dem Martini-Tage Eintausend Achthundert und Zehn (1810.) hört alle
Guts-Unterthänigkeit in Unsern sämmtlichen Staaten auf. Nach dem
Martini-Tage 1810. giebt es nur freie Leute, so wie solches auf den
Domainen in allen Unsern Provinzen schon der Fall ist, bei denen aber, wie
sich von selbst versteht, alle Verbindlichkeiten, die ihnen als freien
Leuten vermöge des Besitzes eines Grundstücks, oder vermöge eines
besondern Vertrages ohliegen, in Kraft bleiben.
Nach
dieser Unserer Allerhöchsten Willensmeinung hat sich ein Jeder, den es
angeht, insonderheit aber Unsre Landes-Kollegia und übrigen Behörden
genau und pflichtmäßig zu achten, und soll die gegenwärtige Verordnung
allgemein bekannt gemacht werden.
Memel, 9.10.1807
[König] Friedrich
Wilhelm
III.
Stein
Schrötter
Schrötter
Edikt
zur Beförderung der Land-Cultur
vom 14.9.1811
[Auszug]
Wir
Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen etc. etc.
Thun kund und fügen hiermit zu wissen:
[...]
§ 1. Zuvörderst heben
Wir im Allgemeinen alle Beschränkungen des Grundeigenthums, die aus der
bisherigen Verfassung entspringen, hiemit gänzlich auf, und setzen fest:
daß jeder Grundbesitzer ohne
Ausnahme befugt seyn soll, über seine Grundstücke in so fern frei zu
verfügen, als nicht Rechte, welche Dritten darauf zustehen, und aus
Fideicommissen, Majoraten, Lehnsverband, Schuldverpflichtungen, Servituten
und dergleichen herrühren, dadurch verletzt werden.
Dem gemäß kann mit Ausnahme dieser Fälle, jeder Eigenthümer sein Gut
oder seinen Hof durch Ankauf oder Verkauf oder sonst auf rechtliche Weise
wjllkührlich vergrößern oder verkleinern. Er kann die Zubehörungen an
einen oder mehrere Erben überlassen. Er kann sie vertauschen,
verschenken, oder sonst nach Willkiihr im rechtlichen Wege damit schalten,
ohne zu einer dieser Veränderungen einer besonderen Genehmigung zu
bedürfen. [...]
§ 4. Die
Einschränkungen, welche theils das allgemeine Landrecht, theils die
Provinzial-Forstordnungen in Ansehung der Benutzung der Privatwaldungen
vorschreiben, hören gänzlich auf. Die Eigenthümer können solche nach
Gutfinden benutzen und sie auch parzelliren und urbar machen, wenn ihnen
nicht Verträge mit einem Dritten oder Berechtigungen Anderer
entgegenstehen. [...]
§ 7. Jedem Grundbesitzer
steht zwar frei, so viel Arbeitsfamilien, wie er zu bedürfen glaubt, auf
seinem Eigenthum anzusetzen und solche ganz oder theilweise durch
Landnutzung abzulohnen. Damit sich aber hierdurch nicht neue
Culturschädliche Verhältnisse bilden, so sollen die Miethsverträge
einen Zeitraum von längstens Zwölf Jahren umfassen, erbliche
Ueberlassungen solcher Stellen aber niemals unter Verpflichtung zu
fortwährenden Diensten geschehen, sondern nur im Wege des Verkaufs oder
mit Auflegung einer bestimmten Abgabe an Geld oder Körnern, zulässig
seyn. [...]
§ 10. Nach Aufhebung
der, in der Verfassung gegründeten Culturhindernisse bleiben noch
diejenigen zu entfernen, welche aus besondern Verhältnissen und
Servituten entspringen. So
nachtheilig die letztem im Allgemeinen sind, so stehen sie doch mit dem
einmal eingeführten Landbau in den meisten Gegenden in einer so engen
Verbindung, daß sie ohne Gefahr der Zerrüttung nicht mit einemmale
aufgehoben werden können, sondern nur nach und nach gelöset werden
dürfen. Letzteres soll so weit geschehen, wie es für die freie Anwendung
der vorhandenen Kräfte Bedürfniß, oder sonst nützlich und ohne Verlust
für die Berechtigten zulässig ist. [...]
§ 11. Als nächstes und
einfaches Mittel dazu verordnen Wir:
daß der dritte Theil der Ackerländerei einer jeden in Weidecommunion
befindlichen Feldmark unter den nachfolgenden Bestimmungen von der Hütung
befreiet und der privativen Benutzung der Besitzer überlassen werden
soll. [...]
§ 39. [...] Es ist [...]
Unser Wunsch und Wille, daß erfahrne und praktische Landwirthe in
größcrn und kleinem Distrikten zusammentreten und praktische
landwirthschaftliche Gesellschaften bilden, damit durch solche sowohl
sichere Erfahrungen und Kenntnisse, als auch mancherlei Hülfsmittel
verbreitet und ausgetauscht werden mögen. [...]
§ 40. Um diese
Gesellschaften desto wirksamer zu machen und sichere Resultate von
landwirthschaftlichen Versuchen und Operationen zu erhalten; so haben Wir
den nöthigen Fonds aussetzen lassen, um in jeder Provinz einige größere
und kleinere Versuchs- und Musterwirthschaften zu etabliren. Die Besitzer
derselben werden verpflichtet, die ihnen von dem Central-Bureau
aufgegebenen Versuche vorzunehmen und über ihren gesammten
Wirthschaftsbetrieb Rechenschaft abzulegen, in Absicht dessen sie sich,
ohne an eine spezielle Vorschrift gebunden zu seyn, einer musterhaften
Führung befleißigen müssen. Die Inhaber dem größern Wirthschaften
dieser Art sind zugleich Aufseher der kleinem, welche letztem
ausschließlich zum Beispiel für bäuerliche Wirthschaften dienen sollen.
[...]
§ 42. Bei dem
bedeutenden Einfluß, den die Gemeinheitstheilungen aller Art auf die
Kultur haben, ist die Verbesserung des Verfahrens dabei von großer
Wichtigkeit. Es muß bewirkt werden, daß solches kurz und doch gründlich
sey, und jeder Rechtsanspruch gehörig erörtert und entschieden werde.
Wir werden desfalls eine besondere Verordnung erlassen, und durch solche
den Gang bestimmen, der bei den Theilungen beobachtet werden soll.
Diesemnach wird das Theilungsgeschäft selbst von einem qualifizirten
Oekonomie-Commissair unter Mitwirkung eines Rechtsverständigen besorgt,
und bei entstehender Annahme des Theilungsplans über dessen Beibehaltung
oder Abänderung von einer Commission entschieden, die aus drei
Schiedsrichtern besteht, welche aus der Zahl der von den
Kreiseingesessenen gewählten sachverständigen Kreisverordneten genommen
worden.
Berlin, 14.9.1811
[König] Friedrich
Wilhelm
III.
Hardenberg
Edikt
die Regulirung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse
betreffend
vom 14.9.1811
[Auszug]
Wir
Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen etc. etc.
Thun kund und fügen hiermit zu wissen: [...]
§ 1. Es sollen die
bisher nicht eigenthümlich verliehenen bäuerlichen Besitzungen unter
den, in der gegenwärtigen Verordnung enthaltenen Vorschriften und
Bedingungen in Eigenthum verwandelt und die auf solchen ruhenden
Dienstbarkeiten und Berechtigungen gegen wechselseitige billige
Entschädigungen abgelöset werden. Zur Vermeidung aller Misdeutung und
Unordnung setzen Wir jedoch ausdrücklich fest, daß kein Besitzer dieser
bäuerlichen Nahrungen dies Eigenthum eigenmächtig ergreifen, noch die
bisherigen Verbindlichkeiten zu Leistung und Abführung seiner Dienste und
Abgaben verweigern darf, bis die Abfindung in Gemäßheit der hier
folgenden Vorschriften entweder durch Vergleich oder durch die hiezu
verordneten Behörden bestimmt ist, bei Vermeidung dem, in den Gesetzen
auf unerlaubte Selbsthülfe geordneten Strafen. [...]
Erster Abschnitt: Die
bisher ohne Eigenthum erblichen bäuerlichen Besitzungen betreffend.
[...]
§ 4. Allen jetzigen
Inhabern jener erblichen Bauerhöfe und Besitzungen, sie mögen Ganz-,
Halb-Bauern, Einhüfner odem Kossäthen heißen, oder einen andern
Provinzial-Namen führen, zu geistlichen Domainen, Kämmerei- oder
Privat-Gütern gehören, wird das Eigenthum ihrer Höfe übertragen, unter
der Verpflichtung, die Gutsherrn dafür, wie nachstehend verordnet ist, zu
entschädigen. Unter derselben
Bedingung sollen auch die Naturaldienste, mit alleiniger Ausnahme einiger
im § 16. näher bestimmten Hülfsdienste gegen Entschädigung aufgehoben
werden.
Dagegen soll der Anspruch der Verpflichteten an die Gutsherrschaft auf die
Instandhaltung der Gebäude, und Ertheilung der Hofwehr, auf
Unterstützungen anderer Art und auf Vertretung bei öffentlichen Abgaben
und Lasten ebenfalls aufhören, und ihnen durch Berücksichtigung des
Werths davon bei jenen Ausgleichungen vergütet werden.
Die übrigen Abgaben und Leistungen müssen, wenn es sich thun läßt, bei
der Auseinandersetzung mit ausgeglichen werden. Sie können aber auch
bleiben und es ist nur dahin zu sehen, daß sie, so wie die neue
Entschädigungs-Abgabe, selbst vertheilbar auf die einzelnen Bestandtheile
der Güter gemacht werden, damit sie der Vereinzelung derselben nicht im
Wege sind.
§ 5. Wir wünschen, daß
hiernach die Auseinandersetzung zwischen den Gutsherrn und ihren
bisherigen Unterthanen durch gütliche Vereinigung erfolge, und lassen
ihnen dazu vom Tage dieses Edikts an Zwei Jahre Frist. Kommt sie aber bis
dahin nicht zu Stande; so soll sie auf die in den nächsten §§ zu
bestimmende Weise geschehen und in Ermangelung einer Provokation von
Seiten des Staats erfolgen.
§ 6. Die gewöhnlichen
Gegenstände, welche hiebei zum Grunde liegen, und mithin zur Ausgleichung
kommen, sind:
a) an Rechten von Seiten des Gutsherrn:
1) das Eigenthumsrecht;
2) der Anspruch auf Dienste;
3) die Geld-Naturalabgaben;
4) die Hofwehr;
5) die Berechtigungen oder Servituten auf den Grundstücken;
b) an Rechten von Seiten der
Verpflichteten:
1) der Anspruch auf Unterstützung
bei Unglücksfällen;
2) der Anspruch auf Raff- und Leseholz, oder sonstige Waldberechtigungen;
3) die Verpflichtung des Gutsherrn zum Aufbau und zur Reparatur der
Gebäude;
4) die weitere Verpflichtung, bei entstehendem Unvermögen, die Steuern
und andern öffentlichen Abgaben und Leistungen, zu vertreten;
5) die Hütungs- und Wald-Gerechtsame.
§ 7. Von diesen
Gegenständen sind nur wenige und namentlich blos die Geld- und
Natural-Abgaben, die Hofwehr und die Servituten einer bestimmten oder doch
ziemlich genauen Schätzung fähig. Die übrigen können nur nach
Gutdünken gewürdigt werden, da es dazu an einem sichern Anhalt fehlt.
Dahin gehört vorzüglich
a) das Eigenthums-Recht, welches nach Verschiedenheit der Umstände bald
mehr bald weniger werth seyn kann;
b) der Werth der Dienste, die, wenn sie auch bestimmt sind, doch durch die
Art der Leistung eine ungleiche Nutzung gewähren;
c) Die meisten Leistungen des Gutsherrn, die ihrer Natur nach einmal oft
und viel nöthig werden, ein andermal gar nicht vorkommen, und deren Werth
um so schwerer zu bestimmen ist, da die Vergangenheit wegen des ungleichen
Bedürfnisses und der eben so ungleichen Leistung keinen Maaßstab dazu
darbietet:
d) Der Betrag der Steuer-Vertretung, die ebenfalls in einer Zeit lange
ruhen, zu einer andern aber oft vorkommen kann.
Um nun eine feste Grundlage zur Ausgleichung zu erhalten, und den
wohlthätigen Zweck nicht durch unauflösliche Schwierigkeiten zu
vereiteln, finden Wir nöthig, für jene Gegenstände jetzt noch specielle
Normen zu ertheilen, und solche aus der Verfassung und den dadurch bisher
begründeten allgemeinen Grundsätzen zu entnehmen.
§ 8. Die letzteren
bestimmten,
a) daß bei den erblichen Bauergütern die Gutsherrlichen Abgaben und
Lasten nicht erhöht werden dürfen;
b) daß sie im Gegentheil gemindert werden sollten, wenn der Besitzer
dabei nicht bestehen kann;
c) daß die Höfe in contributionsfähigem Stande erhalten werden müßten.
Hiernach und nach allgemeinen staatswirthschaftlichen, und
staatsrechtlichen Grundsätzen ist das Recht des Staats auf ordentliche
und ausserordentliche Steuern und Leistungen vorherrschend, und die
Leistungen an den Gutsherrn unterliegen der Einschränkung, daß die
Gutsherren den Unterthanen Mittel lassen müssen, selbst bestehen und den
Staat befriedigen zu können.
§ 9. Wir ergänzen
hiemit den bis jetzt fehlenden Begriff dieses Bestehens und der Fähigkeit
zur vollen Steuer-Leistung und setzen ihn dahin fest:
daß beides ausser Zweifel seyn soll, wenn die Gutsherrlichen Abgaben und
Leistungen ½ der sämmtlichen Guts-Nutzungen eines solchen erblichen
Besitzers nicht übersteigen.
§ 10. Es soll daher, mit
Ausnahme der hiernächst zu bemerkenden Fälle, Regel seyn:
daß bei erblichen Besitzern die Gutsherrn für das Eigenthum der Höfe,
für die Dienst- und gewöhnlichen Abgaben davon, abgefunden seyn sollen,
wenn ihnen die Unterthanen den dritten Theil ihrer sämmtlichen
Gutsländereien abtreten, und dabei auf alle außerordentliche
Unterstützungen, Hofwehr, Bauhülfen und auf die Steuer-Vertretung
Verzicht leisten. [...]
§ 12. Es ist zwar
allgemeine Regel, daß die Entschädigung durch ½ der sämmtlichen
Ländereien an Aeckern, Wörthen [umzäumte Grundstücke], Wiesen, Hütung
und Holzung gewährt werden muß; indeß soll den Interessenten frei
stehen, sich auch auf eine Vergütigung in Kapital, oder durch Rente in
Naturalien oder Gelde, zu einigen. [...]
§ 16. Der Hof und dazu
gehörige Garten kömmt nicht zur Theilung, sondern verbleibt den Bauern
ausschließlich. Die Vergütigung deshalb, so wie für die Schaafhütung
auf ½ des Ackers, nach § 14. und für das Brennholz-Material nach §
15., geschieht von Seiten der Bauern:
a) durch alleinige Uebernahme oder vielmehr Beibehaltung der bisherigen
oder künftigen Communal-Lasten;
b) durch einige Hülfsdienste, welche für dringende Bedürfnisse, zum
Beispiel für die Erndte oder Saatzeit etc. vorbehalten werden dürfen,
und bei Gespann-Bauern den Betrag von «zehn dreispännigen Spanntagen,
und zehn Mannes-Handtagen« nicht übersteigen sollen.
Bei bloß Hand-Dienstpfiichtigen werden zehn Mannes-und zehn Frauens-Tage
zugelassen. [...]
§ 23. Wie bald diese
Auseinandersetzungen auch erfolgen mögen; so bewilligen Wir doch zur
Vollziehung eine Frist von vier Jahren, die mit dem ersten Umzugs-Termin
der Dienstleute des Jahres 1812 ihren Anfang nehmen sollen. Diese Zeit ist
nöthig, damit beide Theile Zeit gewinnen, die erforderlichen neuen
wirthschaftlichen Einrichtungen zu treffen. [...]
§ 29. Damit auch die
Vereinzelung nicht durch hypothekamische Schulden erschwert werde, so
setzen Wir hiermit fest:
a) daß die Bauergüter über ¼ ihres Werths mit dergleichen Schulden
niemals belastet werden sollen [...]
Zweiter Abschnitt. Die
bisher nicht erblichen bäuerlichen Besitzungen betreffend.
§ 35. In diese Klasse
gehören diejenigen Höfe, welche von den Gutsherrn an Bauern auf
unbestimmte Zeit, oder auf gewisse Jahre, oder auch auf Lebenszeit gegen
Abgaben, Pächte und Dienste, in Benutzung überlassen worden sind.
Sie unterscheiden sich von den Höfen der Ersten Klasse durch die
willkührliche Wiederbesetzung beim Abgange des Pächters oder
Nutznießers und durch die gewöhnliche, aber oft auch mangelnde Befugniß,
dabei die Abgaben und Leistungen erhöhen zu dürfen. Das Eigenthum des
Gutsherrn unterliegt aber eben so wie bei den erblichen Gütern der
Einschränkung, daß er die Höfe nicht einziehen darf, und daß er sie
mit Personen des Bauernstandes besetzt erhalten muß. Auch ist er
verpflichtet, sie in kontributionsfähigem Stande zu erhalten, und die
Steuern und andere öffentliche Leistungen davon zu vertreten.
§ 36. Dies in Preußen,
Litthauen, Pommern, Ober-Schlesien, der Ucker- und Neumark größtentheils
bestehende Verhältniß, wo der eigentliche Eigenthümer keine directe
Einwirkung auf die Bewirthschaftung und Kultur des Gutes hat, und der
jedesmalige bäurische Inhaber ohne dauerndes Interesse dafür ist, hat
noch größere Nachtheile als das der schon erblichen Güter. Wir können
daher die Fortdauer dieses gemeinschädlichen Verhältnisses nicht
gestatten; sondern wollen, daß ein Anderes konstituirt werde, worüber
Wir Folgendes verordnen:
§ 37. Die Dispositionen des Isten
Abschnitts hinsichtlich der erblichen Bauergüter gelten auch von den
nicht erblichen, mit dem Unterschiede, daß die Gutsherren, wenn keine
gütliche Einigung auf andere Weise erfolgt, berechtigt seyn sollen, die
Hälfte der Besitzungen an Aeckern, Wörthen, Wiesen, Holzung und Hütung
zu ihren Gütern einzuziehen, oder sonst willkührlich darüber zu
disponiren.
§ 38. Die andere Hälfte
muß als freies unbeschränktes Eigenthum [...] an den bisherigen
Nutznießer oder Pächter überlassen werden, wenn gegen dessen
Befähigung und Aufführung nicht diejenigen Einwendungen zu machen sind,
die nach der bisherigen Verfassung zur Exmission aus dem Besitz gesetzlich
berechtigten.
In diesem Falle sowohl, als bei dessen freiwilligen Verzichtleistung auf
die Erwerbung des eigenthümlichen Besitzes, ist der Gutsherr an kein
Subject gebunden, sondern wählt dieses nach eigenem Gutfinden, ohne daß
er jedoch berechtigt ist, sich ein Kaufgeld zu bedingen. [...]
§ 40. Die Ausgleichung
wegen der Hälfte der bäuerlichen Grundstücke soll auf dreierlei Art
zulässig seyn;
A) durch Landtheilung, so, daß jeder Theil wirklich die Hälfte Land
erhält;
B) ohne Landtheilung, durch Vergütung des Nutzungswerths dieser Hälfte
mit einer Körner-Abgabe, die auf das ganze, dem Bauer zu überlassende
Land gelegt und repartirt [verteilt]
wird;
C) durch Verbindung beider Arten der Ausgleichung, indem 1) von den
berechtigten ¾ des Landes, ¾ in natura eingezogen werden, ¾ aber
dadurch vergütet wird, daß die Bauern auf dieses ¾ und die ihnen
zukommenden ¾also auf die ihnen insgesammt verbleibenden ¾ des Ganzen,
eine Körner-Abgabe übernehmen, die vom Morgen Weizen-Acker 4 Metzen,
halb Roggen, halb Hafe; vom Morgen Gersten-Acker erster Klasse 3 Metzen,
zweiter Klasse 2 Metzen, vom Morgen Haferland 1 Metze betragen darf.
§ 41. Nach welcher von
diesen drei Arten die Ausgleichung geschehen soll, bleibt der gütlichen
Einigung überlassen. Kömmt aber solche binnen zwei Jahren, und in
Preußen und Litthauen binnen drei Jahren, vom Tage dieses Edikts an,
nicht zu Stande, so soll der Gutsherrn berechtigt seyn, zu bestimmen,
welcher Weg von jenen dreien gewählt werden soll. [...]
§ 52. Die Regulirung der
Verhältnisse dieses Abschnittes muß
ebenfalls binnen vier Jahren erfolgen, und finden die Vorschriften
des § 23. auch hier Anwendung.
§ 53. Für die Provinzen
Ost- und West-Preußen und Litthauen soll zur Vollendung dieser
Einrichtung eine Frist von sechs Jahren verstattet seyn.
Berlin, 14.9.1811
[König] Friedrich
Wilhelm
III.
Hardenberg
Kircheisen
Deklaration des Edikts vom 14ten
September 1811, wegen Regulirung der gutsberrlichen und bäuerlichen
Verhältnisse
vom 29. Mai 1816
[Auszug]
Artikel 4. Um das
Schwankende des Begriffes der bäuerlichen Stellen zu ergänzen, verordnen
Wir daß den Bestimmungen des Edikts diejenigen bäuerlichen Stellen
unterliegen, bei welchen sich gleichzeitig folgende Eigenschaften finden:
a) daß ihre Hauptbestimmung ist, ihren Inhaber als selbst-ständigen
Ackerwirth zu ernähren;
b) daß sie in den Steuerschlägen der Provinz, überhaupt als bäuerliche
Besitzungen katastrirt sind;
c) in den Normaljahren der Provinz, als in den Marken und Pommern, schon
am iSten Februar 1763., in Schlesien schon vor dem l4ten Juli 1749., in
Ostpreußen und in den resp. Haupt- und Erbhauptämtern, Marienwerder,
Riesenburg, Schönberg und Deutsch-Eylau vor dem Jahre 1752., und
Westpreußen und Ermeland vor dem Jahre 1774. mit besondern bäuerlichen
Wirthen besetzt, und
d) bei Publikation des Edikts vom l4ten September 1811. noch mit der
Verpflichtung für den Gutsbesitzer dieselben mit besondern Wirthen
besetzt zu erhalten, belastet waren.
Artikel 5. Es sind also
davon ausgeschlossen:
a) Die Dienstfamilien-Etablissements im Gegensatze der Ackernahrungen
(Art. 4. a.) Müssen von der Stelle dem Gutsherrn Spanndienste geleistet
werden, oder hat der Besitzer bisher gewöhnlich zu deren Bewirthschaftung
Zugvieh gehalten; so ist sie eine Ackernahrung.
Ist der Besitzer nur zu Handdiensten pflichtig, hat er bisher zur
Bewirthschaftung derselben kein Zugvieh gehalten und ist auch solches zur
Bewirthschschaftung derselben nicht erforderlich; so gehört sie zur
Klasse der Dienst-Etablissements.
b) Die aus Vorwerksland, es sey kultivirtes Land, oder Forstgrund
gebildeten, für sich bestehenden Ackernahrungen;
c) solche Ackernahrungen, welche, obwohl sie nur von dem Umfange sind,
daß deren Wirthe nach landüblicher Wirthschaft mitarbeiten müssen,
dennoch entweder in den Provinzialsteuerrollen als bäuerliche Stellen
nicht katastrirt, oder erst nach der
obengedachten Normalzeit etablirt sind, wenn auch die Besitzer derselben,
gleich den wirklichen Bauern, gutsherrliche und öffentliche Lasten
abführen müssen;
d) diejenigen Höfe, zu deren Einziehung die Regierungen den Konsens
ertheilt haben. [...]
Artikel 7. Pfarr- und
Kirchenländereien, wenn sie gleich in Kultur gegeben, oder verpachtet
sind, desgleichen Pfarrbauerhöfe, unterliegen dem Edikt nicht. [...]
Artikel 9. Wenn gleich
die in diesem § bestimmte Frist zur gütlichen Vereinigung verstrichen
ist; so wollen Wir doch vor der Hand noch die Auseinandersetzungen von
Amtswegen nicht vornehmen lassen. Sobald aber einer von beiden Theilen und
selbst ein dienstpflichtiger Einsasse bei der Generalkommission darauf
anträgt, muß diese sie durch zu ernennende Kommissarien bewirken lassen,
und kann nur eine Suspension der Regulirung in den Fällen statt finden,
wo nach den gesetzlichen Vorschriften eine Suspension des Prozesses statt
findet. Es stehet auch nach wie vor den Interessenten frei, ohne
Mitwirkung der verordneten Behörde, sich gütlich auseinander zu setzen.
Es muß aber in jedem Falle der Auseinandersetzungsprozeß gerichtlich
vollzogen und der Generalkommission zur Prüfung und Bestätigung
eingereicht werden. [...]
Artikel 17. Es muß bei
der Anweisung der Entschädigung in Land möglichst dahin gewirkt werden,
daß der Gutsherr solche, sie bestehe in Acker, Wiesen, Hütung, Wörthen,
Holzung, möglichst im wirthschaftlichen Zusammenhange mit seinen
bisherigen Besitzungen, oder doch, wenn dieses nach örtlichen
Verhältnissen ohne seinen oder der bäuerlichen Interessenten erheblichen
Nachtheil nicht möglich ist, in einem besondern von den Besitzungen der
Bauergemeine abgesonderten Distrikte erhält.
Artikel 18. Es muß dabei
die Güte und Kultur des Bodens berücksichtigt werden. Ein Ausfall in der
Qualität wird durch einen Zusatz in der Quantität, und so umgekehrt, ein
Ausfall an der Quantität, durch bessere Güte ersetzt.
Berlin am 29 ten
Mai 1816
[König] Friedrich
Wilhelm III.
Hardenberg
Kircheisen
Bülow
Schuckmann
Wittgenstein
Boyen
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